Constantin Zimmek: Situationen und Kaufentscheidungen

Was eine Situation ist und welchen Einfluss Situationen auf unser tägliches Verhalten haben ist nicht eindeutig geklärt. Aus unterschiedlichen Fachrichtungen wird der Versuch unternommen, besser zu verstehen wieso sich Konsumenten so Verhalten wie sie es tun. Dabei werden einzelne Situationsfaktoren oder Charaktereigenschaften von Personen untersucht und deren Wirkung auf die Kaufentscheidung hin bewertet. Es fehlt jedoch eine Betrachtung des Phänomens der Situation an sich und welche Wirkung diese auf die Kaufentscheidung von Marken hat.

Der folgende Fachartikel ist ein Versuch sich dem Konstrukt der Situation zu nähern und den Einfluss auf die Kaufentscheidungen von Konsumenten zu verstehen. Dafür wurde sich zunächst dem Begriff der Marke aus der Sicht der Markentheorie genähert, um die Rolle einer Marke bei der Kaufentscheidung zu verstehen, wobei sich herausstellte, dass Marken mehrere Funktionen bei der Produktwahl haben können.

Anschließend wurde das Konstrukt der Situation und ihr Einfluss auf Personen aus zwei gegensätzlichen Perspektiven beleuchtet. Zum einen aus Sicht des erklärenden Paradigmas, das menschliches Verhalten vor allem damit erklärt, dass bestimmte Symbole bestimmtes Verhalten auslösen können und die Situation an sich keine Relevanz hat. Zum anderen aus Sicht des verständigungsorientierten Paradigmas, welches der Sozialisation von Akteuren und der Kommunikation zwischen Akteuren eine große Relevanz zuspricht, da es diesem Verständnis nach keine objektive Realität gibt und die Akteure die Bedeutung der Symbole untereinander aushandeln, wobei die jeweilige Situation eine entscheidende Rolle spielt.

Der Einfluss der Situation auf die Kaufbereitschaft wurde im Rahmen einer Umfrage getestet. Das eindeutige Ergebnis war, dass bestimmte Situationsfaktoren stärker wirken können, als es Charaktereigenschaften tun und das Situationsfaktoren eindeutige Präferenzstrukturen durcheinanderbringen können.

 

Aus Sicht der zwei Paradigmen 

Menschliches Verhalten zu beeinflussen ist die Aufgabe der Markenkommunikation. Konsumenten müssen davon überzeugt werden – bewusst oder unbewusst – bestimmte Produkte haben zu wollen und zu kaufen. Wie eine Beeinflussung am besten funktioniert, in wie fern eine solche Beeinflussung überhaupt möglich ist oder wodurch Konsumenten beeinflusst werden, widmen sich mehrere Forschungsrichtungen. So ist zum Beispiel der amerikanische Professor für Psychologie und Marketing Robert Cialdini der Überzeugung, dass Konsumenten leicht beeinflusst werden können, dafür brauche es nur die richtigen Stimuli (vgl. Cialdini 2010: S. 29). Dies setzt jedoch voraus, dass alle Konsumenten nach dem gleichen Verhaltensprogramm handeln, was folglich bedeuten würde, dass alle Konsumenten in der gleichen Situation sich ähnlich verhalten – was Konsumenten jedoch nicht tun.

                Wenn sich Konsumenten nicht immer gleich Verhalten, gilt es zu klären welche Gründe dafür gefunden werden können und welche Rolle der Faktor Situation spielt. Diese Arbeit interessiert sich besonders für den Faktor Situation und welchen Einfluss eine Situation auf die Markenbewertung – ausgedrückt am Kaufverhalten – hat. Dem Konstrukt einer Situation und dem möglichen Einfluss auf das Verhalten wird sich dabei aus zwei gegensätzlichen Sichtweisen genähert: zum einen aus Sicht des erklärenden Paradigmas und zum anderen aus Sicht des verständigungsorientierten Paradigmas.

                Das erste Paradigma ist das erklärende Paradigma, welches Situationen an sich wenig Aufmerksamkeit schenkt, sondern vielmehr die Wirkung von Symbolen in speziellen Situationen untersucht. Im Rahmen dieses Paradigmas spielen persönliche Charaktereigenschaften, Sozialisation oder andere Persönlichkeitsmerkmale eine geringe Rolle, weil davon ausgegangen wird, dass es eine objektive Wirklichkeit gibt, die von jedem gleich erfahren wird (vgl. Kepplinger 2011: 10). Dieses Verständnis, auch Positivismus genannt, besagt, dass beobachtete Phänomene immer auf Ursache und Wirkung zurückgeführt werden können. Die Existenz eines ‚höheren Wesens‘, sprich eines Gottes, der einen Einfluss auf Phänomene ausübt, wird innerhalb dieses Verständnisses ausgeschlossen. Das Ziel des Positivismus ist es, allgemeingültige Gesetze zu formulieren, mit deren Hilfe vergangenes Verhalten zu erklären und zukünftiges Verhalten vorherzusagen (vgl. Comte 1981: 286). Zusätzlich ist die Kommunikation linear und der Konsument ist eine Black Box, die mit Informationen befüllt und auf bestimmtes Verhalten konditioniert werden kann (vgl. Felser 2015: 68). Das Grundverständnis zeigt sich im fundamentalen Attributionsirrtum von Felser wieder: Der Irrtum besagt, dass Persönlichkeitsmerkmale im Verhalten überschätzt und Situationseinflüsse unterschätzt werden (vgl. Felser 2015: 211). Trotzdem spielt der Faktor der Situation nur indirekt eine Rolle, denn Situationen werden nicht an sich betrachtet, sondern nur indirekt, indem die verwendeten Symbole betrachtet werden. Symbole können durch Unternehmenskommunikation mit einer spezifischen Bedeutung aufgeladen werden und Konsumenten reagieren entsprechend.

