Jo Reichertz: Hochschulkommunikation – Informieren, Vermitteln, Schönfärben oder Farbe bekennen?

 In Auseinandersetzung mit der Siggener Erklärung der Pressesprecher für Hochschulen von 2014 wird gefragt, ob Hochschulkommunikation wirklich eine besondere Art des Wissenschaftsjounalismus unter dem Dach der Hochschulen sein kann und sein sollte.1 Daran anschließend wird diskutiert, ob es Sinn macht, Hochschulkommunikation vornehmlich als strategische Kommunikation zu betreiben, welche den Hochschulen hilft, sich in dieser Gesellschaft als jeweils besondere Akteure zu profilieren und damit auch attraktiv für Wissenschaftler/innen, Studierernde, die Politik und Drittmittelgeber zu machen.

It takes two to tango

Barak Obama, bis Anfang 2017 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, sagte 2012 bei der Neuaufnahme der START-Verhandlungen zur Begrenzung der Atomwaffen mit Blick (nicht nur) auf Russland: „It takes two to tango“. Er griff damit eine alte Liedzeile aus dem Jahr 1952 von Al Hoffman und Dirk Manning auf, die mittlerweile nicht nur in den USA zu einem idiomatischen Ausdruck geworden ist. Benutzt wird dieser Ausdruck immer dann, wenn man sagen will, dass bei einer bestimmten Sache mehr als ein Akteur wichtig ist: Nur dann, wenn zwei oder mehr Akteure miteinander oder gegeneinander (wenn auch geordnet) agieren, entsteht und gelingt das, was von außen als Tanz erscheint.

                Sozialwissenschaftlich gewendet bedeutet dies: Will man das Handeln der aktuellen Hochschulkommunikation verstehen und Entwicklungstendenzen entdecken, dann muss man auch die anderen Tanzpartner und deren Praxis betrachten. Im Fall der Hochschulkommunikation sind das zur Zeit drei weitere korporative Akteure: Einerseits natürlich die Medien, dann die Wissenschaftler/innen und zum dritten auch die Hochschulen, personalisiert durch die jeweiligen Hochschulleitungen (siehe auch Reichertz 2004). Auf deren Praxis werde ich im Weiteren kurz eingehen.

Die Hochschulen

Die Hochschule als Organisation sorgte in Deutschland lange dafür, dass die Forschung in Einsamkeit und Freiheit einen gut dotierten und verbeamteten Rahmen fand, weshalb die Öffentlichkeit gerne von der Universität als Elfenbeinturm sprach, der fernab der gesellschaftlichen Wirklichkeit in den Himmel ragt. Aber selbst zu den Hochzeiten der Gelehrsamkeit an den deutschen Universitäten schufen sie nicht flächendeckend eine Gelehrtenrepublik, sondern sie bildeten vor allem Mediziner, Historiker, Juristen, Verwaltungswissenschaftler, Naturwissenschaftler und Theologen aus. Universitäten standen immer im Dienst einer Gesellschaft, die sie alimentiert und die von ihnen seit den 1970-ern auch erwartet, sich vor dieser Gesellschaft zu rechtfertigen.

Heute müssen die Universitäten (und auch die in ihnen Beschäftigten) sich in vielerlei Hinsicht als Unternehmer bzw. Unternehmen begreifen, die auf einem nationalen und zunehmend international werdenden Markt miteinander um Reputation und Prominenz konkurrieren. Die hier Erfolgreichen gewinnen mehr Drittmittel, Wissenschaftler/innen und Studierende – was schlussendlich wieder Reputation und Prominenz erzeugt und das Überleben oder gar den Ausbau sichert. Diese Konkurrenzsituation und er daraus folgende Überbietungswille hat die Hochschulen und deren Handeln und natürlich auch das der in ihr Beschäftigen und deren Handeln maßgeblich verändert. Gewiss waren Hochschulen auch früher schon Wirtschaftsfaktoren, aber dies wurde meist nur implizit auf der Hinterbühne thematisiert.

Heute jedoch sind Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Praxisrelevanz Größen, die explizit als Erwartung an die Hochschulen herangetragen werden, und diese werden nach den üblichen Standards wirtschaftlicher Effizienzprüfung geprüft und bewertet. Zu diesem prüfenden Blick durch die Gesellschaft gehört auch, dass in den letzten Jahren flächendeckend große Fensterflächen und Türen in den Elfenbeinturm eingebaut wurden. Transparenz heißt heute die Losung der Zeit und man pusht nicht nur Informationen aus der Universität in die Gesellschaft via Öffentlichkeitsarbeit, sondern man lädt auch die Gesellschaft und sogar Kinder in die Seminarräume und Aulen der Hochschulen ein.

