Cédric Falter: Die Macht der Kooperation für erfolgreiche Koalitionsverhandlungen

Koalitionsverhandlungen wirken auf außenstehende Personen wie eine Black Box. Dabei stellt sich die Frage, ob die Parteien in diesen Verhandlungen einen rationalen Fortschritt in der Politik erreichen möchten oder ob es dort um einen Machterhalt geht. Dabei ist die Spieltheorie ein häufig verwendetes Mittel in der Koalitionstheorie, um Koalitionsverhandlungen zu analysieren. Jedoch besitzt die Spieltheorie methodische Grenzen, die auch ihre Aussagekraft einschränken. Durch die Grenzen entsteht jedoch erst die Anwendbarkeit dieses Instruments. Diese theoretische Arbeit zeigt, dass die spieltheoretische Analyse, einer sozialpsychologischen Kritik nicht standhält. Dies liegt an der nicht Beachtung diverser gruppenspezifischen Prozesse. Somit verhilft die Spieltheorie nicht, die komplexe und ganze Black Box der Koalitionsverhandlungen zu entschlüsseln. Jedoch ist die Spieltheorie das aktuell beste Instrument zur Analyse von Koalitionsverhandlungen.

Dieses Wissen um die Grenzen und Möglichkeiten der Spieltheorie verhilft das Gefangenendilemma in ein Vertrauensspiel umzuwandeln und erfolgreiche Koalitionsverhandlungen zu begünstigen. Mittels sozialpsychologischer Kenntnisse und durch die Anwendung des Makro-Mikro-Makro-Modells nach Coleman, kann ein neuer normativer Rahmen im Wahlkampf geschaffen werden und die Ausgangsposition einer Partei für die Koalitionsverhandlungen, aus Sicht der Spieltheorie verbessert werden.

 

Nach politischen Wahlen finden Koalitionsverhandlungen statt, da absolute Mehrheiten in der Bundesrepublik Deutschland eine Seltenheit darstellen (Kannenberg, Schindler & Schüttermeyer, 2021). Doch was geschieht während dieser Koalitionsverhandlungen? Wie können Parteien diese Verhandlungen vorbereiten? Wie können Parteien diese Verhandlungen positiv beeinflussen für das Erreichen optimaler Ergebnisse in den Verhandlungen, also das Erreichen von politischer Macht? Dabei bildet die Macht in den Koalitionsverhandlungen eine zentrale Rolle, denn dort wird die Frage beantwortet, welche Parteien Macht erhalten.

Weber definiert den Begriff der Macht als Möglichkeit, um eigene Anliegen durchzusetzen und sich dabei auch gegen Auflehnungen zu behaupten (Weber, 2008). Somit geht es um Personen die Entscheidungen treffen, woraus positive oder negative Ergebnisse für Menschen resultieren können (Kronauer, 2015). Hierbei geht es um Macht über andere Personen und das Durchsetzen eigener Interessen im Gegensatz zu anderen (Göhler, 2004).

Hannah Arendt hingegen definiert die Macht als etwas, was niemand besitzt und zwischen Personen entsteht, wenn sie gemeinsam agieren (Saar, 2013).Macht ist dabei eine zweiseitige Medaille. Auf der einen Seite kann Macht mit etwas Positiven assoziiert werden. Durch Macht können neue Chancen und positive Veränderungen entstehen (Kronauer,2015). Auf der anderen Seite wird Macht häufig mit einem Missbrauch in Verbindung gebracht (Göhler, 2004).

Jedoch bleibt die Frage bestehen, wie Parteien diese Verhandlungen optimal vorbereiten können, um die Erfolgschance zu erhöhen? Und ob Politiker in diesem Falle rational agieren? Zuerst muss jedoch der Begriff Koalition definiert werden. Eine Koalition ist eine soziale Besonderheit, in der diverse Akteure oder Gruppen gemeinsam agieren. Diese Koalitionen werden geschlossen, um gemeinsame Interessen zu vertreten oder die Effizienz zu steigern. Der politikwissenschaftliche Koalitionsbegriff behandelt das Thema der zeitlich begrenzten Absprachen/ Bündnisse von politischen Parteien, um in einer parlamentarischen Demokratie eine Regierung zu bilden (Jun, 1994). Dabei kommt der Koalition vor allem in Deutschland eine große Bedeutung zu, da sie zu einer Machtverteilung in einem politischen Spektrum führt. Diese Machtverteilung sorgt für die einzelnen teilhabenden Parteien, gemessen an ihrer Größe, für ein Vetorecht, was vor antidemokratischen Vorgängen schützt und gleichzeitig ein plurales Bild und Kompromisse fördert (Kropp, 2008).

Schüttermeyer definierte diesen Begriff in der politischen Disziplin, als zeitlich begrenztes Bündnis, das auf inhaltlichen und personellen Vereinbarungen basiert und im Gesamten eine Regierung bildet (Nohlen, Schultze & Schüttemeyer, 1998). Dabei existieren in der Koalitionsforschung diverse Ansätze aus der Wissenschaft und Empirie, um den Forschungsbereich der Koalitionen abzudecken (Decker, 2008). Das bietet jedoch nicht nur Vorteile, denn aus der Vielzahl an Studien, Theorien und bekannten Koalitionen, müssen die wichtigsten Aspekte herausgearbeitet werden (Weckenbrock, 2017).