                Das verständigungsorientierte Paradigma hingegen betrachtet weitere Einflussfaktoren auf Situationen, da Situationen nicht für jedermann eindeutig sind. Demnach werden Situationen situativ und individuell unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert, wodurch sich unterschiedliches Verhalten der Konsumenten ergibt. Die Wirklichkeit ist somit ein subjektives Konstrukt (vgl. Miebach 2014: 295). Welche Bedeutung eine Situation und die Symbole in ihr haben, lässt sich demnach nicht objektiv bewerten und feststellen. Wie ein Konsument eine Situation wahrnimmt und interpretiert, kann nur anhand seines Anschlussverhalten auf die Situationsfaktoren bewertet werden (vgl. Mead 1973: 182). Damit unterschiedliches Verhalten erklärt und verstanden werden kann, ist es demnach notwendig die Sozialisation von Konsumenten genauer zu betrachten, da die Konsumenten die Bedeutung der Symbole durch Kommunikation mit Anderen lernen und verändern (vgl. Bourdieu 1987: 363 ff.).

                Dieser Fachartikel möchte das Verständnis um den Einfluss von Situationen auf die Markenbewertung erweitern. Dafür wird sich zunächst dem Begriff der Marke genähert und ein Verständnis dafür geschaffen, wieso es Marken gibt und weshalb sie Konsumenten helfen. Nachdem der Begriff der Marke definiert und Konsumverhalten aus Sicht der Markentheorie diskutiert worden ist, wird sich dem Konstrukt der Situation und dem Einfluss der Situation auf Kaufentscheidungen genährt. Der Fachartikel soll den Stand der Forschung zum einen dahingehend erweitern, als das ein klareres Verständnis von dem Konstrukt der Situation geschaffen wird und zum anderen, ob und wenn ja welche Situationsfaktoren einen Einfluss auf die Markenbewertung haben.

                Um die genannten Punkte zu klären wurde eine Onlineumfrage durchgeführt, die den Einfluss verschiedener Situationsfaktoren auf die Kaufbereitschaft von Konsumenten misst. Betrachtet wurden dabei die Situationsfaktoren: Einkaufsituation, Verbrauchssituation und das zu kaufende Produkt. Die Probanden wurden retroperspektiv in zwei Handlungstypen unterteilt (Homo Oeconomicus und Homo Soziologicus), anhand der beiden Handlungstypen konnte anschließend der Einfluss der Situationsfaktoren gemessen und bewertet werden.

Marken

Marken spielen in der heutigen Lebenswelt eine entscheidende Rolle bei der Auswahl von Produkten, da sie in Anbetracht von Regalen mit ähnlichen und austauschbaren Produkten Orientierung geben können und risikominimierend sind (vgl. Baumgarth 2014: 2). Ist ein Konsument in seiner Kaufentscheidung unsicher und sind nicht alle notwendigen Informationen über das Produkt verfügbar, greift er lieber zu einer ihm bekannten Marke (vgl. Bekmeier-Feuerhahn 1998: 93). Nachdem der Nutzen einer Marke deutlich gemacht wurde, muss noch definiert werden, was eine Marke ist. In diesem Fachartikel wird der Definition von Burmann gefolgt, der eine Marke wie folgt definiert: „Ein Bündel aus funktionalen und nicht-funktionalen Nutzen, deren Ausgestaltung sich aus Sicht der Zielgruppen der Marke nachhaltig gegenüber konkurrierenden Angeboten differenziert.“ (Burmann 2015: 28)

Situation – was ist das?

                Die Forschung hat bisher wenig Erkenntnisse in Bezug auf Situationen an sich geliefert. Dies mag daran liegen, dass die ‚Logik der Situation’ schwer zu theoretisieren und somit schwer zu messen ist (vgl. Schimank 2016: 25). Dennoch, lässt sich die bisherige Forschung, die sich indirekt der Wirkung von Situation gewidmet hat, in zwei Kategorien einteilen: in der ersten Kategorie werden einzelne Situationsfaktoren gemessen. Dafür eignet sich besonders die quantitative Forschung und da es sich um einen naturwissenschaftlichen Ansatz handelt, wird meist deduktiv geforscht (vgl. Cialdini 2010: 24 ff.). In diesen Fällen wird folgendermaßen vorgegangen: zu Beginn wird ein Gesetz formuliert, das menschliches Verhalten erklären soll. Daraufhin werden Hypothesen aufgestellt, die in der Realität getestet und falsifiziert beziehungsweise verifiziert werden (vgl. Popper 1981: 352 f.). In den Naturwissenschaften ist es gängige Praxis, unter kontrollierten Bedingungen zu forschen. In einer definierten Versuchsanordnung werden möglichst alle störenden Variablen ausgeschlossen und nur die zu untersuchenden betrachtet. Lässt sich eine signifikante Wirkungskette zwischen zwei Variablen finden, spricht man von einer Kausalität. Vertreter des erklärenden Wirkungsparadigmas haben diese Praxis aus den Naturwissenschaften übernommen und auf die Soziologie übertragen. Aus Sicht der Naturwissenschaften ist der Mensch ein Organismus, dessen Verhaltensweisen erforscht werden kann (vgl. Schimank 2016: 50).

