Nathalie Derichs: Erst das Fressen, dann die Moral

Die Zufriedenheit der Bevölkerung von entwickelten Ländern steigt seit Jahren nahezu konstant an. Dass wirtschaftliche Gegebenheiten das Zufriedenheitsniveau der Menschen sowohl in positiver als auch in negativer Weise beeinflussen können, war bereits häufig Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen. Wie allerdings umgekehrt Zufriedenheit wirtschaftliches Handeln beeinflusst, und inwiefern sich der gesellschaftliche Trend der zunehmenden Zufriedenheit auf die Nachfrage nach „Bio“, „Öko“ und einen „grünen Lebensstil“ auswirkt, ist der Forschungsgegenstand dieses Fachartikels. 

Der Faktor der Zufriedenheit wurde hierbei herangezogen, um altruistisches und prosoziales Verhalten zu erklären, welches im wirtschaftlichen Kontext immer häufiger auftritt, aber nicht alleine durch rationale Handlungsorientierung erklärt werden kann.

Um einen Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und moralischem Konsum nachzuweisen, wurde eine Befragung durchgeführt. Die Auswertung zeigt, dass Konsumenten eine Vorstellung darüber haben, welche Kaufkriterien berücksichtigt werden sollten, um moralisch und im Sinne der Gemeinschaft zu agieren. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und moralischem Konsumverhalten konnte ihm Rahmen dieser empirischen Erhebung nicht festgestellt werden. Dies führt jedoch auch die Grenzen einer Befragung auf. Gegenstand der Analyse ist hierbei nämlich nicht das tatsächliche Konsumverhalten, sondern lediglich das, was die Befragten hierüber preisgeben wollen. Dadurch kommt es zu bewusst oder unbewusst herbeigeführten Verzerrungen, die bei der Analyse und Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen.

 „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ (Brecht, 1928). Was einst Bertolt Brecht in seiner Dreigroschenoper der Bourgeoisie entgegnete, die gutsituiert den niedrigeren Schichten der Gesellschaft Moral predigen wollte, hat auch heutzutage weder an Bedeutung noch an Aktualität verloren. Gesellschaftskritiker attestieren Menschen der modernen Gesellschaft immer wieder eine ausgeprägte Selbstsucht ohne Rücksicht auf die Umwelt oder Mitmenschen. Und das, obwohl „Bio“, „Öko“ und ein nachhaltiger, „grüner Lebensstil“ gerade in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erfahren. So hat sich der Umsatz mit Fairtrade-Produkten alleine innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als verdoppelt – Tendenz steigend (vgl. TransFair, 2017). Laut aktueller Veröffentlichungen, wie dem Deutsche Post Glücksatlas 2017, ist gerade für die Deutschen sozial verantwortliches Handeln von enormer Bedeutung. Ein Großteil der Bevölkerung hält es für sehr wichtig von „Natur und Grün“ umgeben zu sein und auch der Wille, den folgenden Generationen eine intakte Natur zu hinterlassen, Müll zu vermeiden und regional und ökologisch produzierte Lebensmittel zu unterstützen, scheint immer stärker ausgeprägt zu sein (vgl. Krieg/Raffelhüschen, 2017, S. 13).

Brechts Äußerung verdeutlicht im Kern jedoch vor allem, dass die Opportunität moralisch zu agieren bestimmten Restriktionen unterliegt. Doch Restriktionen und Einflussfaktoren sind nicht immer nur finanzieller Herkunft. Die Auffassung, dass Zufriedenheit maßgeblich das Leben der Menschen beeinflusst und teilweise eine größere Auswirkung hat, als rein wirtschaftliche Kennzahlen, hat mittlerweile viele prominente Vertreter gefunden. Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kritisierte 2012, dass das Bruttoinlandsprodukt als Maß der Dinge gelte, wenn es darum geht, die politischen und wirtschaftlichen Erfolge eines Landes zu bewerten. Doch um die Lebensqualität der Menschen zu bewerten, reiche wirtschaftlicher Erfolg alleine nicht aus (vgl. Ki-moon, 2012).  

Der Wohlstand der Gesellschaft wird durch mehr beschrieben als nur durch den wirtschaftlichen Erfolg. Sicherlich spielt die finanzielle Situation auch weiterhin eine Rolle, aber eben nicht die einzige. So formulierte auch Robert F. Kennedy prägnant, dass das Bruttoinlandsprodukt alles in Zahlen fassen könne, außer jene Aspekte, die aus unserem Leben ein lebenswertes Leben machen (vgl. Kennedy, 1968).  

