Corinna Becker: Die Tribunalisierung der Markenbedeutung

Wer bestimmt über die Bedeutung von Marken? Entsteht sie ausschließlich in der Interaktion zwischen Nachfrager und Anbieter, wie es der Fokus im Marketing nahelegt. Dabei wird der Austausch der Kunden untereinander vernachlässigt. Haben nun Unternehmen und ihre Marketingabteilungen die Bedeutungen ihrer Marken tatsächlich in Händen oder generiert in erster Linie der Diskurs zwischen den Konsumenten, die des ständigen Werbedrucks überdrüssig sind, die Bedeutung einer Marke? Die daraus ableitende Forschungsfrage lautet: Ist Customer Relationship Management überhaupt (noch) sinnvoll? Im heutigen kulturkapitalistischen Zeitalter steht nicht ausschließlich der funktionale Nutzen eines Produkts im Vordergrund, sondern das Bedürfnis nach Singularität sowie die mit dem Konsum verknüpften fiktionalen Erwartungen erweisen sich als treibende Kräfte ökonomischer Dynamik. Was finden Konsumenten, die in wohlhabenden Überflussgesellschaften leben, an Produkten anziehend, damit sie zum Kauf motiviert werden? Vor dem Hintergrund einer scheinbar grenzenlosen Konsumbereitschaft, scheint es möglich zu sein, immer neue Bedürfnisse zu wecken. Diese Leitfrage bestimmt Beckerts Analyse vom Konsum im kapitalistischen Wirtschaftssystem. Für ihn basiert der Wert eines Produkts auf den (fiktionalen) Zukunftsimaginationen der Kunden. Für Reckwitz ist es die kulturelle Aufladung etwa von Gütern vor dem Hintergrund eines Strebens nach Singularität, für Sottong die von den Kunden selbst aufgrund der unternehmensseitigen funktionalen Information eingebrachte Emotionalisierung der Produkte. Damit gehen für die Unternehmenskommunikation Herausforderungen einher. Dies wird vor dem Hintergrund des Diskurses auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram empirisch analysiert. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob die Markenbedeutung in einem Prozess entsteht, der sich als Tribunalisierung charakterisieren lässt. Im Ergebnis erweist sich der von Unternehmensseite angestoßene Diskurs zwischen den Nutzern der Social-Media-Kanäle als ein sachliches Tribunal, das über den überwiegend funktionalen und teils auch symbolischen Nutzen eines Produkts richtet. Bisweilen entsteht dieser Diskurs auch anlasslos. CRM vermag ihn insbesondere in der Markteintrittsphase zu befördern. Der Diskurs ist dann vom funktionalen Produktnutzen geprägt, seltener von seiner symbolischen Dimension. Daneben erweist sich das Forum der Sozialen Netzwerke auch als Pranger, der einer Marke oder seinen Fans zusetzen kann.

Manche Marken bestärken nicht nur Konsumenten in ihrer Identität, sondern erweisen sich als Ausdruck ihrer Werte oder Gefühle. Dass die Marke Harley-Davidson mit seinen großen Motorrädern für Freiheit und Selbstbestimmung steht, hängt ursprünglich nicht mit gutem Marketing zusammen, sondern ist auf Filmfiguren etwa in „Easy Rider“ zurückzuführen (für Freiheit kämpfende Gesetzlose, am Rande der Gesellschaft). Widerwillig akzeptierte das Unternehmen erst Anfang der 1980er Jahre diesen Mythos sowie die symbolische Aufladung der eigenen Marke. So arbeitete die Unternehmenskommunikation ab diesem Punkt mit dieser Markenbedeutung und absorbierte den Mythos zu Selbstdarstellungszwecken (vgl. Rommerskirchen 2018, S. 12).

Harley-Davidson hat sehr loyale Kunden, die der Marke meist ein Leben lang treu bleiben. Befördert wird dies durch eine Konstante in Produkt- und Preispolitik. Diese Beständigkeit zeigt sich auch in der Pflege der Kundenbeziehung. In der Brand Community „Harley Owners Group“, können sich die Kunden austauschen und bleiben mit der Marke in Kontakt (vgl. Arnezeder/Esch/Winter 2009, S. 337). Schlussendlich führt dies zu Wiederkäufen, positiver Word-of-Mouth Kommunikation, einer erhöhten Preisbereitschaft und der Ablehnung von Konkurrenzmarken, wobei das Wir-Gefühl, das im Austausch in einer solchen Community entsteht, nicht zu unterschätzen ist (vgl. Arnezeder/Esch/Winter 2009, S. 350).

Das Marketing der vergangenen Jahrzehnte war auf die Betrachtung der Beziehungen, die zwischen dem Anbieter und Nachfrager entstehen, fokussiert. Dabei wurde der Austausch der Kunden untereinander zu stark vernachlässigt, wobei gerade diese Interaktion wirkmächtig ist hinsichtlich Bewertung und Akzeptanz der Marke und ihrer Produkte (vgl. Arnezeder/Esch/Winter 2009, S. 348).

Klärungsbedürftig ist, ob Harley-Davidson ein Einzelfall oder ob Unternehmen und ihre Marketingabteilungen die Bedeutungen ihrer Marken tatsächlich in Händen haten und generieren können. Benötigen die Abnehmer eines Produktes die in der Werbung transportierten Botschaften, um einen Diskurs über eine Marke zu führen? Und falls nicht, wer macht die Marke zu dem was sie ist – das Unternehmen oder die Konsumenten?

Die daraus ableitende Forschungsfrage lautet: Ist Customer Relationship Management überhaupt (noch) sinnvoll? Im heutigen kulturkapitalistischen Zeitalter steht nicht ausschließlich der funktionale Nutzen eines Produkts im Vordergrund, sondern das Bedürfnis nach Singularität sowie die mit dem Konsum verknüpften fiktionalen Erwartungen erweisen sich als treibende Kräfte ökonomischer Dynamik. Damit gehen für die Unternehmenskommunikation Herausforderungen einher. Kann ein Unternehmen die Bedeutung seiner Marke selbst festlegen oder liegt die Deutungsmacht in den Händen der Konsumenten? Dies wird vor dem Hintergrund des Diskurses auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram empirisch analysiert, um eine etwaige Tribunalisierungstendenz aufzudecken.