                Ein Vertreter dieser Vorgehensweise ist der bereits erwähnte Robert Cialdini. Er ist der Überzeugung, dass Akteure in ihrem Verhalten stark beeinflusst werden können. Für eine erfolgreiche Beeinflussung braucht es nach Cialdini sechs Prinzipien: Reziprozität, Commitment und Konsistenz, soziale Bewährtheit, Sympathie, Autorität und Knappheit (vgl. Cialdini 2010: 19). Mit diesem Ansatz ist er ein überzeugter Vertreter des Stimulus-Organismus-Response Modells, da sich seiner Meinung nach Konsumenten ‚mechanisch’ verhalten. Viele seiner Begründungen und Erklärungen entstammen der Ethologie (Verhaltensforschung) und der Tierforschung. Die Kernthese besteht darin, dass einzelne Faktoren, sogenannte ‚Trigger‘, beim Menschen ein bestimmtes Verhalten auslösen – unabhängig von drittvariablen. Nur eine einzige Information in einer bestimmten Situation reiche aus, um ein definiertes Handlungsmuster auszulösen. Der Grund, wieso solche Schlüsselreize funktionieren, liege darin, dass der Mensch komplexe und anstrengende Überlegungen letztlich vermeiden möchte, da die meisten Akteure heutzutage zu beschäftigt, zu gestresst und mental zu erschöpft seien, um wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen (vgl. Cialdini 2010: 29 ff.). Diese ‚mentalen Abkürzungen‘ nutze ein Akteur aus Gründen der Effizienz und Ökonomie. Cialdini merkt aber auch an, dass dieses Verhalten bestimmte Nachteile hervorruft, da sich ein Akteur deshalb auch leicht beeinflussen lässt (vgl. Cialdini 2010: 38 f.). Die Masse an Informationen innerhalb einer Situation und die hohe Geschwindigkeit, in der eine Situation analysiert werden muss, machen es notwendig, sich auf Stereotype und Faustregeln zu verlassen. Aus diesen Gründen zieht Cialdini daraus die Schlussfolgerung, dass selbst einzelne Situationsmerkmale reichen, um das Verhalten von Konsumenten zu beeinflussen (vgl. Cialdini 2010: 22 f.).

                Woher Faustregeln kommen, ob sie kulturell unterschiedlich sind oder wie Stereotype entstehen, dem geht Cialdini nicht nach. Es fehlt in seiner Theorie eine Differenzierung in Kulturen, Gesellschaftsschichten, Persönlichkeitsmerkmale, Rollen oder situative Unterschiede. Insgesamt kann gesagt werden, dass sich die Theorie von Cialdini auf menschliche Heuristiken stützt – ähnlich wie bei Daniel Kahneman (vgl. Kahneman 2014: 127). Cialdini ist sich der Dynamik einer Situation zwar durchaus bewusst, jedoch führt er das Verhalten von Akteuren nicht auf die Situationseigenschaften zurück, sondern vielmehr auf menschliche Denkfehler. Erst die bewusste und gezielte Beeinflussung, beispielsweise durch andere Organismen oder durch Werbung, könne Nachteile für die beeinflusste Person mit sich bringen. Es mag nun der Eindruck entstehen, dass Cialdini das Verhalten von Akteuren als einfach und ‚dumm‘ bewertete. Tatsächlich ist er aber davon überzeugt, dass die meisten dieser mentalen Abkürzungen sehr gut funktionieren und deshalb durchaus ihre Berechtigung haben. Solche Abkürzungen bringen auf das ganze Leben verteilt überwiegend ‚gute Ergebnisse‘, können aber auch in einzelnen Situationen zu ‚schlechten Ergebnissen‘ führen (vgl. Cialdini 2010: 27).

                Cialdini wird dafür kritisiert, dass er sich nicht auf die Suche nach den Gründen der Wirkung seiner Methoden macht. Findet er einen funktionierenden Stimulus, genügt es ihm, diesen in einem quantitativen Experiment zu beweisen. Ob es sich hierbei um signifikante Ergebnisse handelt, wird nicht immer überprüft. Teilweise begründet er die Wirkung seiner Theorien mit einfachen Geschichten, ohne jedoch den wissenschaftlichen Beweis der Wirkung anzutreten. Zusätzlich vernachlässigt er jegliche drittvariablen wie Kultur, Religion, sozioökonomische Einflüsse usw. (Vgl. Cialdini 2010: 33). Aus diesem Grund sind manche Schlussfolgerungen von Cialdini kritisch zu hinterfragen. So widersprechen die beiden Soziologen Schmid und Lyczek den Annahmen von Cialdini: Ihrer Meinung nach ist die Bedeutung der Symbole nicht statisch und für jedermann eindeutig und gleich. Vielmehr befinden sich Akteure im ständigen Austausch darüber, welche Bedeutung bestimmte Symbolen haben, wodurch sich die Bedeutung dieser wandeln kann (vgl. Schmid/Lyczek 2006: 6 ff.). Folgt man dem Verständnis von Schmid und Lyczek ist es nicht mehr einfach Konsumenten zu bestimmten Verhalten zu bewegen.