Wissenschaftler/innen

Nach einem aktuellen Bonmot bedeutet auch für Wissenschaftler heute Sein zunehmend In-den-Massenmedien-Sein. Nur auf den ersten Blick ist dieses Wort übertrieben oder gar bösartig. Kaum einer hat die Besonderheit dieser Zeitenwende so deutlich auf den Punkt gebracht wie Ernst-Ludwig Winnacker, der von 1998 – 2006 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) war. In einem Interview mit Die Zeit sagte er: „Der Druck, Rechenschaft abzulegen und Qualität zu messen, ist in der Tat wegen der Konkurrenzsituation knapper Mittel gestiegen. Ich finde diese Entwicklung genau richtig, weil in der Forschung nichts so sehr zählt wie der Wettbewerb. Um wissenschaftliche Exzellenz zu erreichen, müssen die besten miteinander wetteifern. Die Zeiten sind vorbei, in denen man nicht mehr laut sagen durfte, dass man besser ist als andere“ (Spiewack & Schnabel 2003:25).

Überraschend ist eine solche Forderung, weil Wissenschaftler noch nie besonders zurückhaltend waren, wenn es darum ging, in Veröffentlichungen oder Vorträgen Konkurrenten zu kritisieren und die eigenen Qualitäten herauszustreichen. Allerdings sprach man bislang leise darüber, die Kritik und das Lob waren den Ohren der Kollegen und Kolleginnen vorbehalten. Das Gebot des Laut-Sprechens (mittels den aktuellen Lautsprech-Medien) impliziert nicht nur, sondern fordert auch eine Erweiterung der Zuhörerschaft, dieses Gebot des Laut-Sprechens weitet den Kreis der vom wissenschaftlichen Wort Angesprochenen über die bisher üblichen Grenzen hinaus aus. Auch andere Hörer/innen oder genauer: möglichst viele Hörer/innen sollen hören, dass ein bestimmter Wissenschaftler/in mehr zu bieten hat als sein Konkurrent. Und am besten erreicht der/die das Ziel der Werbung in eigener Sache, wenn er/sie sich dorthin begibt, wo die meisten Menschen anzutreffen sind: früher war das der Marktplatz und heute sind es die alten wie neuen Medien. Die Formulierung des DFG-Präsidenten erweist sich also bei näherer Betrachtung als Aufforderung an alle Wissenschaftler/innen, auch öffentlich miteinander zu konkurrieren und sich dabei auch (aber nicht nur) der laut-sprechenden Verbreitungsmedien zu bedienen. Und viele Wissenschaftler/innen haben diese Aufforderung befolgt:

War es also lange Zeit entscheidend (wollte man ein Geisteswissenschaftler oder eine Geisteswissenschaftlerin werden), in dem Leitmedium Buch seine Ansichten zu publizieren, so wird die Bedeutung von Wissenschaftlern/innen zunehmend auch (also nicht ausschließlich) durch Präsenz in den audio-visuellen und den neuen digitalen Medien hergestellt und gefestigt. Und da die neuen Medien sehr stark dem Bild und weniger dem Wort verpflichtet sind, resultieren daraus vollkommen andere Darstellungslogiken und Erfolgskriterien – was manche Wissenschaftler auch dazu bewegt, sich dem Fernsehauftritt und der damit einhergehenden Dramatisierungsnotwendigkeit und dem kurzatmigen Fast-Thinking grundsätzlich zu verweigern (vgl. Bourdieu 1998).

Medien

Nicht nur die Hochschulen und die Wissenschaftler/innen haben sich gewandelt, auch die Formen der Aktivität und das Selbstverständnis der Medien bzw. der Journalisten/innen. Auch für sie gilt, dass sie sich ökonomischen Erfordernissen nicht nur nicht widersetzen konnten, sondern diese (teils offensiv) zur Richtlinie ihres Handelns machen. Das gilt insbesondere für den Wissenschaftsjournalismus, der, wenn er gut sein soll, immer auch teuer ist. Der systematische Abbau des guten Wissenschaftsjournalismus hat auch dazu geführt, dass bei vorsichtiger Schätzung davon ausgegangen werden kann, dass heute mehr als jede zehnte Pressemitteilung der Hochschulkommunikation von den Redaktionen der Presse 1:1 übernommen wird (vgl. Leopoldina et al. 2014: 15).

