Britta Marek & Michael Roslon: Was Frauen wollen – Eine soziologische Interpretation von Kontaktanzeigen

Beziehungsmuster und -vorstellungen wandeln sich mit der Zeit und dem Ort, an dem sie vollzogen werden. Um Beziehungsmuster und somit Vorstellungen von dem, was Liebesbeziehungen ausmacht, angemessen analysieren zu können, eignen sich unterschiedliche Zugangsweisen: Der vorliegende Artikel untersucht eine digital geschaltete Kontaktanzeige unter Rückgriff auf die hermeneutische Wissenssoziologie. Es gilt herauszuarbeiten, wie eine Frau zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine mögliche Paarbeziehung formuliert. 

Paarbeziehungen, so Eibl-Eibesfeldt, gehören zu den universellen Gattungskennzeichen des Menschen (vgl. 1986: 301). Bis zwei Menschen sich dazu entscheiden, eine gemeinsame exklusive Beziehungspartnerschaft zu etablieren, gilt es jedoch den dafür geeigneten Partner zu finden. Für das Auffinden eines Beziehungspartners stehen vielfältige soziokulturelle Praktiken zur Verfügung. Der Vielfalt und Variabilität möglicher Beziehungsanfänge ist bei weitem kaum theoretisch abbildbar (vgl. exemplarisch hierzu Cunningham 1989; Moore 1985). Seit dem Einsetzen der Moderne und der damit einhergehenden Enttraditionalisierung gesellschaftlicher Strukturen (vgl. Beck 1986) ist die freie Partnerwahl unabhängig von Klasse, Alter oder Geschlecht möglich (vgl. Lenz 2009). Gleichsam vervielfältigen sich die Optionen, mögliche Beziehungspartner kennenzulernen (vgl. Illouz 2011). Generell kann man die Partnersuche unterscheiden nach der Art der Kontaktaufnahme, z. B. ob es sich um einen Flirt in einer alltäglichen oder speziell für das Flirten arrangierten Situation handelt, ob Menschen sich bei der Arbeit näher kennenlernen oder durch gemeinsame Freunde einander vorgestellt werden (vgl. Lenz 2009). Man kann sich auch aktiv auf die Suche begeben und dazu die Medien nutzen, z.B. auf Online Single- oder Flirtbörsen ein Profil anlegen. Eine mehr oder minder klassische und bereits institutionalisierte Gattung (vgl. Luckmann 2002) von der Suche nach einem geeigneten Partner und damit von Beziehungsanfängen stellen Kontaktanzeigen dar (vgl. Reichertz/Nagler 1986).

Eine Kontaktanzeige ist bei weitem keine neue Lösung, bereits 1695 gab es einen Heiratsmarkt in Zeitschriften (vgl. Kaupp 1968). Heutzutage sind Kontaktanzeigen nicht nur in gedruckten Publikationen auffindbar und somit regional beschränkt, sondern können global via Internet verbreitet werden.

Digital geschaltete Kontaktanzeigen unterscheiden sich nicht maßgeblich von denen in Printmedien, dies hat Rutkowski in Bezug auf die textuellen Strukturmerkmale herausgearbeitet (vgl. Rutkowski 2003). In Kontaktanzeigen werden sprachliche Symbole auf spezifische Weise konventionalisiert. Diese zeichnen sich vorzugsweise durch Ab- bzw. Verkürzungen aus. Der sparsame Umgang mit Formulierungen hat ökomische Gründe: Da Kontaktanzeigen unter Kleinanzeigen fallen, gehören sie zu den Einnahmequellen eines Verlagshauses. Reichertz und Nagler zufolge beliefen sich die Kosten für eine Kontaktanzeige 1986 auf ca. 200,00 DM (vgl. 1986). Heutzutage variiert der Preis bspw. bei dem regional publizierten Magazin coolibri (Ruhrgebiet und Düsseldorf), aus der die analysierte Anzeige stammt, in Abhängigkeit der Region, in der die Anzeige geschaltet wird und der Länge des Anzeigentextes zwischen 6,00 EUR und 30,00 EUR pro Anzeige. Dies zwingt den Verfasser zu einem schonenden Einsatz von Ressourcen, in diesem Fall Zeichen. Deshalb kann man bei Anzeigen auch von einer eigenständigen Form kommunikativer Gattungen sprechen (vgl. Luckmann 2002).

Kontaktanzeigen werden gewöhnlich in Sparten bzw. (Unter-)Kategorien aufgeteilt (bspw. „Er sucht Sie“, „Sie sucht Ihn“…). Es existieren typische (Unter-)Kategorien, je nach Interesse und Neigung (bspw. exklusiv sexuelle Kontakte oder Seitensprünge, wobei in medialen Zeiten der Weg über Agenturen, die Seitensprünge vermitteln, diskreter ist). Die Kategorien ermöglichen eine schnelle und interessengeleitete Suche und geben zugleich das Muster vor, nach dem die Anzeige geschaltet werden kann.

Zu dem Thema Beziehungspartnersuche durch Kontaktanzeigen liegen eine Vielzahl von Studien vor (vgl. Kaupp 1968, Riemann 1999, Stolt 1976, Reichertz & Nagler 1986, Reichertz & Polotzek 1994, Reichertz 1994). Reichertz und Nagler kommen zu dem Ergebnis, dass das Aufgeben von Kontaktanzeigen im Grunde genommen eine Form des Suchens ist, die nicht darauf abzielt, jemanden zu finden (vgl. 1986, hierzu auch Reichertz 1991). Viel mehr, so Reichertz, geht es darum, sich selbst anhand der eingegangen Antworten einen Spiegel vorzuhalten: ‚Wie und auf wen wirke ich in der Gesellschaft‘ (vgl. 1991). Damit nimmt er Abstand von Forschungsergebnissen, die den Verfassern ausschließlich einen ernsthaften Versuch unterstellen, eine feste Bindung einzugehen (vgl. Berghaus 1985).

Als Gegenstand qualitativer Sozialforschung sind Kontaktanzeigen gut für eine qualitative Untersuchung geeignet, da sie ein natürliches Datum darstellen, welches eine klare Funktion besitzt und gewöhnlich bewusst und strategisch bzw. dramaturgisch vom Verfasser inszeniert wird (obwohl dies, wie im methodischen Teil besprochen wird, keine notwendige Voraussetzung für eine qualitative Analyse ist). Die Kontaktanzeige enthält dabei für den Bereich der Paarbeziehungen relevante Informationen z. B. darüber, was Männern an Frauen oder umgekehrt gegenwärtig relevant ist, wie sie sich selbst präsentieren, ihre Bedürfnisse und Wünsche formulieren oder welche Form von Gemeinsamkeit oder Beziehungsform sie sich wünschen. Jede dieser Fragen für sich würde eine eigenständige Forschung benötigen.

Der vorliegende Aufsatz geht davon aus, dass eine Kontaktanzeige der erste bedeutungsvolle Zug (‚move‘, vgl. Goffman 2005) in einer interaktionsdynamischen Geschichte zweier Partner bedeuten kann (vgl. Lenz 2003a, b; 2009). Paarbeziehungen bzw. deren Zustandekommen folgen keinen vorprogrammierten Bahnen oder sind aufgrund biologischer Merkmale vorhersagbar. Entscheidend für die konkrete Form der Paarbeziehung ist das wechselseitige Anschlusshandeln der Akteure, bei dem sukzessive eine gemeinsame Interaktionsgeschichte und ein Selbst- und Fremdbild der Beziehungspartner entworfen werden (vgl. Lenz 2009). Die Kontaktanzeige selbst kann daher wenig bis keine Auskunft darüber geben, wie eine Beziehung sich konkret entwickeln wird, sondern sie gibt aufgrund ihrer konkreten Gestaltung nur Auskunft über die Art und Weise des Beziehungswunsches.