                Die zweite Kategorie die sich mit dem Verhalten von Akteuren in Situationen und deren Einfluss beschäftigt hat, forschten überwiegend qualitativ und können dem verständigungsorientierten Paradigma zugeordnet werden. Der Soziologe Schimank ist davon überzeugt, dass die Betrachtung der Situation aus Sicht des erklärenden Paradigmas zu selektiv ist, um der komplexen Welt gerecht zu werden. Die Erkenntnisse, die aus dieser selektiven und eingrenzenden Sichtweise stammen, seien nur teilweise hilfreich um Konsumverhalten in speziellen Situation zu erklären. Der Fokus auf einzelne kausale Zusammenhänge oder Korrelationen werde den individuellen Unterschieden und Interpretationsmöglichkeiten nicht gerecht. Zusätzlich sei die Annahme einer linearen Wirkungskette von Kommunikation zu undifferenziert (vgl. Schimank 2016: 25). Die Forschung durch qualitative Erhebungen hatten vor allem das Ziel Wissen über die Sozialisation und die Persönlichkeitsmerkmale von Akteuren zu gewinnen. Anhand der Forschung und den daraus gewonnenen Theorien, wurde versucht das Verhalten von Konsumenten in speziellen Situationen zu erklären. Denn, so fasst Goffman die Bedeutung von Situationen zusammen: „Es geht hier als nicht um Menschen und ihre Situationen, sondern eher um Situationen und ihre Menschen“ (Goffman 1986: 9). Berger und Luckmann ergänzen dazu, dass Situationen „im höchsten Grade flexible “ seien (Berger/Luckmann 2010: 29), wodurch sich im Laufe von Situationen ständig neue Handlungsoptionen öffnen und schließen (vgl. Schimank 2016: 25).

                Dadurch, dass die Bedeutung der Symbole unterschiedlich ist, sei es nicht sinnvoll die Symbole zum Gegenstand der Forschung der Forschung zu machen. Vielmehr sieht sich der verständigungsorien-tierte Ansatz in dem Bemühen, die Wirkung von Situationen anhand der Anschlusshandlungen von Subjekten zu verstehen. Aus Sicht des verständigungsorientierten Paradigmas ist die Bedeutung der Symbole nicht eindeutig und klar, denn die Bedeutung der Symbole wird durch intersubjektive Kommunikation ausgehandelt (vgl. Goffman 1973: 73).

                Für Marken bedeutet das, dass die Bedeutung einer Marke nicht alleine der Deutungshoheit der jeweiligen Unternehmen und ihrer Kommunikation unterliegt. Zwar kann die Unternehmenskommunikation einen Beitrag dazu leisten, dennoch haben auch die Konsumenten einen großen Anteil an der Bedeutung von Marken. Die Kommunikation ist im Vergleich zum erklärenden Paradigma nicht linear, und die Bedeutung der Symbole ist keineswegs eindeutig. Damit verstanden werden kann, welche Bedeutung Konsumenten Symbolen geben, muss das Verhalten innerhalb von Situationen betrachtet werden (vgl. Reichertz 2009: 101).

                Besonders deutlich wird die Theorie der subjektiven Wahrnehmung im Thomas Theorem: „If men define situations as real they are real in their consequences.“ (Thomas 1928: 572). Demnach be-stimmt nicht der Sender die Bedeutung, sondern derjenige der die Symbole und die Situation deutet. Das Thomas-Theorem thematisiert, dass Menschen stets die jeweilige Situation interpretieren und dass bei diesem Prozess als Ergebnis unterschiedliche Interpretationen möglich sind. Erst dadurch, dass sie ihre eigene Interpretation als wahr annehmen und sich dementsprechend verhalten, wird die vorherige Situation ‚real‘. Wie eine Situation definiert und interpretiert wird, zeigt sich daran, welche Anschlusshandlungen folgen. Denn welche Situationsfaktoren als relevant empfunden wurden, kann aus der gewählten Handlungsoption eines Konsumenten geschlossen werden (vgl. Schimank 2016: 21).

Die Annahme erschwert jedoch Unternehmen die Gestaltung der eigenen Geschäfte und Point of Sales, da sie nicht davon ausgehen können, dass Konsumenten die Situation gleich interpretieren werden. Konsumentenverhalten zu steuern ist demnach deutlich schwieriger als aus Sicht des erklärenden Paradigmas.

                Der Soziologe Pierre Bourdieu entwickelte mit seiner Aufstellung des Habitus eine Theorie der Praxis (vgl. Janning 1991: 8). Bourdieus Theorie ist deshalb so praxisorientiert, da es durch sie möglich ist, alltägliches Verhalten von Akteuren zu beurteilen. Bourdieu versucht, seine Theorie zwischen dem Subjektivismus und dem Objektivismus anzuordnen, indem er eine Verbindung zwischen dem einzelnen Akteur und der Gesellschaft aufzeigen will. Der einzelne Akteur wird dabei vor allem durch seinen Habitus gelenkt. Den Habitus beschreibt Bourdieu wie folgt: Systeme dauerhafter Dispositionen, strukturierte Strukturen, die geeignet sind, als strukturierende Strukturen zu wirken, mit anderen Worten: als Erzeugungs- und Strukturierungsprinzip von Praxisformen und Repräsentationen (Bourdieu 2009: 167).

