Spätestens seit dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt nach dem Zweiten Weltkrieg konsumieren Menschen nicht mehr aufgrund ihres Nutzwerts bestimmte Güter, sondern aufgrund der Bedeutungen, die die Güter für sie haben. Die Bedeutungen entspringen einem gemeinsamen gesellschaftlichen Werte- und Haltungshorizont. Sie sind kollektiv konstruiert und entsprechen in ihrer Sinnzuweisung in gewisser Weise dem jeweiligen schichtspezifischen Konsens. Doch nicht erst seit der Nachkriegszeit gibt es symbolisch geprägten Konsum. Seit der Entstehung erster gesellschaftlicher Eliten in der Renaissance gebrauchen die oberen Schichten Konsumgüter, um ihr Prestige und damit auch ihre soziale Position ihrer sozialen Umwelt zu demonstrieren. Was als schicklich galt, bestimmte der klassierte Rahmen. Der Konsument konsumierte insofern niemals losgelöst von seiner sozialen Umwelt. Der heutige Konsument widerspricht diesen Merkmalen jedoch. Er konsumiert scheinbar wahllos über Schichten und Klassengrenzen hinweg, völlig entgegen seiner sozial verankerten und ausgebildeten Identität. An seinem Konsum symbolbehafteter Güter ist nicht weiter abzusehen, welchem sozialen Feld er entstammt und welcher Klasse er möglicherweise zuzuordnen ist. Warum aber weist der moderne Konsument Paradoxien in seiner möglichen Identität und Haltung sowie seinem Konsumverhalten auf, die seinem sozialen Naturell und der Mechanik des Käufermarktes widersprechen.
Der gegenwärtige Konsument scheut in seinen Verhalten keinesfalls mehr davor soziokulturell unvereinbare Konsumideale zeitgleich auszuleben. So fährt er mit dem Limited Edition Porsche zum Discounter, das Fahrzeuginterieur in feinstem Kalbsleder, aber den Wocheneinkauf bitte nicht zu teuer – denn günstig tut’s ja auch. Mit dem High-End-Smartphone inklusive Lithiumbatterie, wird online noch schnell etwas mikroplastikfreie Naturkosmetik geshoppt. Im nächsten Moment wird der Ethic-Fashion-Store betreten. Mit einem Plastikbecher in der Hand. Inhalt? Fair angebauter Bio-Kaffe. To-Go versteht sich. Und zu Hause befindet sich Rolf Benz Mobiliar Seite an Seite mit dem Bücherregal einer schwedischen Billigmöbelkette. Darin steht der Aktienratgeber neben der Biografie des Minimalismus‘ Gurus.
In facettenreichen Variationen zeichnet sich so das Bild des paradoxen Konsumenten. Wie ein Hase, der eilig Haken schlägt, ist auch der paradoxe Konsument vor allem eins: unberechenbar.
Diese offenbar noch nie dagewesene Dynamik im Konsumentenverhalten ruft neuen Bedarf nach der Einordnung des gegenwärtigen Konsumenten hervor. Denn diejenigen Marktteilnehmer, die zielgerichtet an den Konsumenten herantreten, verzeichnen valide Umsätze und nicht zuletzt Wettbewerbsvorteile (vgl. Tomczak / Sausen, 2003, S. 50).
Der Umgang mit den „multiplen Persönlichkeiten“ (Rennhak, 2014, S. 177) der Konsumenten des 21. Jahrhunderts stellt die gängigen Konsum- und Marketingtheorien jedoch vor eine Herausforderung. Zuweilen scheint sogar Überforderung im Umgang mit den neuen Konsumtypen aufzutreten (vgl. Vossen/ Reinhardt, 2003, S. 10).
Dort, wo der Konsument einst in seiner Konsumhaltung genauen Klassen, Milieus oder Schichten zuzuordnen war, gestaltet sich diese Zuordnung offenbar immer schwieriger. Die Grenzen der sozialen Felder werden zunehmend diffuser und der paradoxe Konsument wechselt zwischen den Milieus hin und her. Teils scheint er gar gänzlich losgelöst vom gesellschaftlichen Rahmen. Erstaunlich ist dies in zweierlei Hinsicht:
Zum einen ist der moderne Mensch als Homo Sociologicus verortet (vgl. Dahrendorf, 1971, S. 179). Er ist ein durch die Gesellschaft bedingtes Wesen und als solches nicht von seinem Umfeld isoliert zu betrachten. Seine Werte und seine Haltung sind stets gesellschaftlich konstruiert (vgl. Dahrendorf,1971, S. 58).
Zum anderen funktioniert der heutige Konsum nicht zuletzt seit dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt, nicht mehr nur über den Erwerb des reinen Produktnutzens von Gütern aller Art, sondern der Konsument von heute agiert auf einem Markt, auf dem Bedeutungen gehandelt werden, die in Symbolik weit über den reinen Produktnutzen hinausgehen (vgl. Beckert, 2018, S. 300). Güter der Gegenwart symbolisieren einen kollektiv geteilten Sinnzusammenhang und stiften so soziale Zugehörigkeitsgefühle und Selbst- sowie Fremdorientierung (vgl. Reichertz, 2019, S. 70).
Warum aber weist der moderne Konsument Paradoxien in seiner möglichen Identität und Haltung sowie seinem Konsumverhalten auf, die seinem sozialen Naturell und der Mechanik des Käufermarktes widersprechen?
Aus diesen Ausführungen ergibt sich die vorläufige Frage, warum der gegenwärtige Konsument Paradoxien zwischen seiner möglichen sozialen Identitäts- und Haltungskonstruktion und seinem Konsumverhalten aufzeigt, die seinem Naturell als ein auf Sozialität und Zugehörigkeit angewiesenes Wesen und seiner Beziehung zu kollektivsymbolischen Gütern widersprechen?
Der gegenwärtige Konsument scheut in seinen Verhalten keinesfalls mehr davor soziokulturell unvereinbare Konsumideale zeitgleich auszuleben. So fährt er mit dem Limited Edition Porsche zum Discounter, das Fahrzeuginterieur in feinstem Kalbsleder, aber den Wocheneinkauf bitte nicht zu teuer – denn günstig tut’s ja auch. Mit dem High-End-Smartphone inklusive Lithiumbatterie, wird online noch schnell etwas mikroplastikfreie Naturkosmetik geshoppt. Im nächsten Moment wird der Ethic-Fashion-Store betreten. Mit einem Plastikbecher in der Hand. Inhalt? Fair angebauter Bio-Kaffe. To-Go versteht sich. Und zu Hause befindet sich Rolf Benz Mobiliar Seite an Seite mit dem Bücherregal einer schwedischen Billigmöbelkette. Darin steht der Aktienratgeber neben der Biografie des Minimalismus‘ Gurus.