Aus diesem Grund soll der vorliegende Artikel die Forschungsfrage klären, welche Wunschform von Beziehung in einer zufällig ausgewählten Kontaktanzeige formuliert wird. Da diese Kontaktanzeige von einer Frau verfasst wurde, könnte man die Frage auch schärfer formulieren. Dann geht es exemplarisch an einem Einzelfall darum, ‚Was Frauen wollen‘. Die Analyse einer Kontaktanzeige, so die grundlegende Vermutung, gibt Aufschluss über ein mögliches Beziehungsmuster. Nicht mehr aber auch nicht weniger ist Anspruch des vorliegenden Artikels. Die Analyse einer Kontaktanzeige lässt darüber hinaus möglicherweise Rückschlüsse auf eine gegenwärtige gesellschaftliche Situation zu, da sich die konkrete Ausformung von Paarbeziehungen innerhalb ihres soziokulturellen und historischen Kontexts verändert (vgl. Illouz, 2011). Beziehungswünsche sind für die Sozial- und Kommunikationswissenschaft relevant, da sich in ihnen nicht lediglich individuelle Vorstellungen, sondern auch gesellschaftliche geprägte Muster des Zusammenlebens widerspiegeln. Was Frauen wollen, so eine These, ist zugleich Ausdruck einer Wirklichkeitskonstruktion, die soziohistorisch eingebettet ist und auf die durch eine Einzelfallanalyse Rückschlüsse gezogen werden können. Um diese herauszuarbeiten, gilt es methodisch abgesichert vorzugehen.

Wie man herausfindet, „Was Frauen wollen“: methodologische und methodische Reflexionen

Die hier vorgenommene Untersuchung bedient sich des Verfahrens der Hermeneutischen Wissenssoziologie (vgl. Soeffner 2004, Reichertz 2008) Die Hermeneutische Wissenssoziologie ist ein Forschungsansatz, der einerseits eine eigene Methodologie darstellt, innerhalb derer wiederum verschiedene Methoden wie die Text-, Video-, Bild- und Artefaktanalyse bzw. Feldforschung zur Sicherung wissenschaftlicher Erkenntnisse existieren. In dem vorliegenden Aufsatz wird die Methode der hermeneutisch-wissenssoziologischen Textinterpretation angewandt, da es sich bei dem Untersuchungsgegenstand um einen sprachlich verfassten Text handelt. Der Text der vorliegenden Kontaktanzeige ist das Ergebnis der sozialen Handlung des Schreibens, die nach bestimmten Regeln erfolgt. Diese Regeln umfassen die Semantik und Pragmatik der Bedeutungsproduktion in der deutschen Sprache sowie hier zusätzlich wie das Genre der Kontaktanzeige verfasst wird. Das Ergebnis dieser Sozialhandlung wird nun zum Gegenstand der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchung. Das methodologische Konzept der Hermeneutischen Wissens-soziologie geht davon aus, dass Menschen die Bedeutung der sozialen Wirklichkeit selbst erschaffen (vgl. Berger/Luckmann 2003), darunter fallen auch die Regeln der Gestaltung von Kontaktanzeigen. Diese Bedeutung von Sozialhandlungen oder deren materieller bzw. virtueller Manifestation (Designgegenstände, Kunstwerke, Werkzeuge, Filme oder Websites) gilt es methodisch abgesichert zu (re-)konstruieren bzw. deren soziale Bedeutung zu verstehen. Dies können Hermeneuten nur leisten, wenn auch sie der o. g. Regeln der Bedeutungsproduktion mächtig sind. Voraussetzung für eine hermeneutische Interpretation ist demnach, dass die Interpreten der gleichen Sprach- und Interaktionsgemeinschaft angehören oder die Regeln der Bedeutungsproduktion des untersuchten Feldes kennen und beherrschen. Ihre Aufgabe ist es, die im Text implizit enthaltene Bedeutungsstruktur des gesamten Falles explizit zu machen. Diese Bedeutungs(re-)konstruktion zielt auf die Schließung einer Sinnfigur ab.

   Die Hermeneutische Wissenssoziologie kann als aufgeklärtes Verfahren der Sozialwissenschaften verstanden werden, da es für sich beansprucht, selbst Teil des Interaktionsprozesses zu sein, sei dies bei der Datenerhebung oder bei der Datenauswertung. Sobald man Hermeneutische Wissenssoziologie betreibt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass es weder um die Rekonstruktion der tatsächlichen subjektiven Sinnstrukturen (oder in Schütz‘ Worten der Um-Zu-Motive, vgl. 1974) noch um die Aufdeckung objektiv verfügbarer Sinnstrukturen geht (wie dies die objektive Hermeneutik nach Oevermann verfolgt, vgl. 1981). Stattdessen sollte sich der Forschende bewusst sein, dass das Ergebnis des Forschungsprozesses selbst wiederum der gesellschaftlichen Bedeutungsstruktur zugefügt wird, allerdings als methodisch gesicherte Erkenntnis. Zu diesem Zweck arbeitet die Hermeneutische Wissenssoziologie idealerweise mit Interpretationsgruppen, die möglichst viele Lesarten möglicher Bedeutungen der einzelnen Sequenzeinheiten produzieren.

   Die Hermeneutische Wissenssoziologie zielt darauf ab, aus einem Fallbeispiel einen Handlungstypus für eine bestimmte Handlungssituation dieses Falls zu (re-)konstruieren (vgl. Weber 1988: 190 ff.). Dieser muss oder kann allerdings nicht in Reinform existieren, sondern stellt eine wissenschaftliche Konstruktion der Frage dar, wie Akteure typischerweise in bestimmten Situationen verfahren, um ein handlungsspezifisches Problem zu lösen. Im vorliegenden Fall geht es um das Handlungsproblem, wie eine Frau das Problem „einen Mann per Kontaktanzeige kennenzulernen“ löst.

