Isabel Kiener: Haltung als neue ökonomische Notwendigkeit: Warum symmetrische Macht ein Erfolgsfaktor in Veränderungsprozessen ist

Die Ausübung von Macht in ökonomischen Organisationen (Unternehmen) geschieht weitgehend gesteuert über die hierarchische Positionierung der Unternehmensleitung bzw. der weiteren Führungskräfte und der ihnen zugeordneten Mitarbeitergruppen. Mit dem jeweiligen Arbeitsvertrag ordnen sich Mitarbeiter diesem klassischen formalen Machtverhältnis unter und akzeptieren diese Über- und Unterordnungsbeziehung. Dieses Machtverhältnis ist jedoch auch äußeren Einflüssen unterworfen: Indem Unternehmen sich wiederum in einem zunehmenden symmetrischen Machtverhältnis mit den Konsumenten befinden und im Zuge der moralisierten Märkte dabei verstärkt divergierenderen Erwartungshaltungen an ihre Legitimität gerecht werden müssen, fordert dies die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen heraus. Die Umsetzung von etwaigen gesellschaftlich bedingten Änderungen und Anforderungen erfordert dabei die ganzheitliche und nachhaltige Beteiligung sowohl von Führungskräften als auch den ihnen unterstellten Mitarbeitergruppen. Symmetrische Machtverhältnisse innerhalb des Führungskräftezirkels, zwischen Führungskräften und ihren unterstellten Mitarbeiter sowie innerhalb der Mitarbeitergruppe übergreifend können dabei entscheidend sein, damit die Identifikation mit und die Bereitschaft zum Mittragen der Veränderungsinhalte nachhaltig gelingt. In diesem Zusammenhang gilt es ebenso, symmetrische Hebel im Führungsverhalten sowie die Steuerung von sozialpsychologischen Intragruppenphänomenen wie Gruppenpolarisierung zu nutzen. Ein im Zuge von symmetrischen Machtverhältnissen durchgeführter und dadurch sozial legitimierter Veränderungsprozess der Unternehmenskultur und möglicher Wertekonstrukte sowie Arbeitsstrukturen der Mitarbeiter kann dabei schlussendlich auch organisationaler Ohnmacht im Sinne einer Veränderungsüberforderung entgegenwirken.

Veränderungen wirken sich auf nahezu jeder gesellschaftlichen, privaten, beruflichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Ebene aus. Insbesondere auf wirtschaftlicher Ebene zwingt die „heutige Veränderungsgeschwindigkeit von unternehmensrelevanten Umweltfaktoren (…) jede Organisation zu mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit“ (Junker / Griebsch 2017: 57). Veränderungsprozesse können sich dabei beispielsweise aufgrund ökonomischer Notwendigkeiten (z. B. im Zusammenhang von Mergers & Acquisitions) oder in der Reaktion auf polarisierende, gesellschaftspolitische Fragestellungen (z. B. ESG-Kriterien) ergeben, die die Einnahme einer Haltung von Unternehmen erfordern. Insbesondere im heutigen VUCA-Umfeld (vgl. Wolf 2007: 115) gelten der zunehmende technologische Fortschritt, Regularien zu sozialen Anforderungen und Umweltschutz oder internationale Handelsabkommen als ökonomische  Katalysatoren für Veränderungsprozesse in Unternehmen. Allerdings kann „in Zeiten einer polarisierten Gesellschaft (…) Zustimmung der einen Ablehnung der anderen“ (Thams 2019: 176) bedeuten. Unternehmen sehen sich in dieser VUCA-Umwelt auch mit immer divergierenderen Konsumentenanforderungen und -ansichten konfrontiert (vgl. Rommerskirchen 2020: 2f.). Indem Mitarbeiter darüber hinaus „eine moderne Führungskultur mit partizipativem Ansatz“ (Ladwig / Domsch 2014: 534) erwarten und Macht als soziales Ordnungssystem (vgl. Rommerskirchen 2020: 90) die Akteursbeziehungen auch in Unternehmen strukturiert, können die Machtdynamiken zwischen Führungskräften und Mitarbeitern in Veränderungsprozessen erfolgskritisch sein und nicht zuletzt deshalb auch zum Scheitern eben jener führen (vgl. Ameln / Heintel 2016: 208ff.).

Das Verständnis von Macht als gesellschaftliches Phänomen lässt sich zwar weder vereinheitlichen noch pauschalisieren, jedoch konstatiert schon der Soziologe und Machtforscher Heinrich Popitz Macht als das Element jeder Vergesellschaftung und als die für alles menschliche Handeln konstitutive Fähigkeit des Veränderns (vgl. Popitz 1992: 11ff.). Im betriebswirtschaftlichen Kontext hat Macht jedoch nur eine „marginale theoretische Präsenz“ (Sandner 1993: 4). Im Kontext des Change Managements wird der Machtbegriff zwar systematischer verwendet, wenn jedoch auch eher peripher und undifferenziert. In der Change Management Studie der Beratungseinheit von Capgemini Invent aus 2019 wird Macht beispielsweise nur im Kontext von Kontroll- bzw. Machtverlust im Zuge der organisationalen und kulturellen Veränderungen in einer agilen Arbeitswelt thematisiert (vgl. Capgemini Invent 2019: 33).

In der weiteren einschlägigen Literatur sind mikroökonomische Sachverhalte bzw. Veränderungsprozesse in Unternehmen zumeist im sogenannten asymmetrischen Machtkontext geprägt. Deutlich wird das in Sandners Darstellung betriebswirtschaftlicher Theorien der Macht, in der er bekräftigt, dass in der einschlägigen Theorie stets auf den Machtbegriff von Max Weber verwiesen werde (vgl. Sandner 1993: 4). Laut Weber bedeutet Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 2002: 28). Wenn Macht sich dadurch zeigt, dass sie von einigen wenigen über viele andere ausgeübt wird, dann handelt es sich um ein asymmetrisches Machtverhältnis, so klassifiziert es Rommerskirchen (vgl. Rommerskirchen 2020: 91ff.). Darüber hinaus bezeichnet Simon im betriebswirtschaftlichen Kontext Einfluss, Macht und Autorität (eng. influence, power and authority) als „asymmetrical relations” (Simon 1975: 5; zitiert nach Sandner 1993: 48), sprich als asymmetrische Verhältnisse.

