Kerstin Kipper: Weitererzählen von Storys aus Werbespots – gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede?

Zwischenmenschliche Erfahrungen und die Hirnforschung zeigen, dass Frauen anders fühlen, denken, kommunizieren, entscheiden und kaufen als Männer. Fällt es Frauen leichter als Männern, eine Story, die sie in einem Werbespot gesehen oder gehört haben, weiterzuerzählen? Wovon hängt dies ab? Erzählen Männer überhaupt eine Story aus einem Werbespot weiter? Können Storys in der Werbung Kaufentscheidungen beeinflussen? Haben Storys in der Werbung auf Männer und Frauen die gleiche Wirkung oder gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede? Um diese Fragen zu beantworten, wurde 100 Probanden (50 Frauen und 50 Männer) ein kurzer Werbespot gezeigt. Danach sollten die Probanden Fragen zum gesehenen Spot beantworten. Aus den offensichtlich gewordenen Abweichungen und Ähnlichkeiten im weiblichen und männlichen Wirkungsverhalten von Storytelling, das sich in dieser Untersuchung zeigt, lassen sich Ansatzpunkte für den zukünftigen Forschungsbedarf erschließen, die hier im Kurzen vorgestellt werden. Im nachfolgenden Artikel folgt eine Erläuterung zur geschlechtsspezifischen Zielgruppenkommunikation (Gender-Communication) und die Darstellung und Auswertung der Umfrage.

 

Unter dem Begriff Storytelling werden sehr unterschiedliche Bedeutungen zusammengefasst. Diese reichen von spontanen Erzählungen bis zu ganz bewusst geplanten, konstruierten und inszenierten Geschichten. Geschichten in und über Unternehmen, aber auch Geschichten, die sich in Drehbüchern für Imagefilme oder Werbespots und natürlich Spielfilmen wiederfinden.

Storytelling bedeutet Geschichten erzählen. Was aber ist eine Geschichte? THIER definiert den Begriff folgendermaßen: „Eine Geschichte enthält eine Ausgangslage, ein Ereignis und eine Konsequenz. Geschichten werden vollständig, wenn Charaktere auftreten und die Gesamtheit bzw. die Abfolge der Ereignisse eine erkennbare Handlung ergeben“ (Thier, K., 2010, S. 8). Diese Definition umfasst sicher alle Arten von Geschichten.

Betrogen von seiner Ehefrau und überzeugt, dass alle Frauen untreu sind, beschließt der persische König Scharyar, jede Nacht mit einer neuen Frau zu verbringen und diese am nächsten Morgen zu töten. Die schlaue Scheherazade, Tochter des Wesirs, bietet sich selbst als Ehefrau an, um den Grausamkeiten ein Ende zu setzen. Sie beginnt dem Herrscher eine Geschichte zu erzählen. Diese fasziniert den König dermaßen, dass er Scheherazade leben lässt, um am nächsten Tag die Fortsetzung hören zu können. Scheherazade gelingt es 1001 Nächte lang, Scharyar mit ihrer Geschichte in ihren Bann zu ziehen. Schließlich ist der König von ihrer Treue überzeugt und heiratet sie (vgl. o.V., o.J. a, www.internet-maerchen.de).

Geschichtenerzählen ist ein Phänomen, welches uralt und elementar für alle Nationen, Kulturen und Gesellschaften ist. Erzählungen besitzen die Fähigkeit, die Kultur-, Geschlechter- und Altersgrenzen zu transzendieren (vgl. Denning, S., 2011, S. 8). Geschichten sind überall zu finden: im Film, im Comic, in der Zeitung oder in Alltagsgesprächen, als Mythos, als Legende oder als Novelle. Es gibt sie in unterschiedlichen Formen und in allen Kulturen. Geschichten scheinen so alt zu sein wie die Sprache selbst (vgl. Herbst, D., 2011, S. 14).