                Der Habitus ist daher vor allem ein Dispositionssystem, das als Strukturgeber fungiert, wobei inner-halb des Habitus die Kapitalien existieren, nämlich das ökonomische Kapital, das soziale Kapital und das kulturelle Kapital (vgl. Bourdieu 2014: 146 ff.). Die jeweilige Bedeutung der Kapitalien entsteht dabei aus der Interpretation der anderen Akteure. Aus praktischer Sicht bringt der Habitus den Geschmack hervor, ist dabei jedoch nicht angeboren, vielmehr ist er ein soziales Konstrukt, das sich aus gesellschaftlichen, historischen und kulturellen Einflüssen entwickelt. So besteht vor allem für alltägliche Handlungen, die regelmäßig durchgeführt werden, ein systematisiertes Handlungsschema. Der Habitus hilft bei der Beurteilung von Produkten und wird sichtbar, beispielsweise in der Einrichtung, in getragener Kleidung und gehörter Musik aus, wobei der Habitus in diesem Fall als Geschmack bezeichnet werden kann (vgl. Bourdieu 2009: 277 ff.). Demnach werden Konsumenten intensiv durch ihre Sozialisation in ihrem Geschmack und folglich ihrem Kaufverhalten geprägt. Unternehmenskommunikation hat es dieser Auffassung nach schwer, Konsumenten davon zu überzeugen ihr Verhalten zu ändern.

                Bourdieu ist der Überzeugung, dass sich ein Akteur die meiste Zeit nicht rational (bewusst) verhält. In alltäglichen Situationen können sich die Akteure dennoch problemlos bewegen, da sie ohne bewusstes Reflektieren zurechtkommen. Der Habitus arbeitet die meiste Zeit „mit der automatischen Sicherheit eines Instinktes“ (Bourdieu 2009: 165). Dabei fungiert er als das Bindeglied zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Der Habitus erlaubt dem Individuum, sich angemessen sozial zu verhalten. Diesen funktionellen Nutzen des Habitus nennt Bourdieu den ‚praktischen Sinn‘, der dem Akteur ermöglicht, sich „stehts zur richtigen Zeit, am richtigen Ort die richtigen Aktionen bzw. Reaktionen an den Tag zu legen“ (Lenger et al. 2013: 45). Folgt man dieser Argumentation findet der Konsum von Produkten und Marken nicht bewusst oder überlegt statt, vielmehr handelt ein Akteur gesteuert durch seinen Habitus. Doch was bedeutet das für Unternehmen, die Konsumenten am Point of Sale beeinflussen möchten?  Der deutsche Soziologe Frank Janning ist der Überzeugung, dass eine spezielle Situation bestimmte Verhaltensweisen aktiviert, die der Einzelne durch die Sozialisation erlernt hat. Verhalten in Situationen sei somit Ausdruck der persönlichen und kollektiven, sowie historischen Entwicklung eines Individuums und einer Gesellschaft (vgl. Janning 1991: 119).

                Der Ansatz von Bourdieu wird jedoch dahingehend vom Soziologen Reckwitz kritisiert, dass es dem Modell an Flexibilität fehlt. Der Habitus sei ein starres Konstrukt und dem Individuum fehle es an Möglichkeiten sich zu reflektieren und zu entwickeln. Zudem sei die Unterteilung der Gesellschaft in kastenähnliche Gebilde nicht mehr zeitgemäß und die Erklärung von wechselhaftem oder veränderten Kaufverhalten werde durch den starren Habitus schwierig (vgl. Reckwitz 2000: 362). Ähnlicher Meinung ist der Soziologe Reichertz, der die Theorie von Bourdieu dahingehend kritisiert, dass seiner Meinung nach Konsumenten sehr wohl dazu fähig seien ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und bewusst zu steuern, wodurch sie ihr Verhalten in Situationen bewusst beeinflussen und steuern könnten (vgl. Reichertz 2009: 109).

                Beide Ansätze, das erklärende und das verständigungsorientierte Paradigma, haben folglich ihre Stärken und ihre Schwächen, Verhalten von Akteuren in bestimmten Situationen zu erklären. Zusätzlich können beide nicht widerspruchsfreie Erklärungen zum Einfluss von Situationen liefern. Dennoch wurde durch beide deutlich, dass Situationen einen Einfluss auf das Verhalten haben können. Damit Situationen und ihr Einfluss auf die Markenbewertung genauer verstanden werden kann, wurde eine Onlineumfrage durchgeführt.

Die Handlungsakteure

Um das Verhalten von Akteuren in Situationen erklären zu können, bedarf es Handlungsakteuren deren Entscheidungspräferenzen bekannt sind. Diesen Akteuren können dann die Probanden der Umfrage zugeordnet werden, um deren Entscheidungen anhand der bekannten Verhaltensstrukturen zu erklären und zu verstehen. Im Rahmen der Umfrage wurde die Markenbewertung anhand der Bereitschaft ein Produkt bei einer bestimmten Marke zu kaufen analysiert. Die Forschungsfrage, die der Umfrage zugrundet liegt lautet wie folgt: Welche Relevanz hat die Situation in der Markenbewertung? Im Rahmen der Operationalisierung wurden zwei idealtypische Handlungstypen definiert.