Mittlerweile begleiten die Medien die Erneuerungswellen an den deutschen Hochschulen bereitwillig und ausgiebig: Vor allem in den Printmedien und hier vor allem in den Magazinen und Zeitschriften mit gehobenem Anspruch finden sich regelmäßig ausführliche Artikel zu den aktuellen Problemen der Wissenschaft, der Universitäten und auch der einzelnen Wissenschaftler bzw. Wissenschaftlerinnen. Der Spiegel, der Fokus, der Stern und natürlich auch Die Zeit beteiligen sich sehr engagiert an der Debatte um die Vergangenheit, die Gegenwart und vor allem die (von diesen Medien meist düster gezeichnete) Zukunft deutscher Wissenschaft, deutscher Universitäten und deutscher Wissenschaftler/innen und gestalten auf diese Weise diese Zukunft mit.

Wesentlich für die Einschätzung der neuen Rolle der Medien ist, dass durch die Einführung des dualen Fernsehsystems im Jahr 1984 die Bedeutung der Werbeeinnahmen, die an die Zuschauerquote bzw. Verkaufszahlen gekoppelt sind, deutlich gestiegen ist. Der Kampf ums Überleben entscheidet sich bei Tageszeitungen jeden Morgen am Kiosk und bei Wochenzeitungen jeweils montags oder donnerstags. Bei den Fernsehsendern entscheidet der Zuschauer im Sekundentakt.

Ein zentrales Mittel der Zuschauer- bzw. Leser- und Hörerbindung aller Medien (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß) besteht darin, dass sie sich vermehrt und sehr aktiv in die Welt, über die sie berichten, einmischen und meist kritisch über Missstände jeder Art an den Hochschulen berichten oder aber gezielt nach Möglichkeiten suchen auflagenstarke Skandalisierungsprozesse in gang zusetzen oder zu verstärken – ein Sachverhalt, der gerne (von den Medien) als Wahrnehmung ihrer Rolle als vierte Gewalt gedeutet wird (vgl. Reichertz 2012).

Aber das Bild der vierten Gewalt, mit dem die Medien sich lange und gerne beschrieben haben und auch heute noch selbst beschreiben, korrodiert – langsam aber deutlich.  Dies vor allem, weil nicht mehr emanzipatorische und demokratiefördernde Überzeugungen den ersten Grund für das eigene Tun darstellen, sondern die Positionierung und Etablierung eigner Sichtweisen und Meinungen im Markt und damit vor allem der Kundenbindung dienen. Der Markt und die Nachbarmedien werden beobachtet und über die Publikumsreaktionen der Grad des Erfolges gemessen. Und wenn es dem eigenen Profil und den ökonomischen Erfordernissen nutzt, dann handeln Medien auch im Rahmen des Bildes der vierten Gewalt. Nur ist dieses Bild nicht mehr das Leitbild, sondern ein Bild unter anderen, das nach Nützlichkeitserwägungen bedient wird oder nicht.

Als zentrales Leitbild lässt sich heute vielmehr konstatieren, dass die Medien selbst Akzente setzen und gestalten wollen, mit Themen spielen – und zwar immer im Interesse ihrer spezifischen Zielgruppe[1]. Die Selbstzuschreibung der Medien, sie seien die vierte Gewalt, trifft also nicht mehr zu. Statt Gemeinschaftsorientierung und kritische Öffentlichkeit steht Zielgruppenmarketing im Vordergrund des Agierens der Medien. Nur wenn der Kunde von heute auch der Kunde von morgen ist, dann rechnet sich der Einsatz des Mediums. Dann bleibt das Medium auf dem Markt.

Aber die Medien leihen den Wissenschaftlern nicht nur ihre Reichweite. Zunehmend interessieren die Medien sich, und hier vornehmlich die Boulevardpresse, auch für das private Leben und die Lieben von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Schon seit geraumer Zeit stehen die Universitätsangehörigen unter (Dauer-)Beobachtung: Politiker, Wirtschaftsvertreter, die Öffentlichkeit und die Medien wollen (wenn auch aus unterschiedlichen Interessen) immer mehr und immer genauer wissen, was die gut besoldeten Hochschullehrer/innen leisten. Wissenschaftler sitzen schon lange nicht mehr in ihrem Elfenbeinturm hinter blickdichten Mauern. Stattdessen werden die Wände der Universitäten immer durchsichtiger und der einzelne Wissenschaftler immer sichtbarer – ob er das will oder nicht. Wissenschaftler haben – so die Behauptung – zunehmend immer weniger die Kontrolle über die Informationen über ihre Arbeit oder zu der Person.