Funktionaler und symbolischer Nutzen einer Marke

Eine starke Marke hat mehr als ihren funktionalen Nutzen zu bieten, sondern sie erfüllt – im kulturkapitalistischen Zeitalter – zugleich auch Erwartungen, die an ihren symbolischen Nutzen gestellt werden. Zunächst einmal können sich die Konsumenten über das Internet austauschen und so verschiedene Produkte vergleichen, somit zwar der funktionale Nutzen ein elementarer wichtiger Baustein. Auf diesen baut der symbolische Nutzen auf, der als zusätzlicher Nutzen über den funktionalen hinausgeht.

Es kann sich etwa um einen sozialen Nutzen handeln, der dem Konsumenten etwa durch die Wertschätzung anderer Menschen (vgl. Brexendorf/Henkel 2012, S. 17 f.) den Zugang zu einer sozialen Gruppe eröffnet. Mitunter kann es vorkommen, dass bei bestimmten Marken der symbolische Nutzen den funktionalen vollkommen verdrängt, ein für den Kulturkapitalismus prägendes Phänomen. Wie die Bedeutungsaufladung erfolgt, kann konsumsoziologisch unterschiedlich erklärt werden und wird vorliegend empirisch im Social Media Bereich untersucht.

Tribunalisierung

Der Skeptiker Odo Marquard verwendet den Begriff „Tribunalisierung der Lebenswirklichkeit“ (Marquard 1993, S. 2 ff.) zur Beschreibung des Phänomens der Selbstgerechtigkeit. Selbstgerechtigkeit kommt darin zum Ausdruck, dass Menschen bei notorisch gutem Gewissen andere Menschen im Exzess anklagen. Als Ursprung solcher Selbstgerechtigkeit identifiziert Marquard die Überwindung der Theodizee durch die Annahme der Nichtexistenz Gottes (Marquard 1981, S. 47 ff.). Ausgangspunkt des philosophischen Konzepts bei Marquard ist, dass der Mensch in einer Welt ohne Gott selbst Urheber des Leids in der Welt wird. Er kann Gott infolge der Leugnung seiner Existenz deshalb nicht mehr anklagen. Der Mensch selbst – und nicht Gott – steht daher unter riesigem Rechtfertigungsdruck, womit er in die Rolle des Angeklagten gerät. Um aus dieser Rolle zu fliehen, tauscht der Mensch die Rollen: Er wird selbst zum Dauerankläger. Diesen Aspekt beschreibt Marquard mit (Über-)Tribunalisierung der Lebenswirklichkeit.

Übertragen auf den Prozess der Entstehung von Markenbedeutung ist dieses Verständnis zu eng. Die Funktion eines Daueranklägers zu bekleiden, um vor der Anklage selbst zu entfliehen, würde als Gesichtspunkt zu kurz greifen, da die Marken nicht hinreichend einbezogen sind. Gleichwohl lässt sich der Gedanke der Tribunalisierung übertragen. Denn im öffentlichen Diskurs werden Marken nicht nur angeklagt (etwa bei Shitstorms), sondern eben auch – wie vor einem echten Tribunal – verteidigt (etwa von ihren Anhängern oder sachlich Interessierten).

Wie entstehen nun Markenbedeutungen vor diesem Hintergrund? Wenn sie nämlich – so die Hypothese, die dieser Arbeit zugrunde liegt – im Diskurs der Konsumenten ihre Sinnzuschreibung erst erhalten, dann wird der Konsument zum Schöpfer dieser Markenbedeutung und zugleich zu einem Ankläger und Richter über diese Marke, denn einen „göttlichen“ Schöpfer der Marke in Gestalt des Markeninhabers gibt es insofern nicht, wenn der Konsument selbst die Sinnzuschreibung in Händen hält.

Wenn die Hypothese zutrifft, dass der Konsument ohne Unternehmenskommunikation – wie im Beispiel Harley-Davidson – die Markenbedeutung generiert, so steht er selbst im Tribunal mit seinen Mitkonsumenten in einem Dauerdiskurs über die Sinnzuschreibung. Ähnlich wie Odo Marquard im Kontext der Theodizee – der Mensch sucht Erklärungen für das Leiden in der Welt – die Tribunalisierung der Lebenswirklichkeit als Erklärung anbietet für das Verhalten der Menschen, kann eine Tribunalisierung der Markenbedeutung als Erklärung herangezogen werden, warum sich der Konsument – insbesondere im Zeitalter Sozialer Netzwerke – zum Ankläger, Verteidiger und Richter über die Markenbedeutung aufschwingt, denn er ist selbst mitverantwortlich für die Entstehung ihrer Bedeutung. Sie ist auch sein Werk, was ihn (als Konsumenten) in die Doppelrolle des Schöpfer-Richters drängt. Er selbst ist es, der den Marken ihren Sinn zuschreibt, wodurch Markeninhaber diesen annehmen und weiter legitimieren können durch ihre Marketinginstrumente. Im Diskurs, der diesen Prozess nährt, wird diese Doppelrolle des Kreators (und damit mittelbar Angeklagten) sowie des Anklägers über die Marke insbesondere in der Kommunikation auf Social Media offenbar.

Daher sollte für diese Arbeit ein Tribunalisierungsbegriff als öffentlicher Diskurs zugrunde gelegt werden. Auch ein davon leicht abgewandeltes Verständnis von Tribunalisierung ist denkbar. In den sozialen Netzwerken sind positive wie auch negative Reaktionen auf Marketingmaßnahmen von Unternehmen denkbar – wie in einem prozeduralisierten Verfahren zur Erkenntnis der wahren Markenbedeutung, folglich ein Tribunal, bei dem der Markeninhaber zum bloßen Anlassgeber des Diskurses wird. Demnach müsste der Markeninhaber – vor einer eventuellen Sinnzuschreibung durch die Konsumenten zunächst selbst – eine gewisse Bedeutung der Marke implementieren, über die dann der Diskurs lebhaft entbrennt.