Es existieren vier unterschiedliche Ansätze aus der Koalitionsforschung. Diese Ansätze sind aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen entstanden und kommen aus der Politikwissenschaft, der Neuzeit-Historik, des Verfassungsrechts und der Spieltheorie (Rosteck, 2003). Dabei betrachtet der verfassungsrechtliche Ansatz vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen und der historische Ansatz die Verhältnisse unterschiedlicher Koalitionen in diversen Epochen (Rosteck, 2003). Diese beiden Perspektiven beachten jedoch nicht den Prozess der Koalitionsbildung (Weckenbrock, 2017). Aus diesem Grund ist der Blick auf die spieltheoretischen und den politikwissenschaftlichen Ansätzen grundlegend für diese Arbeit. Beide Ausgangspunkte weisen enorme Schnittstellen auf, denn die politikwissenschaftlichen Ansätze waren und sind von spieltheoretischen Herangehensweisen geprägt (Müller, 2004).

Die Koalitionsforschung geht außerdem von den Annahmen aus, dass für die Bildung einer Mehrheit in der Regel mindestens zwei Parteien notwendig sind und die Parteien ein Interesse an der Regierungsarbeit besitzen (Giersch, 2007). Der Vorteil der Koalitionstheorie ist die klare Logik sowie die sparsamen Modelle, die sich auf die wesentlichen Faktoren beschränken und somit überprüfbare Hypothesen generieren können. Hierzu gehören die office-seeking Ansätze und die policy-seeking Ansätze, die ein rationales Verhalten voraussetzen (Spier, 2013).

Ermöglichen diese Modelle präzise Aussagen aufgrund ihrer Annahmen und ihrer Konstruktion? Wie können nun Parteien die Koalitionsverhandlungen vorbereiten, um erfolgreiche Koalitionen zu gestalten? Treffen sie dort rationale Entscheidungen, mit einem nachvollziehbaren Verhalten? Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, wird zuerst die Spieltheorie und der verwendete Rationalitätsbegriff erklärt. Im Anschluss findet eine genauere Auseinandersetzung mit dem Gefangenendilemma, dem Kooperationsdilemma, dem Vertrauensspiel und der Spieltheorie in der Koalitionsforschung statt. Hierzu wird die aktuelle Ampel-Koalition als Beispiel verwendet, da sie die erste Ampel-Koalition auf Bundesebene ist (Bollmann, 2021). Gleichzeitig ist es die erste Regierung nach 16 Jahren Kanzlerschaft Angela Merkle. (Dürr, 2021). Zum Schluss wird das Gefangenendilemma in Koalitionsverhandlungen übertragen, worauf das Fazit folgt. Dort werden die zentralen Ergebnisse präsentiert. Hierzu gehört auch die Antwort auf die zentrale Hypothese dieser Arbeit: Wenn Koalitionsverhandlungen stattfinden, dann agieren die Politiker rational gemäß dem Rationalitätsbegriff nach Weber.

Spieltheorie und der Rationalitätsbegriff

Im Herzen der Rational Choice Theory steht die These, dass es bei individuellen Handlungen um das Verfolgen von rationalen Interessen geht. Bei mehreren Handlungsoptionen wählt der Akteur diese, die ihm den maximalen Nutzen bringt, unabhängig von Normen. Hierbei betrachtet der handelnde Akteur seinen alleinigen Vorteil. Diversen Normen wird der Akteur nur dann folgen, wenn ihm diese einen größeren Vorteil bringen. Die weitere Basis der Rational Choice Theory ist, dass die handelnde Person im Bilde aller notwendigen Informationen ist und selbst Präferenzen bezüglich der eigenen Handlungsziele besitzt (Fuchs & Kühnel, 1998).

Max Weber versteht den Menschen als Kulturmenschen, der soziale Handlungen ausführt, der einen Willen besitzt und der Welt einen Sinn geben kann (Fend, 2005). Diese Personen können sich zu jeder Zeit in einer Situation der doppelten Kontingenz wiederfinden. Dies hat zur Folge, dass sie auch nicht wissen können, wie der gegenüberstehende Akteur Ego interpretiert. Nach Weber bestehen in diesem Falle die vier bekannten Handlungsoptionen. Jetzt muss mittels sozialer Ordnung ein Verständnis zwischen Ego und Alter geschaffen werden (Bachmann, 2017).Die Rational Choice Theory betrachtet einen Akteur, der seine Optionen zur Handlung kennt, Präferenzen bezüglich seiner Handlungsmöglichkeiten und Bedürfnissen besitzt und nutzenmaximierend agieren kann (Arzheimer & Schmitt, 2014). Bei beiden Seiten nutzen die Spieler Erwartungserleichterungen, um das eigene Tun besser ausüben zu können. Beim Problem der doppelten Kontingenz versucht die Rational Choice Theory Sicherheiten der Entscheidungen zu generieren, um das eigene egoistische Ziel zu erreichen. Dabei können auch Normen wirken, ohne diese vorher abgesprochen zu haben, die jedoch auch durch Sanktionen verankert sein müssen (Schneider, 2006).

