Johanna Helene Pekeler: Löst sich der Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke in der Spätmoderne auf?

In diesem Beitrag wird untersucht, ob der Habitus und einhergehend die Sozialisation und gesellschaftliche Schicht, in der ein Individuum aufwächst und sich bewegt, im gegenwärtigen Zeitalter der Spätmoderne mit dem Markenkauf zusammenhängt. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wird die Sozialstruktur der westlichen Gesellschaft in der Spätmoderne analysiert. Es wird ein differenzierter Blick auf die jeweilige Beziehung zu Marken innerhalb der Mitglieder dieser Gesellschaft geschaffen. Der Beitrag stellt folgende Forschungsfrage: ‚Löst sich der Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke in der Spätmoderne auf?‘ Um die Forschungsfrage beantworten zu können, wird ein methodisch literaturbasiertes Vorgehen intendiert. Die Theorie des französischen Soziologen Pierre Bourdieu und daneben die des deutschen Kultursoziologen Andreas Reckwitz bilden den theoretischen Rahmen zur Untersuchung der Forschungsfrage. Zusätzlich zum Aufzeigen der jeweiligen Theorie ist die Darlegung der Position der Autoren in Bezug auf die zu erforschende Frage und die Diskussion dieser Arbeit ausschlaggebend, um diese infolgedessen aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten, erörtern und ins Kontemporäre übertragen zu können. Bourdieu betont mit seiner Theorie den engen Zusammenhang zwischen der Klassenzugehörigkeit eines Individuums und dessen Konsumstil. Übertragen auf die Markenwahl einer Person ist der Konsumstil für ihn damit klarer Ausdruck des Habitus. Die wichtigste Erkenntnis dieses Beitrags, welche mithilfe der Analyse der Theorie von Reckwitz gewonnen werden konnte, ist, dass sich der Zusammenhang zwischen der Klassenzugehörigkeit und dem Konsumstil eines Individuums in der Spätmoderne zunehmend löst. Schlussfolgernd sollte im gegenwärtigen Zeitalter nicht mehr in diesem Maße von der Verbundenheit des Habitus und der Marke, sondern von der Milieuzugehörigkeit eines Individuums, welche den Markenkauf bedingt, gesprochen werden.

Marken umgeben uns ein Leben lang. Wir konsumieren und verwenden sie täglich. Ein Blick in die zeitgenössische Literatur zeigt, dass die Anzahl an Forschungen über die Bedeutung der Marke innerhalb der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts stetig steigen. Marken werden zunehmend zu ökonomisch wertvollen Gütern und daneben zu einem erstrangigen Funktionsträger soziokultureller Orientierung und Identifikation deklariert (vgl. Rommerskirchen 2019: 102). Es stellt sich die Frage, inwiefern eine Marke es einer Person ermöglichen kann, Teil einer sozialen Gemeinschaft zu sein und ihr dadurch sozialen Nutzen stiftet. Der Konsumforscher Kai-Uwe Hellmann ist überzeugt, dass Marken dem Bedürfnis nach Identität maßgeschneiderte Lösungen bieten und damit eine zentrale Stellung in der eigenen Lebensführung einnehmen (vgl. Hellmann 2003: 378). Das alltägliche Leben wird zusätzlich immer mehr zum Lebensstil selbst und dieser wird zunehmend von Marken durchdrungen (vgl. Rommerskirchen 2019: 110). Die Marketing Professorin Susan Fournier spitzt dies zu, indem sie erklärt, dass Menschen Marken wählen, um ihrem Leben Sinn zu verleihen. Sie schließt daraus:

„Verbraucher wählen nicht Marken, sie wählen Leben“ (Fournier 2015: 234).

