Martin Schneider und Elena Dengler: Strategische Optionen von VOD-Anbietern: Pay, Free oder Freemium?

Das lineare Fernsehen ist schon lange etabliert und in einem fortgeschrittenen Zustand des Produktlebenszyklus. Die TV-Branche steht heute vor einem tiefgreifenden Umbruch. Die Übertragungskapazität der klassischen Übertragungswege ist in den letzten Jahren ausgebaut worden und wird in Zukunft weiter voranschreiten, so dass aus technischer Sicht zukünftig kein Engpass mehr bei der Verbreitung von TV-Inhalten existiert (DWDL o. J., o. S.). Die Digitalisierung führt insgesamt zu einer Fragmentierung des Marktes und zu einer Intensivierung des Wettbewerbes. Neben den etablierten gebühren- und werbefinanzierten Sendern, die die klassischen Übertragungswege nutzen und schwerpunktmäßig auf linearen TV-Konsum ausgerichtet sind, drängen Anbieter von sogenannten Video-On-Demand-Plattformen wie z.B. Netflix in den Markt für Bewegtbildinhalte vor. Bestehende Fernsehsender nutzen die Internettechnologie in vielen Fällen zur Erweiterung bestehender Angebote, d.h. um neben dem linearen TV-Signal ein VOD-Angebot im Markt zu positionieren und so die Nachfrage nach zeitversetzter mobiler Nutzung zu bedienen.

Die Betreiber von VOD-Plattformen stehen grundsätzlich vor der Entscheidung, ob sie ein werbefinanziertes oder ein auf Beiträgen basierendes Geschäftsmodell betreiben wollen. Während man bei dem kostenlosen werbefinanzierten Modell von Advertising based Video-on-Demand (AVOD) spricht, bezeichnet man das Abonnementmodell hingegen als Subscription-Video-On-Demand (SVOD). In beiden Fällen kann ein festgelegtes Bewegtbildangebot uneingeschränkt abgerufen werden. Die wesentlichen Unterschiede zwischen AVOD und SVOD sind aus Kundensicht, dass das AVOD-Angebot in der Regel kostenlos ist und sich über Werbung finanziert. Demgegenüber muss der Kunde bei SVOD-Angeboten einen gewissen Preis für das Abonnement bezahlen.

Eine weitere Form der Finanzierung ist das sogenannte Transactional-Video-On-Demand (TVOD). TVOD steht für das Pay-per-View-Prinzip, d.h. Kunden leihen sich ein Video und zahlen jedes Mal einzeln für einen begrenzten Zeitraum. Demgegenüber kauft der Kunde in der Variante des Electronic Sell Through (EST), die oftmals auch als Download-to-own (DTO) bezeichnet wird, ein zeitlich uneingeschränktes Nutzungsrecht (W&V 2014, o.S.).

Aus wirtschaftlicher Sicht stellt sich für die Anbieter von Inhalten die Frage, welche Auswertungsform bzw. welches Geschäftsmodell den größten finanziellen Erfolg verspricht. Zur Beantwortung der Frage bedarf es einer geeigneten Methodik, die wissenschaftlich fundiert ist.

Problematisch ist der typische Trade-Off zwischen kostenlosen und zahlungspflichtigen Angeboten im Hinblick auf die Reichweite des Angebotes im Zuschauermarkt. Sobald ein Video-Angebot nicht mehr kostenlos ist, sinkt die Reichweite, weil Zuschauer durch die Bezahlschranke an dem Konsum der Inhalte gehindert werden. Dies ist insofern problematisch, da Reichweite der Schlüssel für eine erfolgreiche Werbevermarktung ist. Umgekehrt besteht der Trade-Off ebenfalls, d.h. die Zahlungsbereitschaft der Kunden steigt, wenn sich der Werbeanteil reduziert. An dieser Stelle ist anzumerken, dass das Kriterium Werbefreiheit nicht das einzige Kriterium ist, das Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft des Kunden hat. Die Zahlungsbereitschaft wird von einer Vielzahl an Parametern beeinflusst (Bruhn 2001, S. 109).

Zur Entwicklung einer möglichen Strategie für TV-Sender wird im Rahmen dieses Artikels die folgende Kernfrage bearbeitet: Wie ist eine Controlling Methode zu gestalten, die den Erfolg der unterschiedlichen Geschäftsmodelle SVOD und AVOD bewertet und gleichzeitig aufzeigt, welche der beiden Nutzungsformen den größten finanziellen Erfolg verspricht?