Max Weber möchte mittels individueller Motive des Handelns soziale Phänomene erklären können. Jedoch steht er hier durchgehend der doppelten Kontingenz gegenüber. Denn laut Weber werden sichere Erwartungen von Nöten sein, die beim Typus des zweckrationalen Handelns von großer Bedeutung sind und keine vollständige Sicherung ermöglichen (Greve, 2006). Laut Max Weber entstehen soziale Beziehungen somit aus den Handlungen einzelner Personen, die sich mittels Gewohnheiten, Verpflichtungen oder Affekten zurechtfinden und so eine soziale Norm bilden. Somit entsteht ein Handlungsrahmen, der den Akteuren als Orientierung dient. Dabei sind diese Normen grundlegend für das Funktionieren der sozialen Beziehungen. Wenn eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, wie beim zweckrationalen Agieren, dann sind Normen notwendig. Um diese zu erhalten, pocht Weber auf Sanktionen, die die Einhaltung der Regeln/ Normen sichern sollen und eine Ordnung der Emergenz erzeugen (Maurer, 2006).

In der Rational Choice Theory existiert ein Modell zur sozialen Ordnung. Dieses Modell befasst sich mit Egoisten, die nach dem Nutzenmaximierungs-Prinzip agieren. Demnach sind Werte und Traditionen irrelevant insofern diese keinen Vorteil generieren. Dabei wird eine soziale Ordnung erklärt durch Vorteile für Egoisten, durch das Ich-bezogene Handeln (Maurer, 2006). Für George C. Homans stellt sich die Frage, wie eine Entscheidungsfindung stattfinden kann unter Beachtung der Nutzenmaximierung und der Beachtung gesellschaftlicher Normen. In der Austauschtheorie von Homans wird erkennbar, dass ein einzelner Akteur jeden Tausch bewertet. Die Bewertungskriterien hierbei sind Freude und Leid, die durch einen Tausch generiert werden können. Mit der Lust-Leid-Bilanz erweitert Homans den klassischen Homo oeconomicus. Demnach geht es nicht nur um den Tausch von Waren, um die Freude zu maximieren und das Leid zu minimieren, sondern auch um den Tausch von Anerkennung und von Aufmerksamkeit. Dies tut das Individuum aus einem rein egoistischen Zweck. Dieser egoistische Zweck ist es, in zukünftigen Austauschprozessen durch andere Menschen Anerkennung und Ansehen zu erhalten. Somit fließt jedes Handeln, also jedes soziale Handeln in diese Bilanz ein. Alle Tauschgeschäfte, die ein Individuum unternimmt, haben Auswirkungen auf die Lust-Leid-Bilanz. Somit findet eine Glücksmaximierung nicht nur durch die Bedürfnisbefriedigung, sondern auch durch das Befolgen der Normen und Werte statt. Damit ist das Verhalten, dass zu einer sozialen Norm passt, das Ergebnis einer individuellen Berechnung und nicht das Ergebnis eines gesellschaftlichen Drucks (Rommerskirchen, 2016).

Die Spieltheorie entwickelt den Ansatz von Homans weiter. Sie ermöglicht eine rationale Antwort auf die Frage, weshalb ein kooperatives Verhalten unter dem Gesichtspunkt der kollektiven Normen gezeigt werden soll, da bei der Spieltheorie eine doppelte Kontingenz und eine Abhängigkeit zwischen den Akteuren/ Spielern existiert (Rommerskirchen, 2016).

Die Methodik der Spieltheorie verhilft zur Analyse von komplexen und reziproken Entscheidungskonstruktionen. Hierbei findet in einem Rahmen eine systematische Analyse und Modellierungen von Akteuren statt, die rational handeln. Das Ergebnis der Spieltheorie betrifft die Entscheidungsfindung und lautet, dass das Verfolgen von eigenen Interessen zu suboptimalen Lösungen führt, während das Verfolgen von kollektiven Lösungen, das optimale Ergebnis hervorruft (Kronauer, 2015). Dies wird auch durch das Gefangenendilemma verdeutlicht, in welchem die möglichen reziproken Entscheidungen zweier Akteure untersucht werden (Pfeiffer, 2021).

Gefangenendilemma und das Kooperationsdilemma

Das geläufigste Beispiel der Spieltheorie ist das Gefangenendilemma. Dieses Beispiel besitzt die gleiche Ausgangssituation, die auch bei Koalitionsverhandlungen besteht (Giersch, 2007). Das Gefangenendilemma handelt von zwei Verdächtigten, die beschuldigt werden, eine Straftat gemeinsam verübt zu haben (Dupré, 2010). Die höchste Strafe, die die Verdächtigten erhalten können, sind acht Jahre Haft. Die mutmaßlichen Täter erhalten bei einem getrennten Verhör das Angebot eine Strafe von einem Jahr zu erhalten, wenn sie bereit sind den jeweiligen Komplizen zu verraten. Der beschuldigte Straftäter würde im Gegenzug die Höchststrafe erhalten. Sollten jedoch beide schweigen, dann würden beide vermutlichen Täter für zwei Jahre eingesperrt. Kooperieren jedoch beide Straftäter unabhängig voneinander mit der Polizei, dann erhalten sie jeweils sechs Jahre (Peyrolón, 2019). Verdeutlicht wird die Situation in der folgenden Abbildung.