Marken

Die Sicherung und Steigerung des Markenwerts, selbst ein großer Teil des Unternehmenswerts, ist ein langfristiges Anliegen eines jeden Unternehmens, das durch eine entsprechende Markenführung sichergestellt wird (vgl. Brexendorf/Henkel 2012, S. 16.). Die stark wachsende Internetnutzung erhöht die Bedeutung der Online-Kommunikation in der Markenführung deutlich (vgl. Burmann et al. 2015, S. 210). In diesem Zeitalter kann der Konsument kann selbst entscheiden, woher er sich seine Informationen über ein Produkt und eine Marke zieht und verfügt zugleich auch über gesteigerte Möglichkeiten, sich über diese auszutauschen etwa über soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter. Der Konsument erhält dadurch mehr Macht und ist in der Lage über die Ausrichtung und Entwicklung einer Marke mitzubestimmen. Markenführung in der heutigen Zeit muss also gleichzeitig dafür sorgen, dass die Marke gestärkt wird und dabei auch die verschiedenen Anspruchsgruppen und ihre Bedürfnisse miteinbeziehen (vgl. Linxweiler/Gaiser 2017, S. 9).

Marke im Sinne der identitätsbasierten Markenführung ist „ein Bündel aus funktionalen und nicht-funktionalen Nutzen, deren Ausgestaltung sich aus Sicht der Zielgruppen der Marke nachhaltig gegenüber konkurrierenden Angeboten differenziert“ (Burmann et al. 2018, S. 13). Der identitätsbasierte Markenführungsansatz integriert die interne Managementperspektive mit der externen Wirkungsperspektive einer Marke.

Customer Relationship Management

Im Rahmen des Customer Relationship Managements (CRM) ist die Aufgabe des Marketings und der Einsatz seiner Instrument darauf ausgerichtet, eine Beziehung frühestmöglich aufzubauen und sie zu pflegen und zu erhalten, denn in einer Zeit, in der Kunden zwischen einer Vielzahl von vergleichbaren (und viel zu ähnlichen) Produkten wählen können, ist kundenorientiertes Marketing besonders wichtig. Eine Möglichkeit des Customer Relationship Managements ist der Aufbau einer Community, in der die Kunden sich austauschen können. Wie bei der Harley-Davidson Brand Community entsteht dort ein Forum für den Austausch Gleichgesinnter sowie für einen Austausch auch zwischen der Marke und den Fans (vgl. Armbrecht/Braekler/Wortmann 2009, S. 306 f.).

Besonderheiten der (Online-) Kommunikation

Zur Online-Kommunikation zählen sämtliche Kommunikationsaktivitäten zwischen Unternehmen und den Nachfragern ihrer Produkte, welche die Erreichung der Marketing- und Unternehmensziele verfolgen und dabei über das Internet Protocol abgewickelt werden.

Social Media

Kommunikation im sogenannten Social Web ist für Unternehmen unerlässlich. Nutzten Anfang 2013 etwa 1,7 Mrd. Menschen auf der ganzen Welt aktiv das Social Web, so waren es fünf Jahre später nahezu doppelt so viele monatlich aktive Social-Media-Nutzer (etwa 3,2 Mrd. im Januar 2018, vgl. Statista. Das Statistikportal 2018).

Unter dem Social Web versteht man die Interaktion von Internetnutzern auf Social Media-Plattformen, seien es Konsumenten oder aber auch Unternehmen, Organisationen oder andere Akteure. Kommunikation im Social Web ist besonders attraktiv, da nahezu jede Zielgruppe dort angesprochen werden kann. Jede Altersgruppe nutzt eine eigene soziale Plattform im Internet, was die zielgruppengerechte Ansprache vereinfacht. Die Meinung anderer Menschen ist uns wichtig. So lesen in Deutschland 73% aller Internetnutzer vor einem Kauf von Produkten im Internet die Bewertungen anderer Nutzer.

Social-Media-Kommunikation umfasst unternehmensseitig sowohl aktive wie passive Kommunikationsmaßnahmen auf diversen Social-Media-Plattformen, also die Übermittlung unternehmensbezogener Botschaften sowie den Umgang mit sogenanntem „User Generated Content“ (vgl. Bruhn 2016b, S. 454, 456; vgl. zur Definition auch Bruhn 2014b, S. 182). Als Chance und gleichzeitig Herausforderung steht bei der passiven Kommunikation der nutzergenerierte Inhalt im Fokus. Nicht länger ist das Unternehmen alleiniger Sender von Informationen. Um die Kontrolle über unternehmensgenerierte Botschaften und die hierauf folgende Reaktion der Empfänger nicht komplett zu verlieren, müssen Unternehmen die Kommunikation auf Sozialen Medien überwachen und gegebenenfalls auch eingreifen (Vgl. Bruhn 2016a, S. 46; dazu auch Bruhn 2014c, S. 67 f.). Nur so lässt sich vermeiden, dass das Kollektiv in seiner Macht andere Bedeutungen in die Botschaften interpretiert und im schlimmsten Fall ein Shitstorm, etwa durch Fehlinterpretation, entsteht.

Die Kommunikation kann neben der Erhöhung der Konsumentenbindung und -pflege und der Stärkung von Beziehungen dienen, welche die Kunden zur Marke pflegen, ferner auch als Chance betrachtet werden für einen Austausch (von Ideen) mit den potentiellen Abnehmern (vgl. Bruhn 2014, S. 5). Fraglich ist, ob das Aussenden von Botschaften im Social Web seinen Zweck erfüllt oder ob lediglich der Dialog und der User Generated Content darüber entscheidet was die Marke sein wird.

Word-of-Mouth-Kommunikation

Word-of-Mouth-Kommunikation gewinnt zunehmend an Bedeutung, da Produkte und auch Dienstleistungen immer komplexer werden. Dies fördert einen Informations- und Erfahrungsaustausch der Kunden und Kaufinteressierten (Radić/Posselt 2016, S. 438 f.).