   Die notwendige Voraussetzung für das Gelingen der Interpretation ist das Wissen einer Interpretationsgemeinschaft, die gemeinsam die soziale Bedeutung der einzelnen Teile des zu analysierenden Textes (re-)konstruiert. Nur vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Bedeutungsraumes können Aussagen zu der sozialen Deutung einer Sequenzstelle getroffen werden. Um eine nachvollziehbare Interpretation zu liefern, setzt der Interpret oder noch besser die Interpretationsgruppe unterschiedliche Formen von Wissen ein bzw. klammert diese im Vorgang des Interpretierens systematisch aus. Reichertz und Englert unterscheiden im Rahmen der Hermeneutischen Wissenssoziologie vier Sorten von Wissen: 1. das Wissen um die Welt, das aus Vernunftgründen dem Verfasser des Textes unterstellt wird (auch wenn jeder zufällig ‚zusammengebastelte‘ Text ebenfalls eine objektive Sinnstruktur in sich trägt); 2. das Wissen um den äußeren Kontext, welches alle Informationen über das Zustandekommen des Textes umfasst und systematisch ausgeklammert wird, um eine mögliche Verzerrung der geleisteten Interpretation zu vermeiden; 3. das Wissen um den inneren Kontext, welches sich im Zuge der Analyse schrittweise aufbaut bzw. offenbart und 4. das Wissen um wissenschaftliche Erklärung, wobei bereits existierende wissenschaftliche Literatur zum Forschungsgegenstand einzubeziehen ist (vgl. Reichertz/Englert 2011, S. 31). Interpreten gehen demnach wohl informiert an den Text heran, begeben sich dabei jedoch in eine Attitüde ‚künstlicher Dummheit‘ (vgl. Hitzler 1991). Das konkrete Vorgehen, wie Soeffner (vgl. 2004) es in Anlehnung an die Grounded Theory (vgl. Glaser & Strauss 2008) vorschlägt, beginnt mit dem offenen Kodieren, bei dem sequenzanalytisch Wort für Wort der Text analysiert wird. Alle daraus gebildeten Lesarten, werden durch konkrete Anschlüsse entweder als sinnvoll oder unsinnig beurteilt. Entsprechend werden Lesarten schrittweise ausgeschlossen. Anschließend wird eine höher aggregierte Sinneinheit gesucht. Man kann auch sagen, der Einzelfall wird zu einer Sinnfigur verdichtet. Dies vollzieht sich oft durch einen qualitativ-induktiven und manchmal auch durch einen abduktiven Schluss von Seiten des Interpreten, der eine Sinnfigur hervorbringt (zur genaueren Diskussion der Abduktion vgl. Reichertz 1993, 2003): „Am Ende [eines Interpretationsprozesses] ist man angekommen, wenn ein hochaggregiertes Konzept, eine Sinnfigur gefunden bzw. mithilfe der Daten konstruiert wurde, in das alle untersuchten Elemente zu einem sinnvollen Ganzen integriert werden können und dieses Ganze im Rahmen einer bestimmten Interaktionsgemeinschaft verständlich (sinnvoll) macht“ (Reichertz 2002: 28). Anschließend kann man neue Datenprotokolle nach der Verfahrensweise des theoretical sampling erheben, bis das mögliche Feld gesättigt ist.

   Abschließend gilt es noch die Gütekriterien qualitativer Sozialforschung anzusprechen: Der hier behandelte Einzelfall ist wahrscheinlich nicht repräsentativ – vielleicht ist er ganz und gar einmalig, vielleicht ist er typisch – jedoch für was? Was die Fallanalyse zeigt, ist ein Einzelfall der so in der Wirklichkeit anzutreffen war. Alles Weitere, d. h. das Auffinden weiterer Handlungstypen, bis das Feld möglicher und denkbarer Typen gesättigt ist, bleibt weiteren Studien vorbehalten. Qualitative Sozialforschung beansprucht einzig und allein, intersubjektiv nachvollziehbare Ergebnisse zu liefern (vgl. Reichertz 2002). Die vorliegende Deutung wird sequenzanalytisch vorgenommen, ist jedoch nicht als reine Sequenzanalyse zu verstehen. Denn das Wissen, dass es sich um eine Kontaktanzeige handelt, schließt bereits eine Vielzahl von Lesarten aus und stellt eine (arbeits-)pragmatische Verkürzung des Vorgangs der Bildung von Lesarten dar. Zudem wird der Deutungsvorgang nur fragmentarisch wiedergeben. Es wird allein das Relevante expliziert, nämlich die relevanten impliziten Deutungsmuster. Exemplarisch wird jedoch das erste verwendete Wort der Kontaktanzeige sehr intensiv interpretiert.

Die Kontaktanzeige

Im vorliegenden Fall wird eine Kontaktanzeige aus dem bereits erwähnten Magazin coolibri analysiert. Sie stammt aus der Online-Ausgabe vom 25.04.2010 und war in der Rubrik „Sie sucht Ihn“ zu finden – so viel Wissen sei preisgegeben.

Der Anzeigentext lautet:

 

Sie (41), single, attraktiv und absolut jung geblieben, sucht einen tollen Mann mit genügend Hirnmasse, nett anzusehen und das gewisse “Etwas”. Bist Du das? Dann schnell mailen (bitte mit Foto) an: …

(Online-Ausgabe der Zeitschrift coolibri; letzter Abruf 25.04.2010)

 

Die Anzeige beginnt mit dem Wort „Sie“. „Sie“ könnte zu Beginn der Anzeige eine höfliche und förmliche Ansprache an den Leser sein. Dann würde von Beginn der Anzeige an mit dem Rezipienten eine fiktive Interaktion begonnen werden, die eine Beziehung zwischen der empirischen Verfasserin und dem empirischen Leser konstituiert. Auch die dritte Person Plural ist denkbar. „Sie“ als Ansprache an die gesamte (in diesem Fall männliche) Leserschaft könnte der Auftakt zu einer ungewöhnlichen Kontaktanzeige im Sinne von „Sie haben nun die einmalige Chance, das Herz einer ganz besonderen Frau zu erobern…“ sein. Ob diese Lesarten sich halten lassen, wird sich im Folgenden zeigen.

   Wenn „Sie“ jedoch in der dritten Person Singular gemeint ist, spricht eine Verfasserin entweder über sich selbst oder jemand verfasst für eine andere Person diese Anzeige. Für beide Versionen gilt, dass die dann zu erwartende Beschreibung ein Maß an Objektivität beinhaltet, da eine exzentrische Position zur Beschreibung gewählt wird. Eine solche Position ist reflektiert und distanziert, nicht impulsiv und offenbart nicht den Kern einer Person. Die erste Möglichkeit könnte mit der betreffenden Person abgesprochen sein. Gemäß dieser Lesart wäre die „Sie“, um die es in der Anzeige geht, nicht bereit, selbst zu Wort zu kommen. Wenn eine andere Person die Anzeige ohne Wissen der betreffenden Person verfasst, so nimmt die empirische Verfasserin das Schicksal der hier entworfenen „Sie“ in die Hand und fühlt sich auch dazu bemächtigt, dies zu tun.

Schließlich besteht die Möglichkeit, dass die empirische Verfasserin und „Sie“ zusammenfallen. Diese Rollendistanz deutet auf eine reflektierte Verfasserin hin, die beginnt, ein Bild von sich selbst zu entwerfen, jedoch aus einer exzentrischen Position heraus. Sie tritt nicht als „Ich“ auf, die ihre inneren Wünsche und Vorstellungen ausdrückt, sondern trifft selbstdistanzierte Zuschreibungen zu ihrer Person. Diese könnten Zuschreibungen sein, die „Sie“ sich selbst gibt oder es könnte aus dem Kondensat der Zuweisungen, die „Sie“ im Alltag oder Berufsleben von Dritten erhält, d. h. aus ihrer Sicht empirisch abgesichert sein („Alle meine Freunde sagen über mich, ich sei nett, lustig, witzig…“). In beiden Fällen bekommt der Leser einen Bericht dieser „Sie“ geboten. Unabhängig davon, wer diese „Sie“ hier konstruiert, deutet das „Sie“ zuerst auf das Geschlecht im Sinne von ‚Gender‘ hin, d. h. auf das soziale Geschlecht innerhalb einer Gesellschaft, das von allen möglichen Konnotationen dieser „Sie“ befreit ist. Der Leser weiß noch nicht, ob bzw. dass es sich um eine Frau handelt, noch könnte „Sie“ ein Mädchen oder eine ältere Dame sein. Es könnte aber auch eine Betonung der Weiblichkeit, evtl. in Form feministischer Ansichten sein. „Sie“ ist eine Form von sozialer Entkleidung, die nun anschließend sozial neu eingekleidet werden kann, d. h. eine Identität zugewiesen bekommt. Dies ist von Bedeutung, da Urteile und Wertungen der Verfasserin über sich sehr wichtig zu sein scheinen und sie sich darüber definiert, d. h., dass sie sich durch soziale Wertschätzung und Anschluss definiert, nicht hingegen über ihre Einzigartigkeit bzw. Individualität. In Bezug auf den vermeintlichen Leser kann auch von einer Produktpräsentation gesprochen werden, bei der zu Beginn etwas vage angekündigt wird, von dem man nun zunehmende Konkretisierung erwartet.