Hochschulkommunikation

Die Entwicklung der in Pressestellen angesiedelten zentralen Hochschulkommunikation, die Ende der 1970er Jahre in Gesprächskreisen noch um ihre Identität rang und seit 2008 auch in einem eigenem Verband organisiert ist, kann man aus meiner Sicht bislang in zwei große Phasen[2] unterteilen: Anfangs gab es in den Pressestellen, die von Beginn an der Hochschulleitung zugeordnet und damit auch dieser unterstellt war, vor allem Einzelkämpfer, die sich oft gerne als Wissenschaftsjournalist/innen unter dem Dach der Hochschule begriffen und die deshalb ihre Aufgabe darin sahen, den Hochschullehrern/innen an ihrer Hochschule dabei zu helfen, öffentlichkeitswirksame Texte über die jeweiligen Forschungsergebnisse zu verfassen und ansonsten als Ansprechpartner für die Medien zur Verfügung zu stehen.

Hochschulkommunikation war in dieser ersten, noch weitgehend standespolitisch unorganisierten Phase, vor allem Wissenschaftskommunikation und die jeweiligen Akteure orientierten sich oft an den Standards eines unabhängig agierenden und qualitativ ausgewiesenen Wissenschaftsjournalismus aus dem Printbereich. Diese Art der wissenschaftsorientierten Hochschulkommunikation hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt und auch in Auseinandersetzung mit anderen Konzepten geändert – nicht immer zur Freude aller.

So haben die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in ihrer Stellungnahme zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien im Juni 2014 Hochschulkommunikation so umgrenzt: „Die Wissenschaftskommunikation wird hier im Sinne einer beständigen und aktiven Information der Öffentlichkeit durch die Forschungseinrichtungen, Universitäten und andere Wissenschaftsorganisationen über Erkenntnisfortschritte der Wissenschaft sowie über deren gesellschaftliche und politische Implikationen verstanden.“  (Leopoldina et al. 2014: 9).

Knüpfen die Empfehlungen der Leopoldina explizit an das Verständnis des qualitativ hochstehenden Wissenschaftsjournalismus an, so setzen die Siggener Denkanstöße ebenfalls aus dem Jahr 2014 andere Akzente – formulieren aber zugleich einen doppelten Bildungsauftrag. Dort heißt es: „Wir leben in einer Wissenschaftsgesellschaft. Wissenschaft prägt alle Bereiche des privaten und gesellschaftlichen Lebens. Sie ist Grundlage sowie Instrument für politische, wirtschaftliche und persönliche Entwicklungen und Entscheidungen. […] Gleichzeitig beobachten wir eine immer weiter zunehmende Komplexität und disziplinäre Differenzierung der Wissenschaft bei wachsender Vernetzung und fächerübergreifender Kooperation. Für einen Teil der Öffentlichkeit sind wissenschaftliche Zusammenhänge immer weniger verständlich – oder werden nicht verständlich genug gemacht. Es wird damit schwieriger, Chancen und Risiken abzuwägen und mögliche Konflikte zu erkennen. Wissenschaft muss sich erklären“.

Bei dieser Erklärung hilft bzw. soll die Hochschulkommunikation helfen. Etwas pointiert formuliert kann man sagen, Hochschulkommunikation hat in dieser Sicht der Dinge die Aufgabe, (a) den Bürgern/innen das Verstehen von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ermöglichen, um so ein Verständnis für die Konsequenzen zu erleichtern, was schlussendlich auch dazu führt, den Widerstand der ‚Wutbürger’ zu mindern, somit auch Partizipation herbeizuführt. „Die Bürger müssen zu einem frühen Zeitpunkt in wissenschaftliche Entwicklungen einbezogen und zur faktenbasierten Diskussion befähigt werden. Dafür ermöglicht die Wissenschaftskommunikation Dialoge, in denen Bürger Meinungen einbringen, Wissenschaft beraten und sich an Entscheidungen beteiligen können“.