Die Meinung, dass „wirtschaftlicher Erfolg weder ein ausreichender noch nachhaltiger Indikator für den gesellschaftlichen Fortschritt ist“ (Wiking, 2017, S. 18), wird immer vehementer vertreten. Eine Transformation von wirtschaftlichem Wohlstand in das Wohlergehen der Bürger könne nicht festgestellt werden. Als Grund hierfür nennt Meik Wiking, Leiter des Kopenhagener Instituts für Glücksforschung, dass immer noch der Irrglaube bestehe, die Lebensqualität hinge vom wirtschaftlichen Wachstum ab und ließe sich durch Konsum und materiellen Überfluss steigern (vgl. Wiking, 2017, S. 18). Immer wieder wird finanziellen Mitteln ein positiver Einfluss auf das Glücksempfinden der Menschen nachgesagt, doch ab einem gewissen Grenzwert „führt materieller Gewinn weder zu einer Verbesserung des individuellen noch des kollektiven Wohlergehens“ (Krieg/Raffelhüschen, 2017, S. 18). Dennoch ist die Wirtschaft in der Lage, eine große Anzahl an Menschen zu schädigen oder ihr zu helfen. So zerbrechen in wirtschaftlich schwachen Zeiten mehr Familien als zu Zeiten des wirt­schaftlichen Aufschwungs und die Zahlen der Straftaten, Krankheiten und Selbstmorde steigen (vgl. Bergmann, 2005, S. 52). 

Das Bewusstsein der Gesellschaft für Verantwortung und Nachhaltigkeit scheint stetig zu wachsen. Das Kaufverhalten der Menschen ist nicht mehr ausschließlich von monetären Überlegungen bestimmt und das Marktverhalten der modernen Gesellschaft nicht mehr nur durch Eigeninteresse der Konsumenten dominiert. Zunehmend kann am Markt Verhalten beobachtet werden, welches kooperativ, altruistisch und von Werten und Normen geleitet ist.  

Verändern sich das Verhalten und die Ansprüche der Konsumenten, ist eine Reaktion seitens der Unternehmen gefragt. Aufgrund einer zunehmenden Marktsättigung und in Verbindung mit dem stetig wachsenden Wettbewerbsdruck, können Unternehmen heute nicht mehr einfach ihre Produkte und Dienstleistungen am Markt platzieren und da­rauf warten, dass die Konsumenten diese annehmen. Damit Unternehmen erfolgreich agieren können, müssen sie gesellschaftliche Entwicklungen, wie den konstanten Anstieg der Lebenszufriedenheit, frühzeitig erkennen und auf eventuelle Auswirkungen reagieren. Trends ändern nicht nur die Beschaffenheit der Produkte, sie beeinflussen auch die Art und Weise, wie entsprechende Werbebotschaften inhaltlich und gestalterisch an den Konsumenten herangetragen werden müssen.  

Im Rahmen dieses Fachartikels soll deshalb erörtert werden, ob es sich bei der Zufriedenheit um einen Faktor handelt, der Konsumentscheidungen hinsichtlich ihres moralischen Gehaltes positiv beeinflusst. Eine empirische Untersuchung, die mit Hilfe des quantitativen Verfahrens durchgeführt wird, soll zur Beantwortung der Forschungsfrage beitragen.

Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden

Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden: Abstrakte Konstrukte, die nicht greifbar und für den Menschen kaum zu beschreiben sind – und trotzdem verwendet sie jeder. So werden die Begriffe nicht nur im Alltag, sondern auch im wissenschaftlichen Kontext häufig im Zusammenhang oder sogar als Synonyme verwendet.

Das Interesse daran, Zufriedenheit messbar zu machen und die Ergebnisse zu nutzen, nimmt konstant zu. Dafür spricht vor allem die große Anzahl durchgeführter Studien, wie beispielsweise der jährlich herausgegebene Deutsche Post Glücksatlas, der OECD Better Life Index oder diverse Studien zu einzelnen Teilbereichen der Lebenszufriedenheit.

Für den Soziologen Wolfgang Glatzer stellen die Zufriedenheit und das Glück zwei Möglichkeiten dar, positives Wohlbefinden zu beschreiben. Allerdings resultiert die Zufriedenheit für ihn aus einer kognitiven Bewertung, während das Glück ein eher affektiver Zustand ist, der das Verhältnis positiver und negativer mentaler Erfahrungen eines Individuums ausdrückt. Und obwohl man gewillt ist zu sagen, dass jemand, der im Augenblick glücklich ist, auch über eine hohe Lebenszufriedenheit verfügt, gibt es zwischen beiden Konstrukten nur eine geringe Korrelation. Emotionales Glück und kognitive Zufriedenheit stellen also nicht das Gleiche dar, es handelt sich um unterschiedliche Dimensionen (vgl. Glatzer, 1992, S. 55). Das führt dazu, dass in der alltäglichen Verwendung zwar häufig über Glück geredet wird, eigentlich aber Zufriedenheit gemeint ist.

Zwei Selbste

Auch der Psychologe Daniel Kahneman grenzt zwei Arten des Wohlbefindens klar voneinander ab. „Die Bewertung der Lebensqualität und die tatsächliche Erfahrung mögen zusammenhängen, aber sie sind auch zwei verschiedene Dinge. Die Lebenszufriedenheit ist kein fehlerhaftes Maß des erlebten Wohlbefindens (…). Sie ist etwas völlig anderes“ (Kahneman, 2015, S. 489).