   In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass in dem Format coolibri das erste Wort fett gedruckt wird. Auf diese Weise werden die Anzeigen voneinander optisch getrennt. Damit wird dem ersten Wort aber auch eine exponierte Stellung zugewiesen. Ob die empirische Verfasserin nun will oder nicht, sticht der Aspekt des Weiblich-Seins heraus. Die erste nähere und relevante Beschreibung dieser „Sie“ ist „(41)“. Zahlen können in Kontaktanzeigen verwendet werden um Körpermaße, das Geburtsjahr oder das Alter anzugeben. Die nummerische Ausprägung lässt es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass es sich um das Alter handelt. Für den Rezipienten wird ein eindeutiger Hinweis auf die biographische Phase des Lebens der Inserentin gegeben. Damit grenzt man den Kreis möglicher ‚Kundschaft‘ ein, d. h. es handelt sich um ein selektives Merkmal, das andere sofort zum Weiterlesen motiviert und bestimmte Leser ausschließt. Heutzutage 41 Jahre alt zu sein bedeutet nicht dasselbe wie noch vor einigen Jahren, man muss im Alter von 41 Jahren als Frau nicht zwangsläufig verheiratet sein, Kinder haben und sich lediglich um den Haushalt kümmern. Es gilt als durchaus legitim, sich im Alter von  41 Jahren (bisher) nicht fest gebunden zu haben. Dies wird auch in den Medien propagiert. So sagt eine amerikanische Fernsehserie, 40 sei das neue 20 („Cougar Town“), allerdings mit einem Unterschied: 40-Jährige können sich vermutlich aufgrund ihres Einkommens einen anderen Lebensstandard als 20-Jährige leisten. Es bleibt hier jedoch vorläufig unklar, wie ihr Alter konnotiert wird.

   Die Tatsache, dass das genaue Alter angegeben wird kann hier helfen. Es heißt nicht „Anfang 40“. Dies könnte aus ökonomischen Gründen geschehen, da die Anzeige pro Buchstabe kostet, es könnte auch verdeutlichen, dass sie noch ganz am Anfang der 40er ist, also nicht 44 oder 49. Diese Präzision macht deutlich, dass man in den Vierzigern kaum jünger sein könnte. Doch warum wird die 41 einerseits eingeklammert und andererseits nicht durch ein Komma von der „Sie“ getrennt? Das Alter zu nennen ist in Kontaktanzeigen durchaus üblich, doch sollte es hier vermutlich vom Leser eher wieder vergessen werden. Einklammern könnte auch bedeuten, dass die Attribute und Verhaltensweisen, die 41-Jährigen gewöhnlich zugeschrieben werden, auf diese „Sie“ nicht zutreffen, insofern soll die 41 lediglich informativen Charakter besitzen. Des Weiteren könnte es ihr peinlich sein, aber sie sieht ein, dass Kontaktanzeigen ohne Altersangabe nicht funktionieren. Die Verfasserin sieht außerdem ein, dass die 41 ohne Wenn und Aber zu ihr gehört, es ist keine Eigenschaft, die durch Satzzeichen von ihr getrennt wird. Es gehört dazu und spielt paradoxerweise eine wichtige, sogar eine zentrale Rolle, die man jedoch nicht zu ernst nehmen sollte. Diese reflektierte „Sie“ kann die Relevanz des Alters nicht negieren und es stellt für „Sie“ eine besondere Relevanz dar. Welche das ist, kann man nur vermuten, vielleicht wird dies im Folgenden noch deutlicher. Auf jeden Fall ist „Sie“ ganz wesentlich über das Alter bestimmt.

   Was nun folgt, ist auf den ersten Blick überraschend: Sie ist „single“. Sollte man dies nicht erwarten, wenn jemand eine Kontaktanzeige aufgibt? Zu Beginn der Lesartenbildung sei auf die Schreibweise verwiesen: „single“ wird klein geschrieben und stellt somit ein Adjektiv, d. h. eine Eigenschaft, dar. Der Typus Single ist frei von einer festen Partnerschaft, kann aber z. B. auch in Trennung leben, obwohl eine Scheidung noch nicht vollzogen wurde. Die Eigenschaft „single“ verweist jedoch auf einen dahinterliegenden Lebensstil oder die Art und Weise, wie man mit seinem Single-Leben umgeht. In diesem Fall ist „single“ weniger überraschend für den Leser, sondern liefert unterschiedliche Bedeutungen dieser „Sie“: Single-sein kann bedeuten, darüber entweder glücklich oder unglücklich und leidend zu sein. Singles können sich jedoch auch hedonistisch verhalten. Single zu sein bedeutet nicht notwendigerweise, sich einsam zu fühlen, sondern Singles sind zumeist kontaktfreudig, müssen dies sogar sein und pflegen aktiv ihr soziales Netzwerk. Das Wort „single“ deutet demnach eine Form von Selbstversorgtheit und Selbstständigkeit an, obwohl man noch nicht weiß, ob dieser Zustand als zufrieden oder unzufrieden erlebt wird. Alternative Worte, die eine andere Deutung nahe legen würden wären „ledig“ oder „alleinstehend“, doch „single“ impliziert heutzutage die hier vorgeschlagenen Lesarten. Unterstützt wird das Singledasein von der Wirtschaft, da sie einem diese Lebensweise sogar schmackhaft macht: Produkt für Singles findet man überall, vom Reisebüro bis zum Supermarkt. Die Werbung macht den Singles ihr Leben schmackhaft und verkauft diesen Lifestyle der Unabhängigkeit und Selbstdarstellung. Diese Erkenntnisse haben sich seit Becks zeitdiagnostischer Risikogesellschaft und insb. bei Schulzes Erlebnisgesellschaft herausgestellt (vgl. Beck 1986; Schulze 2005). Das Single-Dasein gilt für manche als erstrebenswerte Form von Freiheit, andere arrangieren sich damit, andere finden es geradezu problematisch, insofern sie sich eine feste Partnerschaft wünschen. Die „Sie“ kann auch ein sehr pragmatischer Single sein, die ihre Lebensform hinnimmt, ohne sich allein darüber zu definieren. Oder sie wartet auf ‚den Richtigen‘ (zur Typisierung von Singles Deml 2010). All dies muss im Zusammenhang des gesellschaftlichen Kontextes gesehen werden, in dem 41-jährige Singles akzeptiert sind und in dem „Sie“ sich auch selbst als akzeptiert wahrnehmen und dies kommunizieren. Im Gegensatz zu der „(41)“ wird der Begriff „single“ nicht in Klammern gesetzt, sie definiert sich in einer der beschriebenen Weise über ihre Art mit dem Singleleben umzugehen. Der Auftakt, die Darstellung einer Person mit „single“ zu beginnen, lässt eine Vermutung über den empirischen Autor anstellen: wäre diese Anzeige ein ‚Freundschaftsdienst‘, würden also empirischer Autor und fiktive „Sie“ nicht zusammenfallen, scheint der Ausdruck „single“ nicht wohl gewählt: einen Gefallen für eine gute Freundin würde wahrscheinlich eine gute Charaktereigenschaft an den Beginn der Anzeige stellen, weshalb diese Möglichkeit somit eher unwahrscheinlich wird. Stattdessen kann davon ausgegangen werden, dass diese „Sie“ sich selbstbewusst über ihr Single-Dasein definiert und sozial etikettiert.