GABRIEL erklärt Geschichten als „narratives with plots and characters, generating emotion in narrator and audience, through a poetic elaboration of symbolic material” (Gabriel, Y., 2000, S. 239). Dieses Material kann dabei entweder ein Produkt der Fantasie oder der Erfahrung sein (vgl. ebd.). Zu einer Geschichte wird es jedoch erst, wenn (a) die Ereignisse logisch, chronologisch zu Handlungsfolgen aneinandergereiht werden und (b) die beteiligten Charaktere und Handlungen integriert werden (vgl. Thier, K., 2010, S. 8).

Eine Geschichte besteht laut FOG et. al. aus einer Botschaft, einem Konflikt, verschiedenen Figuren und einem Plot. Die Botschaft ist das wichtigste Element einer Geschichte – sie enthält die Kernaussage der Geschichte. Durch den Konflikt wird Spannung und Dynamik erzeugt. Die Herausforderung besteht in der Bewältigung des Konflikts. Dadurch findet in der Geschichte ein Wendepunkt statt. Die Figuren bzw. Charaktere sind der Mittelpunkt der Geschichte. Gibt es mehrere Charaktere in einer Geschichte, stehen sie miteinander in Verbindung. Das Thema bzw. der Handlungsverlauf (Plot) setzt die einzelnen Handlungsabläufe zeitlich sowie örtlich zu einem einheitlichen Bild zusammen (vgl. Fog, K. et. al., 2010, S. 89 ff.).

In Werbung und Marketing, aber auch in der Öffentlichkeitsarbeit wird Storytelling benutzt, um Menschen zum Konsum zu verführen. „Ein Verkäufer soll verführen, nicht belehren“ (Fuchs, W. T., 2013, S. 17). Denn der Wettbewerb nimmt auf allen Märkten weiter zu: Konsumgüter-, Investitionsgüter- und Dienstleistungsmärkte sind gesättigt – vielen Anbietern stehen weniger Nachfrager gegenüber. Die meisten Produkte sind austauschbar geworden. Auf die Einzigartigkeit kommt es an und welche Marke der Konsument kennt und sympathischer findet. Dazu kann gutes Storytelling beitragen. Es hilft das Markenimage in den Köpfen der Konsumenten aufzubauen.

In der wissenschaftlichen Diskussion ist das Thema Storytelling in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Zielsetzungen behandelt worden. Einige Untersuchungen gehen der Frage nach, wie eine unternehmens- oder markenbezogene Geschichte die motivationalen Einstellungen und Haltungen von Rezipienten verändern kann (Chen, T., 2015; Simanjuntak, M. et. al., 2016), andere Autoren untersuchen konkreter die emotionalen Verbindungen von Konsumenten und Marken, die durch Geschichten erzeugt und verändert werden können (Elliott, R. & Yannopoulou, A., 2007; de Barnier, V., 2015). In einer dritten Gruppe von Studien geht es primär um den medialen Einfluss auf die Rezeption und Wirkung der Geschichten (Choi, Y. & Shin, I., 2014; Zheng, L., 2014; Zhao, G. et. al., 2014; Myers, S. et. al., 2014). Einzelne Studien betrachten die Geschichte als phänomenologischen Ausdruck der Unternehmensstrategie (Küpers, W. et. al., 2013) oder untersuchen die individualpsychologischen Voraussetzungen für die subjektive Bewertung einer Geschichte (Arnoldy, M. 2016).

Die meisten Studien unterstützen die Annahme, dass gute Geschichten, wenn anschaulich sie erzählt werden, die Aufnahme und Speicherung von Fakten erleichtern, da sie mit Emotionen und Bildern verknüpft werden (vgl. Frenzel, K., 2008, S. 173). Gut ist eine Story darüber hinaus, wenn sie zur Zielgruppe passt. Dafür ist es wichtig, die Zielgruppe zu kennen. Die Story muss so erzählt werden, dass bei der Zielgruppe die erwünschten Emotionen entstehen. Denn Emotionen führen zu Entscheidungen und damit letztlich zu Handlungen.