In facettenreichen Variationen zeichnet sich so das Bild des paradoxen Konsumenten. Wie ein Hase, der eilig Haken schlägt, ist auch der paradoxe Konsument vor allem eins: unberechenbar.
Diese offenbar noch nie dagewesene Dynamik im Konsumentenverhalten ruft neuen Bedarf nach der Einordnung des gegenwärtigen Konsumenten hervor. Denn diejenigen Marktteilnehmer, die zielgerichtet an den Konsumenten herantreten, verzeichnen valide Umsätze und nicht zuletzt Wettbewerbsvorteile (vgl. Tomczak / Sausen, 2003, S. 50).
Der Umgang mit den „multiplen Persönlichkeiten“ (Rennhak, 2014, S. 177) der Konsumenten des 21. Jahrhunderts stellt die gängigen Konsum- und Marketingtheorien jedoch vor eine Herausforderung. Zuweilen scheint sogar Überforderung im Umgang mit den neuen Konsumtypen aufzutreten (vgl. Vossen/ Reinhardt, 2003, S. 10).
Dort, wo der Konsument einst in seiner Konsumhaltung genauen Klassen, Milieus oder Schichten zuzuordnen war, gestaltet sich diese Zuordnung offenbar immer schwieriger. Die Grenzen der sozialen Felder werden zunehmend diffuser und der paradoxe Konsument wechselt zwischen den Milieus hin und her. Teils scheint er gar gänzlich losgelöst vom gesellschaftlichen Rahmen. Erstaunlich ist dies in zweierlei Hinsicht:
Zum einen ist der moderne Mensch als Homo Sociologicus verortet (vgl. Dahrendorf, 1971, S. 179). Er ist ein durch die Gesellschaft bedingtes Wesen und als solches nicht von seinem Umfeld isoliert zu betrachten. Seine Werte und seine Haltung sind stets gesellschaftlich konstruiert (vgl. Dahrendorf,1971, S. 58).
Zum anderen funktioniert der heutige Konsum nicht zuletzt seit dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt, nicht mehr nur über den Erwerb des reinen Produktnutzens von Gütern aller Art, sondern der Konsument von heute agiert auf einem Markt, auf dem Bedeutungen gehandelt werden, die in Symbolik weit über den reinen Produktnutzen hinausgehen (vgl. Beckert, 2018, S. 300). Güter der Gegenwart symbolisieren einen kollektiv geteilten Sinnzusammenhang und stiften so soziale Zugehörigkeitsgefühle und Selbst- sowie Fremdorientierung (vgl. Reichertz, 2019, S. 70).
Warum aber weist der moderne Konsument Paradoxien in seiner möglichen Identität und Haltung sowie seinem Konsumverhalten auf, die seinem sozialen Naturell und der Mechanik des Käufermarktes widersprechen?
Aus diesen Ausführungen ergibt sich die vorläufige Frage, warum der gegenwärtige Konsument Paradoxien zwischen seiner möglichen sozialen Identitäts- und Haltungskonstruktion und seinem Konsumverhalten aufzeigt, die seinem Naturell als ein auf Sozialität und Zugehörigkeit angewiesenes Wesen und seiner Beziehung zu kollektivsymbolischen Gütern widersprechen?
Der aktuelle Stand der Forschung
Forschungstheoretisch lässt sich die Thematik, den Konsumenten in eine, wie auch immer geartete, sozial konstruierte Beziehung zu seiner gesellschaftlichen Umwelt zu setzen, in der Konsumsoziologie verorten. Nach dominanten Strömungen dort, denen Vertreter wie Kai Uwe Hellmann angehören oder als Begründer des demonstrativen Geltungskonsums auch Thorstein Veblen, kann die zu beobachtende Konsumform stets nach einer Schicht, Klasse oder dem Milieu verortet werden oder darüber hinaus ist die Konsumform in präziserer Betrachtung durch diejenige Schicht, Klasse oder dasjenige Milieu geprägt, welches in dominanter Art und Weise das Schicklichkeitsideal des Konsums festlegte, dem der Konsument sodann zu entsprechen versuchte (vgl. Veblen, 2007, S. 93). Sowohl in der hochkulturellen als auch in der industriemodernen Gesellschaftsform kann stets von einem nicht–beliebigen Entsprechungsverhältnis zwischen Konsumenten und Gesellschaft ausgegangen werden (vgl. Hellmann, 2011, S. 220). Hieraus folgt, dass der Konsument stets demonstrierte oder zu demonstrieren versuchte, aus welcher Klasse er stammt. Dies verlief über die zu Zuhilfenahme kollektiv konstruierter und bedeutungsstiftender Symbolgüter. Durch diese Symbolgüter wurde das jeweilige Lebensstil-, respektive Konsumideal nach außen demonstriert und die soziale Umwelt konnte den Konsumenten sozial verorten. Der Konsument konnte sich so darüber hinaus selbst in Identität und Positionierung seines eigenen Status klar definieren.
Der paradoxe Konsument widerspricht diesem Forschungsstrang jedoch. Er ist in seinem Konsumverhalten scheinbar losgelöst von sozialen Feldern und konsumiert offenbar jenseits von Zugehörigkeiten, Vorhersagbarkeiten oder gesellschaftlich konstruierten Haltungen und Identitäten. Dies ist nicht nur soziologisch eine hochinteressante Beobachtung, da die Soziologie in ihrem Kern das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft untersucht, sondern es stellt auch die Unternehmenskommunikation vor die Frage, wie sie dem Konsumenten von heute strategisch entgegentreten soll (Vgl. Rommerskirchen, 2017, S. 94/ Vgl. Rennhak, 2014, S. 177). Die scheinbar nicht mehr mögliche Verortung des gegenwärtigen Konsumenten zu sozialen Feldern, sowie seine Verhaltensparadoxie sind Betrachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. In der Annahme, dass der Konsument möglicherweise nicht so sehr paradox agiert und konsumiert, wie zu beobachten ist, und dass er möglicherweise gesellschaftlich und soziokulturell zu verorten ist, ist die folgende Forschungsfrage gestellt worden: „Geht Konsum zurück zur Demonstration eines sozialen Feldes?“
Dieser Fachartikel zielt darauf ab, auf Basis von vier soziologischen Gesellschaftstheorien den paradoxen Konsumenten in seinem Verhalten deutend zu erklären und einen Ansatz zu schaffen, der das Problem seiner gesellschaftlichen Verortung löst. Anspruch und Ziel der Ausarbeitung ist es, das soziale Handeln des Menschen als Konsument in der heutigen Gesellschaft unter Bezugnahme auf die Problematik der Verortung und die gestellte Eingangsfrage, warum der gegenwärtige Konsument Paradoxien in seinem Konsumverhalten aufweist, die seinem Naturell und der Mechanik des Käufermarktes widersprechen, deutend zu erklären.