Es gibt verschiedene Motive, die ein Individuum dazu bewegen können, seine Erfahrungen oder Meinungen bezüglich eines Produkts oder einer Dienstleistung mitzuteilen. Umso höher die Zufriedenheit eines Kunden ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit eines positiven Word-of-Mouth. Ebenso ist es umgekehrt. Hat das Produkt eine hohe Relevanz für den Kunden (hohes Involvement), möchte ein Kunde anderen helfen bei der Kaufentscheidung, möchte er sich selbst darstellen, indem er sich als cleveren Käufer darstellt oder möchte er dem Unternehmen aufgrund hoher Sympathie etwas Gutes tun oder ihm schaden oder möchte Alternativen aufzeigen, so wird er sich durch Word-of-Mouth-Kommunikation ausdrücken.

Online-Kommentare

Wird im Internet kommuniziert fehlen sämtliche para- und nonverbale Daten. Diese sind oftmals wichtig für das Verständnis einer Äußerung, wodurch eine Analyse von Kommentaren, die online geäußert werden, erschwert wird (vgl. Graf 2016, S. 91). Fehldeutungen sind ebenfalls möglich, denn oft werden in sozialen Medien andere Personen verlinkt und es nicht klar, wie der Kommentator dies gemeint hat – Möchte er den Inhalt mit einer anderen bestimmten Person teilen, weil er diesen Inhalt als besonders interessant empfindet, als unterhaltsam und das Veröffentlichte unterstützen möchte oder möchte er sich von dem Inhalt distanzieren oder gar sich darüber lustig machen (vgl. Schirmer et al. 2015, S. 119.). Dabei erlaubt am ehesten die Reaktion des Verlinkten eine Interpretation. Kommentare vor einem Online-Publikum wie auf sozialen Plattformen müssen sich jedoch nicht immer nur an eine bestimmte Person richten. Gerade in der Adressierung lassen sich Online-Kommentare voneinander unterscheiden.

Theoretischer Teil

Zwei komplementäre Phänomene bilden den Ausgangspunkt der theoretischen Untersuchung: die kapitalistische Dynamik und die Bedeutungsaufladung von Marken. So scheint es auch in wohlhabenden Gesellschaften stets neue Bedürfnisse zu geben, die bedient werden können. Um die Expansion des Konsums auch in scheinbar saturierten Märkten voranzutreiben, werden Marken mit einer symbolischen Bedeutung aufgeladen. Beide Phänomene stehen in einem Zusammenhang.

Bedeutungsentstehung aus konsumsoziologischer Perspektive

Erschöpfte sich der kapitalistische Kreislauf aus Bedürfnis, Konsum und Erfüllung darin, durch Waren schlichte Grundbedürfnisse zu decken, wäre seine eigentümliche ungebrochene Dynamik kaum erklärlich. Jenseits ihres intrinsischen Nutzens transportieren Güter vielmehr eine symbolische Dimension. Wie diese Aufladung erfolgt, bleibt als Prozess mysteriös. Sein Resultat ist gleichwohl in Gestalt von Marken allgegenwärtig. Dahinter steht die Frage, wer die kommunikative Macht in Händen hält für diese Bedeutungsaufladung: Wird die Markenbedeutung – konsumsoziologisch betrachtet – von seinem Inhaber eingehaucht oder prägen die Konsumenten den Sinn der Marke? In der Lebenswelt der Marken meint man beide Phänomene gelegentlich zu beobachten (vgl. Rommerskirchen 2018, S. 11 f.).

Bedeutungen sind als intersubjektive Konstruktionen der Wirklichkeit wechselhaftig und können zufällig ausfallen, was Herbert Blumers dritte Prämisse betont. Er definiert die Bedeutungen von Dingen als soziale Schöpfungen, worin die subjektivistische Auslegung der Bedeutungsinterpretation deutlich wird. Blumers Theorie des Symbolischen Interaktionismus geht über den pragmatischen Interaktionismus von George H. Mead hinaus: So überträgt Blumer die Bedeutungszuweisung auf die Ebene der spezifischen Interaktion und deren akteursgebundene Interpretationen (vgl. Rommerskirchen 2017, S. 168). Demnach entsteht die Wirklichkeit von Bedeutungen in der Interaktion ausschließlich vor diesem Hintergrund eines grundsätzlich subjektiven Wissens. Somit fasst Blumer Kommunikation als symbolvermittelter Interaktionauf, die darauf beruht, dass Menschen immer aufgrund von Interpretationen ihrer Umwelt handeln und die dabei erzeugten subjektiven Bedeutungen handlungs- und gedankenlenkend sind. Da Bedeutungen den Dingen nicht anhaften, sondern sozial konstruiert sind, so liegt die Wahrheit der Bedeutung im Auge des Betrachters, die sich im Laufe der Zeit wandeln, so dass man sie mit anderen Augen sehen kann (vgl. Rommerskirchen 2017, S. 167).

Um nun zu ergründen, ob die Bedeutung einer Marke das Resultat der Unternehmenskommunikation ist oder ob vielmehr die Konsumenten den Sinn der Marke prägen, muss die kommunikative Macht der Unternehmen letztlich eingeschätzt werden. Einer unternehmensseitigen Macht zur strategischen Bedeutungsvermittlung von Marken steht stets die Deutungsmacht der Konsumenten über deren Sinn gegenüber. Nach Blumers Erklärung der Bedeutung der Dinge als soziale Schöpfungen sind die Akteure darin frei, Bedeutungen zu definieren und zu interpretieren (vgl. Blumer 2013, S. 76). Dass diese Prozesse durch die Konstruktions- und Kommunikationsanstrengungen der Unternehmen nur akzidentiell berührt werden, indem sie Optionen und Wahlmöglichkeiten gestalten (Rommerskirchen 2018, S. 21), muss keineswegs bedeuten, dass die Kommunikationsanstrengungen gänzlich vergeblich sind.

Der Kulturkapitalismus

Kultur ist ein vieldeutiger Begriff, der vielfältig von unterschiedlichen Disziplinen gebraucht wird, wobei bestehende definitorische Annäherungen sich meist auf einen bestimmten, einseitigen Aspekt der Kultur beziehen (vgl. Busche 2018, S.4). Vorliegend soll die kulturelle Dimension, die Konsumgütern man im Kulturkapitalismus zugeschreibt, herausgearbeitet werden. Dieser Aspekt des Kulturbegriffs und seine Implikationen werden im Entwicklungskontext der kapitalistischen Wirtschaftsordnung beleuchtet.