Dieser asymmetrischen Macht stellt Rommerskirchen die sogenannte symmetrische Macht gegenüber. Einführend verweist er auf die Machtdefinition Hannah Arendts: „Macht entspricht der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln“ (Arendt 1985: 67). Im Gegensatz zur asymmetrischen Macht zeichnet symmetrische Macht mit Rückbezug auf diese beiden einander gegenüberstehenden Definitionen durch einvernehmliches Handeln und in der Konsequenz auch Kooperation aus. 

Aufgrund der fehlenden Quantifizierung von Macht, dem laut Sandner unbedeutenden betriebswirtschaftlichen Niveau von Machtdiskussionen (Sandner 1993: 4) sowie dem (wenn vorhandenen) Fokus auf eine asymmetrische Machtausübung (vgl. Simon 1975: 5; zitiert nach Sandner 1993: 4) werden Akteure in- und außerhalb von Unternehmen jedoch zu einer einseitigen Sicht- und Handlungsweise verleitet. Insbesondere beeinflusst von zunehmend komplexeren Gesellschaften und den Herausforderungen der Globalisierung allerdings „fordert das Streben nach Maximierung der Chancen und Minimierung folgenreicher Risiken zweifellos einen koordinierten Einsatz von Macht“ (Giddens 1996: 200; zitiert nach Rommerskirchen 2020: 95).

Im Rahmen von Haltungsfragen zu polarisierenden gesellschaftspolitischen Themen und Fragestellungen gilt es jedoch, die internen Anspruchsgruppen auf der emotionalen Ebene zu aktivieren, an Veränderungsprozessen zu den Unternehmenswerten beispielsweise zu beteiligen und so aktiv einen Kulturwandel zu vollziehen (vgl. Leitherer 2019: o. S.). In diesem Sinne besteht das Ziel des vorliegenden Fachartikels darin, die Forschungsfrage zu beantworten, ob die Beteiligung von Mitarbeitern an Veränderungsprozessen entlang symmetrischer Machtstrukturen ablaufen sollte. Zur besseren Einordnung werden initial die Wirkungsbereiche und Charakteristika von symmetrischer und asymmetrischer Macht gegenübergestellt: Entweder brauchen Veränderungsprozesse gemeinsame Anstrengungen, die auf Kooperation und Verständigung ausgelegt sind, oder sie setzen explizit auf den instrumentellen Einsatz von asymmetrischer Macht. Letzteres bezieht sich auf eine möglicherweise wirtschaftlich notwendige Zielerreichung auch gegen Widerstand, denn eine effektive und effiziente Anpassungsfähigkeit in einem Veränderungsprozess bleibt erfolgskritisch zum Nutzen von wirtschaftlichen Chancen (vgl. Junker / Griebsch 2017: 57). Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden zunächst die gängigen Rahmenbedingungen von Veränderungsprozessen und Führungs- bzw. Intragruppenphänomenen beleuchtet sowie Inhalte der Rommerskirchenschen Machtklassifizierung dargestellt. Abschließend werden diese Erkenntnisse im Hinblick auf die Metaebene der moralisierten Märkte zusammengefasst und bewertet.

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“ (Lauer 2014: 3)

In Zeiten von immer schneller fortschreitender Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und divergierenden gesellschaftspolitischen Phänomenen sind Veränderungen ein selbstverständlicher Bestandteil des Unternehmensumfelds. In Unternehmen beschäftigt sich das Change Management mit der „optimalen Steuerung von Unternehmenswandel“ (Lauer 2014: 6), um auf die unterschiedlichen Anforderungen des Marktes flexibel zu reagieren und entsprechende Veränderungsprozessen in der Organisation zu steuern. Eine detaillierte Vorgehensweise für den Change Management Prozess liefert beispielsweise das etablierte 5-Phasen Modell nach Krüger. Dieses für den Top-down-geführten Organisationswandel erstellte Modell führt fünf linear aufeinanderfolgende Phasen des Veränderungsprozess auf (Krüger 2006: 155). Die Betroffenen des Veränderungsprozesses werden jedoch erst nach Initialisierung, Konzipierung und Vorbereitung der Aktivierungssituation zum Veränderungsvorhaben abgeholt. Zudem macht das Modell auch keine Unterscheidung zwischen den Gruppen der Führungsverantwortlichen noch zwischen den Gruppen der Betroffenen. Dies ist jedoch kritisch, denn diese Personengruppen können nicht nur unterschiedliche Veränderungsbereitschaften, sondern vor allem auch unterschiedliche Veränderungsbedarfe aufweisen und in der Konsequenz unterschiedliche Formen der Beteiligung am Veränderungsprozess benötigen.

Diese fehlende Differenzierung kennzeichnet nicht nur Krügers 5-Phasen-Modell, sondern ebenso das Modell zu den Ebenen der Veränderung nach Stolzenberg und Heberle (vgl. Stolzenberg / Heberle 2013: 3). Sie skizzieren vielmehr das allgemeine unternehmerische Umfeld sowie Aufgabenfeld von Veränderungsprozessen, die auf den Ebenen der Aufbau- und Ablauforganisation sowie der Veränderungen im sozialen Gefüge und persönlichen Arbeitsverhalten ablaufen.