Dazu wurde zunächst eine Prognose der Gegenwart und des heutigen Konsumenten erstellt. Diese Prognose wurde sodann diagnostisch überprüft, um final die Forschungsfrage zu beantworten. Die erzielten Ergebnisse vermögen der Unternehmenskommunikation dienlich sein, den gegenwärtigen Konsumententypus soziologisch besser erfassen und einordnen zu können.
Konsumsoziologische Gesellschaftsvernetzung
Basis der konsumtheoretischen Annahmen dieses Artikels ist, dass es eine Art triadischen Beziehung gibt, zwischen dem Menschen als Konsumenten, der Konsumgesellschaftsform, in der er lebt, sowie der Bedeutungen der Güter, die sie für ihn haben.
Konsumenten als Subjekte und die Gesellschaft, in der sie leben und konsumieren in sind auf eine bestimmte Art und Weise miteinander in Verbindung gesetzt. Mannigfaltige Ansätze der Konsumsoziologie folgen der Annahme eines interdependenten Entsprechungsverhältnisses zwischen dem konsumierenden Subjekt und der Gesellschaftsform, in der es lebt und konsumiert (Vgl. Hellmann, 2011, S. 220). Zwischen dem vergesellschafteten Subjekt und der Gesellschaft gibt es eine analoge Entsprechung. Gesellschaft und Subjekt beeinflussen sich meist wechselseitig, einseitig ist das Subjekt jedoch stets rahmend von der Gesellschaft beeinflusst (Vgl. Hellmann, 2019). Das Entsprechungsverhältnis ist in seiner Ausprägung spezifische von der Art der Gesellschaftsform geprägt, in der das Subjekt lebt. Aus der Gesellschaftsform lassen sich entsprechende Lebens- und damit Konsumstile ableiten (vgl. Hellmann, 2011, S.220). Der Terminus des Konsumstils leitet sich aus dem Lebensstilbegriff nach Émile Durkheim ab und soll als kollektive Reproduktion eines Verhaltensmusters verstanden werden, welches sich eindeutig im Verhalten der Konsumenten eines spezifischen Kollektivs beobachten lässt (vgl. Durkheim, 1967, S. 52 & vgl. Hahn, 1986, S. 604).
Zurück geht die theoretische Annahme eines Entsprechungsverhältnisses nicht nur auf konsumsoziologische Positionen, sondern zieht sich in retrospektivischer Beobachtung der Konsumpraxis wie ein roter Faden durch das prägende Verhältnis zwischen Konsument und Gesellschaft.
Demonstrationskonsum vs. Paradoxiekonsum
In Reinform ist dieses Entsprechungsverhältnis im sogenannten demonstrativen Konsum zu beobachten, wie ihn erstmals der amerikanische Soziologe Thorstein Veblen beschrieb (vgl. Veblen, 2007).
Einst nutzte der Konsument den demonstrativen Konsum, ausgehend von der hochkulturellen Konsumart, um sein Prestige nach außen hin symbolisch zu inszenieren, zu repräsentieren und zu symbolisieren, indem er eindeutig als materiell hochwertig erkennbare Güter nutzte (vgl. Veblen, 20017, S. 95f.). Somit war eine genaue Verortung zum Kollektiv sowohl für das Subjekt selbst als auch für seine soziale Umwelt möglich. Im Demonstrationskonsum einer sozialen Klasse, respektive Felds, sind kollektive Symbolik sowie soziale Entsprechung des Subjektes als Konsument mit seiner gesellschaftlichen Umwelt vereint. Oder knapp gesagt: Das Subjekt demonstriert seine soziale Position über entsprechend aufgeladene Symbolgüter und reduziert damit für sich und seine soziale Umwelt die Komplexität, bietet Selbst- und Fremdorientierung und Einschätzung und empfindet darüber hinaus eine kollektive Zugehörigkeit (vgl. Veblen, 2007, S. 79f.) Die nicht zuletzt im hochkulturellen Demonstrationskonsums gebräuchlichen Symboliken der Güter sind kollektiv konstruiert und schaffen so Zugehörigkeitsgefühle und Orientierung für das Subjekt und seine soziale Umwelt. Sie reduzieren die Komplexität der Gesellschaft, indem sie auf kollektiv geteilter Bedeutungsebene nicht-ausgesprochene Sinnzusammenhänge aufschlüsseln, in sich vereinen und sodann nach außen darstellen (vgl. Blumer, 2004, S. 332).
Hieraus ergibt sich zweierlei Annahme: Zum einen ist der Konsument ein sozial konstruiertes Wesen, welches in seinen sozialen Praktiken, wie beispielsweise dem Konsum, nicht von seiner sozialen Umwelt losgelöst zu betrachten ist. Zum anderen sind die Bedeutungen der Dinge, ihre Symbolkraft, stets kollektiv und klassiert-tradiert konstruiert. Die Gesellschaft, das Kollektiv, schreibt den Gütern über einen geteilten Bedeutungshorizont ihre symbolische Aussagekraft zu. Niemals aber entstehen Symbolgüter im individuellen Alleingang, losgelöst vom Kollektiv (vgl. Soeffner, 2010, S. 36).
Nach den bisher getätigten Deutungen der triadischen Relation zwischen Gesellschaft, Konsument und Symbolgütern herrscht jedoch im paradoxen Konsumenten ein offensichtlicher Widerspruch. Zum einen mit seinem sozialen Wesen als Homo Sociologicus, nachdem er stets kollektiv verankert konsumiert und agiert, sowie zum anderen auch mit der Kollektivsymbolik, nach der symbolische Güter nicht nur Orientierung für die eigene Selbstkonstruktion sowie die Einordnung des Gegenübers schaffen, sondern darüber hinaus Zugehörigkeiten stiften. Auch diesen Eigenschaften widerspricht das paradoxe Konsumverhalten, da es scheinbar Symbole gänzlich individuell, singularisiert und situativ inszeniert aufgreift und ausspielt oder zur Konstruktion seiner Identität nicht mehr weiter temporär und tradiert überdauernd nutzt.