Aber Hochschulkommunikation hat laut Siggener Erklärung auch einen Bildungsauftrag gegenüber den Wissenschaftler/innen. Denn: „Gute Wissenschaftskommunikation achtet darauf, dass Informationen zielgruppengerecht aufbereitet und verbreitet werden. Sie kennt die dafür jeweils geeigneten Instrumente und Kanäle. Sie verwendet eine verständliche Sprache. Das Interesse der Bürger richtet sich nicht allein auf Fakten. Um für Wissenschaft zu werben, erzählt gute Wissenschaftskommunikation auch Geschichten aus der Wissenschaft, von ihren Protagonisten, ihrem Alltag und ihrer Umgebung. Sie bietet Identifikationsmöglichkeiten. Gute Wissenschaftskommunikation ermöglicht, dass Wissenschaftler selbst über sich, ihre Motivation und ihre Arbeit sprechen“.

Damit hat Hochschulkommunikation nicht nur eine immens politische, demokratiepraktische Aufgabe, sondern auch einen (selbst erteilten) zweifachen Bildungsauftrag. Einerseits gegenüber den Bürger/innen: Hier will und muss man den Unverständigen unter ihnen das Unverständliche verständlich machen. Andererseits gegenüber den Wissenschaftlern/innen – den man dagegen verständlich machen will und muss, nicht mehr unverständlich zu schreiben. Indem sie zudem von den Wissenschaftler/innen erwarten, dass diese auch über sich selbst sprechen sind sie die Agenten der Mediatisierung im eigenen Hause[3].

Allerdings haben die Autoren/innen der Leopoldina-Erklärung und auch die des Siggener Denkanstoßes[4] – so meine Behauptung – nicht wirklich den Alltag der Hochschulkommunikation im Blick, sondern den Sonntag, also den besonderen Tag, für den sich alle gut kleiden und an dem gemeinsam und ehrfürchtig das Außeralltägliche gefeiert wird.

Vergleichbar ist das mit der Strategie, das Leben des Katholizismus allein Weihnachten und zu Ostern zu verkürzen. Das wirkliche Leben des Katholizismus ereignet sich (wie jedes andere auch) aber wesentlich im Alltag – jenseits von Weihnachten und Ostern. Wer nur eine ‚Feiertagsforschung’ betreibt, darf sich nicht wundern, wenn seine Ergebnisse verwundern und mit der alltäglichen Erfahrung nicht zur Deckung zu bringen sind. Deshalb ist es für das Verständnis der Arbeit der heutigen Hochschulkommunikation absolut notwendig, will man nicht dem verständlichen, doch unangemessenen Versuch der Selbstverzauberung aufsitzen, den ganz gewöhnlichen Alltag der Hochschulkommunikation in den Blick zu nehmen. Dieser Alltag besteht in der Regel nicht aus Demokratieförderung, sondern sehr viel mehr daraus, am laufenden Meter Pressemitteilungen zu schreiben, zig Journalisten bei der Recherche zu helfen, Studierende auf Facebook an die Hand zu nehmen, Veranstaltungen zu organisieren und Rechtauskünfte einzuholen[5].

Aber die Hochschulkommunikation hat sich auch so organisiert, dass sie eigene Interessenverbände, eigene Professionspolitik eigenständig betrieben und betreibt. Aus Sicht vieler externer Beobachter (dazu zähle ich mich auch) traf diese Beschreibung nie wirklich die Praxis und die Funktion der Hochschulkommunikation. Aber seit die Hochschulkommunikation (in ihrer zweiten Phase) nicht mehr nur aus Einzelkämpfern/innen besteht, sondern oft mehrere Angestellte des öffentlichen Rechts (und manchmal auch Beamte) umfasst, die im Stab der Hochschulleitung angesiedelt sind, trifft sie überhaupt nicht mehr. Heute ist die Hochschulkommunikation das Kommunikationsmedium der Hochschulleitung. Auch deshalb kann sie nicht autonom sein, ist sie doch im Konfliktfalle immer und in jedem Belang ihres Geschäftsbereichs weisungsgebunden. Hochschulkommunikation wird nämlich gerade nicht betrieben von einer externen Institution, die (wenn auch im Auftrag) nach eigenen Standards und auf eigene Verantwortung Kommunikationspolitik entwirft und betreibt, sondern sie ist heute immer auch und vor allem ein strategisches Mittel der Verkaufsförderung. Kurz: Hochschulkommunikation ist heute vor allem das, was der Name schon sagt: Kommunikation für die Hochschule – oder anders: Hochschul-PR.