Im Gegensatz zu Krügers Modell beschreiben sie jedoch detaillierte Erfolgsfaktoren und Achtungspunkte hinsichtlich der Überzeugung, Akzeptanz, Bereitschaft und Unterstützung jeglicher Mitarbeitergruppen des Veränderungsprozesses (vgl. Stolzenberg / Heberle 2013: 3f.). Indem Führungskräfte insbesondere als Multiplikatoren der gesetzten Vision zum Veränderungsvorhaben fungieren (vgl. Stolzenberg / Heberle 2013: 12f.) ist die „Kommunikation über die Veränderung als auch die Beteiligung von Führungskräften und Mitarbeitern“ (Stolzenberg / Heberle 2013: 6) elementar. Im Zuge der Beteiligung am Veränderungsprozess gilt es „die Identifikation mit den Veränderungsinhalten und damit auch die Bereitschaft, Veränderung zu akzeptieren und mitzutragen“ (Stolzenberg / Heberle 2013: 126) zu steigern. Beispielsweise soll Austausch zwischen Initiatoren und Betroffenen gefordert und gefördert sowie aktive Mitarbeit am Veränderungsprozess etabliert werden. Mittels Beteiligungsmaßnahmen wie offenen Feedbackrunden oder Beratungsteams gilt es, Akzeptanz zu schaffen und die erfolgskritische Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern zu fördern (vgl. Stolzenberg / Heberle 2013: 126ff.).

Führungsverhalten und das Schaffen von Vertrauen und Glaubwürdigkeit 

Stolzenberg und Heberle legen zwar notwendige und erfolgskritische Kernthemen für Veränderungsprozesse auf der Metaebene dar, differenzieren initial hinsichtlich der Beteiligung allerdings ebenso wenig zwischen den Personengruppen der Führungskräfte und der der Mitarbeiter. Insbesondere das Führungsverhalten von Führungskräften als „beobachtbare Handlungen, mit denen andere beeinflusst, motiviert oder befähigt werden sollen, etwas zur Effektivität einer Arbeitseinheit oder Organisation beizutragen“ (Schulz-Hardt / Brodbeck 2014: 493), spielt jedoch eine bedeutsame Rolle für die nachhaltige Beteiligung von Mitarbeitern an Veränderungsprozessen. Von Führungskräften wird erwartet, dass sie die Veränderungsinhalte vorleben und somit Mitarbeitern Halt und Orientierung geben. Gleichermaßen müssen sie Vertrauen und Glaubwürdigkeit schaffen, indem sie sich für den Wandel authentisch einsetzten. Insbesondere das „Unsicherheitsumfeld“ (Capgemini Consulting 2012: 34) von Veränderungsprozessen erfordert neben viel Empathie jedoch auch eine „gewisse Synchronisation eigener Werte und Ziele mit den Veränderungszielen der Organisation, damit Führungskräfte ihrer Vorbildfunktion überzeugend gerecht werden können“ (Capgemini Consulting 2012: 34).

Führungskräfte müssen in der Lage sein sowohl die befürwortende als auch die ablehnende Perspektive gegenüber einem Veränderungsvorhaben zu verstehen; sie sollten ihre unterstellten Mitarbeitergruppen dabei begleiten, auch nicht gewollte Veränderungen oder Verluste zu akzeptieren sowie im besten Fall dazu eine konstruktive Haltung zu entwickeln (vgl. Capgemini Consulting 2012: 35).

Für die für diese Überzeugungsarbeit wichtige Basis an Vertrauen und Glaubwürdigkeit kann transformationales Führungsverhalten entscheidend sein. Mit diesem Führungsverhalten sind Führungskräfte „in der Lage, die Veränderungsvision als Wachstumsmöglichkeit für die Geführten zu präsentieren“ (Jacobs / Giessner 2014: 493) und so vertrauensvoll eine höhere Bereitschaft zur Veränderung zu erreichen. Indem Führungskräfte somit mit der Gruppenführung beauftragt sind (Schulz-Hardt / Brodbeck: 500), steuern sie Prozessgewinne und -verluste (vgl. Schulz-Hardt / Brodbeck: 474f.). Um Prozessverluste zu minimieren und Prozessgewinne zu maximieren kommt es jedoch auf die effektive Gruppenführung an, in der es beispielsweise gilt, auch negativen Intragruppenphänomenen wie Gruppenpolarisierung entgegenzusteuern.

Wie zuvor bereits dargestellt wurde, ist die Aktivierung von Mitarbeitern und konsequenterweise ihre Überzeugung von den Veränderungsinhalten und -informationen wesentlich für den Veränderungserfolg (vgl. Stolzenberg / Heberle: 68ff.). Besonders relevant wird dies im Rahmen von Gruppenpolarisierung. „If a leader does not encourage dissent and is inclined to an identifiable conclusion, it is highly likely that the group as a whole will move toward that conclusion“ (Sunstein 2009: 87). So würden viele Beispiele von Gruppenpolarisierung auf die Rolle von Führungskräften zurückzuführen sein, deren Ansichten häufig mehr gelten würden als die der Mitarbeiter (vgl. Sunstein 2009: 87). Dem auf politischen Extremismus spezialisierten Forscher C. R. Sunstein zufolge trete Gruppenpolarisierung in autoritären Über- und Unterordnungsbeziehungen häufig deswegen auf, weil Autoritätspersonen Informations- und Reputationssignale aussenden. Diese Signale würden aufgrund des Autoritätscharakters besonders ausdrucksstark wirken und so zu Gruppenpolarisierung führen (Sunstein 2009: 87). Generell wird unter Gruppenpolarisierung die Tendenz verstanden, „Entscheidungen zu fällen, die extremer sind als der Durchschnitt der anfänglichen Positionen der Gruppenmitglieder“ (Jonas / Stroebe / Hewstone 2014: 612).