Der paradoxe Konsument agiert also scheinbar vollkommen losgelöst von gesellschaftlich geschaffenen Kollektivwerten des Symbols, sowie seinem natürlichen Wesen als eingebundenes Subjekt in einer soziokulturellen Umwelt des sozialen Feldes und kann so problematischer weise in analysierender Beobachtung auch nicht weiter gesellschaftlich verortet werden. Er konsumiert paradox zu jeglichen bisher getätigten Annahmen der Konsumententypisierungen der soziologischen Konsumentenanalyse. Demnach ist er offenbar nicht weiter in Einklang mit vorherigen Verortungen des Konsumenten zu bringen, nach denen das Subjekt in seinem Konsum stets der Gesellschaftsform nach konsumierte, in der es verortet war. Denn weder schafft der paradoxe Konsum symbolische Verortbarkeit und Repräsentierbarkeit der sozialen Stellung, noch entspricht er dem Wesen des Homo Sociologicus als sozial interpretierender und agierender Akteur, der niemals isoliert von sozialen Umwelten und Kollektiven oder Feldern zu betrachten ist.
Von der prognostizierten Zukunft in die Gegenwart des Konsums
Wie einleitend angemerkt, sind zur Auflösung der Verortungsproblematik des gegenwärtigen Konsumenten vier verschiedene, rein soziologische Theorien und Akteursmodelle herangezogen worden.
Diese sind in histochronologischer Abfolge nach Prognose und Diagnose analysierend übereinandergelegt worden, um zu überprüfen, ob der gegenwärtige Konsument wirklich so paradox ist, wie es zu beobachten ist, oder ob im Gegenteil der Konsum zurück zur Demonstration eines sozialen Feldes geht. Zur Erstellung einer Prognose wurden die Soziologen Ralf Dahrendorf mit seinem Akteursmodell des Homo Sociologicus‘ sowie Ulrich Beck mit seiner Theorie der Risikogesellschaft herangezogen. Zeitlicher Ansatz der Theorien ist der Strukturwandel der Gesellschaft mit seinem Zenit in den 1980er Jahren, um den sich die Soziologen Ralf Dahrendorf im Jahr 1958 mit seiner Rollentheorie und später im Jahr 1986 Ulrich Beck mit seiner Individualisierungsthese legen lassen, um innere und äußere Gesellschafts- und Subjektentwicklung prognostisch nachzuvollziehen. Auf diese Prognose wurden anschließend zwei gesellschaftliche Bestandsaufnahmen der gegenwärtigen Gesellschaftsform gelegt. Hier dienlich waren der Soziologe Andreas Reckwitz mit seinem Entwurf der Gesellschaft der Singularitäten und die Soziologin Cornelia Koppetsch mit ihrer Konstruktion der Gesellschaft des Zorns. Beide Werke bewegen sich im Veröffentlichungs- und Betrachtungszeitraum in der aktuellen Gegenwart und sind somit geeignet als Diagnose der gegenwärtigen Gesellschaftsform zu fungieren.
Prognose des gegenwärtigen Konsumbildes
Ulrich Beck setzt mit seiner Individualisierungsthese innerhalb der Risikogesellschaft das Subjekt als Individuum von bisher tradierten Klassenkollektiven frei und gibt es in ein neues risikoreiches Verhältnis mit der Gesellschaft (vgl. Beck, 1986, S. 121 f.). In diesem neuen Verhältnis muss das Individuum fortan selbst verantwortet über Biografie, Lebensstil und auch Konsum entscheiden (vgl. Beck, 1986, S. 209). Vom Fortbestehen einer klaren Verortung des Individuums par Kollektiv kann also mitnichten mehr die Rede sein, da er nicht weiter zu bisher bestehenden tradierten Klassen zugehörig ist, sondern sich von diesen freigesetzt, überaus mobil im gesellschaftlichen Raum bewegt (vgl. Beck, 1986, S. 122). Durch die wachsende Mobilität ist der Konsument nicht weiter an seinen bisherig stets tradiert festgeschriebenen sozialen Standort gebunden.
Jegliche Faktoren, die ihn vorher verortet haben, sein enges Entsprechungsverhältnis zum klassierten Kollektiv prägten oder seinen Konsum kollektiv in gewisser Weise einschränkten und prägten, werden durch die neue Mobilität der Freisetzung und Individualisierung zunichtegemacht. Zusammen mit der daraus damit einhergehenden selbst verantworteten, aktiv gestalteten Wahlbiografie im Sinne der Freisetzung des Individuums wachsen die Konsumoptionen in schier unendliche Optionsdichte (Vgl. Rommerskirchen, 2017, S. 241). Die Folge ist eine in erster Instanz erst einmal nicht mehr mögliche Verortung des Konsumenten par Klasse oder sozialem Feld bei gleichzeitigem Wegfall von orientierungs- und sicherheitsgebenden Instanzen der bisherigen Konsumgesellschaft in festen Kollektiven.
Allerdings ergibt sich eine deutliche Ambivalenz der Individualisierung, wonach sich der Mensch nach aktiver Eigengestaltung seiner Lebens- und Konsumwelt wieder zunehmend in Re-vergemeinschaftung wiederfindet (vgl. Beck, 1986, S. 119). Daraus ergibt sich die Vorhersage einer neuen Klassengesellschaft der Zukunft, die die Faktoren der Individualisierung und neuerlichen Mobilität aufgreift (Vgl. Beck, 1986, S. 152). Was vorerst bleibt, ist der Konsument als verzweifelter Artist, gezwungen zu wählen, auf der Suche nach neuen Zugehörigkeiten. Ralf Dahrendorf ergänzt diese Prognose um sein Modell des Homo Sociologicus, dem sozial konstruierten Wesen (vgl. Dahrendorf,1971, S. 179). Der Mensch als Träger seiner sozialen Rollen ist verschiedensten Erwartungshaltungen unterschiedlicher Bezugsgruppen ausgeliefert, denen er sich ärgerlicherweise nicht entziehen kann (Dahrendorf, 2010, S. 35 & S. 23). Diesem Ärgernis begegnet Ralf Dahrendorf, indem er den Menschen in Ligaturen, also tiefen empfundenen Zugehörigkeiten zu verschiedenen Bezugsgruppen in gewisser Weise individuell freistellt, welchen Erwartungen dieser im Sinne der vernünftigen Freiheit nach Kant entsprechen möchte (vgl. Dahrendorf, 1994, S. 423). Demnach entscheidet er situativ welchen Erwartungen er entsprechen möchte (vgl. Rommerskirchen, 2017, S. 269). Aufgrund seines sozialen Wesens ist es sein Ziel die Anerkennung seiner Umwelt zu erlangen. Dazu gebraucht er strategisch seinen Konsum. Dennoch sind im Konsumenten nicht nur seine Rolle des Konsumenten vereint, sondern viele andere Rollen, denen er auch im Moment des Konsums gerecht werden möchte. Dies ist jedoch nicht immer ohne Weiteres möglich. Je nach Umfeld spielt der Einzelne verschiedenste Rollen mit verschiedensten Erwartungen, die im Angesicht weiterwachsender gesellschaftlicher Diversität immer mehr werden (vgl. Dahrendorf, 2010, S. 23).