Zwiefellos erfreut dies nicht jeden – vor allem die nicht, welche daran glauben, dass die Zukunft der Hochschulkommunukation in einer Art qualitativ hochstehende Wissenschaftskournalismus bestehe. So kritisiert die Leopoldina grundsätzlich und harsch die „Tendenz zur Gleichsetzung von Wissenschafts-PR und Wissenschaftsjournalismus im Hinblick auf die Versorgung der Öffentlichkeit mit möglichst unabhängigen Informationen als gravierendes Qualitätsdefizit anzusehen. Es ist ferner zweifelhaft, inwieweit der Versuch einer breiten Kommunikation von Wissenschaft in die Gesellschaft (inklusive der bildungsfernen Schichten) durch wissenschaftliche Institutionen direkt, also unter Verzicht auf den reichweitenstärkeren Wissenschaftsjournalismus, überhaupt inhaltlich und volkswirtschaftlich sinnvoll wäre. Außerdem stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß diese neue Intensität der Kommunikation noch den eigentlichen Aufgaben der Forschungsinstitutionen entspricht.“ (Leopoldina et al. 2014: 16f).

In der Tat ist heutige Hochschulkommunikation etwas Anderes und hat aus meiner Sicht auch andere Aufgaben. Diese sind: Hochschulkommunikation arbeitet offensiv, initiativ, zielgruppenorientiert und konzeptionell. Dazu bedient sie sich, unter Verwendung kommunikationswissenschaftlicher und sozialwissenschftlicher Theorien und Methoden und unter Berücksichtigung der Identität der jeweiligen Hochschule aller zielführenden Medien und Kommunikationstechniken.

Hochschulkommunikation ist also ein strategisches Kommunikationsinstrument (vgl. Reichertz 2009), das eingesetzt wird, die Hochschule selbst in der Gesellschaft sichtbar zu machen und für andere, insbesondere für Studierende, für Lehrende und Forschende, aber auch für Politik, Wirtschaft und die Öffentlichkeit attraktiv oder besser: attraktiver als andere zu machen. Hochschulkommunikation ist also ein Mittel (unter anderen) der jeweiligen Hochschule gegenüber Anderen Vorteile zu erarbeiten, so dass im Falle eines Vergleichs und im Falle von auch finanzpolitisch relevanten Entscheidungen die eigene Hochschule besser abschneidet.

Deshalb ist Kommunikation zunehmend und deutlich ein Mittel der Verkaufsförderung (im weiten Sinne) und der klare Auftrag an sie lautet, die Universität im Kampf um Personal, Studierende und Drittmittel möglichst gut in der Öffentlichkeit zu platzieren. Daran ist nichts Verwerfliches, sondern diese Arbeit ist wichtig und wertvoll und es gibt keinen Grund, sie wie ein missratenes Kind in der dunklen Zimmerecke zu verstecken und darüber laut zu schweigen.

Stattdessen lohnt es sich, systematisch und theoretisch angereichert über die Funktion, die Arbeit und die Qualitätskontrolle dieser Art der Hochschulkommunikation nachzudenken, deren Aufgabe sich keineswegs darin erschöpfen kann, alle Nachrichten aus der Hochschule (wie Karl Kraus es formulierte) mit einem schönen „sprachlichen Glanz“ zu versehen (Kraus 2012).

Aufgaben der Hochschulkommunikation

Hochschulkommunikation ist dagegen eine anspruchsvolle Tätigkeit, die nicht nur darin besteht, Gutes aus dem eigenen Hause zu berichten oder Skandalisierungsversuche der Medien abzuwehren, sondern Hochschulkommunikation hat aus meiner Sicht neben den bereits Genannten (Information über Forschung und Skandalisierungsabwehr), zumindest zwei weitere Aufgaben:

Einerseits muss sie die öffentliche gesellschaftliche Kommunikation im Hinblick darauf sichten und bewerten, ob und wo die jeweilige Hochschule Stellung beziehen kann und soll, wo sich die Hochschule in den gesellschaftlichen Diskurs einmischen kann und soll. Somit ist Hochschulkommunikation nie allein reaktiv, sondern musst proaktiv, muss versuchen, Diskurse anzuregen, Themen einzubringen und mitzugestalten.