Als Begründung für diese Erkenntnis dient ihm sein Konzept der Zwei Selbste. Dieses basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch über ein erlebendes und ein erinnerndes Selbst verfügt. Die beiden Selbste verfolgen unterschiedliche Interessen und erfahren durch unterschiedliche Dinge Befriedigung (vgl Kahneman, 2015, S. 27).

Das Vorhandensein dieser zwei Selbste wies er in einem Versuch nach. Während einer schmerzhaften ärztlichen Untersuchung wurde der Patient nach der Intensität der Schmerzen gefragt. Die Bewertung erfolgte dabei von null für „schmerzfrei“ bis zehn für „unerträgliche Schmerzen“. Die ermittelte Gesamtsumme der Schmerzen fasste er in einer Gesamtsumme zusammen. Diese Summe unterschied sich von Patient zu Patient, da auch die Gesamtdauer der Untersuchung stark variierte. Nach der Untersuchung wurden die Patienten aufgefordert, die Gesamtsumme der Schmerzen, die sie im Rahmen dieser Untersuchung hatten, anzugeben. Kahneman hoffte, dass die Patienten seine Ergebnisse bestätigen würden. Zu seiner Überraschung passierte dies nicht. Die Bewertungsgrundlagen für die Patienten war nicht die Gesamtsumme der Schmerzen. Vielmehr wandten sie eine Höchststand-Ende-Regel an, bei der die durchschnittliche Schmerzintensität im schlimmsten Abschnitt der Untersuchung, sowie das Ende der Untersuchung berücksichtigt wurden. Die Gesamtdauer der Untersuchung hingegen wurde vollkommen vernachlässigt (vgl. Kahneman, 2015, S. 467 f.).

„Das »erlebende Selbst« beantwortet die Frage: »Tut es jetzt weh?«; das »erinnernde Selbst« beschäftigt sich hingegen mit der Frage: »Wie war es im Großen und Ganzen?«.“ (Kahneman, 2015, S. 470)

Würde man die Untersuchung für das erlebende Selbst erträglicher machen wollen, so müsste man die Dauer der Untersuchung verringern und zwar auch dann, wenn damit die Schmerzen steigen würden. Um die Erinnerung an die Untersuchung angenehmer zu machen und somit das erinnernde Selbst anzusprechen, wäre es hingegen sinnvoll die Schmerzintensität zu verringern. Und zwar auch dann, wenn die Untersuchung dadurch länger andauert (vgl. Kahneman, 2015, S. 469). Dabei entsteht ein Interessenkonflikt zwischen dem erlebenden und dem erinnernden Selbst.

Das erlebte Wohlbefinden und Glück

Dieser Interessenkonflikt ist ebenfalls bei Kahnemans Konzepten des erlebenden und des erinnernden Wohlbefindens zu beobachten. Denn bei der Bewertung des Wohlergehens gibt es grundsätzlich zwei Aspekte. Zum einen gibt es das Wohlbefinden, welches Menschen verspüren während sie ihr Leben leben. Zum anderen gibt es die Bewertung, die sie treffen, wenn sie rückblickend über ihr Leben urteilen (vgl. Kahneman, 2015, S. 488). Wie sonst wäre es zu erklären, dass manche Einflussfaktoren sich „stärker auf die Beurteilung des eigenen Lebens als auf die unmittelbare Erfahrung des Lebens“ (Kahneman, 2015, S. 488) auswirken? Das erlebte Wohlbefinden wird durch situative Faktoren wie körperliche Gesundheit oder soziale Kontakte bestimmt. So wirken sich Kopfschmerzen oder Stress negativ auf die Bewertung des aktuellen Wohlergehens aus, während die Anwesenheit von Freunden dieses positiv beeinflussen kann. Es handelt sich hierbei um eine stark emotionsgetriebene Bewertung, welche nicht nur wöchentlichen sondern sogar täglichen Schwankungen unterliegt (vgl. Kahneman, 2015, S. 486 ff.).

Ausschlaggebend für die Bewertung des erlebten Wohlbefindens ist immer der Faktor, auf den der Mensch seine Aufmerksamkeit richtet. Im Normalfall ist dies das unmittelbare Umfeld oder die gegenwärtige Situation (vgl. Kahneman, 2015, S. 486). Es gibt allerdings auch Ausnahmen, bei denen der Aufmerksamkeitsfokus nicht auf die aktuelle Situation, sondern auf die Gedanken einer subjektiven Erfahrung gerichtet ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Mensch traurig ist und selbst das Ansehen eines witzigen Films keine Aufheiterung bringt (vgl. Kahneman, 2015, S. 486). Kahneman beschreibt mit seinem Konzept des erlebten Wohlbefindens also genau das, was im Sprachgebrauch des Alltags als „Glück“ bezeichnet wird.