Es drohen Konflikte (vgl. Dahrendorf, 2010, S. 74ff.). Anzusehen ist dem gegenwärtigen Konsumenten in seiner Paradoxie, dass er in der heutigen Gegenwart stets aufs Neue unterschiedlichsten Rollen je nach Situation gerecht werden möchte. Auch symbolische Güter weiß er gezielt einzusetzen, um die jeweilige Situation und die jeweilige kollektive Bühne zu seinen gesellschaftlichen Gunsten zu bespielen. Der paradoxe Konsumtyp ist demnach in Grundzügen nichts anderes als ein konsumierendes Subjekt, welches in verschiedenen Konsumsituationen unterschiedliche Erwartungen zu erfüllen versucht, welche an der Entsprechung diverser Bezugsgruppen und Ligaturen individuell, vernünftig frei von ihm selbst auszurichten sind. Wie aber lassen sich diese beiden theoretischen Argumentationslinien bewerten, setzt man sie ins Verhältnis mit aktuellen Bestandsaufnahmen der triadischen Relation zwischen Konsument, Gesellschaftsform und symbolischer Bedeutungszumessung der Güter?
Diagnose des gegenwärtigen Konsumbildes
Andreas Reckwitz und sein Gesellschaftsentwurf der Singularitäten negiert die einst vorherrschende Logik des Allgemeinen und beschreibt eine Ablösung dieser verkommenen Logik durch das Primat der Logik des Besonderen als allumfängliche Prägungseinheit des gesamten lebensweltlichen Alltags des Subjektes (vgl. Reckwitz, 2017, S. 10). Er diagnostiziert eine Klassengesellschaft, in der Objekte, Subjekte, Orte und Ereignisse sowie auch der Konsument und die Konsumgüter fortlaufend singularisiert und kulturalisiert, das heißt als besonders und kulturell einzigartig ausgewiesen werden (vgl. Reckwitz, 2017, S. 283). Angetrieben sowie zeitgleich ausgedrückt durch das neue klassierte Narrativ des singulären Habitus vermag die Klassengesellschaft zum einen den paradoxen Konsumenten zu erklären und zeitgleich seine Paradoxie in ihrem scheinbaren inneren Widerspruch zwischen dem Konsumenten als soziales Wesen sowie der notwendigen Konsumgutsymbolik auszuhebeln. Das was auf Metaebene paradox wirkt und so den anfänglich festgelegten soziologischen Annahmen über Konsumenten, Gesellschaft und kollektiver Symbolik widerspricht, ist nach detaillierter Analyse nicht weiter widersprüchlich, sondern eine stringente Entsprechung des gegenwärtigen paradoxen Konsumenten mit der Gesellschaftsform. Der paradoxe Konsument entspricht dem neuen Habitus des Singulären und konsumiert so par Klasse sozial konstruiert, ist dort zu verorten und demonstriert sein Selbst der Umwelt in permanenter Besonderung (vgl. Reckwitz, 2017, S. 289). Diese permanente Besonderung erfolgt, ähnlich wie von Beck prognostiziert, in aktiver Eigenverantwortung und -leistung und verbleibt nicht stringent – tradiert. In Konsequenz zeigt sich hier, dass es zwar neue Klassen gibt, welche auch die Individualisierungsthese nach Beck aufgreifen, jedoch gerade deswegen möglicherweise nicht weiter fähig sind dem Konsumenten von heute Zugehörigkeit, tradierte Werte und eine geleitete, eher passiv und sicherheitsgebende Identitätskonstruktion vorzuzeichnen.
Cornelia Koppetsch kommt innerhalb ihrer Analyse der sogenannten Gesellschaft des Zorns zu einem nahezu deckungsgleichen Ergebnis wie Andreas Reckwitz. Auch hier gibt es eine neue, kreativ und singulär geprägte Gesellschaft der Klassen (vgl. Koppetsch, 2019, S. 67ff.). So wie Reckwitz versteht auch Koppetsch das gegenwärtige Subjekt als geprägt durch einen neuen Habitus, der erkennbare Paradoxien im Konsumentenverhalten produziert, zeitgleich aber in Kombination mit der Annahme der neuen Klassengesellschaft, eine genaue Verortbarkeit des gegenwärtigen Konsumenten in einem gesellschaftlichen Feld aufzeigt (vgl. Koppetsch, 2019, S. 116). Im Gegensatz zu Reckwitz ergänzt sie ihren Gesellschaftsentwurf und damit auch die Interpretation des Entsprechungsverhältnisses noch um die Einflusskomponente der Globalität, welche im kosmopolitischen Narrativ der Gegenwart nur zu einem weiteren Anstieg des Möglichkeitsvolumens der Konsumfacetten des gegenwärtigen Konsumenten führt (vgl. Koppetsch, 2019, S. 29).