In der Philosophiegeschichte lässt sich die Bedeutung des Menschen als soziales Wesen schon bei Aristoteles finden. Der griechische Philosoph definierte bereits über 300 Jahre vor Christus den Menschen als einen Zoôn politikón. Damit erklärte er den Menschen als ein von Natur aus soziales Lebewesen, das nur in der Gemeinschaft mit anderen Menschen leben, handeln und bestehen kann (vgl. Rommerskirchen 2017: 340). Andere Theoretiker ergänzen, dass der Mensch die wichtigsten Sehnsüchte, wie die der Verwirklichung eines erwünschten Lebensstils, die Anerkennung von anderen, von Status und Prestige nur in Gesellschaft verwirklichen kann (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 158). Mit Hilfe eines geteilten Lebensstils schließen Individuen sich mit bestimmten anderen Individuen zu einer Gruppe zusammen, während sie sich gegenüber anderen abgrenzen (vgl. Abels 2017: 165). Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und die Anerkennung durch Andere ist für den Menschen als soziales Wesen damit das Lebenselixier (vgl. Opolka 2016: 99). Menschen streben demzufolge grundsätzlich nach Identität und Zugehörigkeit. Es stellt sich die Frage, ob die Marken hierzu eine vermittelnde Rolle einnehmen.

Zu untersuchen gilt es darüber hinaus, ob die Bewertung und der Kauf von Marken mit der Sozialisation und dementsprechend auch der gesellschaftlichen Schicht, in der eine Person aufgewachsen ist und sich bewegt, einhergeht. Unter der Sozialisation wird die Vermittlung sozialer Normen und Wertvorstellungen verstanden. In dem Sozialisationsprozess erlernt eine Person sich nach und nach an die Rolle anzupassen, die von ihr vom sozialen Umfeld, das heißt von der Gesellschaft oder von ihrer relevanten sozialen Gruppe, erwartet wird. So bilden sich typische Muster des Denkens, Fühlens und Handelns aus. Die Sozialisation beginnt innerhalb der Familie und wird in verschiedenen Kontexten wie der Schule oder dem Arbeitsplatz fortgeführt (vgl. Hoffmann/Akbar 2016: 144). Das konkrete Empfinden, Wahrnehmen, Erleben, Denken und Handeln einer Person entwickelt sich also in Abhängigkeit von den jeweiligen sozialen Beziehungen, die diese eingeht (vgl. Scherr 2016: 50). Die Konstruktion der Wertbildung und ferner der symbolischen Wertzuschreibung der Dinge hängt dabei immer von einer sozialen Komponente ab und kann folglich nicht losgelöst von der Gesellschaft betrachtet werden (vgl. Chikhoune 2017: 44). Die Identität einer Person entsteht in der sozialen Wirklichkeit der Gesellschaft (vgl. Rommerskirchen 2019: 110).  Soziale Wirklichkeit meint dabei jene Wirklichkeit, die sich im Zusammenleben der Menschen ausdrückt oder die durch Zusammenleben und zusammen Handeln hervorgebracht wird.

Mit diesem Beitrag wird die Sozialstruktur der westlichen, spätmodernen Gesellschaft genauer erfasst. Darüber hinaus wird ein differenzierter Blick auf die Beziehung der Mitglieder moderner Gesellschaften, welche sie zu Marken einnehmen, geschaffen. Es gilt herauszuarbeiten, inwiefern Marken in der Spätmoderne wirken. Untersuchungsgegenstand ist der Einfluss, welche Marken auf die Mitglieder der gegenwärtigen Gesellschaft nehmen und der Zusammenhang zwischen dem Habitus einer Person und dem Erwerb einer Marke. Der Habitus eines Menschen lässt sich summarisch als das Produkt seines Lebens in Gesellschaft, seiner Sozialisation und seiner Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen definieren. Er erklärt die Vorlieben, sowie Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster einer Person und bestimmt darüber hinaus die individuelle Position innerhalb der Gesellschaft (vgl. Bourdieu 2021: 31). Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag folgender Forschungsfrage nach: ‚Löst sich der Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke in der Spätmoderne auf?‘