Abb. 1: Gefangenendilemma der Spieltheorie (Quelle: In Anlehnung an Peyrolón [2019], S. 32)

Es wird klar, dass das Schweigen für beide Personen das beste Ergebnis ergibt (Dilger, 2018). Hätte nun Person A oder B den anderen Spieler verraten, dann würde einer der beiden Personen das beste Ergebnis für sich selbst erzielen (Peyrolón, 2019). Somit entsteht ein Dilemma. Denn die individuelle Entscheidung ist insgesamt für beide schlechter als das gemeinsame Schweigen. Es herrscht also das Problem des Vertrauens, da beide Akteure damit rechnen müssen vom anderen verraten zu werden. Die Kooperation fällt beiden schwer, obwohl beiden dies insgesamt mehr nutzen würde (Peyrolón, 2019). Dieses Dilemma entsteht, da das Gefangenendilemma ein nicht-kooperatives Spiel ist (Rommerskirchen, 2016).

Somit wird für die jeweiligen Akteure ersichtlich, dass das Aussagen gegen den Partner die eigentliche egoistische, nutzenmaximierende Aktion wäre. Existiert jedoch Vertrauen, dann können beide Akteure die beste Lösung erzielen, was jedoch ohne gemeinsame Abstimmung riskant wäre. Folglich wird deutlich, dass die Entscheidungen des nutzenmaximierenden Individuums nicht immer die besten Entscheidungen sind. Damit ist es strategisch sinnvoll Normen zu etablieren, die zur optimalen Lösung aller Akteure beitragen können. Gleichzeitig findet die Rational Choice Theory keine einfache Antwort auf die Frage der Trittbrettfahrer (Rommerskirchen, 2016).

Der Trittbrettfahrer ist im Gefangenen Dilemma die Person, die den anderen Akteur sofort verraten würde, denn er kommt dem Typ des Homo oeconomicus sehr nahe. Dieses Problem konnte Coleman durch das Makro-Mikro-Makro-Modell lösen (Rommerskirchen, 2016). Dieses Modell besagt, dass Normen auf der Makroebene, das Handeln einzelner Personen auf der Mikroebene beeinflusst. Dieses Handeln kann im Anschluss auf die Normen wirken und diese wiederrum auf der Makroeben verändern. Somit steht der rational handelnde Akteur im Mittelpunkt, denn dieser wählt Normen aus und kann sie verändern (Rommerskirchen, 2016).

Vom Gefangenendilemma zum Vertrauensspiel

Das Gefangenendilemma kann in ein Vertrauensspiel umgewandelt werden. Hierbei bestehen die gleichen Voraussetzungen, wie beim Gefangenendilemma, nur die Strukturen der Präferenzen der Insassen verändern sich. Wenn der Insasse als Vertrauensspieler handelt, dann erkennt er das Kooperieren mit dem anderen Insassen als gemeinschaftliches Handeln an. Darüber hinaus rechnet der Spieler diesem gemeinsamen Handeln einen großen positiven Wert zu, denn er wertet das Kooperieren von Natur aus als sinn- und wertvoll. Somit existiert eine intrinsische Motivation zur Kooperation. Dies hat zur Folge, dass der Kooperationsspieler immer dann kooperiert, wenn dies möglich ist. Wird die Kooperation jedoch unterbunden, dann besinnt sich auch der Vertrauensspieler auf seine eigenen Interessen. Hier wird deutlich, dass dies kein altruistisches Handeln ist. Somit verändern sich auch die zugeordneten Präferenzen und zwei Gleichgewichtspunkte entstehen. Zum einen entsteht der Gleichgewichtspunkt zur gemeinsamen Kooperation und zum anderen der der Nicht-Kooperation. Diverse Studienergebnisse, in denen ein hoher Drang zur Kooperationsbereitschaft bestand, können so erklärt werden. Wenn die Testpersonen glaubten in einem Vertrauensspiel zu sein, indem die Akteure diese Information besaßen, dann wurde das Spiel auch sinngemäß gespiegelt. Unterstellen die Akteure nun auch den anderen Akteuren dieses kooperative Verhalten, dann zeigt sich das kooperative Verhalten auch als rational (Nida-Rümelin, 2009).