Zum Zweiten besteht die Aufgabe Hochschulkommunikation darin, das jeweilige Rektorat bei der Profilbildung der Universität zu beraten – also Argumente und Theorien dafür zu entwickeln und bereitzustellen, weshalb die jeweilige Universität sich an welchem sozialen Ort in dieser Gesellschaft gut platzieren kann, um so das zu leisten, was Hochschulen in einer Gesellschaft leisten sollen: Stellung zu beziehen, sich zu relevanten Fragen zu äußern, Zweifel zu säen und vermeintliche Gewissheiten aufzulösen[6]. Hochschulen sind nämlich von ihrer grundsätzlichen Idee her nicht die Institutionen, die das, was von der Wirtschaft oder der Politik gerade mal wieder als relevant ausgeben wird, schnell, effizient und widerspruchlos umzusetzen. Hochschulen sind also keine exekutiven Organe von Politik und Wirtschaft, sondern die Aufgabe von Universitäten ist es, Zweifel zu sehen, Position zu beziehen, zu bekennen, was man für richtig hält, auch wenn der Zeitgeist vielleicht dagegenspricht. Denn auch hier gilt: Wer den Zeitgeist heiratet, der ist schnell Witwer.

Deshalb kann Hochschulkommunikation nicht allein in den bestehen, was in der Siggener Erklärung für deren Ziel ausgegeben wird: „Gute Wissenschaftskommunikation arbeitet faktentreu. Sie übertreibt nicht in der Darstellung der Forschungserfolge und verharmlost oder verschweigt ihr bekannte Risiken neuer Technologien nicht. Sie macht Grenzen ihrer Aussagen sichtbar. Außerdem sorgt sie für Transparenz der Interessen und finanzieller Abhängigkeiten. Sie benennt Quellen und Ansprechpartner. Sie beantwortet die Frage, welche Bedeutung die Informationen für Wissenschaft und Gesellschaft haben und ordnet sie in den aktuellen Forschungsstand ein. Sie weicht nicht für Zwecke des Institutionenmarketings oder der Imagebildung von Faktentreue und Transparenz ab.“ (http://www.wissenschaft-im-dialog.de/ueber-uns/siggener-kreis/ – abgerufen 15.10. 2015)

Solche Ziele sind formal und zielen nur darauf, die Universitäten als Inkarnation des gesellschaftlich Guten und Gewollten auszugeben. Universitäten sind aber gerade nicht Orte des politisch Korrekten, sondern Orte der vorurteilsfreien Debatte. Nur wenn die Universitäten sich als solche verstehen und dies auch im gesellschaftlichen Diskurs umsetzen, werden sie unverwechselbar, profilieren sie sich. Wenn der Kampf der Universitäten jedoch nur darum geführt wird, wer die politisch korrekteste, die nachhaltigste usw. Hochschule ist, wer also kommuniziert, dass die Universitäten daran arbeiten, die Welt gerechter und besser zu machen, der sorgt schlussendlich dafür, dass alle das Gleiche sagen, und somit niemand mehr in seiner Besonderheit erkennbar ist. Hier muss die Hochschulkommunikation eigene Standards und eigene Ideen entwickeln, und natürlich ist hier auch die Hochschulleitung gefordert, sich beraten zu lassen. Nötig sind hierzu streitbare Kommunikatoren/innen, die es auch über eine lange Zeit aushalten, einerseits weisungsgebunden zu sein, anderseits aber immer wieder gegen diese weisungsgebundene Instanz im Interesse der Sache anzugehen. Ohne Zweifel findet sich hier in der Arbeitsplatzbeschreibung der Hochschulkommunikatoren/innen ein struktureller Widerspruch, der fordert und oft auch überfordert, der aber immer wieder ausgehalten und ausgetragen werden muss.

Diese Art von Hochschulkommunikation ist gut beraten, nicht nur über das Schicksal der Universitäten in dieser Gesellschaft nachzudenken, sondern auch über die eigene Profession, das eigene Werden, also die Geschichte, die eigene Gegenwart und eigene Zukunft. Immer wieder wird neu zu überdenken sein, was die Standards der eigenen Tätigkeit sind, wie man sich professionalisieren kann, wie man eine eigene Ausbildung etablieren und durchsetzen kann und wie man dem gerecht wird, was die eigene Aufgabe ist – und das ist aus meiner Sicht: die Universitäten im gesellschaftlichen Diskurs deutlich zu positionieren und nicht unsichtbar zu machen. Aber darüber kann man sicherlich streiten.

Literatur:

Bourdieu, Pierre (1998): Über das Fernsehen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Leopoldina = Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (2014): Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien. Halle. Komplan.    http://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2014_06_Stellungnahme_WOeM.pdf               [zuletzt abgerufen am 12.11. 2016].