Klassische Controlling-Methoden sind oft nicht speziell auf die Medienbranche ausgerichtet und stoßen bei der Bewertung von digitalen Angeboten an ihre Grenzen. Aktuell existiert noch keine praktisch anwendbare und wissenschaftlich fundierte Methode, um die unterschiedlichen Geschäftsmodelle von Bewegtbildanbietern miteinander zu vergleichen. Aus diesem Grund ist es das Ziel dieses Artikels, eine Methode zum Vergleich der Deckungsbeitragsrechnung in SVOD- und AVOD-Modellen zu entwickeln.

Entwicklung von KPIs für SVOD- und AVOD-Angebote

Im Folgenden wird genauer auf die Konstruktion von Kennzahlen für AVOD und SVOD-Angebote eingegangen. Dazu ist eine Kombination von nutzungsbezogenen und finanziellen Daten nötig.

Nutzungsbezogene Kennzahlen von Online-Angeboten

Brutto- und Nettoreichweiten stehen oft in einem direkten Zusammenhang zu der Profitabilität eines Angebotes, daher spielt das Nutzungsverhalten bei der Bewertung eines Geschäftsmodells eine entscheidende Rolle. Bei der Bruttoreichweite werden Mehrfachkontakte der User mit einer Plattform oder einem Werbemittel nicht eliminiert, d.h. es ist nicht ersichtlich, wie oft dieselbe Person in die Berechnung der Bruttoreichweite eingegangen ist. Die Nettoreichweite spiegelt die tatsächliche Anzahl an Personen wider, die mit dem Angebot in einem gewissen Zeitraum in Kontakt gekommen sind, dabei werden Doppel- und Mehrfachkontakte nicht berücksichtigt. Jede Person wird nur einmal in die Nettoreichweite gezählt, unabhängig davon wie oft sie erreicht wurde (Unternehmer.de o. J., o. S.).

Die Messung der Unique User ist eine Form der Nettoreichweitenmessung bei AVOD- und SVOD-Angeboten. Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Transaktionen der User auf der Website tätigt. Es wird lediglich über einen gewissen Zeitraum gemessen, wie viele unterschiedliche Nutzer ein VOD-Angebot aufgerufen haben. Sucht man nach Informationen über die Reichweiten von Online-Angeboten, so wird diese Kennzahl oft herangezogen (OMKT o. J., o. S.).

Um zusammenhängende Nutzungsvorgänge zu messen, werden die Visits betrachtet. Sobald ein Nutzer eine Seite aufruft, generiert er einen nutzerinduzierten Seitenaufruf, der auch als Page Impression bezeichnet wird (Beckers 2017a, o. S.). Der erste Seitenaufruf startet den Visit der Seite. Innerhalb eines festgelegten Zeitraums werden weitere Page Impressions nun nicht als neuer Visit gezählt. Dieser Zeitraum kann beispielsweise zwischen 15 (OMKT o. J., o. S.) und 30 Minuten variieren. Besucht der User eine andere Website und kehrt jedoch innerhalb dieser Frist zu der ursprünglichen Seite zurück, zählt diese Interaktion zu dem bereits gezählten Visit. Kehrt er jedoch erst nach dieser Frist auf die Seite zurück, wird ein neuer Visit generiert (Beckers 2017b, o. S.). Es werden also mehrere Page Impressions innerhalb eines Visits vereint.

Durch das Verhältnis von Visits und Unique Usern, lässt sich herausfinden, wie oft ein Unique User die Seite innerhalb eines gewissen Zeitraums besucht. Die Visits pro Unique User sind eine wichtige Größe bei der Reichweitenmessung und können Rückschlüsse auf die Attraktivität des Angebots liefern (OMKT o. J., o. S.). So lässt sich herausfinden, ob ein Unique User nur einmalig eine Seite besucht oder regelmäßig zurückkehrt.