                Zum einen der Homo Oeconomicus, der auf die Evolutionstheorie zurückgeht, wonach sich nur der stärkste und egoistischste durchsetze (vgl. von Nell/Klufeld 2006: 17). Für den Rest dieser Arbeit soll dem Verständnis vom Homo Oeconomicus von Nehring gefolgt werden, der den Akteuren folgende Eigenschaften zuweist: sie seien zweckrational, frei und nutzenmaximieren (vgl. Nehring 2011: 37 ff.). Situative Unterschiede spielen für den Homo Oeconomicus keine Rolle, er ist in seinen Entscheidungen konsistent und eine externe Beeinflussung findet nicht statt.

                Zum anderen der Homo Soziologicus, der seinen Ursprung in der Soziologie hat und laut Dahrendorf aus zweierlei Gründen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat: zum einen haben die Sozialwissenschaften in den letzten Jahrzenten an Bedeutung gewonnen und zum anderen, dass dieser Handlungstyp das Verhalten von Konsumenten in vielerlei Hinsicht schlüssiger erklären kann als der Homo Oeconomicus (vgl. Dahrendorf 2006: 20). Den Kern des Homo Soziologicus drückt Schimank wie folgt aus: „Der Einzelne wählt sein Handeln in Orientierung an vorgegeben sozialen Normen.“ (Schimank 2016: 26) Dies macht diesen Handlungsakteur anfällig für situative Gegebenheiten wodurch sich unterschiedliches Verhalten ergibt. Der Homo Soziologicus ist kein rationaler Entscheider, der alle Informationen bezüglich eines Produktes sammelt und dann die für ihn persönlich nutzenmaximierende Entscheidung trifft. Vielmehr ist er eingebettet in ein interdependentes System aus Erwartungen und verschiedenen Rollen, wodurch persönliche Kosten- und Nutzenabwägungen in den Hintergrund treten. Der Mensch ist zum integrierten Teil der soziologischen Gesellschaft geworden, in der er lebt und entsprechend handelt. Die Gesellschaft wird für Dahrendorf so zu einer „ärgerlichen Tatsache“ (Dahrendorf 2006: 14).

Die Umfrage

Ziel der Umfrage war es herauszufinden welche Situationsfaktoren eine und wenn ja welche Rolle bei der Markenbewertung spielen. Aus der Forschungsfrage wurden zwei Hypothesen abgeleitet. Die Aufstellung der Hypothesen erfolgte deduktiv-nomologisch (vgl. Heller 2012: 14):

1)  Wenn ein Proband dem Handlungstyp Homo Oeconomicus zugeordnet werden kann, dann variiert die Kaufentscheidung in Abhängigkeit von der Situation nicht.
2)  Wenn ein Proband dem Handlungstyp Homo Soziologicus zugeordnet werden kann, dann variiert die Kaufentscheidung in Abhängigkeit von der Situation.

Die Hypothesen wurden auf diese Weise formuliert, weil ein Zusammenhang zwischen dem Hand-lungstypen und dem Einfluss der Situation vermutet wurde. Der Homo Oeconomicus sollte dabei seine Entscheidung unabhängig von Situationsfaktoren treffen und beständig entscheiden. Im Ge-gensatz zum Homo Soziologicus, der situativ entscheidet und sich durch verschiedenen Situationsfaktoren unterschiedlich stark beeinflussen lassen wird.

Die Faktor Situation wurde in drei unterschiedliche Situationsmerkmale unterteilt:
1) Die Einkaufssituation
2) Die Verbrauchssituation
3) Das zu kaufende Produkt

                Die Einkaufssituation wird durch den Vergleich von Supermarkt und Discounter operationalisiert. Der Supermarkt (repräsentiert durch Edeka und Rewe) steht in diesem Zusammenhang für die teure Einkaufssituation und der Discounter (Aldi und Lidl) für die günstige Einkaufsmöglichkeit. Die Verbrauchssituation wird dahingehend differenziert, dass entweder für den Besuch der Schwiegereltern, der Freunde oder für den eigenen Verbrauch eingekauft werden soll. Eine Unterscheidung in Schwiegereltern, Freunde und sich selbst wurde gemacht, da davon auszugehen ist, dass die Personen einen Einfluss auf das Kaufverhalten haben können. Die Wirkung der Besucher Schwiegereltern auf das Kaufverhalten wurde im Vorhinein als am stärksten betrachtet, da ein Abendessen mit den Schwiegereltern keine alltägliche Essenssituation darstellt. Wenn Freunde zum Essen kommen, ist dies im Gegensatz zu dem Besuch der Schwiegereltern entspannter. Nichtsdestotrotz findet eine Bewertung der Lebensmittel durch die Freunde statt. Wer für sich selbst einkauft und alleine isst, ist nicht in der Situation, dass sein Verhalten bewertet wird. Folglich ist davon auszugehen, dass sich das Verhalten von den anderen beiden Situationen unterscheiden wird.