Werbung nutzt Themen des menschlichen Alltags wie Leben – Tod – Unsterblichkeit, Männer – Frauen – Partnerschaft, Kinder – Familien, Suchen – Finden, um an die eigene Geschichte anzuknüpfen und Aufmerksamkeit zu erzielen. Ob dies aber bei Männern und Frauen die gleiche Wirkung erzielt, ist bislang nicht untersucht worden – dieser Beitrag will daher die unterschiedlichen Rezeptionen und Wirkungen des Storytellings auf Männer beziehungsweise Frauen untersuchen und die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Weitererzählen von Storys aus Werbespots analysieren.

Kommunikationswirkung und Einsatz verschiedener Kommunikationsinstrumente zur geschlechtsspezifischen Zielgruppenansprache

Die Wirkung von Kommunikation lässt sich mit unterschiedlichen Ansätzen beschreiben. Allgemein wird unter Kommunikationswirkung jede Form einer Reaktion verstanden, die durch das Empfangen eines kommunikativen Reizes (Stimulus) unter Verwendung einer bestimmten Technik entsteht. Die Reaktion kann für andere sichtbar sein, muss es aber nicht, d.h. die Reaktion kann sich auf innere und äußere Vorgänge auf Seiten des Empfängers beziehen und ist somit als mögliche Wirkung der Kommunikation einzuordnen (vgl. Steffenhagen, H., 1984, S. 12).

Werbung versucht die Reaktion einer Zielgruppe zu beeinflussen. Es existiert eine Vielzahl von Modellen, die Reaktionen systematisieren, um die Kommunikation zu erleichtern. Es lassen sich drei Wirkungskategorien unterschieden: Momentane Reaktionen, dauerhafte Gedächtnisreaktionen und finale Verhaltensreaktionen (vgl. Steffenhagen, H., 1984, S. 12-13).

Momentane Reaktionen sind Prozesse, die sich unmittelbar auf eine Reizdarbietung abspielen. Sie finden im Kurzzeitgedächtnis statt (vgl. Bruhn, M., 2014, S. 26). Schwerpunkte der dauerhaften Gedächtnisreaktionen sind die Stabilisierung oder Veränderung von Inhalten des Langzeitgedächtnisses. Die Durchführung von Befragungen ist eine Möglichkeit, die Wirkung von Kommunikation im Langzeitgedächtnis messbar zu machen. Bei den finalen Verhaltensreaktionen geht es um – vom Sender eines kommunikativen Reizes beabsichtigte – nach außen sichtbare Verhaltensweisen (vgl. Steffenhagen, H., 1984, S. 14). Dies kann der Kauf eines Produktes oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung sein.

Eine Kaufentscheidung läuft oft nicht als bewusster Prozess ab, sondern ist eine nachträgliche Rechtfertigung einer zuvor emotional getroffenen Wahl (vgl. o.V., o.J. b, www.nymphenburg-research.de/web/presse/HM_0510 _Markantes.pdf, S. 10). 95 Prozent der gehirninternen Aktivitäten sind emotionaler oder unbewusster Art, das haben klinische Studien aus dem Bereich der Hirnforschung gezeigt (vgl. Zaltman, G., 2003, zitiert nach Scheier, C., 2008, S. 310).

Abb. 1: Männliche und weiblich Kommunikation; Quelle: Schüller, A.M. (o.J.)

Zielgruppenmarketing

Für die Werbung bedeutet diese Erkenntnis, dass eine positive Stimmung erzeugt werden muss, um den Rezipienten in Kauflaune zu versetzen. Dabei sind Männer und Frauen unterschiedlich zu betrachten, da sie sich in Fühlen, Denken und Verhalten unterscheiden (vgl. Abb. 1).

Diese Tatsache lässt sich in der Werbung nutzen, um die gewünschte Zielgruppe wirksam anzusprechen. Eine Untersuchung zur Werbewirkung der International School of Management ergab, dass Frauen in der Werbung familiäre Inhalte bevorzugen, während Männer eher auf Erotik und Action-Szenen reagieren (vgl. o.V., 2010).