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird eine differenzierte literaturbasierte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen und Theorien von Pierre Bourdieu und Andreas Reckwitz vorgenommen. Beide untersuchen im Rahmen ihrer Forschungen das moderne gesellschaftliche Zusammenleben. Für den französischen Soziologen Bourdieu steht fest, dass sich innerhalb einer Gesellschaft immer jene Personen zu Gruppen zusammenschließen, die über ähnliche finanzielle Vermögensverhältnisse verfügen und ähnliche Verhaltensformen zeigen (vgl. Bourdieu 2021: 188). Die Mitglieder dieser Gruppen teilen entsprechende Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, die ihr Verhalten prägen und das Resultat ihrer Sozialisation und ihres Lebens innerhalb von existierenden sozialen Beziehungen sind. Diese Ähnlichkeiten in der Wahrnehmung, im Denken und im Handeln bezeichnet Bourdieu als Habitus (vgl. Rommerskirchen 2017: 231). Bourdieu ist der Auffassung, dass sich der gesamte Lebensstil einer Klasse aus deren Mobiliar und Kleidungsstil ablesen lässt, da sich in diesen Merkmalen die ökonomischen und kulturellen Zwänge der gesellschaftlichen Verhältnisse manifestieren (vgl. Bourdieu 2021: 137). Bourdieu betont mit seiner Theorie, dass durch den Konsum die Demonstration der sozialen Zugehörigkeit zu einer Klasse und gleichzeitig die Abgrenzung zu anderen Klassen deutlich wird (vgl. Chikhoune 2017: 41). Das Streben nach sozialem Status gilt für ihn als entscheidender und treibender Faktor für Kaufentscheidungen (vgl. Chikhoune 2017: 41). Im Zentrum der Arbeiten des Kultursoziologen Reckwitz steht das Erforschen von Mechanismen, welche die Moderne bestimmen. Darüber hinaus untersucht er, in welche Richtung sich das gesellschaftliche und kulturelle Gefüge der Menschen der Moderne und einhergehend ihre Lebensformen und Lebenschancen transformiert haben (vgl. Reckwitz 2019: 109). Mit seiner Theorie zum gegenwärtigen Zeitalter der Spätmoderne zeigt er einen erweiterten Blick auf die Moderne auf. Reckwitz ist überzeugt davon, dass sich in der Spätmoderne die strikte Trennung einer hochkulturellen und einer volkstümlichen Sphäre mit je unterschiedlichen Arten von Gütern und gänzlich unterschiedlichen Bewertungsmechanismen auflöst (vgl. Reckwitz 2017: 170). Darüber hinaus schildert er, dass der spätmoderne Mensch zunehmend zur Selbstverantwortung gezwungen sei und nach Individualität und Besonderheit strebe (vgl. Reckwitz 2017: 285).

Der Beitrag strukturiert sich wie folgt. Zunächst werden zur Annäherung an die Fragestellung die Hauptdefinitionen: Marke, Habitus und Spätmoderne erklärt. Dadurch wird ein fundiertes Verständnis über die zusammenhängende Betrachtung der Begriffe für die Forschung geschaffen. Darauffolgend werden die Theorien von Bourdieu und Reckwitz in ihren für diese Forschung entscheidendsten Aspekten erläutert und die jeweiligen Positionen der Autoren in Bezug auf die zu untersuchende Forschungsfrage herausgearbeitet. Die anschließende Diskussion ist entscheidend, um einen erweiterten Blick in Bezug auf die vorgestellten Positionen und die zu untersuchende Forschungsfrage zu schaffen. Im Fazit werden die gesammelten Ergebnisse zusammengefasst und die Forschungsfrage wird beantwortet. Es folgt abschließend ein Ausblick, welcher Ansatzpunkte für weiterführende Forschungsmöglichkeiten aufzeigt.