Im Zeitalter des Industriekapitalismus, der das kapitalistische Wirtschaftssystem global weiterentwickelte, wurden physische Ressourcen innerhalb eines wertschöpfenden Prozesses in Besitzgüter umgewandelt. Karl Marx beschreibt eine „zunehmende Entfremdung des Menschen von der Natur“ und beobachtet eine Reduktion der Arbeiter auf die von ihnen erzeugten Produkte (vgl. Marx/Engels 1973/2005, S. 26). Der tiefgreifende ökonomische Wandel ging im 20. Jahrhundert mit einem Versprechen einher auf Freiheit in Gestalt freien Wettbewerbs und der Konsumfreiheit sowie eines größtmöglichen Wohlstands für alle (vgl. Erhard 1964, S. 14).

Max Weber deutet diese Wirtschaftsform auch als „stahlhartes Gehäuse“ (Weber 1905/2016, S. 171) selbstgetriebener wirtschaftlicher Mechanismen, insofern sie einen Prozess von Rationalisierung und Entzauberung antreibt und die Akteure zu rationalem Verhalten zwingt. Im Kulturkapitalismus (dazu sogleich) sieht Beckert auch eine gewissermaßen gegenläufige „säkularen Verzauberung“ (vgl. Beckert 2018, S. 439 ff.), insofern als Fiktionen und Kulturalisierung als Triebfeder des Wachstums ausgemacht werden (vgl. Beckert 2018, S. 421 ff).

Jens Beckert beschreibt als Wirtschaftssoziologe die kapitalistische Dynamik auf einer Makroebene, wobei er die soziologische Einbettung der Akteure in ihrem Verhalten auf der Mikroebene einbezieht. Beckert sieht im Fiktionalen ein zentrales Element für die Erklärung kapitalistischer Dynamik: „Imaginationen der Zukunft helfen, die Dynamik des Kapitalismus zu erklären, und sind Teil eines Mikrofundaments der politischen Ökonomie, die über die Theorie der rationalen Akteure hinausgeht“ (Beckert 2018, S. 439).

Imaginierte Zukunft

Jens Beckert stellt den Begriff der fiktionalen Erwartung dem Konzept der rationalen Erwartung gegenüber (vgl. Beckert 2018, S. 25). Er untersucht, wie Makrodynamiken in der sozialen Interaktion und den Interpretationen der gesellschaftlichen Wirklichkeit eingebettet sind (vgl. Beckert 2018, S. 20). Ausgehend von einer Mikroperspektive bildet die Handlungstheorie den Ausgangspunkt, um die kapitalistische Dynamik zu erklären. Jede Analyse, die der Offenheit der Zukunft Rechnung trägt, müsse – so Beckert – von den sozialen Interaktionen in der Wirtschaft ausgehen. Für Beckert wird die kapitalistische Dynamik auf der Mikroebene nur durch einen interpretativen Ansatz erfassbar, der Wirtschaftssoziologie und politische Ökonomie zusammenzuführt.

Die sozialen Interaktionsprozesse auf der Mikroebene sind für Beckert geprägt von der Ungewissheit der Zukunft. Anders als kalkulierbare Risiken zeichnet sich die Ungewissheit dadurch aus, dass dem einzelnen Akteur schlicht Informationen fehlen, um alle Unwägbarkeiten berechnen zu können, wenn er sich nutzenmaximierend verhalten will. Gerade weil ihm aber Informationen fehlen für eine rein rationale Verhaltensweise, ist er für seine Zukunftsgestaltung darauf angewiesen, eine Vorstellung von der Zukunft zu entwickeln. Dies nennt Beckert fiktionale Erwartung, was er dem Konzept der rationalen Erwartung gegenüberstellt.

Fiktionalität als Gegenbegriff zur Rationalität

Zum Begriff der imaginierten Zukunft gehören auch alle symbolischen Eigenschaften, welche die Akteure einem Gut jenseits seiner materiellen Eigenschaften zuschreiben. Dieses Phänomen der Zuschreibung beschränkt sich nicht nur auf das Verhältnis von Akteuren zu Konsumgütern. Es tritt auch bei Investitionsentscheidungen auf und bestimmt auch Innovationsmechanismen in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung.

Die Erwartungen sind keineswegs beliebig. Da die Erwartungen der Akteure sie dabei unterstützen können, ihre Bemühungen zu koordinieren, können sie sich dann auch tatsächlich auf die Zukunft auswirken – quasi als selbsterfüllende Prophezeiungen. In der Soziologie wird dieses Phänomen gemeinhin als Performativität bezeichnet, allerdings müssen die Erwartungen nicht zwangsläufig zur prophezeiten Zukunft führen. Vielmehr ist die Zukunft offen, vielfältig und seinerseits unvorhersehbar.

Wie Konsumenten den Wert von Gütern oder Dienstleistungen einschätzen, hängt auch von ihren fiktionalen Erwartungen ab, mit anderen Worten davon, welche symbolische Leistung – jenseits des intrinsischen Werts – sie sich von den Gütern nach dem Erwerb ausmalen. Was finden Konsumenten, die in wohlhabenden Überflussgesellschaften leben, an Produkten anziehend? Diese Leitfrage bestimmt Beckerts Analyse vom Konsum. Indem Kunden im Vorfeld einer Kaufentscheidung von einer zukünftigen Befriedigung ihrer Wünsche träumen und sich sozialen Status von diesen Gütern erwarten, verknüpfen sich Wert und Zukunftsimaginationen auf das Engste (vgl. Beckert 2018, S. 35).