Dies passt auch zur Art der Kommunikation von Männern und Frauen: Der weibliche Wortschatz ist größer als der männliche, Frauen stellen Fragen, wenn Sie an einem Thema interessiert sind, Männer hingegen häufiger, um ein Thema zu „besetzen“. Frauen sind eher zögerlich in ihren Entscheidungen, Männer hingegen treiben Entscheidungen voran (vgl. Abb. 1). Bei der Reaktion auf Werbung ist dies ähnlich. Für Männer zählt oft der erste Eindruck, um sich schnell und endgültig eine Meinung zu bilden. Frauen bilden sich ihre Meinung zu einer Marke weniger schnell und starr, sie schauen sich einen Werbespot häufiger an, bevor sie sich festlegen (vgl. o.V., 2010). Kaufentscheidungen im Rahmen der Familie werden letztendlich meistens von Frauen getroffen.

Der Kaufentscheidungsprozess bei Männern wird als linearer Prozess beschrieben, in dem jede Phase einmal durchlaufen wird: Feststellung eines Bedürfnisses, Suche nach verschiedenen Alternativen, informieren und vergleichen, kaufen. Es folgen Bindung und Weiterempfehlung. Bei Frauen wird der Kaufentscheidungsprozess als Spirale dargestellt, in der verschiedene Phasen des Prozesses mehrfach durchlaufen werden, da Kriterien häufig geändert werden (vgl. Barletta, M., 2006, S.40 ff.). Eine US-Studie zeigt, dass Männer ein Produkt nach der Anprobe tatsächlich kaufen bei einer Wahrscheinlichkeit von 65% liegt. Bei Frauen liegt die Wahrscheinlichkeit nur bei 25% (vgl. Jaffé, D., 2005, S. 166). “Men are buyers, Women shoppers“ (Barletta, M., 2006, S. 118).

Werbespots werden von Männern positiv bewertet, wenn laute, schnelle Musik, Wettbewerbssituationen, actionreiche Handlungen, Führungspersönlichkeiten als Protagonisten oder Erotik im Mittelpunkt stehen. Für Frauen sind andere Inhalte bzw. Storys in Werbespots positiv belegt: dargestellte Emotionen, Kinder, Menschen, Familien, Tiere oder Vorbilder wie Models, Geschäftsfrauen oder Mütter (vgl. o.V., 2010).

Belegt ist, dass Frauen sich ein wenig besser an emotionale Bilder erinnern als Männer (vgl. Spalek, K. et. al., 2015). Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass Frauen emotionaler sind als Männer. Untersucht wird im Folgenden, ob Frauen die Story eines Werbespots eher weitererzählen würden als Männer und welche Ursachen das haben könnte.

Abgeleitet aus den oben genannten Informationen und Fragen werden folgende Hypothesen formuliert, die im folgenden Kapitel durch eine empirische Umfrage überprüft und verifiziert werden.

H1 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da ihre Gefühle angesprochen werden.

H2 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da der Spot von ihnen als humorvoll empfunden wird.

H3 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da der Spot von ihnen als ansprechend empfunden wird.

H4 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da die Handlung von ihnen als interessant eingestuft wird.

H5 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da der Spot von ihnen als informativ empfunden wird.

H6 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da sie wissen, wofür geworben wird.

H7 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da ihnen die Darsteller gefallen.

H8 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da ihnen die Musik gefällt.

H9 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da sie sich den Spot leichter einprägen können als Männer.

Empirische Untersuchung

Untersuchungseinheit

Das Ziel der Untersuchung bestand darin, die erarbeiteten Hypothesen zu überprüfen. Daher wurde zur empirischen Fundierung der bisherigen Überlegungen und Ausarbeitungen im April 2017 eine schriftliche Befragung bei 100 (50 Männer und 50 Frauen) zufällig ausgewählten Personen durchgeführt. Zunächst wurde den Probanden der Werbespot „The Force“ der Firma Volkswagen AG gezeigt.

Der anderthalb minütige amerikanische Spot, der am 6. Februar 2011 anlässlich des Superbowls mit dem Mini Darth Vader gezeigt wurde, ist mit über 50 Millionen Klicks einer der meist verbreitetsten Spots in den sozialen Medien (vgl. Reidel, M., 2015).

Ziel der Kampagne war eine neue Markenpositionierung als modern, jung und unterhaltsam sowie die Präsentation des 2012er Modells des VW Passat.