Spieltheorie in der Koalitionsforschung

Bei den office-sseking-Ansätzen geht es um die Ämtermaximierung (Jun, 1994). In der Regel findet die Ämterverteilung proportional gemessen an der Stimmverteilung statt. Aus diesem Grund sind rational und nutzenmaximierende Parteien daran interessiert, kleine Gewinnkoalitionen (minimal winning coalitions) zu generieren. So soll die kleinstmögliche Anzahl Parteien eine Koalition bilden (Spier, 2013). Die Große Koalition hätte im Jahre 2021 diesem Modell Stand gehalten, die Ampel-Koalition jedoch nicht (Horst, 2021). Von diesen Koalitionsmöglichkeiten gibt es nach Wahlen häufig mehrere. Aus diesem Grund wird dieser Ansatz weitergedacht (Spier, 2013). Da die Parteien nach einer Ämtermaximierung streben, sollen sich die Parteien zusammenschließen, die die kleinste Regierungsmehrheit besitzen, also eine kleinstmögliche Gewinnkoalition (minimum winning coalition) (Jun, 1994). Die aktuelle Ampel- Koalition bildet keine kleinstmögliche Gewinnkoalition, diese wäre mit der Große Koalition entstanden (Horst, 2021).

Diesen Koalitionsbildungen wird unterstellt inhaltlich blind zu sein, das bedeutet Koalitionen unabhängig von politischen Inhalten zu bilden (Spier, 2013). Außerdem wird kritisiert, dass ihre Prognosen sehr ungenau seien und in der Praxis auch Minderheitsregierungen und Regierungen mit einem Sicherheitspolster (working majority) gebildet werden. Diese Beispiele aus der Praxis können die office-seeking Ansätze nicht greifen (Müller, 2004).

Zu den office-seeking Ansätzen gehört auch die Analyse mittels Shapley-Wert und der Außenoptionslösung. Hierbei wird die Position einer Partei für die Verhandlungen zweiteilig analysiert. Zuerst wird eine Wahlergebnisuntersuchung vorgenommen. Dies betrifft den Zeitraum zwischen dem Ergebnis der Wahlen und den ersten Verhandlungen zur Koalitionsbildung, dazu wird der Shapley-Wert verwendet (Rusche, 2017).

Die Außenoptionslösung betrachtet im Anschluss den Verlauf der Verhandlungen. Diese Lösung analysiert die diversen Koalitionsmöglichkeiten, die eine Partei besitzt. Ist eine Partei notwendig, die in einen Koalitionsraum eintreten soll, um eine Mehrheit zu bilden, dann erhält sie einen Punkt. Die mathematischen Berechnungen allein geben jedoch keinen genauen Aufschluss über die entstehende Koalition und sie erkennt nicht, dass in der Praxis nicht alle Parteien als koalitionsfähig gelten (Rusche, 2017). Eine Partei, wie die AfD besitzt kein Interesse an der Regierungsarbeit (Bergmann & Rusche, 2017).

Ein Gegenentwurf zu den office-seeking Ansätzen bilden die policy-seeking Ansätze. Die Forscher Axelrod und De Swaan kritisieren die office-seeking Ansätze und behaupten, dass es auch um politische Inhalte gehen würde bei Koalitionsverhandlungen (Jun, 1994). Der Forscher De Swaan arbeitete ein Prinzip des minimalen Abstandes (minimal-range) aus (De Swaan, 1973).

Bei diesem Prinzip besteht das Ziel, die Umsetzung sachpolitischer Ziele zu maximieren. In Koalitionsverhandlungen sollen somit Allianzen angestrebt werden mit Parteien, die benachbart sind (minimal range coalition). Im Fokus steht das Minimieren von inhaltlichen Konflikten, um maximale sachpolitische Inhalte durchzusetzen. Hierzu wird häufig die Links-Rechts Skala verwendet (De Swaan, 1973). Offen bleibt die Frage, ob die Ampel-Koalition eine kleinere Entfernung verbindet als die Große Koalition oder die Jamaika-Koalition. Diese Analyse würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Umso näher die Inhalte der Parteien, desto einfacher ist die Bildung einer Koalition, so die Forscher. Dabei habe die Partei der Mitte die größte Möglichkeit zur Bildung einer Koalition. Wenn eine Partei mehrere Möglichkeiten zur Regierungsbildung hat, dann wird sie sich für die Koalition entscheiden, in der sie die Partei der Mitte bildet (Jun, 1994). Ähnlich zu diesem Ansatz ist der von Robert Axelrod mit dem Namen minimal connected winning (Axelrod, 1970).

Für diesen Ansatz kann die Analyse mittels Links-Rechts Skala verwendet werden, die jedoch keine vollständige Anwendung des Prinzips ermöglicht, aufgrund der Vereinfachungen des mehrdimensionalen Raums (Spier, 2013). Die Analyse in einem mehrdimensionalen Raum würde jedoch den Rahmen sprengen. Somit kann kaum eine Aussage mittels minimal connected winning Modell, minimal range coalition und der einfachen Anwendung der Links-Rechts Skala ermittelt werden.

Ein weiterer Versuch im Bereich der policy-seeking Ansätze ist die core-theory. Hierbei besitzt in den Koalitionsverhandlungen eine Partei die core position und ist dadurch berufen eine Koalition zu bilden. Dabei zeigten schon diverse Studien aus den Siebzigern, dass dieses Modell nur einen begrenzten Teil der Koalitionsverhandlungen beschreibt und nicht einfach in die Realität umgesetzt werden kann (Jun, 1994).