Becks vorausgesagte neu formierte Klassengesellschaft findet sowohl bei Reckwitz als auch bei Koppetsch eine Bestätigung und zeigt sich in der Pluralisierung der Konsumstile und dem Streben nach nicht austauschbarer, absolut unersetzlicher Einzigartigkeit, wovon auch das Konsumhandeln und die Symbolik der Güter nicht unberührt bleiben. Die Güter erscheinen nicht mehr kollektiv in gemeinsamer Symbolik, sondern sind singulär geprägt. In permanenter Besonderung sind sie nicht weiter dienlich den Konsumenten durch seine soziale Umwelt kollektiv verorten und seinen Status ablesen zu können. Für den Konsumenten werden symbolische Güter grundsätzlich nicht mehr überdauernd, sondern situativ herangezogen, um immer und immer wieder aufs Neue die eigene Identität zu konstruieren. Erkennbar ist keinerlei Tradierung oder Kollektivierung der Symbolik mehr, obwohl es wieder Klassen und Kollektive gibt, die es jedoch durch singularistische Tiefenprägung nicht mehr schaffen, Kollektivsymboliken zu prägen. Der strategische Gebrauch des Konsums, angelehnt an die Interpretation der sozialen Umwelt, erfolgt beim gegenwärtigen Konsumenten deckungsgleich mit der prognostizierten Konstruktion des Subjektes als Homo Sociologicus stets situativ. Ziel ist es, soziale Anerkennung und gesellschaftliches Prestige zu erlangen. In der heutigen Gegenwart sind die Ideale ebendies zu erreichen und auch darzustellen, stets der tiefgehenden Singularisierung unterzogen. Prestige und eine abgerundete soziale Identität erreicht der gegenwärtige Konsument erst, wenn er durch seinen Konsum über den Gebrauch singularisiert-besonderter und kulturalisierter Güter ebendies zu demonstrieren vermag. Möglich macht diesen Ansatz jedoch insbesondere erst Beck mit seiner Pluralisierung der Lebens- und Konsumstile, die sich bei Reckwitz und Koppetsch in deutlicher Facette gerade in der dominanten akademischen beziehungsweise kosmopolitischen Mittelklasse zeigt (vgl. Reckwitz, 2017, S.284 & vgl. Koppetsch, 2019, S.81). Der Standard jedoch, wie ihn Beck einst für seine individualisierte Zweite Moderne als Voraussetzung aufzeigte ist längst überholt. Was zählt, ist die Singularität. Auch für den Demonstrationskonsum.
Das, was als schicklich gilt, das neue Konsumideal, ist die Singularisierung und der Konsum singularisierter Güter. Genau hier zeigt sich ein Widerspruch, der entscheidend ist für die Beantwortung der Forschungsfrage und das betrachtete Problemfeld. Der paradoxe Konsument ist zwar in seiner inneren Entsprechung nicht so widersprüchlich, wie dies Beobachtungen zuweilen entspringt, denn er ist einer neuen Klassengesellschaft, also sozialen Feldern, zugehörig und somit ein sozial konstruiertes Wesen und er zeigt diese Klassenverortung und Entsprechung auch nach außen hin, indem er symbolische Güter demonstrativ trägt und konsumiert. Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, dass diese symbolischen Güter, wie bereits beschrieben, ebenso wie alle anderen lebensweltlichen Ausprägungen individuell singularisiert sind und dies auch von der Klasse so narratiert wird.
Ein Symbol, welches jedoch jedes Subjekt für sich selbst individuell als singulär und damit als wertvoll und prestigebehaftet interpretiert und als situative Repräsentation seiner eigenen Besonderung gebraucht, kann schlicht und ergreifend weder Orientierung bieten, noch dem Einzelnen generelle Anerkennung verschaffen oder Komplexität reduzieren. Und mehr noch: Das singularisierte Gut trägt darüber hinaus in seinem Gebrauch und seiner Zurschaustellung dazu bei, dass wachsende Defiziterfahrungen, Überforderung und andauernde Rollenkonflikte wachsen. Denn das Konsumgut kann vom Subjekt nicht mehr weiter kollektivübergreifend und verallgemeinernd zur Bildung einer überdauernden und nicht situativen eigenen Identität genutzt werden und es kann durch seine individualisierte Singularisierung zudem auch das Subjekt nicht weiter in der Gesellschaft für Andere ablesbar positionieren. Die generalisierte Umwelt kann nicht weiter ablesen, mit wem sie es bei ihrem Gegenüber grundsätzlich zu tun hat. Gesteigert wird diese Problematik auch noch durch die Vereinigung der einstigen Antipode aus Bürgerlichkeit und Romantik, welche eine erfolgreiche Selbstverwirklichung des Subjektes zum neuen Kollektivdeal stilisiert. Dadurch wird die Singularisierung der Güter ergänzend gesteigert, das Ideal der eigenen Verwirklichung ist tonangebend, geht es um die Verwendung symbolischer Güter, um genau dies auszudrücken. Dies feuert noch einmal die Entwicklung dessen an, was als paradoxer Konsumtypus beobachtet werden kann, jedoch in seiner inneren Entsprechung dem neuen singulären Habitus und der situativen Rollen- Diversität der neu formierten Klassengemeinschaft entspricht.
Die Theorie Dahrendorfs nimmt eine außerordentliche Sonderrolle ein. So lässt sie sich in der Diagnose nach Reckwitz und Koppetsch äußerst flexibel in der neuartigen Gesellschaftsbeschreibung nach beiden Theoretikern wiederfinden. Dahrendorf erklärt den Konsumenten in all seinen Rollen immer kleiner werdenden erwartungsgebenden Feldern innerhalb der gegenwärtigen Klassen zugeordnet, denen er flexibel entsprechen muss (Vgl. Dahrendorf, 2010, S. 32).
Die Uferlosigkeit der neuen Klassengesellschaft
Zu erkennen ist die große Deckungsdichte zwischen Prognose und Diagnose in all ihren Facetten darin, dass alle vier Soziologen sowohl das Phänomen des paradoxen Konsumenten erklären können, der Konsument par Klasse eindeutig verortet werden kann und dass die Beantwortung der Forschungsfrage „Geht Konsum zurück zur Demonstration eines sozialen Feldes?“ in eine spezifische und zwar nahezu deckungsgleiche Richtung gesetzt werden kann. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem demonstrativen Konsum auszugehen, wobei sich jedoch die klassierten Schicklichkeitsideale von der Repräsentation eines möglichst hohen ökonomischen zur Repräsentation eines möglichst hohen singulär-kulturellen Kapitals verschoben hat. Der Konsum erfolgt entsprechend eines klassär verorteten neuen Habitus, der sodann auch symbolisch über kulturalisierte Güter immer und immer wieder neu interpretiert zur Schau getragen wird.
Allerdings lassen alle vier Ansätze das Subjekt in seiner Konsumentscheidung unterschiedlich graduiert frei und auf sich allein gestellt. Dahrendorf setzt den Konsumenten in vernünftige Freiheit und Beck in eine herausgelöste Individualisiertheit. Reckwitz‘ und Koppetschs Klassen greifen sowohl Dahrendorfs als auch Becks graduierte Freiheiten auf, indem sie Singularisierung, Kulturalisierung, eine Pluralisierung der Konsumstile und wechselnde Bezugsgruppen in diverser Klassenumwelt erkennen. Die Krux liegt neben des in der Prägung der neuen Klassen an sich. Zwar demonstriert der gegenwärtige Konsument pluralisiert und permanent seine Klassenzugehörigkeit, jedoch ist sowohl die dazu genutzte Symbolik nicht mehr tradiert und orientierungsgebend, sondern in ihrer Besonderung eher desorientierend als auch das Innenleben der Klassen nicht mehr fähig, den gegenwärtigen Konsumenten durch die Welt der Konsumoptionen in tradierter und komplexitätsreduzierender Art und Weise zu leiten. Dies widerspricht sowohl dem Naturell des Subjekts als Homo Sociologicus als auch seinem Bedürfnis über Symbole, im Sinne des Demonstrationskonsums nach Veblen, Zugehörigkeiten und Komplexitätsreduktion und linear–kollektive Identitätsgenese zu erfahren.