Wie von FOG et. al. beschrieben beinhaltet die Story eine Botschaft, einen Konflikt, verschiedene Figuren und einen Plot, welcher eine Einleitung, einen Spannungsbogen und ein Happy End enthält.

Ein kleiner Junge geht als Darth Vader verkleidet durch das Elternhaus. Er versucht an verschiedenen Gegenständen seine Macht zu demonstrieren: am Fitnessgerät, an der Waschmaschine, am Hund, an einer Puppe und schließlich an einem Sandwich, welches seine Mutter ihm zubereitet hat. Der Junge ist enttäuscht, da ihm nichts gelingt. Als sein Vater mit dem Auto in die Einfahrt biegt, rennt der kleine Darth Vader aus dem Haus, um seine Machtfähigkeiten an dem Auto auszuprobieren. Das Auto springt tatsächlich an. Der Junge schaut ungläubig. Er hat nicht gesehen, dass sein Vater den Wagen per Fernbedienung gestartet hat. Der Werbespot ist unterlegt mit dem Imperial March von John Williams.

Darth Vader, als das eigentlich Böse wird hier durch die Verniedlichung des kleinen Jungen zu etwas Gutem. Außerdem wird Darth Vader als Symbol für die Macht verwendet, die in jedem einzelnen steckt, die aber für andere auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Der Fokus des Spots liegt auf den Menschen und ihren Handlungen und ist damit eher emotional als informativ ausgerichtet. Ausdrucksstarke Gestik ersetzt emotionale Ausdrücke über die Stimme. Der Spot spricht somit Männer und Frauen an.

Weitererzählen von Storys aus Werbespots

Die grundlegende Annahme, dass Frauen die Story eines Werbespots eher weitererzählen würden als Männer, kann nach Auswertung der Ergebnisse bestätigt werden (vgl. Abb. 2). Den Teilnehmern wurden entsprechende Fragen gestellt, die sie auf einer Skala von „Trifft überhaupt nicht zu“ (1) bis „Trifft voll zu“ (4) beurteilen sollten. Durchschnittlich beantworteten die befragten Frauen die Frage nach dem Weitererzählen können mit „Trifft voll zu“ (Mittelwert 3,8) und dem tatsächlichen Weitererzählen mit „Trifft zu“ (Mittelwert 3,0). Die Ergebnisse der männlichen Befragten liegen deutlich unter diesen Werten (Mittelwerte 2,6 und 1,6). Anzumerken ist, dass nahezu alle befragten Personen wussten, wofür in dem Spot geworben wird.

Abbildung 2 verdeutlicht dies anhand der dargestellten Mittelwerte (rot = Frauen / blau = Männer). Einer der Gründe dafür könnte darin liegen, dass Frauen sich den Werbespot besser einprägen können als Männer. Dieser Zusammenhang wird im weiteren Verlauf untersucht, um die weiteren Hypothesen zu überprüfen.

Unabhängig vom Geschlecht mögen jedoch alle befragten Personen generell Marken, die in ihren Werbespots Geschichten erzählen (vgl. Abb. 3). Um die Ursachen für die Einschätzungen herauszufinden, wurde die Korrelation, d.h. die Abhängigkeit zwischen verschiedenen Aussagen überprüft.
Zusammenhänge und Korrelationskoeffizienten

Der folgende Abschnitt beinhaltet Ergebnisse der Untersuchung zu bestimmten Gemeinsamkeiten und Differenzen einzelner Punkte des Fragebogens, die sich bei der Auswertung der Umfrage ergeben haben. 

Als Maß des Zusammenhangs wurde der Korrelationskoeffizient nach Spearman (rsp) gewählt, da es sich bei den betrachteten Variablen um ordinal skalierte Werte handelt. Der Korrelationskoeffizient berechnet sich nach folgender Formel (Bomsdorf, E., 1988, S. 116):

Rangkorrelationskoeffizient von Spearman: 

Es sei R(xi) der Rang des Messwertes xi, wobei n Paare (xi, yi) von Messwerten betrachtet werden. Bei vorliegenden Bindungen, d.h. bei einigen gleichen xi, ist es nicht sinnvoll, diesen unterschiedliche Rangzahlen zuzuordnen. Man ordnet dann allen diesen xi dieselbe Rangzahl zu. Diese ergibt sich als arithmetisches Mittel aus den Rangzahlen (Bomsdorf, E., 1988, S. 116 f.).