Ausgehend davon, dass Nachfrage nach Produkten keineswegs automatisch besteht (vgl. Beckert 2018, S. 298), ist eine Erklärung für den ungebrochenen Konsumwunsch im Kapitalismus erforderlich. Für Beckert gründet seine Analyse von Konsum auf der Auffassung von Keynes, dass die Nachfrage grundsätzlich prekär sei und nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden könne (vgl. Beckert 2018, S. 297). Gleichwohl beobachtet Beckert, dass selbst in wohlhabenden Konsumgesellschaften weiterhin eine scheinbar unerschöpfliche Nachfrage nach neuen Produkten herrscht (vgl. Beckert 2018, S. 297). Als Erklärung für diesen ungebrochenen Konsumwunsch betont Beckert die Bedeutung von Unsicherheit und fiktionalen Erwartungen, um die Dynamik der Konsumnachfrage zu ergründen.

Das Performanzversprechen von Konsumgütern

Ein Konsumgut zu erwerben, beutet für den Käufer, dass er eine positive Einstellung zu dieser Performanz gewinnen muss. Die durch den Konsum eintretende Veränderung in seinem Leben muss positiv besetzt sein. Für Beckert hängt demnach der Konsum stets mit Vorstellungen von der Zukunft zusammen. Denn zukünftige Performanzen zu begehren bezeichnet Beckert nicht als „natürliche“ Vorstellung. Vielmehr hinge die Expansion des Kapitalismus nicht allein von der Angebotsseite und der verfügbaren Kaufkraft ab. Ebenso wichtig sei es, bei den Konsumenten positive Erwartungen zu wecken in Bezug auf den erwarteten Nutzen der zu erwerbenden Güter (vgl. Beckert 2018, S. 299). Aus Konsumentensicht ist das Versprechen, das von einem Produkt ausgeht, nichts anderes ist als Ausdruck der Bewertung des Produkts. Der Wert von Gütern beruht nicht zuletzt auf ihrer symbolischen Bedeutung, die kommunikativ erzeugt und aufrechterhalten werden muss, oder allgemein gesprochen: „Die evokativen Überschüsse fiktionaler Erwartungen sind das Lebenselixier des Kapitalismus.“ (Beckert 2018, S. 29.)

Die Bedeutung der Singularitäten nach Reckwitz

Als singulär betrachtet Reckwitz eine Entität in einem sozial-kulturellen Kontext, sofern sie nicht als ein Exemplar eines allgemeinen Typus bewertet wird. Kennzeichnend für die soziale Singularisierung ist eine qualitative und nicht bloß quantitative Unterscheidung zwischen den Dingen. Während die Differenzen unter der Herrschaft des Allgemeinen graduell sind, sie lassen sich in einer Skala von besser oder schlechter abbilden, unterscheiden sich Singularitäten dadurch, dass sie gerade nicht austauschbar erscheinen (vgl. Reckwitz 2018a, S. 49 f).

In Abgrenzung zum Begriff des Individuums bezieht sich der Begriff der Singularität nicht nur auf Menschen. Er gilt auch für Dinge und Objekte, was insbesondere produzierte Dinge betrifft (etwa Waren), aber der Begriff gilt auch für Bilder, Texte, Kunstwerke, Architektur. Erfasst sind ebenfalls räumliche (places) und zeitliche Dimensionen (diskontinuierliche Episoden), aber auch Kollektive können Singularitäten sein, etwa gilt dies auch für Nationen oder für spätmoderne Erscheinungen wie Projekte, Kollaborationen eine bestimmte Szene (vgl. Reckwitz 2018a, S. 50).

In Abgrenzung von der Logik des Allgemeinen wird einer Singularität in einem sozialen Kontext ein kultureller Wert als Eigenwert zugeschriebenen (Vgl. Reckwitz 2018a, S. 50 f.). Während in der Moderne einem Massenprodukt ein abgeleiteter Nutzen oder eine Funktion zukommt, erscheinen spätmoderne Singularität aus sich heraus bereits als werthaltig. Sie sind nicht Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck. „Singularisierung heißt daher immer Valorisierung, Wertzuschreibung.“ (Reckwitz 2018, S. 5) Singularitäten zeichnen sich ferner auch dadurch aus, dass sie aufgeführt oder ausgeführt werden, sie also performativ sind (Vgl. Reckwitz 2018a, S. 51). Der kulturelle Selbstzweck von Singularität weist eine teils ästhetische Dimension auf, teils auch eine hermeneutische, symbolische oder narrative Dimension, schließlich kann sie auch gestalterisch oder ludisch sein.

Kulturalisierungsprozess

Ausgehend vom Begriff der Singularitäten beschreibt Reckwitz, wie Kulturalisierung mit der Singularisierung zusammenhängen. Reckwitz verwendet den Begriff der Kulturalisierung als Gegenbegriff zu jenem der Rationalisierung (vgl. Reckwitz 2018a, S. 52 f.). Reckwitz unterscheidet dabei ein allgemeines, schwaches Verständnis des Kulturellen von einem starken Begriff der Kultur unterscheiden. So ist das Soziale immer kulturell konstituiert. Wenn ein Handeln, ein Gegenstand, ein Text oder Bild eine instrumentelle Bedeutung aufweist, dann sind sie Mittel für einen weiteren Zweck, wohingegen eine kulturelle Praktik oder ein kulturelles Objekt für die Beteiligten einen intrinsischen Wert aufweist; er ist häufig ästhetischer Natur, es kann sich aber auch um einen narrativen oder hermeneutischen, um einen gestalterischen oder ludischen Eigenwert handeln. Diese kulturellen Praktiken weisen ein starkes Element des Erlebens, der Erfahrung und der affektiven Identifikation auf (vgl. Reckwitz 2018a, S. 53).

Indem das Kulturelle gegenüber dem Zweckrationalen stets ein Element der Verausgabung, des Exzessiven, des Mehr als Rational-Nötigen enthält, verdeutlicht sich der Zusammenhang zwischen Singularität und Kultur. Singularitäten erheben den Anspruch auf einen kulturellen Eigenwert. Alles, was eine Sache besonders macht, ist primär kein Selbstzweck. Vielmehr ermöglicht gerade das Singuläre an einer Sache, sie selbst zu erleben, wodurch sie valorisiert und ihre intrinsischen Werte damit erlebbar werden (vgl. Reckwitz 2018a, S. 53).