Konvergieren die individuellen Meinungen der Gruppenmitglieder im Zuge einer Gruppenpolarisierung entsprechend in Richtung einer, z. B. durch die Führungskraft betonten Entscheidung, geht die Gruppendiskussionen häufig viel eher mit einem Polarisierungsprozess einher anstatt mit der Bildung einer vermeintlichen Durchschnittsmeinung (vgl. Hewstone / Martin 2014: 296ff.). Das wiederum betont einmal mehr die Wichtigkeit der Entscheidung der Führungskraft bzw. die Unterstützung der Führungskraft für das Veränderungsvorhaben. Laut Sunstein sei die Gruppenpolarisierung aus Sicht derjenigen, die von ihr geleitet werden, häufig rational (vgl. Sunstein 2009: 32), da Individuen allgemein danach streben sich selbst zu versichern, dass sie richtige Entscheidungen treffen (vgl. Sunstein 2009: 52). Eine Einstellungsanpassung im Sinne der Gruppenpolarisierung resultiere demnach häufig daraus, dass Individuen kognitive Dissonanzen reduzieren wollen. Grundsätzlich sind Dissonanzen von Individuen als unangenehm erfahrene Zustände, die sie motiviert sind, zu reduzieren bzw. abzubauen (vgl. Stroebe 2014: 260).

Macht: der außer Acht gelassene Faktor 

Der bislang außer Acht gelassene Faktor in der Gleichung aus der vertrauensvollen und glaubwürdigen Beteiligung von Mitarbeitern, dem Verhalten und Einfluss von Führungskräften sowie entsprechenden Phänomenen innerhalb von Gruppen ist gleichwohl Macht. Die theoretische Einführung zu Führungsbedeutung, -dynamiken sowie Gruppen- bzw. Teamführung ergibt dabei, dass der Machtbegriff im Zuge von Veränderungsprozessen teils eindeutig teils nur peripher von Bedeutung ist. Generell ist Macht jedoch „ein allgegenwärtiges Phänomen in jeder Gesellschaft“ (Rommerskirchen 2020: 90) und schafft als soziales Ordnungssystem (vgl. Rommerskirchen 2020: 90) einen Rahmen, Rollen und Strukturen für Akteure.

Mit Blick auf organisationale bzw. in Unternehmen stattfindende Veränderungsprozesse lassen sich jedoch Differenzierungen und Erkenntnisse zu Macht festhalten. Die explizite Ausgestaltung von Macht im Unternehmen ist häufig „abhängig von der jeweiligen Unternehmensorganisation, also von den Ressourcen und der Position im Organigramm, (…) den Merkmalen der Führungsperson und den Merkmalen der Teammitglieder“ (Scholz 2014: 1004). Während sich in diesem Kontext eine informelle Macht durch kontingente und häufig nicht sichtbare Strukturen und Re-gelungen ergibt, basiert die komplementäre formale Macht aus Gesetzen oder Organisationsregelungen. „Aus der formalen Macht heraus entsteht das Recht, auf andere Personen Einfluss zu nehmen sowie auf die Kontrolle über Informationen, Aufgabenverteilung und -ort sowie Belohnungen und Sanktionen“ (Scholz 2014: 1004-1005). Zur Entstehung dieser sogenannten legalen Autorität (Machtausübung) im betrieblichen Kontext beschreibt auch Sandner jene Ausgestaltung von Macht durch die Unternehmensorganisation. Mit der Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag „akzeptieren die Akteure ihre Einbindung in ein formales Über- und Unterordnungsschema. Sie stimmen mit ihrer Unterschrift freiwillig (…) zu, daß Vorgesetzte (…) künftig Macht über sie ausüben können und daß sie diese Machtausübung akzeptieren werden“ (Sandner 1993: 118). Diese strukturelle Überlegenheit und vermeintlich willkürliche Akzeptanz der Durchsetzungsfähigkeit von Vorgesetzten bzw. Führungsverantwortlichen zeichnet die sogenannte asymmetrische Macht nach Rommerskirchen aus. Um erwünschte bzw. verfasste Ziele und Zwecke, z. B. innerhalb von Veränderungsprozessen zu realisieren, bräuchte es weder eine Zustimmung der Beherrschten bzw. Arbeitnehmer noch eine Rechtfertigung seitens der Machtinhaber (vgl. Sandner 1993: 164; vgl. Rommerskirchen 2020: 93) bzw. Führungsverantwortlichen. Dadurch ist diese unmittelbare Willensdurchsetzung im Rahmen von asymmetrischer Macht zudem als kurzfristig zu charakterisieren, da ein solches Machtverhältnis erkennbar weder auf Kooperation noch Vertrauen aufbaut.

Die symmetrische Macht

Da jedoch das Vertrauen in die für das Durchführen von Veränderungsprozessen tragenden Figuren der Führungskräfte elementar ist, kann nicht nur (asymmetrische) Macht allgemein, sondern wohlmöglich vor allem symmetrische Macht als entscheidender fehlender Faktor im zuvor dargestellten theoretischen Rahmen herausgestellt werden. Im Gegensatz zur asymmetrischen Macht liegt der symmetrischen vor allem eine soziale Legitimation der Machtbetroffenen zugrunde (vgl. Rommerskirchen 2020: 95). Mit Rückbezug auf die zu Beginn genannte von Rommerskirchen als symmetrische Macht klassifizierte Definition von Hannah Arendt seien die Wesensziele von Menschen immer in eine Gemeinschaft eingebunden. Sie gründen folglich auf kommunikative Mittel, um jene Ziele kooperativ zu verfolgen. Während laut Arendt die Verständigung über jenes gemeinschaftliche Handeln mittels einer Mehrheitsentscheidung erreicht würde, fordert Habermas in seiner Erweiterung des kommunikativen Handlungsmodells von Macht jedoch „darüber hinaus den Konsens in einem gemeinsamen Einverständnis“ (Rommerskirchen 2020: 94). Für jenen Konsens in der Gesellschaft sei der Diskurs als öffentliche Diskussion eminent, in der „Mittel und Ziele des Handelnden (…) auch als gemeinsame Mittel und Ziele der Gesellschaft betrachtet und kritisiert werden können“ (Rommerskirchen 2017: 292). Im Diskurs bemühen sich die Diskursteilnehmer deshalb gemeinsam um kommunikativ rationale und vernünftige Beiträge, sodass „eine von allen geteilte und für alle akzeptable Grundlage ihrer Gemeinschaftlichkeit, in Form eines Einverständnisses gefunden werden kann“ (Rommerskirchen 2017: 292).