Und nun? – Der Konsument in hektischer Frustration
Die Folge der neuen Art der Prägung des Konsumenten durch die neue Klassengesellschaft lassen den Konsumenten in einer Art hektischen Frustration zurück. Hektisch, weil es sich ständig und situativ selbst entscheiden muss, ohne anhand einer Handlungs- und Identitätsleitung im Sinne der eher passiven Tradiertheit alter Klassen- und Schichtenkollektive geleitet ist, die ihm Selbstverantwortung abnehmen, jedoch Zugehörigkeit stiften würden. Frustriert, weil es über die andauernde Selbstproduktion seiner lebensweltlichen Realität ohne Sicherheiten in Überforderung gerät und Defizite erfährt, sich selbst und dem neuen Narrativ der Besonderung nicht zu entsprechen. Zudem kann es seine Umwelt anhand von Symboliken nicht weiter in ihrer Komplexität reduzieren und einordnen. Benötigt werden neuerliche Ansätze, diese hektische Frustration aufzulösen und die Tendenzen zur erneuten Vergemeinschaftung aufzufangen. Konsum ginge zurück zur Demonstration sozialer Felder mit sinnstiftenden Zugehörigkeiten und Orientierungsfunktionen, jedoch muss das gegenwärtige Subjekt sich indes selbst reintegrieren. Wie fast jede soziale Praktik der gegenwärtigen Gesellschaft erfolgt auch die Reintegration in Eigenarbeit, durch die Suche nach neuen Zugehörigkeiten und Anpassungsstrategien. Diese Anpassungsstrategien befähigen den Konsumenten sich selbst in wie auch immer geartete soziale Felder zu reintegrieren, in dem er sich selbst Lösungen aus seiner gesellschaftlichen Umwelt sucht, die es ihm erlauben mit den neuerlichen Problemen der Selbst- und Fremdverortung und seiner Orientierungslosigkeit umzugehen.
In Rückbezug auf die vier herangezogenen soziologischen Theorien können in der Hauptsache vier verschiedene Reintegrationsansätze herausgearbeitet werden.
Neue Zugehörigkeiten: Reintegrationsstrategien des Konsumenten
Die Ansätze der Reintegration folgen dem Prinzip, dass sich das Subjekt neue Orientierungs- und Ankerpunkte aus dem gesellschaftlichen Kontext sucht, um den negativen Auswirkungen der gegenwärtigen singulär verdichteten Konsumgesellschaft zu begegnen. Die Ankerpunkte sucht sich das Subjekt jedoch stets aus seinem sozialen Umfeld heraus, wobei das ersuchte soziale Feld hierbei nicht zwingend auf Klassen bezogen ist. Es kann sich auch um Rollen, Bezugsgruppen, Orte oder Facetten der Kulturalisierung und des globalen Kosmopolitismus handeln. Es handelt sich also um das gezielte Nutzen und Interpretieren von Sozialdynamiken, die dem Subjekt der Reintegration dienlich sind.
Innerhalb der Aspekt- Reintegration wird die eigene und die umweltliche Singularisierung durch das Subjekt selbst reduziert, indem es sich einen Aspekt aus der Symbolik der singularisierten Gesellschaftsprägung herausgreift und zu seinem persönlichen Narrativ erklärt und danach lebt und konsumiert Dadurch erlangt das Subjekt wieder ein Wirgefühl, reduziert Komplexität, seine Entscheidungen sind linear eingefärbt und es erlangt Sicherheit, sowie Orientierung, obwohl es sich in gewisser Weise immer noch selbst verwirklicht, da es selbst entschieden hat, was sein neues Ideal ist. Das Subjekt spaltet sich vom neuen Habitus ab, indem es seine Charakteristik der Pluralisierung ausnutzt und ein neues Narrativ für sich kreiert. Auf Makroebene können so neue soziale Felder entstehen, die alle demselben Narrativ folgen, wie beispielsweise Konsumentengruppen, die ausschließlich nachhaltig konsumieren.
Der Konsument hegt zudem den neuerlichen Wunsch nach Kollektiven, die Zugehörigkeiten stiften: Eine weitere Strategie, der Problematik zu begegnen, ist es, sich in tradierte Werte und Modelle der Lebensführung zu reintegrieren und sich der spezifischen Funktionsweise des Habitus gewissermaßen zu entziehen. Im Sinne einer linearen und tradierten Prägung verfolgen die Subjekte abseits des Kosmopolitismus, schon an eine Gegenintegration grenzend, wieder stringente und einheitliche Werte und kehren zur Zentrierung ihres Lebensstils um Kollektive wie traditionelle Familien oder Biorafiemodelle zurück. Dies geschieht beispielsweise innerhalb selbst geschaffener Gemeinschaften, den sogenannten Neogemeinschaften.
Das Subjekt ist zudem als Homo Sociologicus ein soziales Wesen und insofern als Rollenspieler in gewisser Weise den Erwartungen der Gesellschaft ärgerlicherweise gebeugt. Dennoch kann der Einzelne in Rollen immer noch selbst entsprechen, welcher Erwartung er folgen möchte und daher ist ihm die Haube der Erwartungen nicht in Passivität aufgezwungen, sondern er ist durchaus in der Lage, seine soziale Umwelt und seinen Bezug zu ihr in seinen Rollen selbst zu interpretieren, beispielsweise, indem er reduziert einer Rolle in allen Situationen entspricht (reduziertes Rollenverhalten) oder perplex in jeder neuen Situation all seine Rollen situativ jedoch ganz auslebt (perplexes Rollenverhalten).
Zuletzt kann das Subjekt seine Orientierung an Symboliken vom klassären Kollektiv an einen anderen Ort verlagern und so ein Feld für die Gestaltung privater Lebens- sowie Sozialformen schaffen, die sodann prägend sein sollen für Identität, Haltung und Konsumform. Diesem Feld verschafft er sich selbst Zutritt, indem er nicht mehr weiter an klassierten Prägungen entlang handelt und konsumiert. Diese neuen Orte der Reintegration können beispielsweise Online- oder Brand- Communities sein.