Gruppenspezifische Prozesse in Koalitionsverhandlungen

Weder die unterschiedlichen office-seeking Ansätze noch die policy-seeking Ansätze aus der Spieltheorie schaffen eine genaue Vorhersage zu entstehenden Koalitionen. Dass diese Modelle keine zutreffenden Aussagen treffen können, kann an der Sparsamkeit der Modelle liegen, aber auch an der Nicht-Beachtung diverser gruppenspezifischen Prozesse. Dabei bilden teilnehmenden Personen an Koalitionsverhandlungen ein soziales System.

Alle sozialen Systeme grenzen sich von anderen ab, indem sie vier Funktionen im Handeln innerhalb des Systems umsetzen. Das Handlungsschema wird AGIL genannt. Dabei entsteht ein Zusammenhalt in der Gruppe, der durch das gemeinsame Erreichen von Zielen und gleichzeitig durch eine Abgrenzung zu anderen Systemen stattfindet. Es werden ebenfalls unbemerkt gemeinsame Werte gebildet, die die Abgrenzung zu anderen Systemen fördert. Durchgehend wird der innere Zusammenhalt gestärkt und zeitgleich die Abgrenzung nach außen stabilisiert (Rommerskirchen, 2016).

Somit können Parteien eigene Systeme bilden, aber auch die Parteien, die gemeinsam eine Koalition bilden wollen. In den Koalitionsverhandlungen entstehen somit eigene Werte und Abgrenzungen. Was dazu führen kann, dass innerhalb dieser Gruppe vorher nicht gedachte Kompromisse und Einigungen gefunden werden können. Als Beispiel dient hier die Einigung der Freien Demokraten mit den Grünen 2021 bei den Ampel-Verhandlungen (Bergmann & Rusche, 2021).

Sozialpsychologische Faktoren, die Koalitionsverhandlungen beeinflussen können sind zum Beispiel gesellschaftliche Normen. Denn diese können einen Einfluss auf unser Verhalten haben. Häufig entstehen sogar Situationen, in denen Menschen von Normen beeinflusst werden, ohne dass dies bemerkbar wird. Diese Beeinflussung findet durch triviale Effekte statt, zum Beispiel durch die soziale Erleichterung. Auf der anderen Seite können jedoch auch Beeinflussungen durch das Befolgen der Konformität innerhalb einer Gruppe entstehen. Dabei kann innerhalb einer Gruppe eine Form des Drucks entstehen (Hewstone & Martin, 2014). Ein Beispiel aus der Politik zeigt Olaf Scholz im Bundeswahlkampf 2021. Scholz gab nach einem langen sozialen und öffentlichen Druck nach und schloss eine Koalition mit der Partei die Linke aus (ZDF, 2021).

Außerdem kann aus sozialpsychologischer Sicht das Gruppendenken eine Rolle spielen. Dieses stellt einen normativen Einfluss dar, in einer möglichen extremen Form. Hierbei geht es um die Aufrechterhaltung der Gruppenharmonie um jeden Preis, selbst wenn negative Entscheidungen getroffen werden, werden diese zur Aufrechtbewahrung der Harmonie nicht kritisiert (Hewstone & Martin, 2014). Ein Beispiel bietet das Auftreten von Armin Laschet während der Flutkatastrophe 2021. Sein Auftreten und seine Reaktionen auf sein Verhalten schienen innerhalb des Teams nicht ordentlich ausgearbeitet worden zu sein (Delhaes & Sigmund, 2021).

Außerdem neigen Gruppen dazu extremere Entscheidungen zu treffen, die in Richtung der favorisierten Gruppenmeinung gehen. Hierbei können in der Gruppe negative Entscheidungen getroffen werden, die zu Beginn in dieser Form nicht zur Debatte standen. Dies wird Gruppenpolarisierung genannt, die zum Extremismus führen kann. Dabei ist zu beachten, dass das Gruppendenken nicht zwangsläufig zur Gruppenpolarisierung führen muss (Hewstone & Martin, 2014). Diese Form des Gruppendenkens kann auch bei der Vorbereitung von Koalitionsverhandlungen entstehen. Definiert eine Partei rote Linien vor den Koalitionsverhandlungen, dann kann dies die kommenden Gespräche erschweren. Die Forderungen zum Thema der Schuldenbremse von der FDP in den Koalitionsgesprächen 2021 ist hier als Beispiel anzuführen (Boysen-Hogrefe et al., 2022).

Ein weiterer Punkt, der bei Koalitionsverhandlungen beachtet werden muss, ist die Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten. Kommt einer Person ein hoher sozialer Status zu, dann kann dies dazu führen, dass Befehle oder Vorschläge dieser Autoritätsperson blind umgesetzt werden (Hewstone & Martin, 2014). Die Erkenntnisse könnten auch bei Koalitionsverhandlungen auftreten, wenn eine Person innerhalb der Verhandlung oder innerhalb einer Partei eine hohe Autorität zugerechnet wird, wie zum Beispiel dem Spitzenkandidaten oder einem ehemaligen Bundeskanzler.