Entsprechend Habermas‘ Geltungsansprüchen und Handlungstypen ist insbesondere das kommunikative Handeln hervorzuheben. Dieses ist verständigungsorientiert und zielt somit auf die Verständigung sowie Einvernehmen über kooperative Handlungen zwischen den Akteuren ab (vgl. Rommerskirchen 2017: 297f.). Für Habermas basiert das Einverständnis auf der „konsenserzielende[n] Kraft der auf Verständigung gerichteten Kommunikation“ (Habermas 1976: 947), wodurch (legitime) Macht und Veränderung nur unter denjenigen entsteht, „die in zwangloser Kommunikation gemeinsame Überzeugungen bilden“ (Habermas 1976: 956). Symmetrische Machtverhältnisse ermöglichen somit im Sinne des bekannten Gefangenendilemmas der Spieltheorie Kooperation über Kommunikation und Geltungsanspruch. Im Gegensatz zur individuellen Nutzenmaximierung innerhalb der asymmetrischen Macht, führt dies zu kollektiv besseren Ergebnissen, zu sogenannten Positivsummenspielen (Vgl. Rommerskirchen 2020: 97f.). 

Den Wirkungsbereich symmetrischer Macht zeigt Rommerskirchen schließlich deutlich auf. Limitiert sind seine Ausführungen jedoch dahingehend, dass sie für die soziale Legimitation als Basis symmetrischer Macht keine Abstufungen und möglicherweise entsprechenden divergierenden Kommunikationen beinhalten. Indem Legitimation begriffstechnisch jedoch nicht nur erwünschte oder richtige, sondern auch verhältnismäßig nur angemessene oder vertretbare Handlungen beschreiben kann (vgl. Schreyögg / Koch 2020: 6), kann seine Vereinheitlichung zu einem dichotomen Verhältnis von symmetrischer und asymmetrischer Macht führen. Auch wenn diese mögliche einseitige Sichtweise damit nicht von der Hand zu weisen ist, bieten seine Charakterisierungen symmetrischer Macht jedoch hinreichend Möglichkeiten zur Erweiterung von Machtforschung im betriebswirtschaftlichen Kontext.

Eine Bewertung von Symmetrischer Macht in Veränderungsprozessen

Die Einnahme von Haltungen von Unternehmen zu gesellschaftspolitischen Themen erfordert rückblickend jedoch ein besonderes Maß an Verständigung und Beteiligung über die induzierten oder geforderten Veränderungsvorhaben. Während die asymmetrische Macht nach Rommerskirchen die bisher übliche Repräsentanz von Macht im betriebswirtschaftlichen Kontext unterstützt, bleibt bislang offen, wie sich symmetrische Machtverhältnisse auf die Beteiligung von Mitarbeitern in Veränderungsprozessen auswirken können. Insofern zielt der vorliegende Beitrag auf eine entsprechende spezifische Erweiterung der Machtforschung im betriebswirtschaftlichen Kontext ab. Dazu wurde die Rahmentheorie zur Klassifizierung der beiden komplementären Machtformen umfassend in Bezug auf den Organisationsrahmen von Veränderungsprozessen sowie Führung, Gruppenführung und Intragruppenphänomene betrachtet. Als theoriebasierter Forschungsbeitrag bezieht sich der vorliegende Beitrag dazu auf die drei Ebenen der Individuen (alle Mitarbeiter übergreifend), die des Führungsverhaltens der Gruppenführung und die der Intragruppenphänomene.

Allgemeinhin betreffen nahezu alle Veränderungsprozesse die Ebene des sozialen Gefüges und Arbeitsverhalten der betroffenen Akteure. Um jedoch eine Transformation der Werte, die diese Ebene beeinflussen und steuern, zu erreichen, ist initial die Veränderung oder Anpassung der individuellen Einstellungen wichtig. Damit die Mitarbeiter übergreifend dem Veränderungsvorhaben, z. B. hinsichtlich der Unternehmenswerte, positiv gegenüberstehen, diese also nicht ablehnen, sondern unterstützen, müssen sie von der Notwendigkeit überzeugt werden, die fachlichen Inhalte zu akzeptieren und aktiv mitzutragen. Für diese Überzeugung wiederum ist die soziale Legitimation des Veränderungsvorhabens entscheidend. Dadurch, dass die dafür notwendige Rechtfertigung und Anerkennung der normativ besseren Argumente in einem asymmetrischen Machtverhältnis fehlen und entsprechende durchgesetzte Inhalte nur auf einer fragilen Basis stünden, kann die soziale Legitimation der Mitarbeiter nur durch symmetrische Machtverhältnisse langfristig entstehen. Das dafür notwendige Einverständnis von Mitarbeitern über die gemeinsamen Mittel und Ziele innerhalb des Veränderungsprozesses benötigt den Diskurs: In diesem sollen die verständnisorientierten, kommunikativen Handlungen der Akteure im Vordergrund stehen. Diese verständnisorientierte Zielsetzung der handelnden Akteure kann eine langfristigere Überzeugung von den Veränderungsinhalten ermöglichen. Akteure könnten so die normativ besseren Argumente für das kollektive Ziel der ganzheitlichen Wandlung der Unternehmenswerte anerkennen und kooperativ verfolgen.