Sottong

Ausgangspunkt bei Sottong ist, dass Konsumenten durch das Internet die Macht erhalten, unabhängig von den Botschaften der Unternehmen Marken selbst zu machen. Darin sieht Sottong einen Ausgleich für das von ihm bezeichnete bisher vorherrschende „Fake Marketing“. Sottong geht in seiner Kritik am gegenwärtigen emotionalisierten Marketing soweit, dass er behauptet, Unternehmen müssten lediglich interessante Produkte in gleichbleibender Qualität auf den Markt bringen und darüber informieren. Für ihn scheinen Marketingprofis zu vergessen, dass Markenbedeutungen nur im Diskurs entstehen. So ist es der Konsument, der die Marke mit bestimmten Merkmalen ausstattet. Nur die vom Verbraucher in den Diskurs getragenen Emotionen erscheinen authentisch. Marken brauchen Zeit und Beständigkeit, um zu entstehen.

Klassische Milieus und dazugehöriger Habitus entsprechen nicht dem heutigen Zeitgeist. Der Besitz eines Produkts drückt viel mehr eine kurzlebige „attitude“ aus. So müssen Diskurse von der Unternehmensseite aus die (kurzlebigen) Kundenwünsche und gesellschaftlichen Trends zwar berücksichtigen und schnellstmöglich darauf reagieren. Allerdings sollten Unternehmen die mittel- und langfristige Perspektive im Markenaufbau nicht vernachlässigen.

Fazit

Herausgearbeitet wurde dreierlei: Erstens erleichtern CRM-Maßnahmen den Markteintritt für junge Marken, indem funktionale Produktinformationen verbreitet werden. Zweitens können über den Produktnutzen hinausgehende symbolische Bedeutungsdimensionen spontan entstehen im Diskurs zwischen den Konsumenten, ohne dass die Konsumenten hierzu angeregt werden. Drittens gibt es zwei Formen der Tribunalisierung, den Pranger einerseits und den sachlichen Diskurs andererseits, wobei Art und Ausmaß von den Produkt- und Zielgruppen abhängig zu sein scheinen. Demnach ist CRM sinnvoll, jedoch ist die Zweckmäßigkeit seines Einsatzes von den Gegebenheiten auf dem jeweiligen Produktmarkt abhängig und von der Bereitschaft der Kunden, ihren Beitrag zur Herausbildung von werthaltigen Markenbedeutungen zu leisten. Daneben hängt der Erfolg auch davon ab, inwieweit es dem Unternehmen gelingt, mit CRM-Maßnahmen kundenseitig aufgeworfene Assoziationen zu kanalisieren.

Zunächst einmal wirkt die Gruppe der Neuankömmlinge im Markt (in der vorliegenden Arbeit Flaschenpost und Fuze Tea) am erfolgreichsten in Bezug auf die Kommunikation, denn keine der beiden Marken fiel einem Social-Media-Pranger übermäßig zum Opfer und ihre Botschaften führten zu keiner oppositionellen Sinn-Umdeutung. Bis auf eine kurze Umweltdebatte (bei Flaschenpost) und eine Diskussion über die Konzernzugehörigkeit (bei Fuze Tea) entstanden keine anhaltend kritisch-schädlichen Diskurse.

Hier kann man einen Zusammenhang zu einer (ergebnisoffenen) fiktionalen Erwartungshaltung ziehen. Beide Marken waren zunächst unbekannt, sodass sie als unbeschriebenes Blatt zunächst in den Köpfen der Konsumenten kaum überzogene Erwartungen auslösen konnten. Als das Produkt erworben, beziehungsweise die Dienstleistung in Anspruch genommen wurde, kam es zu einer Erfüllung derjenigen funktionalen Erwartungen, mit denen die Marke geworben hatte. Somit kann im Umkehrschluss die Hypothese aufgestellt werden, dass bei unbeschriebenen Marken die Kunden eine besondere Aufmerksamkeit auf den kommunizierten (überprüfbaren) funktionalen Nutzen richten.

Dies scheint sich positiv auf die Beziehung zwischen Kunden und Marke auszuwirken. In beiden Fällen sind die Kunden nicht verlegen, ihre positiven Erfahrungen auf Social-Media mitzuteilen oder gar Bilder von ihrer Lieblingseisteesorte unter den Beiträgen zu veröffentlichen. Bei beiden Marken ist tendenziell keine Markenanklage feststellbar; wenn Wünsche nach einer Produkterweiterung geäußert werden, so geschieht dies in einem sachlich-höflichen Kontext. An dieser Stelle kann der vorsichtige Schluss gezogen werden, dass CRM-Instrumente für Neuankömmlinge im Markt unentbehrlich sind. Die hier analysierten Marken nutzen Facebook und Instagram als Sprachrohr im Social Web.

Die Kontaktaufnahme sowie die Pflege der Beziehung zu den Konsumenten wird durch das Web 2.0 ermöglicht und teilweise vereinfacht. Nur durch eine Kontaktaufnahme zu den Konsumenten, kann eine Kundenbeziehung aufgebaut und so der funktionale Nutzen überhaupt erst unterbreitet werden. Darüberhinausgehend kann erst im zweiten Schritt eine symbolische Bedeutung gebildet werden. Ohne die vorherige Kontaktaufnahme über den funktionalen Nutzen ist erst recht die spezifische Herausbildung einer Markenbedeutung, die auf das Singularitätsbedürfnis von Kundengruppen eingeht nicht vorstellbar.

Auffallend ist, dass alle analysierten Marken entweder auf rein funktionale Kommunikation setzen oder eine Kombination von funktionalem und symbolischem Nutzen verwenden, um eine Markenbedeutung zu etablieren. Keine Marke setzt auf eine rein symbolische Kommunikation. Setzt eine Marke auf eine Kombination aus beidem, so gehen keine Social-Media-Nutzer darauf ein. Daraus lässt sich die Hypothese ableiten, dass es als neu geschaffene Marke schwerfällt, mit rein symbolischem Nutzen zu werben. Denn möglicherweise muss sich die Funktionalität des Produktes erst werbemäßig etabliert werden, um das Produkt sodann im Laufe der Zeit, wenn ein gewisser Bekanntheitsgrad erreicht ist, mit Symbolik aufzuladen.