Um den Erfolg von Video-Content zu messen, werden oft die Video Views als Indikator herangezogen. Sie spiegeln die Attraktivität der Inhalte wider (Priebe 2015, o. S.). Es gibt jedoch keine plattformübergreifende Zähltechnik der Video Views. Jede Plattform kann diese anhand selbst festgelegter Schlüsselfaktoren messen, was eine Vergleichbarkeit schwer möglich macht. Die vier Schlüsselfaktoren sind Initiation, Time Spent, Viewability und das Zählverfahren der Plattform. Bei der Initiation kommt es darauf an, ob das Video automatisch abgespielt wird oder der Rezipient einen Impuls geben muss, um das Video abzuspielen. Von dem Faktor Time Spent hängt es ab, wie lange ein Video angeschaut werden muss, bevor es als View gezählt wird. Manche Plattformen zählen einen View erst nach 30 Sekunden, andere hingegen schon nach drei Sekunden. Bei der Viewability kommt es darauf an, wie viel Fläche des Videos auf dem Ausgabegerät zu sehen sein muss, bevor es als View gezählt wird. Auch hier machen die Plattformen große Unterschiede. Manche zählen schon bei einer fünfzigprozentigen Sichtbarkeit des Videos, andere weisen einen View erst ab einer hundertprozentigen Sichtbarkeit aus. Auch bei dem Faktor Zählverfahren gibt es Unterschiede in der Messung, da nicht klar definiert ist, ob die Video Views nur gezählt werden, wenn sie in der eigenen App wiedergegeben werden oder ob zusätzlich auch Aufrufe des Videos auf anderen Plattformen einbezogen werden dürfen, die auf das Video verlinken (Lewanczik 2016, o. S.)

Die Video Views pro Visit stellen eine weitere Kennzahl dar, die angibt, wie viele Videos ein Unique User innerhalb eines Visits anschaut. Diese Kennzahl wird stark durch die durchschnittliche Länge des Videoangebotes beeinflusst. Wenn es viele kurze Videoclips, die oftmals auch als Short-form-Content bezeichnet werden, auf einer Plattform gibt, werden tendenziell mehr Videos pro Visit abgerufen, als wenn eine Plattform überwiegend Long-form-Content anbietet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Nutzer nur ein beschränktes Zeitbudget für die Nutzung hat.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass alle nutzungsbezogenen KPIs mit Ausnahme der Unique User auf der Bruttoreichweitenmessung basieren. Sowohl die nutzungsbezogenen als auch die finanziellen Kennzahlen können für verschiedene Zeiträume betrachtet werden. Die finanziellen KPIs unterscheiden sich stark nach dem Erlösmodell. Aus diesem Grund werden in den folgenden Abschnitten die finanziellen KPIs getrennt nach dem AVOD-  bzw. SVOD-Angebot betrachtet.

Finanzielle KPIs für AVOD Angebote

Nutzungsbezogene Kennzahlen werden oft mit finanziellen KPIs kombiniert. Der Brutto-Tausender-Kontaktpreis (Brutto-TKP) vereint zum Beispiel die Bruttoreichweite mit dem Preis. Um den Brutto-TKP zu berechnen, wird der Preis für die Werbefläche durch die Bruttoreichweite geteilt und mit 1000 multipliziert. Durch die Multiplikation des Pay-Faktors (prozentualer Anteil der Fremdkosten an den Bruttoerlösen) mit dem Brutto-TKP werden Rabatte und Provisionen für Vermarkter und Agenturen abgezogen (Anhang S. 17 ff.). Der hieraus resultierende Netto-TKP gibt den tatsächlichen Erlös für tausend Kontakte an, der bei dem Betreiber eines AVOD-Angebotes ankommt.

Ein Maßstab zur Beurteilung der Vermarktungseffizienz ist die sog. Auslastung, die angibt, in welchem Maß es gelingt, die Zuschauerkontakte tatsächlich an die Werbekunden zu verkaufen. „Ein Ad View wird gezählt, wenn das Werbemittel im Content der Seite ausgeliefert wird und der Nutzer dieses zu sehen bekommt“ (RYTE o. J., o. S.). Dabei kann eine Page Impression mehrere Ad Views generieren. Das ist der Fall, wenn in einer Seite mehrere Werbeanzeigen eingebunden sind (RYTE o. J., o. S.). Die Auslastung für Video-Werbung berechnet sich aus dem Verhältnis der durchschnittlichen Anzahl an gesehenen Werbespots und der durchschnittlichen Anzahl an gesehenen Videos innerhalb eines gewissen Zeitraums.