Um darüber hinaus einem möglichen Quiet Quitting (vgl. dpa 2022: o. S.) als potenzielle Konsequenz aus Dissonanzen und konfligierenden Erwartungshaltungen vorzubeugen, können symmetrische Machtverhältnisse Chancen bieten. Indem ein offener, zwangloser Diskurs auf Augenhöhe mit den Führungskräften initiiert wird, kann die Wahrscheinlichkeit gesteigert werden, dass die Akteure im Miteinander primär kommunikative Handlungen verfolgen. Damit würden sie ihre individuelle Nutzenmaximierung unterordnen und in der Konsequenz können kollektive Positivsummenspiele möglich werden. Das hieße, dass sie sich gleichermaßen beteiligt fühlen, mit den Inhalten identifizieren können und dadurch eine nachhaltige Transformation der Werte möglich wird. Auch die Führungskräfte selbst als Betroffene der Veränderung sollten dafür initial selbst adäquat vorbereitet, eingeführt, qualifiziert und überzeugt werden, den entsprechenden Veränderungsprozess vorbildhaft und authentisch durchzuführen. 

Innerhalb des Führungskräftezirkels können symmetrische Machtverhältnisse bezüglich der Synchronisierung der Einstellungen der Führungskräfte dabei helfen, kognitive Dissonanzen zu verringen, wenn entlang des normenregulierten Handelns und kommunikativer Zielsetzung verstärkt gemeinsame Ziele herausgearbeitet werden. Weiterführend ist hier noch das transformationale Führungsverhalten zu nennen: Dieses kann entscheidend für die nachhaltige Vermittlung der Veränderungsvision sein, allerdings könnte dies nahezu nur dann funktionieren, wenn Führungskräfte ihre symmetrische Handlungsmacht vollziehen. Wenn sie mittels Überzeugungskraft die Veränderungsvision vermitteln, glaubwürdig auftreten und die soziale Legitimation der Inhalte herbeiführen wollen, braucht es dafür auch die Zustimmung der anderen bzw. die freiwillige Anerkennung durch die unterstellten Mitarbeiter. Auch in Bezug auf die unterstellten Gruppen / Teams der Führungskräfte können symmetrische Machtverhältnisse für die Gruppensteuerung und Beeinflussung von negativen Intragruppenphänomenen signifikante Potenziale bieten. Führungskräfte haben die Aufgabe, die Veränderungsinhalte an die Mitarbeiter heranzutragen und die Unterstützung dieser, bzw. darüberhinausgehend, das Einverständnis mit diesen herbeizuführen. Indem sie folglich den Umgang mit und die Organisation von Informationen, Ansichten und Meinungen somit betreuen und steuern sollen, beeinflussen sie in der Konsequenz auch die Gruppenentscheidung. Mittels Gruppensynchronisierung im symmetrischen Machtverhältnis zwischen Führungskraft (Gruppenführung) und Team (Gruppe) kann die Kollaboration der Gruppenmitglieder dahingehend begünstigt werden, als dass die Gruppenführung selbst vorbildhaft mit kommunikativen Handlungen vorangeht.

Diese kommunikativen Handlungen im Diskurs sind ebenso entscheidend für die Ver-meidung von Gruppenpolarisierung in Richtung einer ablehnenden Einstellungsänderung und können dem entgegenwirken, dass eine mögliche positive Einstellungsänderung nur kurzfristig ist, nicht ausgehandelt wurde und somit nicht auf Einverständnis basiert. Schließlich kann die symmetrische Macht nur gemeinsam ausgeübt werden und verfolgt daher auf kollektiver Ebene eine Gesamtstrategie, die zum Nutzen aller ist. Zur Macht der einen „gehört die Zustimmung zur Macht des Gegenübers“ (Reichertz 2009: 236), insofern entspricht „die Symmetrie von Verantwortung, Anerkennung und Macht“ (Rommerskirchen 2020: 97) daher grundlegend den sozialen Beziehungen und sozialen Handlungen der Akteure.

Eine Machtdiskussion auf der Metaebene moralisierter Märkte 

Während der Fokus der Ausführungen bislang auf der Intraorganisationsebene lag, sollen nachfolgend diese Erkenntnisse mit der Metaebene im Sinne des Machtverhältnisses zwischen Unternehmen und der übergreifenden Gruppe der Konsumenten in Beziehung gesetzt werden. Die Moralisierung der Märkte zeigt sich in einer zunehmenden Vielfalt an Erwartungshaltungen an die Legitimität von Unternehmen (vgl. Stehr 2007: 12; vgl. Rommerskirchen 2020: 102). Mit der Forderung nach der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung oder Legitimierung der unternehmerischen Entscheidungen gehen entsprechende strukturelle und kulturelle Veränderungsprozesse in Unternehmen einher (vgl. Rommerskirchen 2020: 103). Damit die Positionierungen von Unternehmen und damit einhergehende interne Veränderungsprozessen intern nachhaltig umgesetzt werden können sowie nach extern authentisch erscheinen, ist vor allem im Rahmen der Beteiligung an diesen „die Identifikation mit den Veränderungsinhalten“ (Stolzenberg / Heberle 2013: 126) elementar.

Dadurch, dass sich Unternehmen verstärkt bemühen müssen, den zunehmend divergierenderen Erwartungshaltungen an ihre Legitimität gerecht zu werden und damit einhergehende Veränderungsprozesse verbreiteter sind, weil die Machtverhältnisse zwischen Konsumenten und Unternehmen immer symmetrischer werden (vgl. Rommerskirchen 2020: 103), kann das gleichermaßen zu Veränderungsmüdigkeit und -überforderung (vgl. Porsche Consulting 2020: 8) seitens der Unternehmen führen. Die Unternehmen können somit sich im Zwiespalt befinden, denn Kooperationsgewinne für die Gesellschaft (Rommerskirchen 2020: 98; vgl. Rommerskirchen 2020: 104) wie jene gesellschaftliche Verantwortungsübernahme können in der Folge zu Kooperationsverlusten für Unternehmen werden. Der Grund dafür ist, dass Unternehmen einer Positionierung oder Verantwortungsübernahme gegenüber polarisierenden Themen (wie z. B. der FIFA Weltmeisterschaft in Qatar) häufig nicht ausweichen können (vgl. Thams 2019: 175f.). Sie müssen damit akzeptieren, dass entsprechende Veränderungsprozesse nicht von allen Mitarbeitern gleichermaßen akzeptiert und unterstützt werden.