Das erinnernde Wohlbefinden und Zufriedenheit

Die Lebenszufriedenheit interpretiert Kahneman hingegen als Zufriedenheit des erinnernden Selbst (vgl. Kahneman, 2015, S. 484). Es handelt sich also um eine retrospektive Bewertung, die nach einem ähnlichen Schema abläuft, wie die nachträgliche Bewertung der empfundenen Schmerzen während einer Arztbehandlung.

Menschen bewerten die Gesamtzufriedenheit mit dem Leben anhand eines typischen Zeitraums dieses Lebens und nicht etwa anhand der Summe der Zufriedenheit über die Dauer des Lebens hinweg. In erster Linie fließen Höhepunkte und das Ende des Lebens in die Bewertung ein. Die Dauer des Lebens ließen die Probanden hierbei vollkommen außer Acht (vgl. Kahneman, 2015, S. 477 f.). Mit dieser retrospektiven Bewertung beschreibt Kahneman das, was als Bewertung der allgemeinen Lebenszufriedenheit verstanden wird.

Zufriedenheit als sozialer Vergleich

„Menschen, die unter besseren Lebensbedingungen leben, sind zufriedener“. Diese Behauptung klingt plausibel und auf den ersten Blick selbstverständlich. Umso erstaunlicher ist es, dass in Untersuchungen zwischen der Zufriedenheit und den Lebensbedingungen allenfalls ein schwacher Zusammenhang nachgewiesen werden konnte (vgl. Glatzer/Zapf, 1984, S. 25). Zur Erklärung dieser Tatsache wurden mehrere Erklärungsansätze entwickelt. So ist es möglich, dass ein sozialer Druck herrscht Unzufriedenheit zu leugnen, dass Individuen resignieren und ihre Ansprüche den Umständen anpassen, dass Äußerungen über die Unzufriedenheit kulturell erlernt und deshalb von den eigenen Erfahrungen unabhängig sind und, dass aufgrund der individuellen Vergleichsmaßstäbe ähnliche Situationen in stark differenziertem Maße bewertet werden. Das bedeutet aber auch, dass eine Verbesserung der Lebensumstände aller Menschen kein Anlass für ein Individuum ist, die eigene Zufriedenheit besser einzustufen. Vielmehr ist hierfür eine relative Verbesserung im Vergleich zu einer relevanten Bezugsgruppe notwendig. Die Bewertung der eigenen Lebensbedingungen erfolgt also im Vergleich zu den Lebensbedingungen anderer Individuen (vgl. Glatzer, 1992, S. 59 f.). Die Steigerung der Zufriedenheit der einen Person setzt folglich immer die Schlechterstellung einer anderen Person voraus.

Schneidet eine Person im Vergleich zu einer anderen Person besser ab, wird das menschlichen Bedürfnisse nach positiver Distinktheit und einem positiven Selbstbild gestillt. Doch trotzdem kann ein Individuum auch dieses Resultat eines Vergleichs als unangenehm wahrnehmen. Nämlich dann, wenn es Ungerechtigkeit empfindet. In diesem Fall stellt es sich die Frage, ob es seine Privilegien zurecht erlebt. Bei der Verneinung dieser Frage schlägt das positive Selbstgefühl in Schuldgefühl um (vgl. Frey/Bierhoff, 2011, S. 36 f.).

Konsum und Moral

Der moralische Konsum ist als Erweiterung des konventionellen Konsums anzusehen.  Moralische Beweggründe werden in der Definition des konventionellen Konsums nicht ausgeschlossen, sind aber eine essenzielle Voraussetzung dafür, dass Kaufentscheidungen als moralisch eingeordnet werden können. Die Fragen der Moral sind die Fragen danach, ob eine Handlung und deren Folgen für das handelnde Individuum und für die Gemeinschaft moralisch richtig und in der Gemeinschaft anerkannt sind. Somit stellen moralisch richtige Handlungen auch immer sozial erwünschte und legitime Verhaltensweisen dar, die akzeptierte Normen und Werte der Gesellschaft abbilden (vgl. Rommerskirchen, 2015, S. 28).

Trifft ein Individuum eine Kaufentscheidung also aus moralischen Überlegungen heraus, sind Normen und Werte der Gesellschaft Basis dieser Entscheidungen. Es handelt sich hierbei um das Konsumieren von Produkten und Dienstleistungen „und, parallel mitlaufend, die Bewertung dieses Konsums in Hinblick auf die Positionierung des Käufers in der Reputationsmatrix der Gesellschaft“ (Priddat, 2006, S. 17). Durch ein Verhalten, welches diesen Normen und Werten entspricht, versucht das Individuum Akzeptanz für sein Handeln durch die Gesellschaft zu erlangen. Gleichzeitig verhindert es, dass es nicht „wegen moralischer eigenwilliger Überzeugung in soziale Distanz zu anderen“ (Priddat, 2006, S. 17) gerät.