Um den Deckungsbeitrag von AVOD-Angeboten berechnen zu können, müssen neben den Nettoerlösen noch die variablen Kosten berücksichtigt werden. Die variablen Kosten beinhalten beispielsweise Streaming- und Marketingkosten sowie Kosten für Lizenzen, die in einigen Fällen als prozentuale Erlösbeteiligung an Lizenzgeber abgeführt werden. In den Kosten für die Lizenz sind in diesem Beispiel sämtliche Kosten für den Bezug der Inhalte enthalten.

Nach Berücksichtigung der aufgeführten Variablen lässt sich der Deckungsbeitrag I bei AVOD-Angeboten, wie folgt, berechnen:

Die Formel zeigt, wie sowohl die nutzungsbezogenen als auch die finanziellen Kennzahlen Auswirkungen auf den Deckungsbeitrag eines AVOD-Angebots haben.

Finanzielle KPIs für SVOD Angebote

Bei einem SVOD-Angebot müssen andere Kennzahlen als bei einem AVOD-Angebot betrachtet werden. Mit ausschlaggebend ist beispielsweise die sogenannte Conversion Rate. Sie bezeichnet die Umwandlung des Status einer Zielperson in einen neuen Status; z. B. die Umwandlung eines Interessenten in einen Kunden bzw. Abonnenten.

Es gibt je nach Kontext eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen von Conversion Rates. In dem vorliegenden Modell setzt die Conversion Rate (CR) den Kundenbestand in das Verhältnis zu den Unique Usern einer Seite und spiegelt somit die Anzahl der Kunden mit Zahlungsbereitschaft in Prozent wider (RYTE o. J., o. S.). Der Kundenbestand ergibt sich aus dem Produkt von Unique Usern und der Conversion Rate. In den Kundenbestand eines SVOD-Angebotes werden nur die Seitenbesucher gezählt, die tatsächlich ein Abonnement abschließen. Vereinfachend wird in dem Modell die Annahme getroffen, dass jeder Bestandskunde ein aktiver Unique User ist, d.h. jeder Kunde der bezahlt, nutzt auch das Angebot (GRÜNDERSZENE o. J., o. S.).

Auch der Deckungsbeitrag I des SVOD-Angebots ergibt sich – wie allgemein üblich – aus der Differenz von Erlösen und variablen Kosten. Die Erlöse sind das Produkt aus dem durchschnittlichen Abonnementpreis und dem durchschnittlichen Kundenbestand. Durch Subtraktion der variablen Kosten von den Erlösen ergibt sich der Deckungsbeitrag I:

 

Strategische Optionen für VOD-Anbieter

Im vorangegangen Kapitel sind grundsätzliche KPIs aufgezeigt worden, die den wirtschaftlichen Erfolg von VOD-Anbietern maßgeblich beeinflussen. Die KPIs werden im Folgenden dazu genutzt, um eine vergleichende Deckungsbeitragsrechnung für eine fiktive Ausgangsituation durchzuführen. Anschließend werden mögliche Szenarien konstruiert, in denen jeweils unterschiedliche Annahmen über die Ausprägung einiger ausgewählter KPIs getroffen werden. Je nachdem welches Szenario eintritt, ergeben sich unterschiedliche Handlungsoptionen für VOD-Anbieter.

Deckungsbeitragsrechnung in der Ausgangsituation

 Um die Deckungsbeiträge der beiden unterschiedlichen Geschäftsmodelle zu berechnen, werden die in Kapitel 2 erläuterten Kennzahlen benötigt. Die Kennzahlen und die beispielhaft unterstellten Daten können der folgenden Tabelle entnommen werden (vgl. Tab. 1).

Zunächst erfolgt die exemplarische Berechnung des AVOD-Deckungsbeitrages. Im Hinblick auf die nutzungsbezogenen Kennzahlen werden im aufgezeigten Beispiel folgende Annahmen getroffen. Das AVOD-Angebot wird von 200.000 Unique Usern im Monat genutzt, wobei jeder User durchschnittlich fünf Visits im Monat tätigt. Das Produkt aus Unique Usern und durchschnittlichen Visits ergibt 1 Mio. Visits pro Monat. Unter der Annahme, dass jeder User zwei Videos pro Visits schaut, werden 2 Mio. Video Views pro Monat generiert.