Je größer, moderner und komplexer Unternehmen sind, desto verletzlicher werden sie jedoch und eine Ohnmacht kann in ihnen heranwachsen (vgl. Arendt 1985: 124), die sich zunehmend in einer Art Zwang zur Einnahme von Haltungen äußert: Auf der einen Seite fordern die Konsumenten beispielsweise verstärkt die soziale Legitimierung ökonomischer Entscheidungen. Auf der anderen Seite kann sich diese Legitimierung jedoch in unterschiedlichen Werten und Ansichten äußern und in der Folge konfligierende Erwartungshaltungen an Unternehmen stellen. Dies verdeutlich schließlich die Relevanz einer nachhaltigen Beteiligung im Sinne einer Identifikation mit und Bereitschaft zum Mittragen der Veränderungen, mit denen Unternehmen rechnen müssen.

Fazit: Symmetrische Macht als Erfolgsfaktor in Veränderungsprozessen

Die Anpassungsfähigkeit von Organisationen und entsprechende Veränderungsbereitschaft von Führungskräften und Mitarbeitern gilt im heutigen VUCA-Umfeld als entscheidende Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg (vgl. Junker / Griebsch 2017:57; vgl. Kienbaum Consultants International GmbH 2021: o. S.) Veränderungsprozesse in Organisationen können sich dabei durch ökonomische Notwendigkeiten, wie Fusionen und Unternehmenskäufen, oder auch Haltungsfragen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen und polarisierenden Themen wie der FIFA Weltmeisterschaft in Qatar in diesem Zusammenhang ergeben. Im Vergleich zu ökonomischen Notwendigkeiten, erfordern Haltungsfragen dabei ein besonderes Maß an Abstimmungen innerhalb der Organisation: Die Mitarbeiter wollen dazugehörige Wertaushandlungsprozesse verstärkt mitgestalten und diese glaubwürdig vertreten können (vgl. Huth / von Croӱ 2019: 154ff.). Für ihr zunehmendes Bedürfnis an Legitimation dieser die Haltungsfragen betreffenden Veränderungsinhalte spielen die Machtverhältnisse innerhalb von allgemeinen Mitarbeitergruppen sowie zwischen Führungskräften und ihren unterstellten Mitarbeitern eine entscheidende Rolle. Obwohl Macht als allgegenwärtiges Phänomen zwar bislang als Einflussgröße in Veränderungsprozessen häufig unterschätzt wird (vgl. Oltmanns 2012: 68), können insbesondere die Machtverhältnisse zwischen Führungskräften und Mitarbeitern jedoch der Grund sein, weshalb Veränderungsprozesse scheitern oder nicht nachhaltig umgesetzt werden (vgl. Ameln von / Heintel 2016: 208ff.).

Als theoretischer Bezugsrahmen für Macht wurde die Klassifizierung von (klassischer) asymmetrischer und symmetrischer Macht nach Rommerskirchen zugrunde gelegt. Mit Rückblick auf die anfangs dargestellte aktuelle wissenschaftliche Repräsentanz von Macht hat sich zunächst gezeigt, dass diese klassischen Machtverhältnisse, die wenn auch marginale, Repräsentanz von Macht im betriebswirtschaftlichen Kontext (vgl. Sandner 1993: 4f.) bestimmen. Auch hinsichtlich der allgemeinen Theorie zu Veränderungsprozessen hat sich ergeben, dass die Achtungspunkte der Beteiligung von Mitarbeitern sich zwar auf jede Ebene und Form der Veränderung beziehen lassen, der bisherige Fokus der betreffenden Machtverhältnisse jedoch auf Top-down-Organisationswandel lag. Während die asymmetrische Macht sich schließlich durch strukturelle Überlegenheit in Über- und Unterordnungsbeziehungen, fehlende Legitimation und Rechtfertigung sowie entsprechender Kurzfristigkeit kennzeichnet, steht ihr komplementär die symmetrische Macht gegenüber. Die symmetrische Macht nach Rommerskirchen ist auf kommunikative Mittel angewiesen und ermöglicht darüber gemeinsames Handeln. Um in diesem Sinne kooperativ Ziele zu verfolgen, braucht es die Anerkennung normativ besserer Argumente für das kollektive Ziel, wodurch sie langfristig überlegen ist. Die Klassifizierung von Rommerskirchen ermöglicht, dass der bislang zumeist vage und unausgesprochene Machtbegriff  konkreter eingeordnet werden kann (vgl. Rommerskirchen 2020: 90). Indem Rommerskirchen klar die zuvor beschriebenen Charakteristika der beiden Machtformen herausarbeitet und einander gegenüberstellt, wird die Komplexität und Unbestimmtheit von Macht reduziert. Diese Verdeutlichung (und Prägnanz in der Bedeutung) kann dazu beitragen, dass Machtverhältnissen mehr Bedeutung beigemessen wird und als wichtiger Einflussfaktor im betriebswirtschaftlichen Kontext wahrgenommen wird.