   Das nächste Adjektiv lautet „attraktiv“. Attraktivität bedeutet gemeinhin, dass eine bestimmte Form der Anziehung auf Andere, in diesem Fall auf Männer, ausgeübt wird. Attraktive Menschen haben meistens bessere Chancen auf sexuelle Kontakte, was auf spezifische körperliche Eigenschaften zurückgeführt werden kann. Im Rahmen der Evolutionsbiologie wird der Begriff der Attraktivität verwendet, um die Anziehungskraft eines Partners zu betonen: attraktive Frauen können den Partner wählen, welcher sich Mühe geben muss, um zu gefallen (vgl. Grammer 1995). Wer auch immer „Sie“ als attraktiv bezeichnet, weiß, dass „Sie“ diese Wirkung entfaltet. Attraktivität ist ein körperbezogenes Attribut, das weder auf Charaktereigenschaften noch auf Besitztümer verweist. War „Sie“ noch ein ungeformter weiblicher Körper, der ein bestimmtes Alter erreicht hat und sich auf bestimmte Weise im sozialen Raum bewegt („single“), wird diesem Körper nun eine Form gegeben. Diese ist abstrakt, weder schlank noch mit weiblichen Rundungen, sondern bestimmt sich über die Zuweisungen der Anderen. Die empirische Verfasserin nimmt diese Zuschreibungen gerne an, macht es zu einem wesentlichen Bestandteil ihres Wesens. Es ist jedoch nicht reduziert darauf sexy zu sein, sondern impliziert einen gewissen Mehrwert, wobei man nicht genau weiß, um welchen es sich handelt: es könnte sich um körperliche Pflege handeln, sei dies durch Sport oder Pflegeprodukte, Schönheitschirurgen oder einfach Kleidung bzw. Schmuck. Deutlich wird dies noch nicht. Doch Attraktivität muss nicht auf Körperlichkeit reduziert werden. Man kann Attraktivität auch als völlig überschätzt abtun, aber gerade das tut „Sie“ nicht. Ein attraktiver Single hat keinen Grund zu klagen: an männlichen Verehrern mangelt es anscheinend nicht, das Single-Sein liegt in ihren Augen nicht an ihr, zumindest nicht in Bezug auf ihre äußere Erscheinung. In einem Trikolon ist das zweite Wort eine Steigerung des ersten. Der Single, der immer noch attraktiv ist, unterstreicht, dass er mehr zu bieten hat als seine vermeintlich moderne und akzeptierte Lebensweise und das soziale Netz bzw. einen ausgeprägten Aktivitätsdrang. Ihre moderne Lebensweise, hier verstanden als individualisierte und emanzipierte Lebensweise, wird hier noch übertroffen von ihrer Wirkung auf das männliche Geschlecht. Nun heißt es „und absolut jung geblieben“. Es ist unklar, auf welche Weise sie jung geblieben ist: dies kann körperlich sein, schließlich ist sie attraktiv. Man kann nun fragen, wie diese Attraktivität mit 41 noch zustande kommt. Sie kann körperlich oder mental jung sein. Letzteres könnte in Kombination mit der eingeklammerten 41 bedeuten, sich nicht diesem Alter entsprechend zu verhalten. Die bisherigen Ausführungen haben sich stark auf Äußerlichkeiten bezogen, setzt man diese Tradition der Lesarten fort, so scheint auch die Eigenschaft „jung“ sich auf Kleidung oder Körper zu beziehen. In Bezug auf die Attraktivität wird gegen die Zeitlichkeit gearbeitet, der Alterungsprozess, der objektiv mit der 41 eingestanden wurde, wird hier ebenso verneint, wie die Klammern um die 41 dies tun. Die Formulierung bedeutet jedoch, dass sie trotz der 41 Jahre noch „jung“ ist. Sie ist nicht nur „jung“, auch nicht „jung geblieben“ sondern dies auch noch „absolut“. Es stellt sich die Frage, ob es etwas Absolutes geben kann. Da dies unwahrscheinlich ist muss es als heuristischer Begriff aufgefasst werden, der aber die möglichen Zweifel auf ein verschwindend geringes Maß reduziert, das nicht weiter erwähnenswert ist. Nicht einmal ein absolutes Vakuum kann erzeugt werden, doch für ihr Jungsein scheint dies zu gelten. Dies spricht entweder dafür, dass der Leser davon überzeugt werden soll, dass dies absolut der Fall ist, oder dass die empirische Autorin davon zweifelsfrei selbst überzeugt ist. Zudem ist „Sie“ „jung geblieben“. Anscheinend hat „Sie“ es geschafft, weniger schnell zu altern, als dies üblich ist konservieren. Es scheint demnach über jeden Zweifel erhaben, dass diese „Sie“ seit geraumer Zeit Alterungsprozessen ausgesetzt war. Sie ist nicht wirklich so, wie sie eigentlich ist. Dadurch wird deutlich, dass „Sie“ nicht damit zufrieden ist, wie sie ist und dies bezieht sich vermutlich auf das Alter.

   Zuletzt sei erwähnt, dass „single, attraktiv und absolut jung geblieben“ eine rhetorische Figur, nämlich ein Trikolon darstellt (entsprechend Cäsars berühmten „veni, vidi, vici“). Das Trikolon ist eine Aufzählung von Eigenschaften, die auf eine historisch verbürgte Figur zurückgreift und welche dem Leser ein Bild dieser „Sie“ vermitteln soll. Das Trikolon gipfelt darin, dass „Sie“ ihre Jugendhaftigkeit konserviert hat. Somit präzisiert das Trikolon die „(41)“ und schließt die Lesart aus, dass „Sie“ zufrieden mit ihrem Alter ist. Stattdessen kreiert sie den Lebensstil einer modernen 41-jährigen, die sich noch nicht ihrem Alter entsprechend fühlt, deren Lebensweise sich vermeintlich nicht mit dem deckt, was andere von 41-jährigen erwarten, sonst müsste „Sie“ diese Figur nicht auf diese Weise entwerfen. Zudem kann „Sie“ das Faktum ihres Alters paradoxerweise nicht negieren. Man könnte nun fragen, warum sie eigentlich noch keinen Partner an ihrer Seite hat. Vielleicht führt sie noch gute Gründe an. Es wird allerdings auch deutlich, dass „Sie“ sich mit ihrem Lebensstil mehr als arrangiert hat und diesem durchaus positive Attribute zuweist anstatt Sehnsüchte zu formulieren oder Enttäuschungen zu verarbeiten, Mitleid zu erregen oder in Selbstmitleid zu versinken. Was also sucht diese „Sie“?