Da der Wettbewerb sich verdichtet und es für Unternehmen zunehmend schwieriger wird, die eigenen Produkte und Dienstleistungen von denen anderer Anbieter zu unterscheiden, werden die Kernprodukte mit verschiedenen Zusatznutzen aufgeladen. Die so geschaffene Erweiterung des Produktes dient nicht nur der Differenzierung vom Wettbewerb, sie soll den Konsumenten rundum zufriedenstellen. Doch heutzutage wird die Zufriedenheit des Konsumenten nicht mehr nur durch dessen Erfahrungen mit dem Produkt oder der Dienstleistung bemessen. Zu Zeiten von „gesättigten Märkten und  […] Bürgern, die kritischer und bewusster konsumieren, zählen Beziehungen und das unmittelbare Produktumfeld mehr als die Produkte selbst“ (Otto GmbH & Co KG, 2013, S. 53). Auch die Frage danach, wie sorgenfrei etwas konsumiert werden kann und welche Auswirkungen der Konsum auf die Umwelt oder die Lebensqualität anderer Menschen hat, spielt zunehmend eine Rolle. Güter dienen also schon lange nicht mehr nur der Bedürfnisbefriedigung, sie sind zum Ausdrucksmittel der menschlichen Identität geworden. Diese Doppelfunktion haben die Unternehmen längst erkannt und versehen ihr Produkte und Dienstleistungen mit einem kulturellen Zusatznutzen, der schließlich wichtiger wird als der ursprüngliche Gebrauchswert (vgl. Koslowski/Priddat, 2006, S. 7).

Egoistischer Konsum

Die Annahme des egoistischen Konsums basiert auf der Lehre des Eigennutzes. Diese besagt, dass ein Mensch immer entsprechend seiner stärksten Neigungen handelt. Und zwar selbst dann, wenn dieses Handeln auch andere Individuen in irgendeiner Form betrifft. Sie macht Befriedigungen und Frustrationen miteinander verrechenbar und ermöglicht so Handlungsalternativen durch Kosten-Nutzen-Rechnungen miteinander zu vergleichen. Und das ganz ungeachtet der moralischen Bewertung der Handlungsoptionen (vgl. Vowinckel, 1992, S. 36). Einen Ansatz zur Erklärung des egoistischen Konsums bietet der utilitaristische Grundgedanke des Homo oeconomicus, welcher von Homans erweitert wurde.

Am herkömmlichen Homo oeconomicus kritisiert Homans nicht, dass er ökonomisch handelt, alle Mittel stets zum eigenen Vorteil einsetzt oder er unsozial und ausschließlich an Geld und materiellen Dingen interessiert ist. Das größere Problem stellt für Homans dar, dass ihm nur ein begrenzter Bereich von Werten zugänglich ist. Eine derartige Einschränkung liegt beim neuen Homo oeconomicus hingegen nicht vor. Er kann alle Werte vom Altruismus bis zum Hedonismus haben und nach diesen agieren. Solange er seine Mittel nicht vergeudet, ist sein Handeln als ökonomisch zu betrachten. Im Gegensatz zum klassischen Homo oeconomicus, der ausschließlich zweckrational und in Absicht auf eine unmittelbare Maximierung des Nutzens handelt, erfährt der neue Homo oeconomicus auch durch das Einhalten sozialer Werte und Normen Befriedigung (vgl. Homans 1972b, S. 67).

Doch auch, wenn der neue Homo oeconomicus moralisch handelt und Homans ihm die Fähigkeit zuspricht, mehrere Werte verfolgen zu können, ist der Ursprung seines Handelns nie das Wohl des Kollektivs. In jeglichen Tauschprozessen hält der Mensch die eigene Auffassung eines fairen Tausches für wichtiger als die seines Gegenübers (vgl Homans, 1972a, S. 66). So verfolgt der Homo oeconomicus auch dann, wenn er moralische Grundprinzipien befolgt, nur ein Ziel: die Maximierung des eigenen Nutzens.

Was dieser Ansatz nicht erklären kann, sind altruistisches Handeln und die fehlende Ausrichtung rationalen Handelns auf alle Lebensbereiche. So dürfte ein Individuum auch in Freundschaften, Familien- und Liebesbeziehungen niemals uneigennützig handeln, da der Homo oeconomicus sich in diesem Falle Irrationalität vorwerfen lassen müsste. Ansätze der Rational Choice-Theorie sind somit nicht in der Lage, Liebe oder Altruismus zu erklären. Hierfür wird ein normativer Forschungsansatz benötigt (vgl. Rommerskirchen, 2017, S. 261).