Der Korrelationskoeffizient nach Spearman kann zwischen +1 und -1 liegen, wobei +/-1 eine perfekte Korrelation und 0 keine Korrelation bedeuten.

Untersuchung verschiedener Zusammenhänge

Die Berechnung des Korrelationskoeffizienten zwischen den Aussagen „Ich würde die Story des Spots weitererzählen“ und „Der Werbespot spricht meine Gefühle an“ ergab einen Wert von rsp = 0,33 (Frauen). Das bedeutet, dass zwischen diesen beiden Aussagen ein leichter Zusammenhang besteht, obwohl die befragten Personen angaben, dass der Werbespot die Gefühle relativ stark anspricht (Mittelwert Frauen 3,42 und Männer 2,43). Der entsprechende Wert bei den Männern weist mit rsp = 0,12 auf eine sehr geringe Korrelation hin.

Emotionalisierung ist wichtig, um im Markt erfolgreich zu sein. Die Neurowissenschaft kommt zu dem Schluss, dass das limbische System, welches für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich ist, mehr Entscheidungen beeinflusst als das Großhirn (vgl. Häusel, H.-G., 2012, S. 251). Für das Weitererzählen von Storys eines Werbespots scheinen zusätzlich zu Emotionen auch andere Einflussfaktoren zu wirken.

Der Zusammenhang zwischen den Aussagen „Ich würde die Story des Spots weitererzählen“ und „Ich finde den Werbespot humorvoll“ ist mit rsp = 0,21 ebenfalls gering. Daraus könnte gefolgert werden, dass für die befragten Frauen das Weitererzählen der Story eines Werbespots nicht davon abhängt, das der Spot humorvoll ist. Es wurde jedoch nicht untersucht, ob eine spannende Story, die weniger humorvoll ist, weitererzählt würde. Ein Zusammenhang der beiden Aussagen ist bei den Männern mit rsp = 0,07 praktisch gar nicht festzustellen.

Ein Einhergehen des „Weitererzählen der Story des Spots“ und des „als ansprechend empfundenen Spots“ lässt sich aus dem Korrelationskoeffizienten, der für diese beiden Punkte berechnet wurde und mit einem Wert von rsp = 0,35 (Frauen) eine leichte bis mittlere Korrelation angibt, schließen. Das könnte bedeuten, dass die Story bei den weiblichen Befragten eher weitererzählt wird, wenn sie als ansprechend empfunden wird. Ein Zusammenhang der Werte bei den Männern ist mit rsp = 0,02 nicht gegeben.

Mit Hilfe des Korrelationskoeffizienten von Spearman wurde die Vermutung, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem Weitererzählen von Storys eines Werbespots und der Informationen, die der Spot liefert widerlegt (rsp = 0,04 (Frauen) und rsp = 0,27 (Männer)). Der Zusammenhang zwischen dem Weitererzählen von Storys eines Werbespots und einer interessanten Handlung der Story ist mit rsp = 0,25 (Frauen) und rsp = 0,21 (Männer) wieder nur schwach; ebenso der Zusammenhang zwischen dem Weitererzählen und dem Wissen um das beworbene Produkt (rsp = -0,1 (Frauen) und rsp = -0,04 (Männer)).

Auch die Vermutung, dass die beiden Aussagen „Ich würde die Story des Spots weitererzählen“ und „Mir gefällt die Musik im Spot“ bzw. „Mir gefallen die Darsteller im Spot“ Zusammenhänge aufweisen, wurde durch eine deskriptive Analyse untersucht. Der Wert des Korrelationskoeffizienten beträgt im ersten Fall rsp = 0,29 (Frauen) bzw. rsp = 0,04 (Männer) und im zweiten Fall rsp = 0,32 (Frauen) bzw. rsp = 0,01, was wiederholt auf einen – zumindest bei den weiblichen Befragten – leichten bis mittleren Zusammenhang hinweist. Bei den männlichen Befragten ist kein Zusammenhang zu verzeichnen. Aus dieser Behauptung kann gefolgert werden, dass die befragten männlichen Personen das Weitererzählen der Story von Werbespots nicht von den Figuren abhängig machen, obwohl die Archetypen im Storytelling eine wichtige Rolle spielen.