Wird eine Gruppe gebildet, findet der Einschluss und der Ausschluss anderer Individuen statt. Dabei bildet das saliente Merkmal die Grenze zwischen den Individuen, die ein- beziehungsweise ausgeschlossen werden (Nijstad & van Knippenberg, 2014). Dabei kann ein Intergruppenprozess, wie zum Beispiel der Vergleich der Verhandlungsdelegation der CDU mit der Verhandlungsdelegation SPD, dazu führen noch bessere Leistung für seine Gruppe, zu realisieren.

Neben Intergruppenkonflikten können auch Intragruppenkonflikte entstehen. Diese Konflikte mindern das Selbstbild der Gruppe und der ihr angehörenden Individuen. Die Folge sind Konflikte, die einerseits entstehen, wenn die Gruppe wächst und andererseits auftreten, wenn die Anonymisierung oder die Unterscheidung zwischen Gruppenmitgliedern und Nicht-Mitgliedern bei Gruppenreduzierung stattfindet. Außerdem können diese Konflikte entstehen, wenn ein einzelnes Individuum das eigene Selbstbild positiv erhöhen möchte, um die individuelle Leistung über die der anderen Gruppenmitglieder zu stellen (Thiel, 2021). Ein Beispiel für solch einen Intragruppenkonflikt ist das Verhalten von Markus Söder im Wahlkampf 2021 gegenüber Armin Laschet (Brettschneider, 2021).

Darüber hinaus verbinden sich Gruppenmitglieder über saliente Merkmale. Wie die Mitglieder ihre eigene Gruppe wahrnehmen, hängt jedoch auch von der Beurteilung der anderen Gruppen statt. Hierbei können sich die Gruppen, mit denen sich eine Gruppe vergleicht, ändern (Nijstad & van Knippenberg, 2014). Im Vergleich mit anderen namhaften Parteien galt die Union als die konservative Partei. Mit dem Eintritt der Partei AfD änderte sich dies. Der Union wurde das saliente Merkmal konservativ streitig gemacht. Dies hat zur Folge, dass sich die Gruppe Union als weniger konservativ wahrnimmt und die dadurch entstehenden Unruhen, mit in Koalitionsverhandlungen einfließen (von Altenbockum, 2014). Diese Unruhen waren auch im Wahlkampf 2021 zu bemerken, als die Union bemüht war Unterschiede zur AfD deutlich zu machen (Oppelland, 2019).

Gefangenendilemma in den Koalitionsverhandlungen

Findet nun eine Übertragung des Gefangenendilemma in die Koalitionsverhandlungen statt, dann entsteht folgende Situation:


Abb. 2: Übertragung des Gefangenendilemma in die Politik (Quelle: In Anlehnung an Giersch [2007], S. 38)

Die Parteien können sich jeweils frei für eine Strategie entscheiden. Bei der Kooperation beider Parteien kann das beste Ergebnis für beide gebildet werden. Nun besteht jedoch das Problem, dass beide Parteien Konkurrenten sind und deswegen keine Sicherheit zur gegenseitigen Kooperation herrscht, das Misstrauen steht hier im Vordergrund. Beide Parteien besitzen die Angst, dass ihr kooperatives Handeln mit nicht-kooperativen Handeln beantwortet wird, und folglich ausgenutzt wird. Ein schlechteres Ergebnis für die jeweilige kooperative Partei wäre die Folge und ein besseres Ergebnis für die nicht-kooperative Partei würde entstehen. Das Vertrauens-Dilemma tritt also auch bei Koalitionsverhandlungen auf (Giersch, 2007).

In der Realität entstehen häufig Situationen, in denen Akteure nicht gemeinsam arbeiten, auch wenn eine gemeinsame Lösung mehr Vorteile besitzen würde. Dies ist vor allem in der Politik häufig zu beobachten. Die Politik hat sich von einem ungefähren Nullsummenspiel weiterentwickelt, aufgrund neuer politischer Gegebenheiten und Ziele (Kronauer, 2015). Somit muss eine Umwandlung des Gefangenendilemmas in das Vertrauensspiel stattfinden, damit ein kooperatives Verhalten wahrscheinlicher wird (Nida-Rümelin, 2009).

Aus diesem Grund müssen Parteien eine intrinsische Motivation zur Kooperation erzeugen und immer kooperieren, wenn dies möglich ist. Zeigt ein anderer Akteur jedoch kein kooperatives Verhalten so kann der Blick auf die eigenen Interessen gerichtet werden (Giersch, 2007). Dieses Verhalten müssen Parteien langfristig zeigen und einen normativen Rahmen schaffen, der diese Motivation präsentiert. Passend dazu bietet sich der Wahlkampf an, der als Basis diese kooperative Ausrichtung nutzt, um beim Eintritt in die Koalitionsgespräche bestens vorbereitet zu sein.

Dieses kooperative Verhalten kann Sicherheit und Vertrauen schaffen und das gegenseitige kooperative Verhalten fördern (Giersch, 2007). Hierzu können sozialpsychologische Kenntnisse genutzt werden, um dieses Verhalten zu fördern.

Also findet die Schaffung eines neuen normativen Rahmens statt, der durch das Handeln auf der Mikro- Ebene mit Wirkung auf die Makro-Ebene entsteht. Dies hat zur Folge, dass eine Partei mit einer verbesserten Ausgangslage in die Verhandlungen geht, da kein Kooperationsdilemma mehr besteht.