Altruistischer Konsum

Altruistisches Verhalten ist eng mit dem hilfreichen und dem prosozialen Verhalten verwandt. Während hilfreiches Verhalten voraussetzt, dass ein Individuum einem anderen Individuum eine Wohltat erweist, ist prosoziales Verhalten dann gegeben, wenn der Auslöser des Verhaltens kein finanzieller Anreiz ist (vgl. Bierhoff, 2006, S. 151). Das altruistische Verhalten schließlich beschreibt die Form prosozialen Verhaltens, „bei der der Helfer dadurch motiviert ist, dass er die Perspektive des Hilfeempfängers einnimmt und auf Grund seines Mitleidens dem Hilfeempfänger eine Wohltat erweist“ (Bierhoff, 2006, S. 151).

Die Absichten, mit denen Menschen anderen Menschen helfen, sind sehr vielseitig. Sie können aus Normen resultieren („weil es sich so gehört“), mit der Absicht gut dastehen zu wollen oder beispielsweise aus Mitgefühl. Und auch das Maß der Einbringung ist stark unterschiedlich. So kann ein Mensch beispielsweise helfen, indem er eine Auskunft erteilt oder, indem er sein eigenes Leben für ein anderes Individuum riskiert. Trotz der unterschiedlichen Ausprägungen prosozialen Verhaltens gibt es einen gemeinsamen Kern. So ist dieses immer dem Wohl anderer zuträglich und erfolgt sowohl intentional als auch freiwillig (vgl. Bierhoff, 2010, S. 13 f.).

Der Soziologe Nico Stehr erkennt einen Wandel und stellt fest, dass sich zunehmend „in den Dienstleistungen und Waren oder dem Ruf von Produzenten und Anbietern (…) gesellschaftliche Werte und Normen“ (Stehr, 2007, S. 12) manifestieren. Doch Moral spiegelt sich nicht nur in Waren wider, sie ist ebenfalls ein Element der Produktions- und Konsumtionsprozesse. Stehr vertritt deshalb die Auffassung, dass es von hoher Bedeutung ist, die Interaktion der Normen des Konsums und der Produktion zu beobachten. So führt das tatsächliche Konsumverhalten nach und nach zu einer Einstellungsveränderung, was wiederum einen sich selbst umsetzenden und intensivierenden Prozess in Gang setzt (vgl. Stehr, 2007, S. 12 f.). Als wesentliche Einflussfaktoren für die zunehmende Moralisierung nennt Stehr den durchschnittlichen Anstieg des Wohlstands privater Haushalte sowie das Wachstum des Bildungsniveaus der Bevölkerung (vgl. Stehr, 2007, S. 12 f.).

Studiendesign und Methodik

Um die Forschungsfrage „Präferieren zufriedene Menschen moralische Produkte?“ zu beantworten, wurde ein geschlossenes Forschungsverfahren durchgeführt. Das quantitative Paradigma soll die kulturell und sozial geschaffene Wirklichkeit erklären.  Hierbei werden soziale Sachverhalte mit Hilfe eines Operationalisierungsprozesses erhebbar gemacht und im Anschluss statistisch analysiert. Dadurch können Strukturen überindividueller Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zwischen Vorgängen sichtbar gemacht werden. Die Tatsachen der erfahrbaren Welt werden hierbei in numerische Zahlen übersetzt – also quantifiziert – und im Anschluss anhand statistischer Methoden ausgewertet (vgl. Raithel, 2008, S. 8 ff.). Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde deshalb das hypothesenprüfende quantitative Verfahren gewählt.

Zunächst einmal lassen sich theoretische Begriffe nicht unmittelbar beobachten oder erfahren. Die Herausforderung besteht darin, solche Konstrukte „in eine Form zu bringen, die es ermöglicht, sie empirisch zu erfassen und zu überprüfen“ (Raithel, 2008, S. 36). Zur Überprüfung vielschichtiger Zusammenhänge ist die Operationalisierung, also die Übersetzung komplexer theoretischer Begriffe in beobachtbare und messbare Werte, unerlässlich. Dazu wird das theoretische Konstrukt auf verschiedene Items heruntergebrochen (vgl. Raithel, 2008, S. 35 f.).

Um die aufgestellten Hypothesen zu prüfen und die Forschungsfrage im Nachgang beantworten zu können, wurde für diese Datenerhebung das Ex-post-facto-Design und die Befragung im Rahmen eines Online-Fragebogens gewählt. Hierbei handelt es sich um eine standardisierte und schriftliche Befragung von Einzelpersonen, welche internetgestützt durchgeführt wird. So kann auch mit geringen finanziellen Mitteln und personellem Aufwand eine verhältnismäßig große Datenmenge erfasst und ausgewertet werden. Die Befragung wurde einmalig durchgeführt und war über einen Zeitraum von 21 Tagen verfügbar.