Tab. 1: Geschäftsmodellvergleich (Quelle: Eigene Darstellung)

Die Annahmen hinsichtlich der finanziellen Kennzahlen gestalten sich folgendermaßen. Der Brutto-TKP liegt bei 80 Euro. Die Annahme basiert auf aktuell marktüblichen Preisen für In-Stream-Werbung (IP Deutschland, 2017, S.7). Nach Abzug von Rabatten und Provisionen in Höhe von fünfzig Prozent ergibt sich ein Netto-TKP in Höhe von 40 Euro. Die Auslastung beträgt dreißig Prozent. Die Erlöse berechnen sich, in dem die Video Views durch tausend geteilt werden und anschließend dieser Quotient sowohl mit dem Netto-TKP als auch mit der Auslastung multipliziert wird. Es ergeben sich Erlöse in Höhe von 24.000 Euro pro Monat. Subtrahiert man sechzig Prozent erlösabhängige variable Kosten, verbleibt ein Deckungsbeitrag I für das AVOD-Modell in Höhe von 9.600 Euro.

Nachdem im ersten Schritt der Deckungsbeitrag I des AVOD-Modells ermittelt wurde, erfolgt nun im zweiten Schritt die Analyse des SVOD-Modells. Beim SVOD-Modell wird eine Conversion Rate in Höhe von 2 % angenommen. Die Conversion Rate spiegelt den Anteil der Kunden mit Zahlungsbereitschaft wieder (HORIZONT 2016, o. S.). Aus der Multiplikation von Conversion Rate mit den 200.000 Unique User aus dem AVOD-Modell ergeben sich 4.000 Unique SVOD-User. Vereinfachend wird in dem Modell die Annahme getroffen, dass jeder Bestandskunde ein aktiver Unique User ist, d.h. jeder Kunde der bezahlt, nutzt auch das Angebot. Dementsprechend liegt der Kundenbestand im SVOD-Angebot ebenfalls bei 4.000 Kunden.

Analog zum AVOD-Modell werden fünf Visits pro Unique User pro Monat getätigt, sowie zwei Videos pro Visit aufgerufen. Das führt zu 40.000 Video Views pro Monat im SVOD-Modell in der Ausgangssituation. Bei einem Abo-Preis von 6,50 Euro Netto und einem Kundenbestand von 4.000 SVOD-Kunden ergeben sich 26.000 Euro Erlöse pro Monat. Nach Abzug von sechzig Prozent variablen Kosten i.H.v. 15.600 Euro verbleibt für das SVOD-Modell ein Deckungsbeitrag I in Höhe von 10.400 Euro pro Monat.

Das kostenlose AVOD-Angebot und das zahlungspflichtige SVOD-Angebot generieren in Summe einen Deckungsbeitrag i.H.v. 20.000 Euro.

Szenario-Betrachtung

Die Zukunft ist immer mit Unsicherheit behaftet und es können nur Annahmen über zukünftige Entwicklungen getroffen werden. Zur Vorbereitung auf zukünftige Entwicklungen empfiehlt es sich daher, die Szenario-Technik einzusetzen. In der untenstehenden Tabelle sind die Annahmen für fünf unterschiedliche Szenarien abgebildet. Es wurden lediglich vier KPIs ausgewählt und variiert, um die Anzahl der Szenarien gering zu halten (vgl. Tab. 2).

Tab. 2: Szenario-Betrachtung (Quelle: Eigene Darstellung)

In Szenario 1-4 wird immer nur ein KPI verändert, d.h. alle anderen Annahmen bleiben ceteris paribus im Vergleich zur Ausgangssituation unverändert. Szenario 1 geht von einer Verdopplung der Conversion Rate aus. In Szenario 2 verdoppelt sich der TKP. Szenario 3 geht von einer Erhöhung der Auslastung auf sechzig Prozent aus. Im vierten Szenario erhöhen sich die Unique User auf 400.000. In Szenario 5, das hier als sogenannter „Best Case“ bezeichnet wird, werden alle zuvor genannten Annahmen im Vergleich zur Ausgangssituation um hundert Prozent verbessert.

Bewertung unterschiedlicher Handlungsoptionen

Je nachdem, mit welchem Szenario ein VOD-Anbieter rechnet, erscheinen unterschiedliche Handlungsoptionen sinnvoll. Es wäre möglich, sich entweder für ein reines AVOD-Modell oder für ein reines SVOD-Modell zu entscheiden. Als weitere Handlungsoption steht zur Disposition, die Dichotomie zwischen Werbefinanzierung und Finanzierung über den Abonnementpreis aufzuheben, d.h. über eine Mischung aus beiden Finanzierungsformen nachzudenken. Bei dem Freemium-Geschäftsmodell handelt es sich um eine Kombination von Free- und Premium-Angeboten. Der Basis-Service einer Plattform wird den Kunden kostenlos zur Verfügung gestellt, es ist jedoch möglich darüber hinaus Premiumdienste kostenpflichtig abzurufen (GRÜNDERSZENE o. J., o. S.).