Kraus, Karl (2012): Gedichte und Aufsätze zur deutschen Sprache. Hamburg: tredition.

Reichertz, Jo (2003): Erfolgreich Sozialwissenschaft betreiben. In: Ronald Hitzler & Michaela Pfaden    hauer (Hrsg.). Karrierepolitik. Opladen. S. 355-370.

Reichertz, Jo (2004): An die Spitze. Neue Mikropolitiken der universitären Karriereplanung von Sozialwissenschaftlern/innen. http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2-04reichertz-d.htm.

Reichertz, Jo (2009): Kommunikationsmacht. Wiesbaden: Springer.

Reichertz, Jo (2012): Securitainment – Die Medien als Akteure und unterhaltsame Aktivierer. In: Oliver Bidlo & Carina Englert & Jo Reichertz: Tat-Ort Medien. Die Medien als Akteure und unterhaltsame Aktivierer. Wiesbaden. Springer. S. 191-205.

Siggener Aufruf (2014): http://www.wissenschaft-im-dialog.de/ueber-uns/siggener-kreis/ – [zuletzt abgerufen am 12.09. 2015]

Spiewak, Martin & Ulrich Schnabel (2003): „Wer hat, dem wird gegeben“. Interview mit Ernst-Ludwig Winnacker. In: Die Zeit Nr. 28. S. 25.

 

 

 

1  Keynote auf der Jahrestagung des Bundesverbandes der Pressesprecher deutscher Hochschulen an der Universität Duisburg-Essen im September 2015.

2 Eine ähnliche Entwicklung fand bereits in den frühen 1960er Jahren auf dem Feld der Information statt: Die Medien wandelten sich damals von dem Boten in den Veranstalter. Informierten sie anfangs diejenigen, die bei bestimmten Ereignissen nicht dabei waren (sie waren also Fenster in die Welt), so schufen sie bald eigene Veranstaltungen, zu denen die Welt kam, um Informationen unter die Leute zu bringen (die Medien brachten Dinge in die Welt, über die sie dann berichten konnten).

3 Nach einem Vortrag in Duisburg machte mich einer der Teilnehmer darauf aufmerksam, dass man besser drei Phasen unterscheidet: Die ersten Formen der Hochschulkommunikation wurden demnach bereits als Reaktion auf die Studierendenproteste der 1968er Jahre eingerichtet. Sie dienten (laut Auskunft) jedoch vor allem dazu, Kommunikation mit der Presse und der Öffentlichkeit zu verhindern. Bislang konnte ich dem Hinweis noch nicht nachgehen.

4 Vor allem an diesem Punkt macht sich meine Kritik fest. Denn ohne Zweifel sind nicht alle Hochschullehrer/innen geborene Redner/innen oder Schreiber/innen und hier könnte Unterstützung sinnvoll sein. Aber den Hochschullehrer/innen zudem dabei zu helfen, ‚über sich, ihre Motivation und ihre Arbeit sprechen’, das ist eine andere Sache. Wer das von den Hochschullehrer/innen tun möchte, der soll das tun. Wenn man das aber als Aufgabe der Hochschulkommunikation ausflaggt, dann überschreitet man eine Grenze.

5 Es geht mir hier nicht darum, die Siggener Denkanstöße grundsätzlich zu kritisieren. Dort findet sich sehr viel, was richtig und wichtig ist. Wenn ich hier dennoch Kritik äußere, dann richtet sich diese nur auf einen kleinen Teil dieser Denkanstöße aus Siggen.

6 Mit Dank an Frau Kostka von der Pressestelle der Universität Duisburg-Essen. Sie weiß schon, weshalb.

7 Hier kann man mir vorhalten, diese Forderung sei (wie die von mir kritisierte Siggener Position) ebenfalls nur eine Feiertagsbeschreibung der Hochschulkommunikation. Richtig ist, dass die Empfehlung, Hochschulkommunikation müsse immer auch die Hochschulleitung beraten, mit dem aktuellen Alltagsgeschäft (noch) wenig zu tun hat. dennoch: Wenn die Hochschulkommunikation sich nicht nur weiter expertisieren will (= wir sind sehr gute Textgestalter/innen), sondern auch professionalisieren will (was aus meiner Sicht nicht nur standespolitisch wichtig ist), dann bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als sich auch eigenständig und eigensinnig an dem Diskurs über die Positionierung der Hochschulen zu beteiligen.

Hier gibt’s die PDF-Version des Fachartikels