                Die Produkte Pralinen, Wasser und Wein wurden ausgewählt, weil vor allem Pralinen und Wein bei einem Abendessen öffentlich präsentiert werden. Bei diesen beiden Produkten ist davon auszuge-hen, dass es einen qualitativen und preislichen Unterschied gibt, je nachdem, ob es sich um ein Markenprodukt (aus dem Supermarkt) oder um ein Produkt eines unbekannten Herstellers handelt (aus dem Discounter). Es ist anzunehmen, dass das Markenprodukt aus dem Supermarkt eine andere Symbolik hat als das no-Name- Produkt aus dem Discounter. Wasser stellt im Rahmen dieser Umfrage ein neutrales Produkt dar. Es wird angenommen, dass es keinen Unterschied in der Qualität von Wasser gibt, deshalb ist die Marke und der Ort des Kaufens unbedeutend. Zusätzlich geht von diesem Produkt keine oder wenn dann nur eine sehr geringe symbolische Markenwirkung aus.

                An der Umfrage nahmen 120 Personen teil. Die Ergebnisse sind in Bezug auf die Hypothesen wie folgt auszuwerten: Die erste Hypothese konnte widerlegt und die zweite Hypothese konnte bestätigt werden. Probanden, die dem Homo Oeconomicus zugeordnet wurden und eigentlich hätten unempfindlich gegen situative Einflüsse sein sollen, ließen sich in signifikantem Ausmaß durch Situationsfaktoren beeinflussen. Besonders die Faktoren Schwiegereltern, Pralinen und Wein veranlassten die Probanden dazu, sich signifikant situativ unterschiedlich zu entscheiden. Die Probanden schienen sich der unterschiedlichen Bedeutung der Marken bewusst zu sein und an den unterschiedlichen Erwartungen der Gäste an ein Abendessen zu orientieren. Handlungsakteure des Homo Oeconomicus konnten durch alle drei Situationsfaktoren von ihrer eigentlichen Kaufbereit abgebracht werden. Die Einkaufssituation, die Verbrauchssituation und das zu kaufende Produkt spielen folglich eine entscheidende Rolle für Konsumenten.

                Handlungsakteure des Homo Soziologicus verhielten sich wie erwartet nämlich, dass sich bei der Entscheidung wo welche Produkte zu kaufen sind, nach den jeweiligen Rollenerwartungen gerichtet wurden. Aufgrund der Auswertung der Daten kann gesagt werden, dass der Homo Soziologicus in jeder Situation signifikant lieber im Supermarkt als im Discounter einkauft. Nur wenn es um das Produkt Wasser geht, unterscheidet er nicht signifikant. Dies bestätigt eine weitere Überlegung im Rahmen dieser Arbeit nämlich, dass Wasser ein Produkt ist, das nicht stark differenziert betrachtet wird. Die Wahrnehmung zwischen dem Markenwasser und dem günstigen Discounterwasser ist nicht signifikant – jedenfalls in dieser Situation. Die Probanden zeigten situativ unterschiedliches Verhalten und ließen sich durch verschiedene Situationsfaktoren in ihren Kaufpräferenzen beeinflussen. Dies funktionierte sowohl auf der Ebene der Kaufsituation als auch auf der Ebene der Verbrauchssituation und ebenso auf der Ebene der Produktunterschiede.

                Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass eine vermeintlich einfache und deutliche Situation – kaufe etwas zu Essen ein – unterschiedlich interpretiert werden kann und dementsprechend die Anschlusshandlungen unterschiedlich sind. Dies bestätigt vor allem die Theorien des verständigungsorientierten Paradigmas, zusätzlich kann aber auch die Annahme des erklärenden Paradigmas bestätigt werden, dass Charaktereigenschaften weniger wichtig sind, als vom verständigungsorientierten Paradigma angenommen. Wie Felser im fundamentalen Situationsirrtum aufzeigt, dass Charaktereigenschaften überschätzt und die Situations-eigenschaften unterschätzt werden (vgl. Felser 2015: 211).

                Die Forschungsmethode kann dahingehend kritisiert werden, dass da davon ausgegangen wurde, dass alle Probanden die Situationen und die zu kaufenden Produkte gleich bewerten werden würden. Davon kann jedoch aus Sicht des verständigungsorientierten Paradigmas nicht ausgegangen werden. Zusätzlich ist zweifelhaft inwiefern alle Konsumenten zwei idealtypischen Handlungsakteuren zugeordnet werden können, da die Realität doch weit vielfältiger ist. Der Umfang der Studie ist zu klein, um daraus Verallgemeinerungen zu machen, dennoch kann gesagt werden, dass wenn ein Konsument einem der beiden Handlungsakteure zugeordnet werden kann, dass dieser sich genauso verhalten würde, wie die Probanden der Studie.

                Der Fokus auf einzelne kausale Zusammenhänge oder Korrelationen werde den individuellen Unterschieden und Interpretationsmöglichkeiten nicht gerecht. Zusätzlich sei die Annahme einer linearen Wirkungskette von Kommunikation zu undifferenziert (vgl. Schimank 2016: 25). Nichtdestotrotz bestätigt die durchgeführte Studie die Relevanz der Situation in der Markenbewertung, nämlich dahingehend, dass Konsumenten mal den Supermarkt und mal den Discounter als passende Marke empfanden.