Die Reintegrationsstrategien schließen einander dabei nicht aus, sondern können sich in der lebensweltlichen Praxis durchaus ergänzen oder überlagern. Wie ein Kompass befriedigen sie das subjektäre Bedürfnis des monokausalen, tradierten oder normierten Orientierungsmusters, welches sodann auch eindeutig demonstriert werden kann.
Fazit – Back to the Roots?
Abschließend betrachtet geht der gegenwärtige Konsum zurück zur Demonstration eines sozialen Feldes unter besonderer Berücksichtigung der neuen Interpretation des Entsprechungsverhältnisses zwischen Konsumenten und Gegenwartsgesellschaft, sowie der Eigenleistung der Reintegrationsstrategien, um die fehlenden Zugehörigkeitsempfindungen auszugleichen. Der Konsumtyp des paradoxen Konsumenten ist, nicht wie angenommen losgelöst vom gesellschaftlichen Kollektiv eines sozialen Feldes zu sehen, sondern er ist die stringent nach außen gekehrte Entsprechung eines neuerlichen Klassenhabitus der Gegenwart. Somit liegt demonstrativer Konsum einer neu formierten und geprägten Klassenlandschaft vor.
Der paradoxe Konsument ist zudem nicht widersprüchlich in seinem Konsumhandeln, sondern das Konsumphänomen, was der Beobachter als paradox wahrnimmt, ist durch die Gesellschaft narratiert und zeigt sich in verschiedenen Idealen. Hierzu zählt beispielsweise der singuläre Habitus der gegenwärtigen Gesellschaft und ihre Diversität, die situativ immer mehr Erwartungsentsprechungen vom Konsumenten in seinen Rollen verlangt, sowie eine dauerhafte und permanente Besonderung der eigenen Identität. Der Konsument als sozial konstruierter Homo Sociologicus strebt ganz im Sinne des neuen Duktus nicht mehr weiter Prestige durch die Demonstration von symbolisch verdichtetem ökonomischen Kapital, sondern durch die Demonstration von singularisierten sowie kulturalisierten Kapital in Form symbolischer Güter an. So strebt er nach Anerkennung seiner sozialen Umwelt und wird dem gerecht, indem er durch den Konsum und dem situativen Entsprechen verschiedenster Rollenerwartungen, permanent sich selbst als singularisiert und besonders ausweist und inszeniert. Dieses Verhalten nimmt der Beobachter auf Metaebene als paradox wahr, es ist aber nur stringente Entsprechung des neuen klassierten Habitus der neu formierten Klassengesellschaft. Diese neue Klassengesellschaft kann jedoch trotz ihrer äußeren Struktur in Klassen, in ihrer inneren Klassenprägung nicht die Kriterien erfüllen, die es benötigen würde, um von demonstrativem Konsum im Sinne der Begriffsauslegung Veblens sprechen zu können. Zum einen hat sich das Schicklichkeitsideal von ökonomischen Werten zu kulturalisierten und singularisierten Werten verlagert und zum anderen gibt es auf Grund des neuen Habitus keine tradierten zugehörigkeitsstiftenden und komplexitätsreduzierenden kollektiven Symboliken mehr, die eine demonstrative Selbst- und Fremdverortung möglich machen würden. Die neue Klassengesellschaft wird in ihrer inneren Prägung weder dem Wesen des Menschen als Homo Sociologicus gerecht noch deckt sie die Bedingungen der zugehörigkeits- und sinnstiftenden Kollektivsymboliken ab. Gegenwärtiger Konsum geht also zurück zur Demonstration eines sozialen Feldes in der Suche nach neuerlichen orientierungsgebenden Demonstrationssymboliken, die zwischen Komplexität und Reduktion eine Orientierung bieten und zeitgleich den neuen Konsum- und Lebensstilen entsprechen können. Von einer kollektiven Bedeutungszuweisung kann nämlich in der bisherigen Gegenwart der Singularisierung nicht weiter ausgegangen werden. Dem damit einhergehenden Orientierungsverlust des Konsumenten eines gemeinsamen, durch ein soziales Feld geprägten Bedeutungshorizonts wird zur finalen Beantwortung der Forschungsfrage „Geht Konsum wieder zurück zur Demonstration eines sozialen Feldes?“ unter Zuhilfenahme der ausgearbeiteten vier verschiedenen Reintegrationsansätze entsprochen
Möglicherweise kann sogar von einem erwünschten Rückbesinnen auf traditionelle Werte ausgegangen werden, die sodann zwar unter eventueller Einbuße neu gewonnener Freiheiten, die Komplexität der Umwelt wieder reduzieren und wie ein Kompass den Konsumenten in einer Art selbst herbeigeführten Passivität leiten.
In Anbetracht des gewählten Forschungsvorgehens kann von einem histosoziologischen Kontinuum der gesellschaftlichen Entwicklung ausgegangen werden, jedoch ist der momentane Gesellschaftsentwurf immer nur eine Momentaufnahme, denn sowohl die Gesellschaft als auch das Subjekt entwickeln sich stets weiter. Daher gibt es fortlaufenden Forschungsbedarf, den Konsumenten und seine Verortung oder sein Entsprechungsverhältnis par Gesellschaft und Kollektiv zu analysieren und zu deuten, um beispielsweise die Ausrichtung der aktuellen Unternehmenskommunikation entsprechend anzupassen oder auszuweiten. Nur so können Konsumenten stets passgenau angesprochen und erreicht werden. Neben dem paradoxen Konsumenten gibt es zudem weitere fraktale Konsumentenpersönlichkeiten, die vom paradoxen Konsumenten als bisherigem Zenit in Hauptsache überlagert worden sind. Inwiefern diese Konsumententypen jedoch weiterbestehen und wie sie in Entsprechung zur gegenwärtigen Gesellschaftsform verfahren, vermag die vorliegende Ausarbeitung nicht zu klären. Hier bleibt möglicherweise weiterer Forschungsbedarf, auch wenn der paradoxe Konsument in der Gegenwart die Vorherrschaft hält.
Dennoch geht der heutige Konsum nach den hier dargelegten theoretischen Strömungen wieder zurück zur Demonstration eines sozialen Feldes unter eigener Reintegration des Konsumenten in repräsentierbare Zugehörigkeitskollektive.
Diese Erkenntnis kann neben einer Ergänzung bisheriger konsumsoziologischer Einordnungen des paradoxen Konsumenten, nicht zuletzt für die Unternehmenskommunikation ein aufschlussreicher Ansatz für den passgenauen Umgang mit den multiplen Konsumentenpersönlichkeiten der Gegenwart sein.
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