   Das nun folgende Wort leitet den Leser nun über zu dem was diese Frau will. Sie „sucht“. „Suchen“ wird hier aktiv verwendet, d. h. „Sie“ richtet Ihren Blick tatsächlich auf etwas. Suchen kann man etwas, das man verloren hat oder etwas, von dem man nicht weiß, wo es ist. Man kann aber auch etwas suchen, wovon man nicht genau weiß, wie es konkret aussieht, aber man kennt Konturen dessen, was gefunden werden soll. Bei der Gebrauchtwagensuche gibt es Kriterien, die erfüllt werden müssen (Kombi, Benziner, unter 30.000 km), bei der Suche nach einem Partner ist es ähnlich. Die empirische Autorin wird vermutlich formulieren, worauf der Blick gerichtet wird. „Sie […] sucht einen tollen Mann“. Betrachtet man zuerst das Wort „einen“ wird deutlich, dass es sich um einen unbestimmten Artikel handelt. Es wird nicht „der“ Mann fürs Leben gesucht. „Einen“ kann „irgendeinen“ i. S. v. wahllos bedeuten. Doch es scheint einen bestimmten Pool von „einen“ zu geben, nämlich all diejenigen, die „toll“ sind. Wenn Zeichen frei flottieren gehört „toll“ zu den Wörtern, die man am wenigsten in ihrer Bedeutung spezifizieren kann. „Toll“ ist ein spontaner Ausruf der Begeisterung, der „Mann“ muss also gefallen. Er kann „toll“ aussehen, einen „tollen“ Job haben, ein „tolles“ Auto fahren, „tolle“ Hobbies pflegen oder witzig bzw. charmant sein. Was genau „toll“ sein soll, wird bis hierhin noch nicht deutlich. Oftmals sagt man auch kleinen Kindern, dass sie etwas „toll“ gemacht haben – auch wenn es gar nicht überragend war, was da geleistet wurde. Bei Nietzsche spricht ein toller Mensch, Gott sei tot, und hier handelt es sich vermeintlich um einen Verrückten (vgl. Nietzsche 1882). Dies ist die ursprüngliche Bedeutung von „toll“. Doch hier ist es eine gewisse Form von Anerkennung. In der Kombination „einen tollen Mann“ konkretisiert sich das „toll“ bis zu einem gewissen Grad. Da das „Tolle“ wahrnehmbar ist, ist „toll“ auf etwas Oberflächliches bezogen. Wahrscheinlich ist der „tolle Mann“ ebenso jung geblieben wie „Sie“, betrachtet man nämlich die Herkunft des Wortes „toll“ als verrückt, scheint dieser Mann sich nicht seinem Alter entsprechend zu verhalten. Man kann weiter vermuten, dass dieser „tolle Mann“ Anfang oder besser Mitte Vierzig sein soll, da in unserem Kulturkreis männliche Beziehungspartner im Schnitt älter sind als ihre Frauen.

Ein „Mann“ kann z. B. dafür stehen, dass er körperlich durchtrainiert und ein „richtiger Mann“, ein „echter Kerl“ mit maskulinen Zügen ist. Männer können Versorger sein, sie können aber auch Sexualpartner sein. Im moralischen Sinne stehen Männer für ihr Wort ein: ein Mann ein Wort. Männer können auch im Berufsleben ihren Weg gehen und Karriere machen. Männer sind keine Jünglinge mehr, sondern deutlich jenseits des 30. Lebensjahres und somit erwachsen und evtl. distinguiert. Allerdings sind sie keine „wilden Kerle“. All diesen Eigenschaften bzw. Lesarten von Männern ist gemein, dass sie reif genug sind für eine feste Beziehung. Was genau „Sie“ von diesen männlichen Eigenschaften am meisten schätzt, ist noch unklar. „Ein toller Mann“ ist überdies ein feststehender Begriff für einen Mann, der in einer Gruppe von Frauen auf den ersten Blick positive Zustimmung erfährt. Geht man davon aus, dass die empirische „Sie“ bis hierhin eine fiktive „Sie“ entworfen hat, die sie selbst sein soll, so entäußert sie nun als allwissende Erzählerin deren Wünsche und Bedürfnisse. Diese sind unspezifisch und vage, d. h. selbst in der Selbstreflexion der empirischen Verfasserin wird das Konzept des Partners nicht scharf umrissen. Stattdessen scheint die Wirkung des Mannes eine wichtige Rolle zu spielen, „Sie“ muss Gefallen an dem Mann finden. Unklar bleibt, ob dies alleine für die fiktive „Sie“ gilt, oder ob auch deren beste Freundinnen diesen Mann toll finden sollen – dies wäre der Fall, wenn die empirische „Sie“ den Blick der Gesellschaft einfängt und deren Urteil in den Ausführungen berücksichtigt. Dieser „tolle Mann“ zeichnet sich durch „genügend Hirnmasse“ aus. Der juvenile Ausdruck der Hirnmasse deutet an, dass sie trotz ihrer 41 Jahre noch einen jugendlichen Jargon benutzt. Der Begriff „Hirnmasse“ wird gewöhnlich dann verwendet, wenn es jemandem an selbiger mangelt, doch genau das wird nicht verlangt: der „tolle Mann“ soll „genügend Hirnmasse“ vorzuweisen haben. Es ist schwer vorstellbar, dass „Hirnmasse“ daher abwertend gemeint ist, vielmehr wird hier vermutlich der Ausdruck spielerisch genutzt, um ihr mentales Alter zu unterstreichen. Menschen, die genügend von etwas verlangen, deuten an, dass sie genügsam sind, dass die Ansprüche realistisch und nicht übertrieben sind, sondern eher maßvoll und bescheiden. Man hätte auch „ausreichend Hirnmasse“ schreiben können, doch damit wäre eine schlechte Schulnote konnotiert, die aber eben noch bestanden ist. Vielmehr impliziert genügend, dass auch mehr nicht verlangt wird. Ein „toller Mann“ kann mit „genügend Hirnmasse“ den ersten guten Eindruck nicht durch etwaige dumme Kommentare zunichtemachen. Deutlich wird zumindest, dass sie keinen reinen Feingeist sucht. Das Bild des Mannes bleibt an der Oberfläche, so wie ihr eigenes Selbst sehr an der Oberfläche hängen geblieben ist.

Auch die folgende Aussage bleibt nebulös, so soll er „nett anzusehen“ sein. Eine moderne Redewendung sagt, nett sei ‚der kleine Bruder von Scheiße‘. Trotzdem benutzt sie den Begriff, um sein Aussehen zu beschreiben. „Nett“ ist ok, aber nicht mehr, es löst gewöhnlich keine Begeisterungsstürme aus. Wer nett ist oder nett aussieht, begeistert unverfänglich. Auch hier findet ihre Genügsamkeit Ausdruck, es geht nicht darum, dass man beim Hinsehen dahinschmilzt und in seinen Bann gezogen wird, vielmehr genügt es schon, dass das Hinblicken einen nicht zum Wegblicken animiert. Etwas oder jemandem, der „nett anzusehen“ ist, muss man sich auch zwangsläufig nicht bis auf kürzeste Distanz nähern. „Ansehen“ ist ein verhältnismäßig neutraler Ausdruck, der entweder bedeutet, nur etwas wahrzunehmen ohne dies genauer zu studieren. „Nett anzusehen“ kann jedoch auch auf Understatement hinweisen. Dabei möchte man jemanden verdeckt mitteilen, dass dieser durchaus gutaussehend ist, ohne dies so ausdrücklich preiszugeben. Und wieder bestätigt sich durch den Blick von außen, dass der Mann aber auch „Sie“ (zusammen) vorzeigbar sind. Der Mann könnte hier ebenso zur Ware werden, wie „Sie“ sich als Ware zu Beginn beschrieben haben könnte.