Im Zuge der Moralisierung der Märkte haben zudem das Maß und die Vielfalt an Erwartungshaltungen an die Legitimität von Unternehmen zugenommen. Veränderungsprozesse in Unternehmen werden daher immer häufiger durch gesellschaftspolitische Haltungsfragen ausgelöst. Damit der entsprechende interne Organisationswandel auch nachhaltig umgesetzt werden kann, braucht es im Rahmen von Wertaushandlungsprozessen eine ganzheitliche Art der Beteiligung. Um jene Identifikation der Mitarbeiter mit den Veränderungsinhalten und deren Bereitschaft, diese auch aktiv mittragen zu wollen, zu steigern, können die Machtverhältnisse innerhalb des Führungskräftezirkels und zwischen Führungskräften und ihnen unterstellten Mitarbeitergruppen von hoher Bedeutung sein. Im Sinne der Forschungsfrage hat der vorliegende Beitrag herausgearbeitet, ob die Beteiligung von Mitarbeitern an Veränderungsprozessen entlang symmetrischer Machtstrukturen ablaufen sollte. Dahingehend haben die vorangegangenen Untersuchungen und Bewertungen von symmetrischer Macht in Bezug auf die Akteursebene, das Führungsverhalten und die Intragruppenebene haben eindeutig gezeigt, dass symmetrische Machtverhältnisse entscheidend für die erfolgreiche und nachhaltige Beteiligung von Mitarbeitern an Veränderungsprozessen sind. Asymmetrische Machtverhältnisse können zwar die Effizienz der Beteiligung fördern, sind allerdings aufgrund fehlender Legitimation nur eine fragile Grundlage für diese.

Veränderungsprozesse der Unternehmenskultur und Wertekonstrukte der Mitarbeiter ausgelöst durch gesellschaftspolitische Haltungsfragen benötigen dabei nicht allein die soziale Legitimation dieser. Auch Veränderungsprozesse ausgelöst durch klassische ökonomische Notwendigkeiten (wie Fusionen und Unternehmenskäufe) zeichnen sich nicht nur durch strukturellen, sondern im Falle der Zusammenführung zweier unter-schiedlicher Unternehmen beispielsweise auch durch kulturellen Wandel aus. Infolge-dessen kann die auf Kooperation und Verständigung basierende Beteiligung der Mitarbeiter erfolgskritisch sein, da ihr der zwanglose Diskurs und das gemeinsam ausgehandelte Einverständnis über gemeinsame Mittel und Ziele zugrunde liegt. Diese auf Vertrauen und Langfristigkeit ausgelegte Handlungsmacht von Führungskräften in Veränderungsprozessen kann die Unternehmen insgesamt in die Lage versetzen, den von außen gestellten Erwartungen an die Legitimität und entsprechenden Einflüssen konstruktiv zu begegnen. Im Sinne des Dualismus von Macht muss allerdings die Ohnmacht der Betroffenen mitgedacht werden (vgl. Levermann 2020: 67): Weil im Zuge der Moralisierung der Märkte Unternehmen den zunehmend divergierenderen Erwartungshaltungen ihrer Konsumenten gerecht werden müssen und die Machtverhältnisse zwischen Konsumenten und Unternehmen immer symmetrischer werden (vgl. Rommerskirchen 2020: 103), kann in Unternehmen eine Ohnmacht im Sinne von Veränderungsmüdigkeit und -überforderung heranwachsen (vgl. Porsche Consulting 2020: 8). Daraus ergibt sich, dass Veränderungsprozesse ausgelöst durch gesellschaftspolitische Haltungsfragen schließlich als neue ökonomische Notwendigkeiten bezeichnet werden können, denn Unternehmen sollen jenen Erwartungshaltungen an ihre Legitimität gerecht werden.

Eine Beteiligung von Mitarbeitern an jenen Veränderungsprozessen, die entlang der beschriebenen symmetrischen Machtverhältnisse abläuft, kann schlussendlich der entscheidende Faktor sein, damit diese Veränderungsprozesse auch nachhaltig umgesetzt, als kollektive Gesamtstrategie akzeptiert und unterstützt werden und nicht wegen nur kurzfristiger Beteiligung zu Nullsummenspielen bzw. Ohnmacht für Unternehmen führen. Schließlich ist die „symmetrische Macht als Ermöglichung zu gemeinsamem Handeln (…) ein sozialer und moralischer Fortschritt“ (Rommerskirchen 2020: 109).

Gleichwohl hat sich aufgrund der theoretischen Ausrichtung und Limitation des gewählten theoretischen Bezugsrahmens gezeigt, dass weiterführende Forschung lohnenswert sein kann, um Machtphänomenen bzw. insbesondere symmetrischer Macht in Veränderungsprozessen Bedeutung zu schenken. Die bisherigen Ausführungen auf der Akteurs- und Gruppenebene von Veränderungsprozessen stellen gewinnbringende Einflüsse der symmetrischen Macht in Bezug auf die allgemeine, nachhaltige Beteiligung von Mitarbeitern an Veränderungsprozessen dar. Um stufenweise die Dimensionen der Beteiligung jedoch konkreter aufzuarbeiten, könnte anschließend die Beteiligung entlang verschiedener interner Zielgruppen und Anspruchsgruppen aufgearbeitet und hinsichtlich des Einflusses symmetrischer Machtverhältnisse untersucht werden. Im Zuge des Change Managements gilt es insbesondere zwischen den verschiedenen Hierarchie- und Fachebenen von Mitarbeitern zu differenzieren. Je nach Veränderungsprozess gehen die Veränderungsinhalte beispielsweise mit unterschiedlichen Arbeitspaketen für unterschiedliche Personengruppen einher. Mögliche zu differenzierende interne Zielgruppen sollten zwar mithilfe symmetrischer Machtverhältnisse ganzheitlich und nachhaltig beteiligt werden, allerdings können sich für Fachbereiche wie z. B. die Personalabteilung, interne Beratungseinheiten, die Unternehmenskommunikation oder auch beispielsweise den gewerblich Beschäftigten, unterschiedliche Anforderungen und Herausforderungen entlang ihrer fachlichen Qualifikationen ergeben. Ein spezifischer Fokus könnte dahingehend auf die Erforschung des Einflusses von Resilienz als Fähigkeit bestimmter Personengruppen liegen: Als individuelle Fähigkeit „situationselastisch Herausforderungen nicht nur zu meistern (…), sondern bestenfalls daran zu wachsen und zu reifen“ (Heller / Gallenmüller 2019: 4), erscheint dieser Ansatz abschließend aussichtsvoll, um der zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit und konfligierenden Veränderungsinhalten sowohl als Individuum als auch als Organisation gewachsen zu sein.

 

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