Die Marke

Die Marke ist ein komplexes Phänomen, welches seit vielen Jahren zunehmend im Zentrum der Wissenschaft und Forschung steht und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird (vgl. Baumgarth 2014: 41). Das Interesse Forschender an der Marke ist keineswegs neu, sie rückt jedoch zunehmend in das Zentrum des öffentlichen Diskurses, da sie für Unternehmen und für andere Organisationen und Institutionen immer bedeutender wird. Sie gewinnt zudem stets an Relevanz bei der Gestaltung gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge (vgl. Häußler 2019: 1). Der Begriff der Marke wird in der Literatur unterschiedlich aufgefasst. Nicholas Adjouri erklärt, dass sich die Marke immer in eine messbaren und eine nicht-messbaren Ebene aufteilen lässt. Bei dem messbaren Bereich handelt es sich um das Markendach sowie dessen Bausteine: Name, Logo, Farbe und das Design. Der nicht-messbare Bereich wird Marken-Fundament genannt und besteht aus kognitiven und emotionalen Bausteinen, welche bestimmte Assoziationen bei den Konsumenten auslösen (vgl. Adjouri 2014: 241). Was eine Marke ausmacht, ist dabei stark von subjektiven Eindrücken geprägt und spielt sich vor allem in den Köpfen und Vorstellungen der Menschen ab (vgl. Esch/Rempel 2005: 6). In der Kommunikation ist die Marke zunächst ein Zeichen, das auf ein Ding verweist (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 145). Marken können in semiotischer Perspektive auch als Symbol betrachtet werden. Die Marke als Symbol dient dem Konsumenten dahingehend, sein Bedürfnis nach Darstellung der eigenen Identität im sozialen Feld, nach Prestige und Anerkennung zu stillen (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 157). Während in der gegenwärtigen Zeitepoche der funktionale Kernnutzen von Produkten in den Hintergrund rückt, tritt der kommunikative Zusatznutzen der Identitätsfunktionen von Marken in den Vordergrund. Aus einer soziologischen Perspektive setzt sich die Bedeutung der Marke schließlich aus der Sozialisation, des aktuellen Verstehens und der vorausschauenden Erwartung des Individuums an sein soziales Umfeld zusammen (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 158). Nachdem der Begriff der Marke als erster Hauptbegriff dieses Artikels näher betrachtet wurde, wird anknüpfend dargelegt, wie der Habitus zu verstehen ist.

Der Habitus

Pierre Bourdieu führt den Begriff des Habitus ein und definiert diesen zusammenfassend als ein System von Erzeugungsmustern (vgl. Bourdieu 2021: 278). Der Habitus ist als das Produkt des Lebens eines Menschen in der Gesellschaft, seiner Sozialisation und seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppen zu verstehen. Er ist damit Ausdruck der persönlichen und sozialen Identität einer Person zugleich und strukturiert das Handeln einer Person (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 43). Der Habitus beschreibt das Verhalten, die Einstellung, Geschmacksurteile und das jeweilige Auftreten einer Person in der Öffentlichkeit (vgl. Rommerskirchen 2017: 231). Er ist daher nicht isoliert von dem jeweiligen sozialen Kontext einer Person zu betrachten und wird im Alltag im Rahmen von Routinen und sinnstiftenden kulturellen Praktiken erworben und erlernt (Liebsch 2016: 91). Die Sozialisation in der Familie legt dabei den Rahmen des jeweiligen Habitus fest. Dieser Rahmen kann zwar durch biografische Schlüsselerlebnisse abgewandelt werden, bleibt aber als eine Art Grundstruktur ein Leben lang erhalten und strukturiert Formen und Regeln von Handlungen der Personen (vgl. Liebsch 2016: 91).