   Nimmt man die vorherigen Formulierungen mit in den Blick, kann man folgendes Bild von dem Mann zeichnen: die fiktive „Sie“ sucht aus Sicht der empirischen „Sie“ einen Mann, der auf den ersten Blick gefällt, den zweiten, noch immer distanzierten Blick dies ebenso gefällt und in der Lage ist, ein Gespräch zu führen und dieses auch ansprechend zu gestalten. Doch diese Eigenschaften sind allesamt auf ein gewisses Mindestmaß beschränkbar. Man kann Small Talk mit ihm betreiben und gegen gutes Aussehen ist absolut nichts einzuwenden.

   Zum Schluss des Kriterienkatalogs heißt es in der Kontaktanzeige dann noch: „[…] und das gewisse „Etwas‘“. Ein Mann, der „das gewisse Etwas“ hat, sticht aus der Masse deutlich heraus. Gleichzeitig kann man „das gewisse Etwas“ nicht wirklich erklären, es ist etwas Magisches, etwas, das ‚man‘ bzw. Frau spürt. Hier könnte man vermuten, dass nach den unpräzisen vorhergehenden Formulierungen das gewisse „Etwas“ auf eine gefühlvolle und innige Beziehung hindeutet. Doch wenn er es sein soll, der das „gewisse ‚Etwas‘“ besitzen soll, wurde hier eine grammatikalisch falsche Formulierung gewählt. Lässt man einige Textstellen aus, steht in der Kontaktanzeige: „Sie […] sucht […] das gewisse ‚Etwas‘“. Nicht der Mann soll das „gewisse ‚Etwas‘“ haben, sondern sie sucht dieses „gewisse ‚Etwas‘“. Was bedeutet die Suche nach einem Mann „gewissen Etwas“? (Hervorhebungen durch die Autoren).

Die empirische Autorin teilt mit, dass die fiktive „Sie“ einen besonderen Anspruch hegt. Doch woran? Das „gewisse ‚Etwas‘“ ist etwas, das ‚Zoom‘ macht, das einen trifft und nicht genau artikuliert werden kann. Das „gewisse ‚Etwas‘“ in einer Beziehung ist ein magischer Moment, in dem Menschen wissen, dass sie füreinander bestimmt sind, ohne Wenn und Aber. Sie könnte sich nach einem Mann sehnen, der ihr dieses Gefühl vermittelt. Gleichzeitig drückt es jedoch Passivität aus. Man wartet darauf, dass es einem passiert. Doch das impliziert zugleich den Untergang der Beziehung: dann ist die fiktive „Sie“ nicht bereit, Arbeit in die Beziehung zu investieren, womit das Ende der Beziehung von Beginn an eingeläutet ist. Eine andere Lesart sieht so aus, dass das „gewisse ‚Etwas‘“ als ‚Ausstiegsklausel‘ verstanden werden kann. Die bisherigen Ausführungen treffen auf eine große Anzahl von Männern zu. Sie sind unbestimmt und legen die Messlatte nicht besonders hoch. Doch das „gewisse ‚Etwas‘“ bezieht die empirische Verfasserin und die Menschen um sie herum mit ein, denn das „gewisse ‚Etwas‘ “muss auch denen ersichtlich sein. Melden sich nun Männer auf die Anzeige der fiktiven „Sie“, verfügt die empirische Verfasserin über eine elegante Option Männer abzuweisen, die nicht das Kriterium erfüllen, das gewisse Etwas zu haben. Und dieses „gewisse ‚Etwas‘“ muss von außen ersichtlich sein, es muss in der Beziehung auffindbar sein und muss genauso oberflächlich und öffentlich ersichtlich sein, wie die körperlichen Attribute. Nun wendet sich die empirische Verfasserin an die Leserschaft: „Bist Du das?“ Die Frage stammt von der empirischen Verfasserin, die sich nach einem Monolog über sie, ihn und das Beziehungsmuster nun an die männliche Leserschaft richtet: „Bist Du das?“ Soll er nun das „gewisse ‚Etwas‘“ sein? Dann kann das „gewisse ‚Etwas‘“ nicht an ihm liegen, sondern er wird gefragt, ob er derjenige ist, der mit ihr zusammen das „gewisse ‚Etwas‘“ bildet.

Abgeschlossen wird die Anzeige mit: „Dann schnell mailen (mit Foto) an […]“. Das „dann“ kann kausal oder temporal gemeint sein: ist es kausal, muss der Mann erkennen, dass er es ist, der das hier gezeichnete Beziehungsbild vervollständigt. Fasst man es temporal auf, hat er es bereits realisiert und soll keine Zeit verlieren, ihr dies mitzuteilen. Das „schnell“ unterstreicht den temporalen Aspekt, schließt aber die kausale Lesart nicht aus. Vielmehr fokussiert es einen bereits behandelten Aspekt: die „(41)“. Zum Ende der Anzeige wird deutlich, dass die Jugendhaftigkeit der „Sie“ keinen Dauerzustand darstellt. Vielmehr soll das „gewisse ‚Etwas‘“ noch so lange kommuniziert werden, wie möglich. „Mailen“ unterstreicht ihren jungen Charakter. Es wird nicht darum gebeten, sich zu melden, d. h. Meldung zu erstatten. Diese jung gebliebene ist dem digital divide nicht zum Opfer gefallen, sondern ist vertraut mit modernen Kommunikationsmedien, die auch genutzt werden sollen. Damit die oben erwähnte Ausstiegsklausel Sinn macht, soll „(mit Foto)“ geantwortet werden. Das eingeklammerte, vermeintlich beiläufig geforderte Foto ist genauso wenig vernachlässigbar wie die eingeklammerte „(41)“: schließlich geht es in dieser Kontaktanzeige um eine Beziehung, die von Äußerlichkeiten lebt.

Eine „Sie“, die aus einer exzentrischen Position von sich ein Bild einer attraktiven, jung-gebliebenen und lebensfrohen „Sie“ mittleren Alters entwirft, formuliert zugleich das Bild eines „Mannes“, das gewisse Mindestansprüche, v. a. was das Optische und den Umgang betrifft, ohne konkreter auf Charaktereigenschaften, soziale Stellung oder Beruf einzugehen. Stattdessen wird betont, dass es mehr um „Etwas“ geht, was man nicht an ihm als Mensch festmachen kann, sondern das mit ihr gemeinsam, aus der Außenperspektive, Wirkung entfaltet. Ihre Frage könnte auch folgendermaßen ausformuliert werden: Bist du das, der mich so sieht wie ich mich, der optisch zu mir passt ohne mir das Wasser reichen zu können und mit mir trotzdem nach außen das gewisse Etwas abgibt? Es geht um die Wirkung, die beide gemeinsam optisch (noch) erzielen können, und wie sie gemeinsam die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dabei wird ein Geschlechterverhältnis konstituiert, bei dem eindeutig „Sie“ im Mittelpunkt steht, während der Mann das Beiwerk gibt.