Hohe Relevanz

Dieser Fachartikel konnte die Forschungsfrage, die diesem Fachartikel zugrunde liegt, eindeutig damit beantworten, dass die Relevanz der Situation in der Markenbewertung hoch ist. Die Zustimmung für den Kauf im Supermarkt war vor allem dann gegeben, wenn Gäste (Schwiegereltern und Freunde) zu Besuch kamen und öffentlich konsumierte Güter gekauft werden sollten. Die Situationseigenschaften übten folglich einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Probanden aus. Interessant dabei, dass nicht nur die Probanden des Homo Soziologicus wie erwartet sich beeinflussen ließen, sondern dass auch Probanden des Homo Oeconomicus beeinflusst werden konnten. Die veränderte Kaufbereitschaft konnte in dieser Umfrage mehrfach signifikant bestätigt werden. Dabei veränderten die Situationseigenschaften Pralinen und Schwiegereltern besonders auffällig das Verhalten. Beim Produkt Wasser konnte kein Unterschied zwischen Supermarkt und Discounter festgestellt werden.

                Die aus Sicht des verständigungsorientierten Paradigmas aufgestellte Theorie, dass der durch Sozialisation geprägte Habitus den Akteur bei seinen Entscheidungen entscheidend beeinflusst konnte widerlegt werden. Es ist davon auszugehen, dass nicht alle Probanden der Umfrage gleich Sozialisiert wurden, wobei für eine Bestätigung dieser These weitere sozio-ökonomische Daten erhoben werden müssten, dies könnte im Rahmen von qualitativen Interviews nach der Umfrage geschehen. Die Forschungsergebnisse lassen dennoch keinen Zweifel an dem Einfluss von Situationen oder bestimmten Situationsfaktoren an der Markenbewertung. Woher das Wissen kommt, wann ein Einkauf im Supermarkt und wann im Discounter angebracht ist, kann aus Sicht des verständigungsorientierten Paradigmas mit der Sozialisation erklärt werden.

Nach Cialdini und anderen Vertretern des erklärenden Paradigmas waren es die gezeigten Markenlogos der Supermärkte und der Discounter, die bei den Probanden bestimmtes Verhalten getriggert haben. Zusätzlich könnten die Konsumenten durch Unternehmenskommunikation die unterschiedliche Bedeutung der Marken gelernt haben. Es kann dem fundamentalen Attributionsirrtum von Georg Felser zugestimmt werden, dass Charaktereigenschaften überschätzt und Situationsfaktoren unterschätzt werden. Zwar wirken Situationsfaktoren unterschiedlich stark, jedoch wirken sie auch auf Personen, die charakterlich resistent gegen Beeinflussung sein sollten. Sowohl die unterschiedlichen Situationsfaktoren, als auch die verschiedenen Produkte (ausgenommen Wasser), beeinflussten die Probanden in ihrer Kaufbereitschaft.

                Die in diesem Fachartikel gewonnen Erkenntnisse, können aus Sicht der Wirtschaft und der Unter-nehmenskommunikation unterschiedlich gewertet werden. So muss festgestellt werden, dass Konsumenten die gezeigten Marken vom Supermarkt und Discounter unterschiedlich wahrgenommen wurden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Unterscheidung durch Kommunikation mit anderen Konsumenten und durch Unternehmenskommunikation entstanden ist. Unternehmen sollten vermehrt darauf achten die unterschiedlichen Situationen in denen sich Konsumenten befinden zu berücksichtigen. In gewissem Rahmen geschieht dies bereits, zum Beispiel dann, wenn Geschäfte zur Weihnachtszeit anders dekoriert sind als zu Ostern oder zur Fußballweltmeisterschaft. Damit Marken jedoch funktionieren und als Orientierung dienen können, muss eine eindeutige Unterscheidung möglich sein. Besonders in Märkten, in denen Produkte mit dem gleich oder ähnlichen nutzen angeboten werden, dürfen Marken nicht die gleiche symbolische Bedeutung haben. Im Jahr 2009 veröffentlichte die Firma ‚Batten & Company’ eine Studie, die ermittelte, dass 64% der Konsumenten die Marken auf dem Markt für austauschbar halten (vgl. Baumgarth 2014: 18). Die ist weder aus Sicht von Unternehmen noch aus Sicht von Konsumenten eine gute Nachricht. Ein möglicher Ausweg ist das Marken mit bestimmten Situationen und Situationsmerkmalen verknüpft werden. Als Beispiel sei an dieser Stelle eine Packung Pralinen der Marke „Merci“ als Zeichen der Dankbarkeit genannt.

Literaturverzeichnis

Baumgarth, Carsten [2014]. Markentheorien, Markenwirkungen, Markenführung, Markencontrolling, Markenkontext. Wiesbaden.

Burmann, Christoph/ Meffert, H. [2005]. Gestaltung von Markenarchitekturen. In Meffert, H./Burmann. C./Koers, M. (Hrsg.): Markenmanagement. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Wiesbaden.

Bekmeier-Feuerhahn, Sigrid [1998]. Marktorientierte Markenbewertung. Eine konsumenten- und unternehmensbezogene Betrachtung. Wiesbaden.

Berger, Peter/Luckmann, Thomas [2010]. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main.

Bourdieu, Pierre [2014]. Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main.

Bourdieu, Pierre [2009]. Entwurf einer Theorie der Praxis: auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt am Main.

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