Bei der Freemium-Strategie wird das AVOD-Modell mit Fokus auf die Kundenwünsche mit dem SVOD-Modell kombiniert. So wird bei einem kleinen Anteil der Unique User die Zahlungsbereitschaft abgeschöpft und das Angebot bleibt gleichzeitig attraktiv für die breite Masse der Nutzer ohne Zahlungsbereitschaft. In dem Fall leidet die Reichweite nicht unter der Einführung der kostenpflichtigen Premiumdienste. Vorrausetzung dafür ist eine sinnvolle Produktentwicklung, die entsprechende Funktionen und Produkteigenschaften identifiziert, für die die Nutzer eine Zahlungsbereitschaft haben und deren Fehlen im kostenlosen Bereich die Nutzung nicht einschränkt. Typische Bestandteile des Premiumangebotes könnten beispielsweise ein Offline-Modus, eine bessere Bildqualität, ein erweitertes Inhalte-Angebot oder die Unterstützung von drahtlosen Schnittstellen zu externen Geräten sein.

Zur Bewertung der unterschiedlichen Handlungsoptionen wird für jedes Szenario die Auswirkung auf den Deckungsbeitrag analysiert. Das folgende Koordinatensystem stellt die Deckungsbeiträge auf der Y-Achse in Abhängigkeit von den o.g. Szenarien dar, die auf der X-Achse abgetragen sind. Die Deckungsbeiträge sind für jedes einzelne Szenario als separate Linie jeweils für das Free-, Pay- und das Freemium-Geschäftsmodell in dem Koordinatensystem ablesbar (vgl. Abb. 1).

Wie die aufgeführte Grafik zeigt, hat eine Veränderung der Conversion Rate in Szenario 1 keinen Einfluss auf den AVOD-Deckungsbeitrag. Der Deckungsbeitrag des werbefinanzierten Free-Modells verändert sich nur in den Szenarien 2-4. Die Verdopplung des Tausender-Kontakt-Preises, die Verdopplung der Auslastung und die hundertprozentige Steigerung der Unique User führen im AVOD-Modell jeweils zu einer Verdopplung des Deckungsbeitrages.

Abb. 1 Geschäftsmodellvergleich Deckungsbeitragsentwicklung (Quelle: Eigene Darstellung)

Die wesentlichen Treiber des SVOD-Deckungsbeitrages sind die Conversion Rate und die Unique User. Der Deckungsbeitrag in Szenario 1 verzweifacht sich aufgrund der Verdopplung der Conversion Rate. Des Weiteren führt die Steigerung der Unique User in Szenario 4 zu einem doppelt so hohen Deckungsbeitrag wie in der Ausgangssituation. Aufgrund der Bezahlschranke sind in einem SVOD-Angebot tendenziell weniger Nutzer als in einem AVOD-Angebot.
Jedes Szenario hat Auswirkungen auf den Deckungsbeitrag eines Freemium-Angebots. Die Steigerung der Unique User in Szenario 4 hat den signifikantesten Einfluss auf den Freemium-Deckungsbeitrag, da die Unique User sowohl Einfluss auf die Werbeerlöse als auch auf die Abonnementerlöse haben. Durch ein kostenloses Angebot bleiben dem VOD-Anbieter die User erhalten, die keine Zahlungsbereitschaft haben, so dass diese Kontakte an Werbekunden vermarktet werden können. Zusätzlich kann der Sender durch Premium-Features diejenigen Kunden bedienen, die eine Zahlungsbereitschaft aufweisen und auf Werbeunterbrechungen verzichten möchten.

Diese Analyse zeigt, dass es wichtig ist, verschiedene Szenarien in Betracht zu ziehen und mit den Variablen des Modells zu spielen. Unter gewissen Annahmen verändert sich die Vorteilhaftigkeit von AVOD im Vergleich zu SVOD. Das Freemium-Modell hat den Charme, dass sich der VOD-Anbieter alle Möglichkeiten offenhalten kann und wirtschaftlich in einer optimalen überlegenen Position ist, da er sowohl an den Abonnementerlösen also auch den Werbeerlösen partizipieren kann. Eine Kombination der Geschäftsmodelle in Form eines Freemium-Modells ist daher eine strategisch interessante Handlungsoption für einen VOD-Anbieter.