Fazit

Die theoretische Arbeit ermöglicht eine Antwort auf die aufgestellte Hypothese zu ermitteln. Die Hypothese „Wenn Koalitionsverhandlungen stattfinden, dann agieren die Politiker rational gemäß dem Rationalitätsbegriff nach Weber.“ konnte widerlegt werden, da der Rationalitätsbegriff nach Weber keine praktische Anwendung findet und weitere Faktoren, aus der Sozialpsychologie einfließen, die Auswirkungen auf Koalitionsverhandlungen und das politische Agieren haben können. Zusätzlich wird in der Rational Choice Theory der Rationalitätsbegriff nach Homans angewendet.

Es wurde deutlich, dass der klassische Homo Oeconomicus, der stehts rational handelnde Akteur, keine Praxistauglichkeit erfährt.

Die spieltheoretische Analyse der Koalitionsverhandlungen zeigt, dass die dazugehörigen Instrumente (office-seeking und policy-seeking) zwar Aussagen treffen können, aber nur eine begrenzte Aussagekraft besitzen. Dies liegt an den aufgestellten Modellen selbst, da sie sparsam mit definierten Grenzen entwickelt wurden, um eine Anwendung zu ermöglichen.

Dies hat zur Folge, dass andere Faktoren, wie diverse gruppenspezifische Prozesse, die durch die Sozialpsychologie erforscht und erklärbar sind, keinen Platz in der Analyse finden, aber dennoch von hoher Bedeutung sind, wie diese Arbeit zeigt.

Hierzu gehören gesellschaftliche Normen, die Gruppenpolarisierung, die Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten, die Inter- und Intragruppenprozesse, die Phase der Gruppenmitgliedschaft und die salienten Merkmale. Wichtig zu erwähnen ist, dass bei zukünftigen Forschungen weitere sozialpsychologische Erkenntnisse getestet werden sollen.

Das Einbeziehen aller sozialpsychologischer Faktoren ist jedoch unmöglich und würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Zeitgleich wäre die Beachtung all dieser Faktoren in einem anwendbaren und sparsamen Modell nicht möglich. Gleichzeitig bildet die Sozialpsychologie kein eigenes vollständiges Instrument zur Analyse von Koalitionsverhandlungen.

Somit bildet die Spieltheorie das aktuell beste Mittel zur Analyse von Koalitionsverhandlungen.

Jedoch kann das Beachten der sozialpsychologischen Erkenntnisse dazu führen, dass die Umwandlung des Gefangenendilemmas in ein Vertrauensspiel unterstützt wird, was das Verhandeln begünstigt. So kann eine Veränderung des normativen Rahmens erzeugt werden.

Jedoch sollte bei einer zukünftigen Forschung eine Datenanalyse verwendet werden und mehrere Koalitionen als Beispiel herangezogen und ausgewertet werden. Darüber hinaus sollten weitere Hypothesen aufgestellt werden, um eine genauere Analyse vorzunehmen.

Hierbei sollten auch die einzelnen Koalitionsforschungsansätze aus der Spieltheorie mit mehreren bekannten Daten (andere Koalitionen) verglichen werden und nach ihrer treffenden Aussagekraft gegliedert werden. Hierbei sollten auch die einzelnen Koalitionsforschungsansätze aus der Spieltheorie mit mehreren bekannten Daten (andere Koalitionen) verglichen werden und nach ihrer treffenden Aussagekraft gegliedert werden. Außerdem bilden Langzeitstudien mit Tiefeninterviews (mit den Verhandlungsführern der Koalitionsverhandlungen) eine weitere und bessere Möglichkeit genauere Kenntnisse zu erlangen. Die Grenzen der Analyse und die Nennung dieser Grenzen können dazu führen, dass zukünftige Analysen optimiert werden. Gleichzeitig sollte eine genauere Analyse der politischen Position der Parteien ausgearbeitet werden, um die Parteien auf einer Links-Rechts Skala und in einem mehrdimensionalen Raum besser einordnen zu können. Dies würde die policy-seeking Analyse verbessern.

Bei zukünftigen Forschungen sollte eine weitere Analyse forciert werden. Hier soll das Wissen über die Grenzen der spieltheoretischen Modelle ein Vorteil bilden. Wie diese Arbeit gezeigt hat, finden sozialpsychologische Faktoren kaum, bis keine Bedeutung in der Spieltheorie. Jedoch können diese sozialpsychologischen Faktoren durch das Lösen des Kooperationsdilemmas und das Schaffen von Vertrauen, eine Umwandlung vom Gefangenendilemma zum Vertrauensspiel unterstützen. Somit kann ein langfristiges kooperatives Handeln dazu führen, dass ein neuer normativer Rahmen etabliert wird und ein Übergang zum Vertrauensspiel von den Parteien umgesetzt wird (Makro-Mikro-Makro Modell). Somit würde eine neue Ausgangslage für Koalitionsverhandlungen und deren Analysen entstehen. Somit bietet die Kooperation einen enormen Vorteil zur Gestaltung von erfolgreichen Koalitionsverhandlungen.

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Literaturverzeichnis

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