Der Typus von Beziehung, der hier entworfen wird, zeichnet sich durch die Aussagen zum Geschlechterverhältnis und ihrem fortgeschrittenen Alter aus. Zudem ist sie auf Äußerlichkeiten fixiert, es wird nicht durch emotionale Zuneigung konstituiert. Ihre Wünsche und Sehnsüchte sind vermutlich mitgetragen von einer Gruppe von Frauen, die Männer gerne bewerten und diese zu diesem Zweck präsentieren. Mit Blick auf ihre widersprüchlichen Aussagen zu ihrem Alter wirkt es so, dass auch ihr zusteht, einen derartigen Mann (endlich) als Accessoire bei sich tragen zu dürfen. Dieses Beziehungsmuster stellt keine innige Zweierbeziehung, sondern eine öffentliche Beziehung dar, welche dem Körperkapital eine große Rolle einräumt (Bourdieu 1987: 339 ff.) und soll daher als Sex-and-the-City-Beziehung bezeichnet werden.

Was Frauen wollen?

Beziehungsmuster unterliegen einem historischen Wandel (vgl. Kaufmann 2005: 303 ff.; Beck/Beck-Gernshein 1996). Das Verhältnis von Frau und Mann ist immer im gesellschaftlichen Zusammenhang zu betrachten. Eine Heirat nach Stand oder als Machtbündnis existiert ebenso wie die romantische Liebesbeziehung.

Illouz zeigt auf, dass Paarbeziehungen in der Moderne einer ‚großen Transformation‘ unterliegen (vgl. 2003/2011). Damit meint sie, dass die Schnelllebigkeit des Alltags sowie die Wandlungen der eigenen Identität und derjenigen des Partners, heutzutage zu einer ständigen Herausforderung für stabile und dauerhafte Beziehungen werden. Das gegenwärtige Problem von Beziehungen wird von ihr folgendermaßen zusammengefasst: „Die Suche nach einem Lebenspartner dreht sich nicht mehr darum, jemanden zu finden, der »einem gefällt«, sondern jemanden zu finden, der immense, hochgradig differenzierte Ansprüche erfüllt, was das Ergebnis einer nuancierten Dynamik gemeinsamer Vorlieben sein soll.“ (2011: 325; Hervorhebungen im Original)

Die vorliegende Anzeige formuliert keine Vorstellungen davon, wie eine derartige Dynamik sich entwickeln könnte. Es geht nicht um den Inhalt einer Beziehung, der die Chance zur Ausbildung einer gemeinsamen Zukunft bietet, sondern um die Form.

Statt einer tiefen, innigen Seelenverwandtschaft zielt die Verfasserin auf die Sexualisierung der Beziehung ab (Illouz 2011: 82 ff.). Auf diese Weise umgeht sie das Problem, spezifische charakterliche Anforderungen formulieren oder selbst Preis geben zu müssen und schafft ein modernes Verhältnis zwischen Männern und Frauen, bei dem nicht mehr der Mann im Mittelpunkt steht und die Frau lediglich ein Accessoire darstellt (vgl. Möller 2012). Vielmehr entkoppelt die Verfasserin Liebe und Sex voneinander und stellt zugleich die Körperlichkeit des – in diesem Fall männlichen – Beziehungspartners in den Fokus der Ausführungen.

Frauen sind emanzipiert und selbstversorgt (vgl. ZukunftsInstitut 2016). Indem sie ihre Attraktivität betonen und sich über ihren äußerlichen Auftritt definieren machen sie sich, die Romantik und die Beziehung zu einer Form von Ware (vgl. Illouz 2003). Die Beziehung findet in der Öffentlichkeit statt und wird danach bewertet, welchen Eindruck diese hinterlässt. Der Mann wird dabei zu einem Konsumgut, das danach bewertet wird, ob er optisch und in seinem Verhalten ungezwungenen Umgang ermöglicht. Eine Beziehung zu einem Mann unter diesen Voraussetzungen ist nicht auf Dauer angelegt, da das gemeinsame Fundament fehlt, durch welches Liebe in heutigen Zeiten Halt und Sicherheit gibt (vgl. Beck & Beck-Gernsheim 1996). Die Anerkennung wird durch die Einstellungen (vgl. Eagly/Chaiken 1993) Dritter gestiftet, durch deren Bewertungen die Beziehung steht und fällt.

Paarbeziehungen mit kurzer Verweildauer, die lediglich in der Öffentlichkeit stattfinden, sind das zentrale Thema vieler gegenwärtiger Fernsehserien. Derartige Fernsehserien können unterschiedlichen Genres zugerechnet werden, hauptsächlich der Comedy, insb. werden die Themen Sexualität und Beziehung aus Sicht von Frauen jedoch bei Sex and the City behandelt. In diesem medialen Konstrukt werden Beziehungen episodenhaft gehalten (vgl. Illouz 2003: 214 f.). Vornehmlich präsentieren Serien für Frauen das Bild attraktiver Mittdreißiger bis -vierziger, die ihre Lebens(abschnitts)gefährten ihren Freundinnen präsentieren, die Beziehung wird zum Zeitvertreib und Gesprächsthema in einer Damenclique. Nicht gezeigt wird indes der Alltag von Paaren, wie Höhen und Tiefen gemeinsam gemeistert werden und diese das Paar über einen langen Zeitraum zusammenwachsen und die Beziehung stärken lassen.

Natürlich kann an einem Einzelfall nicht gezeigt werden, was alle Frauen wollen. Allerdings sieht man, was diese eine Frau will: Sie will das Beste aus ihrem Beziehungsleben machen, solange sie aufgrund ihres Aussehens gewisse Ansprüche an die Beziehung und den Mann formulieren kann. Diese Beziehung führt zwangsläufig auf eine kalkulierte Enttäuschung hinaus, sie kann sich jedoch damit trösten, mit der Figur Carrie Bradshaws, der Protagonistin von Sex and the City, gespielt von Sarah Jessica Parker, in guter Gesellschaft zu sein.

Die Vorstellungen und der Diskurs über Beziehungsmuster werden massiv durch weitreichende Mediatisierungsprozesse beeinflusst (vgl. Krotz 2007). In diesem Prozess entspringt das, was Frauen wollen, weniger einem inneren Gefühl oder einer Sehnsucht als vielmehr einem gesellschaftlichen Leitbild, mit dem sie sich identifizieren und sozial verorten können und durch das sie ihre bisherige Erfolgslosigkeit in Sachen Beziehung in eine für sich positive Erfolgsgeschichte umschreiben können.

Danksagung

An dieser Stelle gilt es Jo Reichertz und der Interpretationsgruppe aus dessen Forschungskolloquium zu danken, die zahlreich denkbare und beinahe absurde Lesarten gebildet haben, die von großer Kreativität zeugen. Diese zeigen auf, wie eingeschränkt der Blick nur eines Interpreten sein kann! Des Weiteren danken wir Sandra Schumann für eine hervorragende und schonungslose Korrektur, die zudem sehr unterhaltsam zu lesen war.

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