Die Spätmoderne

Andreas Reckwitz begründet, dass mit der Spätmoderne jene Moderne gemeint ist, die sich seit den 1970er Jahren ausgebildet hat und in der die Logik des Besonderen zum leitenden Faktor der Gesellschaft wurde (vgl. Reckwitz 2017: 11). Das Besondere beschreibt Reckwitz dabei mit dem Begriff der Singularität. Der Trend der Singularisierung gilt für Individuen ebenso wie für materielle Dinge, Orte und Ereignisse (vgl. Deutscher Bundestag 2018: o.S.). Das spätmoderne Zeitalter ist vornehmlich durch Ambivalenz gezeichnet, zum einen durch das Streben der Individuen nach Individualität aber zum anderen auch durch die Suche nach Gemeinschaftlichkeit (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 270 f.). Verantwortlich für den Übergang von der industriellen, klassischen Moderne hin zu einer Gesellschaft der Singularitäten und der Spätmoderne waren laut Reckwitz drei Rahmenbedingungen. Erstens, die Entindustrialisierung bewirkte eine Entwicklung hin zu einer Wirtschaft und Arbeitswelt der Dienstleistungen. Zweitens erfolgte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine beispiellose Bildungsexpansion in den Ländern des Westens. Drittens entstand eine Kulturalisierung der Ökonomie. Die Industrie der Massenproduktion wurde von einer auf das Besondere und Einzigartige ausgerichteten Wirtschaft abgelöst (vgl. Deutscher Bundestag 2018: o.S.). Nachdem die Hauptbegriffe dieser Arbeit geklärt wurden, gilt es nun mit der tiefgehenden Auseinandersetzung der Theorien und Positionen von Pierre Bourdieu und Andreas Reckwitz, in Bezug auf die gestellte Forschungsfrage zu beginnen.

Betrachtungsweise – Bourdieu

In diesem Abschnitt werden einige allgemeine Anmerkungen und Kontextualisierung zu Pierre Bourdieus soziologischem Hauptwerk auf deutsch übersetzt: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft gegeben. Aus der Analyse der Theorie von Bourdieu lässt sich erschließen, dass er ein durch die Empirie geleiteter Soziologe ist. Seinen Fokus richtet Bourdieu auf die Untersuchung der französischen Gesellschaft, weshalb er sein Werk als Ethnographie Frankreichs beschreibt (vgl. Bourdieu 2021: 11). Bourdieus Diagnose lässt sich jedoch auf alle westlichen Länder strukturell übertragen (vgl. Abels 2017: 351). Im Fokus seiner Forschung steht die Frage, inwieweit die Vorlieben einer Person, also die individuellen Entscheidungen, mit der jeweiligen gesellschaftlichen Position zusammenhängen. Bourdieus Auffassung nach lässt sich das Handeln von Individuen am besten verstehen, wenn sie nicht als Personen, sondern als Akteure betrachtet werden (vgl. Rommerskirchen 2017: 230). Des Weiteren hält Bourdieu an einer Klassenstruktur zur Begründung der Gesellschaft fest.

Der Geschmack zur Einteilung der Gesellschaft

Bourdieu begreift mit dem Geschmack die bewertende Praxis der Akteure, zwischen verschiedenen Personen, Objekten und Qualitäten zu unterscheiden (vgl. Papilloud 2003: 43). Der Habitus prägt den Geschmack. Es ist jedoch der Geschmack, der die Gesellschaft klassifiziert. Der Geschmack liegt dem jeweiligen Lebensstil der Akteure einer Gesellschaft zugrunde und bestimmt, wie man sich selbst in der Gesellschaft einordnet und von anderen eingeordnet wird. Es ist folglich der Geschmack, welcher Differenzen innerhalb der Gesellschaft schafft (vgl. Bourdieu 2021: 105). Zusammenfassend lässt sich der Geschmack für Bourdieu als ein allgemeines Einschätzungsprinzip oder auch Klassifikationsprinzip beschreiben, welches dem Akteur in Verbindung mit dem Habitus erlaubt, Objekte und Menschen nach Eindrücken anzuordnen (vgl. Papilloud 2003: 43). Laut Bourdieu lässt sich die Gesellschaft in drei verschiedene Klassen mit unterschiedlich viel Macht einteilen: die herrschende Klasse, die Mittel- oder auch Arbeiterklasse und die untere Klasse (vgl. Bourdieu 2021: 107).