Ergebnisse

Mit Hilfe der Onlinebefragung konnte ein Gesamtsample in Höhe von 1498 Teilnehmern erfasst werden. Bei 95,7 % aller Befragten handelte es sich um weibliche Personen. Der Anteil männlicher Befragter lag im Vergleich dazu bei 4,1 %. Der Fragebogen wurde von Menschen mit einem Alter zwischen 14 und 54 Jahren ausgefüllt. Der Mittelwert des angegebenen Alters lag bei 20,95 mit einer Standardabweichung von 3,721 Jahren. Bedingt durch das willkürliche Sampling entspricht die Stichprobe hinsichtlich Geschlechts- und Altersstruktur also nicht der relevanten Zielpopulation. Aufgrund des geringen durchschnittlichen Alters und der ungleichen Geschlechterverteilung können keine Aussagen über die Gesamtgesellschaft getroffen werden. Die Stichprobe als Folge der willkürlichen Auswahl ist also nicht repräsentativ. Dennoch geben die Ergebnisse der Erhebung einen Einblick in die Zufriedenheitssituation der Befragten und können als Ausgangspunkt für die Feststellung von Merkmalskorrelationen innerhalb der befragten Gruppe dienen. So konnten über fast alle Zufriedenheitsstufen hinweg relevante Daten erfasst und ausgewertet werden.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass es verschiedene Bereiche der Zufriedenheit gibt, die sich unterschiedlich stark auf die Gesamtzufriedenheit auswirken. Und auch das Bewusstsein darüber, welche Kaufkriterien moralisch richtig sind und in der Gesellschaft akzeptiert werden, scheint bei den Befragten sehr ausgeprägt zu sein. Die Analyse der Bewertung moralischer Kaufkriterien zeigt, dass die Befragten Abstufungen hinsichtlich deren Wichtigkeit vornehmen. Während der Verzicht auf Kinderarbeit und gute Haltungsbedingungen für Tiere für den Großteil der Befragten sehr wichtig sind, spielt der Bio-Aspekt eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch erzielen alle neun vorgegebenen moralischen Kaufkriterien sehr hohe Mittelwerte. So gibt der Großteil aller Befragten an, moralische Kriterien bei ihren Konsumentscheidungen zu berücksichtigen. Der Datensatz bietet deshalb nur geringes Differenzierungspotenzial, was die Feststellung möglicher Korrelationen erschwert.

Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der allgemeinen Zufriedenheit eines Individuums und dem moralischen Konsum konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht festgestellt werden. Auf Basis der erhobenen Daten besteht auch zwischen der finanziellen Zufriedenheit, als Unterkategorie der allgemeinen Zufriedenheit, und dem moralischen Konsum kein eindeutiger Zusammenhang.

Fraglich ist jedoch, ob die ermittelten Ergebnisse wirklich das Konsumverhalten der Befragten widerspiegeln oder lediglich zeigen, dass die Individuen sich darüber bewusst sind, was gesellschaftlich von ihnen erwartet wird. Das führt zu den Schwierigkeiten, denen mittels Befragung durchgeführte Studien ausgesetzt sind. Zu den Verzerrungen, die sich unter den Bedingungen eines Fragebogens nicht ausschließen lassen, gehört beispielsweise die Zustimmungstendenz. Hierbei handelt es sich um die Neigung des Befragten einer Frage ohne Bezug zu deren Inhalt zuzustimmen. Zum anderen besteht die Problematik der sozialen Erwünschtheit, die häufig in standardisierten Interviews auftritt. Der Befragte passt hierbei seine Antworten an Normen und Erwartungen an. Indem er versucht sozial wünschenswert zu agieren, hofft er im Gegenzug auf soziale Anerkennung und will negative Sanktionen verhindern. So gibt die gegebene Antwort wieder, was der Befragte für gesellschaftlich opportun hält. Es lässt sich vermuten, dass die Daten zum moralischen Konsum durch den Einfluss der sozialen Erwünschtheit einer solchen Verzerrung unterliegen.

Festgestellt werden konnte, dass Individuen eine höhere Zufriedenheit angeben, je besser sie im Vergleich zu ihrem sozialen Umfeld abschneiden. Auffällig ist hierbei jedoch, dass mehr als 80 Prozent der Befragten denken, im Vergleich zu ihrem sozialen Umfeld vorteilhafter als dieses dazustehen.

Fazit

Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, inwiefern Zufriedenheit moralischen Konsum beeinflusst. Wie die zu diesem Zweck durchgeführte Untersuchung gezeigt hat, ist der Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und moralischem Konsum sehr ambivalent zu betrachten.

Die Selbsteinschätzung der Lebenszufriedenheit basiert auf der Annahme, dass Zufriedenheit anhand eines Soll-Ist-Vergleichs festgestellt wird, wobei die Soll-Erwartung immer auch durch Normen geprägt ist. Im Rahmen dieser Arbeit konnte die Annahme, dass die Zufriedenheit eines Individuums abhängig von einem sozialen Vergleich mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft ist, vorläufig bestätigt werden.