Die Umfrageergebnisse zeigen zudem, dass es bei den männlichen Befragten einen höheren Zusammenhang zwischen dem Weitererzählen von Geschichten und dem Einprägen des Spots gibt (rsp = 0,35) als bei den Frauen (rsp = 0,2). Der Wert dieses Zusammenhangs weist bei den Männern auf eine mittlere Korrelation hin.

Beantwortung der Fragen und Fazit

Wichtigste Erkenntnis: Storys wirken auf Männer anders als auf Frauen! Die empirische Untersuchung bestätigt die Annahme, dass Frauen Storys in der Regel eher weitererzählen würden als Männer. Zudem können sich Frauen Geschichten offenbar besser einprägen als Männer.

Die empirische Auseinandersetzung mit dem Thema zeigt zudem die Bestätigung fast aller Hypothesen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die berechneten Korrelationen, wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben, schwach bis mittel sind. Vergleicht man die berechneten Werte der Zusammenhänge bei den Männern mit denen der Frauen, ist erkennbar, dass diese in den meisten Fällen nicht sehr weit auseinanderliegen. Die nachstehende Übersicht stellt die Hypothesen und deren Bestätigung beziehungsweise Ablehnung dar:

H1 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da ihre Gefühle angesprochen werden: bestätigt

H2 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da der Spot von ihnen als humorvoll empfunden wird: bestätigt

H3 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da der Spot von ihnen als ansprechend empfunden wird: bestätigt

H4 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da die Handlung von ihnen als interessant eingestuft wird: bestätigt

H5 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da der Spot von ihnen als informativ empfunden wird: abgelehnt

H6 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da sie wissen, wofür geworben wird: bestätigt

H7 – Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da ihnen die Darsteller gefallen: bestätigt

H8 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da ihnen die Musik gefällt: bestätigt

H9 Frauen fällt es leichter als Männern die Story des Werbespots weiterzuerzählen, da sie sich den Spot leichter einprägen können als Männer: abgelehnt

Im Hinblick auf die eingangs gestellte Frage nach der Beeinflussung von Kaufentscheidungen durch Storys in Werbespots lässt sich feststellen, dass Männer – animiert durch die Story des Spots – eher zum Testen und auch zum Kauf der Marke tendieren als Frauen. Dies unterstreicht den eingangs geschilderten Kaufentscheidungsprozess, der bei Männern als linearer und deutlich kürzerer Prozess beschrieben wird als bei Frauen. Demnach gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Wirkung von Storys in der Werbung.

Dies geht auch aus der Beantwortung der Frage nach der verstandenen Kernbotschaft des Spots hervor. Für die männlichen Befragten geht es um „… die Macht, die man mit einem VW hat“. Die befragten Frauen haben auch weichere Botschaften wie „Träume des Kindes“ und „das Auto“ verstanden.

Die zunehmende Bedeutung von Storytelling in der Werbung spiegelt sich auch in der steigenden Anzahl der Beiträge in Webforen wider.

Storytelling in der Werbung erzählt über viel mehr als die reinen Fakten eines Produktes oder einer Marke. Es geht darum, was für die Marke wichtig ist, warum sie einzigartig ist und wie die Marke ein belohnendes Gefühl auslöst (vgl. Herbst, D., 2014, S. 224). Die empirische Untersuchung kann als Anfang gesehen werden, eine Verbindung zwischen dem Weitererzählen von Storys eines Werbespots und dem Geschlecht des Rezipienten genauer zu untersuchen. Eine auf diese Erhebung aufbauende Umfrage müsste eine breitere Auswahl an Werbespots sowie eine größere Stichprobenzahl aufweisen, um validere Ergebnisse zu erhalten.

 

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