Die Klassenstruktur der Gesellschaft

Ein Akteur positioniert sich laut Bourdieu in der Gesellschaft durch seinen jeweiligen Geschmack, Lebensstil und Habitus (vgl. Rommerskirchen 2017: 231). Der Lebensstil bewirkt den Habitus, der Habitus ist praktischer Ausdruck des Lebensstils. Vereinfacht dargestellt sagt der Habitus dem Akteur, was in einer bestimmten Situation zu tun ist und spiegelt die soziale Position des Akteurs in der Gesellschaft wider. Der Habitus wird von jedem Akteur mit der Sozialisation erworben und drückt seine weitgehend stabilen Muster an Einstellungen und Verhaltensdispositionen aus (vgl. Thieme 2016: 239). Er erklärt Geschmacksvorlieben und Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster der Akteure. Das Geschmacksurteil ist daher Teil des Habitus. Als dialektischer Begriff bezeichnet der Habitus immer: das bereits Strukturiert-Sein und die strukturierende Funktion der Handlungen von Akteuren, die gesellschaftliche Prägung und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. Liebsch 2016: 88). Wichtig ist es an dieser Stelle festzuhalten, dass sich der Habitus für Bourdieu als nicht trennbar von dem sozialen Kontext, seinen Kapitalien und dem sozialen Raum begreifen lässt (vgl. Liebsch 2016: 87). Der Habitus und die Kapitalien gelten für Bourdieu folglich als die wesentlichen Bezugspunkte im sozialen Raum. Den sozialen Raum beschreibt Bourdieu selbst als eine abstrakte Darstellung, welche analog zu einer Landkarte einen Überblick bietet, von der aus die Akteure einer Gesellschaft in ihrem Alltagsverhalten ihren Blick auf die soziale Welt richten (vgl. Bourdieu 2021: 277).

Das Kapital eines Akteurs bezeichnet die Gesamtheit der Determinationen des sozialen Akteurs, was so viel bedeutet, wie die Fülle der Eigenschaften, die er besitzt und entwickelt, die er inkorporiert und repräsentiert (vgl. Papilloud 2003: 45). Die jeweilige Position eines jeden Akteurs im sozialen Raum hängt von der jeweiligen spezifischen Zusammensetzung der Kapitalarten ab. Bourdieu unterscheidet vier Arten von Kapitalien (vgl. Rommerskirchen 2017: 233). Es handelt sich hierbei um das ökonomische, das kulturelle, das soziale und das symbolische Kapital. Das ökonomische Kapital umfasst das finanzielle Vermögen eines jeden Akteurs. Das kulturelle Kapital umfasst das Wissen eines Akteurs, zum Beispiel seine Schul- oder Universitätsbildung oder auch jenes, welches durch die Familie und Freunde weitergegeben wurde (vgl. Bourdieu 2021: 129). Das soziale Kapital beinhaltet das soziale Netzwerk, in welchem der Akteur sich bewegt oder auf das er zurückgreifen kann. Es verweist auf soziale Beziehungen wie zum Beispiel zu Eltern, Freunden und Partnern (vgl. Rommerskirchen 2017: 234). Das symbolische Kapital beschreibt das Prestige eines Akteurs (vgl. Rommerskirchen 2017: 234). Die Kapitalarten, ihre Volumina und ihre Struktur können als Ressourcen des Habitus eines jeden Akteurs verstanden werden (vgl. Papilloud 2003: 46).

Eine Klasse definiert sich dem französischen Soziologen zufolge durch ihr Wahrgenommen-Sein ebenso wie durch ihr Sein selbst und darüber hinaus durch ihren Konsum (vgl. Bourdieu 2021: 754). In der Analyse Bourdieus zur Gesellschaft gibt es eine Ober-, Mittel- und Unterklasse. Die Mitglieder der Oberklasse zeichnen sich durch ein hohes Maß an ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital aus. Kennzeichnend für diese Klasse ist außerdem ihr besonderer, legitimierter Geschmack. Ihr Konsum ist aufwändig und immer jenseits des Mainstream (vgl. Rommerskirchen 2017: 235). Bourdieu betont, dass die Oberklasse, die herrschende Klasse der Gesellschaft, damit einen autonomen Raum innerhalb der Gesellschaft darstellt (vgl. Bourdieu 2021: 405). Die Angehörigen der Mittel- oder auch Arbeiterklasse besitzen einen mittleren Geschmack und die untere Klasse einen populären Geschmack (vgl. Bourdieu 2021: 38). Seine These ist, dass sich der gesamte Lebensstil einer Klasse aus deren Mobiliar und Kleidungsstil ablesen lässt, da sich in diesen Merkmalen die ökonomischen und kulturellen Zwänge der gesellschaftlichen Verhältnisse festmachen lassen (vgl. Bourdieu 2021: 137).