Das Ergebnis lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass CRM-Maßnahmen keine Symbolik erzeugen können, die nicht im Ansatz von einem kundenseitigen Diskurs hineingetragen wurde. Spooning Cookie Dough verzeichnet auf seine funktionalen Produktinformationen punktuell eine symbolische Aufladung im Rahmen der Kommentare (Kindheitserinnerungen), greift diese jedoch in späteren Beiträgen nicht auf. Die Untersuchung konnte nicht bestätigen, ob ein Unternehmen erfolgreich darin wäre, diese symbolischen Ansätze aufzugreifen, wie es in der Geschichte von Harley Davidson geschah. Aber auch das Gegenteil ergibt sich nicht aus der Untersuchung. Die Betrachtungen von Sottong legen allerdings nahe, dass bei vorhandener Emotionalisierung die Marketinginstrumente darauf auch eingehen können. Dieses kann durch Marketingmaßnahmen unterstützt werden, indem sowohl die Produktqualität konstant gehalten und dies auch kommuniziert wird.

Was treibt den Konsum an? Nach Beckert sind es die mit dem Konsum verbundenen Erwartungen. So wird der Flaschenpostbote Teil der Familie und als fiktionale Erwartung wertsteigernd. Er nimmt den Kunden eine lästige Bürde des Kistenschleppens ab und erscheint zugleich vertraut. Die Dienstleistung ist zwar nicht fiktional, die damit verbundenen Konnotationen (Familienmitglied) gleichwohl schon.

Die Intensität der Tribunalisierung (sachliche Auseinandersetzung oder Pranger) scheint von der Zielgruppe und der Produktgattung abhängig zu sein: Auffällig ist, dass besonders bei Maybelline Tattoo Brow Pomade Pot, die als Hauptzielgruppe Frauen erreichen, viele Zwistigkeiten unter den Nutzerinnen ausgetragen werden. Dabei wird allerdings meist nicht das Unternehmen, beziehungsweise das Produkt angeprangert, sondern die Social-Media-Nutzerinnen greifen einander in bisweilen beleidigend-aggressivem Tonfall an. Das Produkt gerät oftmals in den Hintergrund und Frauen, die sich von den Kommentaren angegriffen fühlen, steigen in den Diskurs ein, meist ohne sich dabei zum Produkt zu äußern oder Bezug auf vom Unternehmen veröffentlichte Beiträge zu nehmen.

Es scheint für eine gelungene Bedeutungsgenerierung insgesamt nicht unmaßgeblich zu sein, welche Produktgattung in Rede steht. Denn mit unterschiedlichen Produktgattungen gehen auch andere Zielgruppen einher und diese sind je nach Involvement, Geschlecht oder auch Alter mehr oder weniger dazu aufgelegt, ihre eigene Meinung mitzuteilen, sachlich oder emotional zu interagieren oder nur ein Feedback in Form eines Likes abzugeben.

Abschließend ist noch einschränkend festzuhalten, dass die spontan entstandene symbolische Dimension, die von Kundenseite in den Diskurs hineingetragen wurde, von den untersuchten Marken nie aufgegriffen wurde. Dabei darf nicht übersehen werden, dass diese Produkte in ihrem Produktlebenszyklus noch am Beginn stehen und eventuell, die Potenziale einer unterstützenden symbolisch aufgeladenen Kommunikation, die an implementierte Kundenassoziationen anknüpft, noch aufgreifen können. So ist es denkbar, dass sie zunächst nur auf funktionale Kommunikation setzen und erst nach einer längeren Bewährung am Markt, auf eine symbolische Kommunikation ergänzend umschwenken.

Vor dem Hintergrund, dass der Diskurs über Marken und ihre Bedeutung einerseits von der funktionalen Informationspolitik der Unternehmen angeregt wird, sich aber auch spontan und ohne Einflussnahme entwickeln kann und bisweilen eigene Wegen einschlägt, kann die Typologie der Konsumententypen von Hall teilweise gut übertragen werden auf den Diskurs in Sozialen Netzwerken. Denn einige Konsumenten, sind bereits die unternehmensseitig präsentierten Informationen als solche aufzunehmen und im Diskurs zu verbreiten, was dem dominant-hegemonialen Ansatz entspricht. Dies gilt etwa für die zahlreichen Verlinkungen zu Baileys Almande, die sich schlicht auf die vegane und laktosefreie Produktqualität – wie unternehmensseitig angeregt – beziehen.

Daneben weist die ausgehandelte Position die Züge derer auf, die zwar den Baileys und Mandeln in der Kombination schätzen, aber auf die vegane und laktosefreie Verarbeitung verzichten können. Die Gruppe derer, die eine oppositionelle Lesart pflegen, kann etwa darin identifiziert werden, dass sie emotional vollkommen ablehnend auf Veganismus als Trend reagieren oder aber den funktionalen Nutzen – wie bei einem Keksteig zum Löffeln – gänzlich in Abrede stellen. Sowohl der Pranger als auch das sachliche Tribunal können Züge einer (überkritischen) Opposition annehmen.

Schließlich geht eine vierte Gruppe über das Aushandeln von teils akzeptierten Bedeutungen und teils ersetzten Bedeutung hinaus, indem sie – wie bei GOLEYGO – dezidiert technische Hinweise erteilen auf Optimierungspotenzial sowie fehlende ästhetische Qualitäten. Somit erweisen sie sich in ihrer Bereitschaft, nicht nur an der Markenbedeutung im Diskurs mitzuwirken als besonders partizipativ, insoweit sie sich aktiv in den Entwicklungs- und Entstehungsprozess einzubringen versuchen. Indem das Unternehmen darauf eingeht, vermag es seine Wertschätzung für derlei Prosumenten auszudrücken und möglicherweise auch von ihnen zu profitieren. Daher erscheint es gerechtfertigt, neben den drei von Hall im Kontext der TV-Kommunikation identifizierten Gruppen eine vierte zu etablieren, die unter dem Partizipationsgesichtspunkt die Besonderheiten des Mitmach-Netzes sowie die Logik Sozialer Medien abbildet.

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