Fazit und Ausblick

Eine geeignete Controlling-Methode für SVOD- und AVOD-Angebote kombiniert nutzungsbezogene und finanzielle KPIs miteinander. Jedem VOD-Anbieter empfiehlt es sich, auf Basis der eigenen Daten einen Businessplan zu erstellen und für sich selbst zu analysieren, welche Finanzierungsform unter Berücksichtigung möglicher Szenarien für ihn am besten geeignet ist. Eine universelle Aussage über die Nutzungsform mit dem größten wirtschaftlichen Erfolg kann man nicht treffen, da es zahlreiche Unwägbarkeiten im Konsumentenverhalten gibt. Der Erfolg eines Geschäftsmodells wird von zu vielen Parametern beeinflusst, so dass im Einzelfall eine differenzierte Analyse erforderlich ist.

Man kann in jedem Fall festhalten, dass ein Freemium-Modell eine interessante Handlungsoption darstellt, die auf Basis der durchgeführten Szenario-Analyse das größte Potenzial verspricht. Die sinnvolle Ergänzung eines kostenlosen Basisdienstes durch kostenpflichtige Premiumdienste kann im Rahmen einer zukunftsträchtigen Freemium-Strategie zur Abmilderung des klassischen Trade-offs zwischen kostenlosen und zahlungspflichtigen Angeboten beitragen. Während in der Vergangenheit immer entweder werbefreie kostenpflichtige Angebote oder werbefinanzierte kostenlose Angebote existierten, ist in der Zukunft verstärkt mit einer Mischung und Co-Existenz unterschiedlicher Erlösmodelle zu rechnen.

Spotify verfolgt diese Strategie beispielsweise schon seit einiger Zeit im Audiobereich und könnte Video-Anbietern ein Beispiel zur Orientierung geben (Spotify o.J., o. S.). Der Spiegel-Verlag verfolgt mit seinen Online-Produkten ebenfalls eine Freemium-Strategie (Spiegel o. J., o. S.).

Die Umsetzung eines Freemium-Modells ist in jedem Fall eine komplexe Herausforderung, da es dafür notwendig ist, sowohl die AVOD- also auch die SVOD-Rechte gleichzeitig zu verhandeln.

Der Fokus der vorangegangenen Analyse lag auf dem Deckungsbeitrag I, in dem Fixkosten nicht berücksichtigt sind. Die Fixkosten z.B. für Personal sowie für den Aufbau der Plattform können sich im SVOD-, AVOD- und Freemium-Modell durchaus unterscheiden und die Entscheidung über die Vorteilhaftigkeit beeinflussen. Nachdem eine VOD-Plattform erfolgreich aufgebaut wurde, ist es denkbar, durch Diversifikation in andere Zielgruppen Skaleneffekte zu generieren. Die Infrastruktur der bestehenden Plattform könnte dazu genutzt werden, um neue Marken für andere Zielgruppen zu bedienen. Hieraus würden sich Synergien bei den Fixkosten ergeben.

Des Weiteren ist kritisch anzumerken, dass in dem vorliegenden Modell von einheitlichen variablen Kostenstrukturen für das werbefinanzierte und das zahlungspflichtige Modell ausgegangen wurde. In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Kostenstrukturen für SVOD und AVOD voneinander abweichen. Die Kosten für Lizenzen sind beispielsweise oft unterschiedlich hoch.

Die Nutzungsintensität des klassischen Fernsehens stagnierte in den letzten Jahren (Statista 2017, S. 34 ff.). Demgegenüber hat die Nutzung von Online-Angeboten stark zugenommen (Statista 2017, S. 16.). Die konstruierten Szenarien vermitteln ein Gefühl für die Sensitivität, die sich aus der Veränderung der Annahmen ergibt. Dabei ist es für langfristige Investitionsentscheidungen wichtig, sich nicht nur auf die aktuelle Periode zu beschränken, sondern mehrere Perioden in die Analyse einzubeziehen. Nur so kann eine Prognose darüber getroffen werden, wie sich bestehende Geschäftsmodelle unter gewissen Annahmen in der Zukunft entwickeln werden.

 

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Anhang

 

 

 

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