Resümee Position Bourdieu

Es konnte durch die Darlegung von Bourdieus Theorie erklärt werden, dass seiner Auffassung nach die Chancen und Lebensbedingungen eines Individuums nicht allein von einer materiellen Dimension abhängen, sondern von der Verfügung eines Akteurs über die verschiedenen Kapitalformen und darüber hinaus der Struktur, die diese bilden (vgl. Thieme 2016: 240). Die Gewohnheiten und Lebensstile, welche die Angehörigen einer bestimmten sozialen Gruppe kennzeichnen, erklärt Bourdieu mit dem Begriff des Habitus (vgl. Reitz 2017: o.S.). Der Habitus vermittelt einem Akteur fortwährend ein Gefühl darüber, welche Produkte zu einem passen und welche nicht. Übertragen auf die Forschungsfrage und damit die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke lässt sich Bourdieus Position folgendermaßen zusammenfassen: Durch den Habitus wissen Akteure intuitiv, welche Marke zu einem passt und welche nicht. Die Markenwahl ist damit Ausdruck des Habitus eines Akteurs. Der Zusammenhang ist aus Bourdieus Perspektive unmissverständlich gegeben. Aus der Position Bourdieus heraus sind der Habitus und die Markenwahl einer Person nicht getrennt voneinander zu betrachten und hängen schlussfolgernd eindeutig miteinander zusammen. Dieser Zusammenhang ist symptomatisch für die Beantwortung der Forschungsfrage. Aus Bourdieus Perspektive lässt sich schlussfolgern: Der Zusammenhang zwischen der Markenwahl und dem Habitus bleibt in der Spätmoderne bestehen.

Um der Beantwortung der Forschungsfrage näher zu kommen, ist es entscheidend, eine zweite Theorie, die von Andreas Reckwitz zur Gesellschaft der Spätmoderne, heranzuziehen und in ihren bedeutsamsten Punkten wiederzugeben.

Betrachtungsweise – Reckwitz

Andreas Reckwitz bezieht sich in seinen Analysen zur Spätmoderne neben der deutschen Gesellschaft auch auf die Gesellschaften Nordamerikas und Europas, da er der Auffassung ist, dass innerhalb all dieser Gesellschaften ähnliche gesellschaftliche Transformationen stattfinden (vgl. Reckwitz 2019: 26). Vor dem Eintreten der Spätmoderne bestimmte laut Reckwitz die Dominanz des Allgemeingültigen die Gesellschaft. Die Industriegesellschaft beschreibt er als eine Gesellschaft der Gleichen, in der die Regeln des Allgemeinen und des Kollektivs herrschten (vgl. Reckwitz 2019: 28). Kennzeichnend waren die Rationalisierung, Technisierung, sowie der Ausbau des Wohlfahrtsstaates und die kulturelle Anpassung. Die 1970er Jahre führten jedoch zum Umbruch. Ein gesellschaftlicher Strukturwandel setzte ein und die soziale Logik des Allgemeinen wurde durch eine soziale Logik des Besonderen ersetzt (vgl. Reckwitz 2017: 11). Die leitende These von Reckwitz zur Spätmoderne ist daher, dass das Allgemeine, was die Gesellschaft der industriellen Moderne noch bestimmte, im Laufe der Zeit ersetzt wurde durch das in der Spätmoderne vorherrschende Bedürfnis und damit Streben der Menschen nach dem Besonderen (vgl. Reckwitz 2017: 11).