Der Grundgedanke, dass die Befriedigung von Grundbedürfnissen dazu führt, dass Individuen Wertvorstellungen in ihr Handeln einfließen lassen, leitet zu zwei möglichen Formen des Konsums. Zum einen zu dem egoistischen Konsum, bei welchem das Individuum einen einzigen Wert verfolgt: den eigenen Nutzen. Zum anderen zu dem altruistischen Konsum, der durch höhere Wertvorstellungen des Individuums geprägt ist und normenorientiertes Handeln beinhaltet.

Es lässt sich im Rahmen der empirischen Untersuchung zudem feststellen, dass auch moralisches Handeln nicht zwingend konsistent ist. Menschen entscheiden von Situation zu Situation, welche Handlung sie ausführen und inwieweit diese Handlung von moralischen Aspekten geleitet ist. So werden verschiedene moralische Kaufkriterien unterschiedlich bewertet und in eine hierarchische Ordnung gebracht. Hierbei wird deutlich, dass moralischer Konsum auch für den Konsumenten mittlerweile mehr als nur „Bio“ ist.

Auch, wenn durch moralische Produkte immer größere Umsätze erzielt werden, besteht Grund zur Annahme, dass nicht alle Befragten tatsächlich in dem Maße moralisch konsumieren, wie es auf Basis der Umfrageergebnisse angenommen werden müsste. Ein möglicher Grund dafür, dass sämtlichen moralischen Kaufkriterien eine nahezu durchgehend hohe Bedeutung zugeschrieben wird, kann darauf hinweisen, dass Individuen sich trotz Anonymität des Fragebogens vor negativen Sanktionen durch die Gesellschaft fürchten. Kaum ein Mensch würde schließlich vor anderen Mitgliedern der Gesellschaft rechtfertigen wollen, dass er grundsätzlich mit der Ausbeutung der Umwelt und Menschheit kein Problem hat. Es liegt also nahe, dass moralischer Konsum mit einem Rollenkonflikt verbunden ist. Als Mitglied der Gesellschaft möchte das Individuum normative Regeln befolgen und so Anerkennung durch die Gesellschaft erfahren. Gleichzeitig muss es individuelle Interessen verfolgen, um so einen gewissen Lebensstandard sicherstellen zu können.

Im Rahmen der Möglichkeiten dieser Forschungsarbeit konnten nicht alle Einflussfaktoren und Dimensionen von Zufriedenheit und Moral betrachtet werden. Items mussten zur Vereinfachung aus geltenden Normen und Werten der Gesellschaft abgeleitet und auf eine niedrige Anzahl reduziert werden. Dies hat zur Folge, dass die Moral nur im Rahmen sehr begrenzter Möglichkeiten und nicht etwa umfassend und unter der Berücksichtigung aller Dimensionen und Einflussfaktoren erhoben werden konnte. Auch die Zufriedenheit konnte nicht mit all ihren Aspekten durchleuchtet werden, was den Bedarf weiterer Forschungsarbeit aufzeigt.

Die eindeutige und abschließende Beantwortung der Forschungsfrage ist also im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Hierzu bedarf es weiterer Untersuchungen, die beide Konstrukte umfassend erheben können. Wünschenswert wäre hierzu eine Langzeitstudie, die mit einer repräsentativen Stichprobe durchgeführt wird.

Dem moralischen Konsum sind Grenzen gesetzt. Selbst ein Individuum mit den ökologischsten Präferenzen kann diesen nicht nachgehen, wenn die Preise Budgetrestriktionen entgegenstehen. Hieraus ergibt sich als Frage für die Zukunft, inwiefern diese Beschränkung aufgehoben werden kann. So könnten beispielsweise moralische Produkte den Konsumenten zugänglicher gemacht werden, während Umweltbelastungen internalisiert und auf Kosten für umweltschädliche Produkte aufgeschlagen werden.

Die Vorstellung, man könne Moral heutzutage im Supermarkt kaufen, stellt eine zu stark vereinfachte Vorstellung der Thematik dar. Das, was die Moral im Kern ausmacht, nämlich als Grundlage für eine Handlung zu dienen und nicht nur deren Form zu beschreiben, wird hierdurch nicht wiedergegeben. Gänzlich neutrale Produkte oder Dienstleistungen gibt es nicht mehr. Konsumenten müssen tagtäglich das Richtige vom Falschen unterschieden, sich für oder gegen Konsum entscheiden und letztlich auch in der Lage sein, diese Entscheidung vor anderen Mitgliedern der Gesellschaft zu rechtfertigen. Der Konsum in der heutigen Zeit ist ein wahrer Balanceakt zwischen persönlichem Vorteil und sozialer Verantwortung, zwischen der Steigerung der eigenen Lebensqualität und Gerechtigkeit, letztlich zwischen Selbstrettung und Weltrettung.

Dass der Mensch „Fressen“ muss, bedarf keiner weiteren Bestätigung. Aber vielleicht gilt es zu fragen, ob Moral noch als solche existent sein kann, wenn sie abhängig von finanzieller oder materieller Sicherheit ist.

 

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