Die Klassenstruktur der Spätmoderne

Klassen begreift Reckwitz als mehr als sozialstrukturelle Einkommensschichten und alltägliche Lebensstile. Sie sind kulturelle, ökonomische und politische Gebilde zugleich (vgl. Reckwitz 2019: 113). Alle Personen, welche einer Klasse angehören, teilen laut Reckwitz eine gemeinsame Lebensführung samt den entsprechenden Lebensmaximen, Alltagsvorstellungen und Praktiken, welche diese bestimmen (vgl. Reckwitz 2019: 114). Das Geflecht dieser Praktiken beschreibt er als einen nach außen hin wahrnehmbaren Stil des Lebens (vgl. Reckwitz 2019: 114). Die Klassen unterscheiden sich hinsichtlich Status, Prestige und dem Einfluss, welcher sich auf die Gesellschaft auswirken kann, jedoch deutlich voneinander (vgl. Reckwitz 2019: 116).

Die Spätmoderne markiert durch die Prozesse der Kulturalisierung und der Singularisierung den Anfang einer neuen Klassengesellschaft (vgl. Reckwitz 2017: 276). Reckwitz teilt die Spätmoderne im Allgemeinen in eine Drei-Drittel-Gesellschaft ein: einer aufsteigenden, hochqualifizierten neuen Mittelklasse von Akademikern, einer stagnierenden, alten oder traditionellen Mittelklasse und einer absteigenden, neuen Unterklasse, welche er auch prekäre Klasse nennt (vgl. Reckwitz 2019: 121). Überdies gibt es noch eine vierte Klasse, die Oberklasse. Sie verfügt über das höchste ökonomische Kapital aller Klassen und zeichnet sich vor allem durch ihre globale Mobilität aus (vgl. Reckwitz 2019: 184). Lediglich ein Prozent der Bevölkerung gehören Reckwitz‘ Schlussfolgerung nach der Oberklasse der Gesellschaft an. Er betont, dass eine Fokussierung auf diese Minderheit unnütz sei, da dies bedeute, dass die anderen 99 Prozent der Bevölkerung außer Acht gelassen werden würden (vgl. Reckwitz 2019: 111). Reckwitz beschreibt, dass eine Polarisierung der Klassen in der Spätmoderne vorherrschen würde, da bestimmte Klassen in der Spätmoderne langfristig aufsteigen, während andere absteigen (vgl. Reckwitz 2019: 121). Damit ist die spätmoderne Gesellschaft beides zugleich: Abstiegs- und Aufstiegsgesellschaft, je nachdem, welche soziale Gruppe betrachtet wird (vgl. Reckwitz 2019: 122).

Lebensmaxime der Spätmoderne

Was in der industriellen Moderne als Lebensstandard für alle Mitglieder der Gesellschaft galt, wird laut Reckwitz in der Spätmoderne von neuen Maßstäben der Lebensqualität überlagert. Die Suche nach authentischen Erfahrungen, sei es im Beruf, im Privatleben oder in der Freizeit, wird zum Leitmotiv der neuen Mittelklasse (vgl. Reckwitz 2017: 104). Dies wiederum ist eine entscheidende Voraussetzung für die Kultur der Besonderheit der Spätmoderne (vgl. Reckwitz 2017: 18). Für Reckwitz steht fest, dass die Lebensform der neuen Mittelklasse damit von den Imperativen der Singularisierung geprägt ist. Damit meint er, dass alles, was das Leben ausmacht, nicht standardisiert, sondern einzigartig, besonders und authentisch sein soll. Sei es die Wohnung, der Beruf, der Freundeskreis, die Schule oder das nächste Reiseziel. Alles soll das Leben in sich wertvoll machen (vgl. Reckwitz 2019: 157).

Reckwitz erklärt, dass die Singularisierung den Prozess beschreibt, in dem die Individuen nicht nach dem Gleichförmigen und Standardisierten streben, sondern nach dem Individuellen, dem Besonderen und Nichtaustauschbaren – vom besonderen Wohnviertel bis zur maßgeschneiderten beruflichen Tätigkeit. Nur was als singulär erlebt wird, scheint authentisch. Ein kultureller Wandel findet innerhalb der Gesellschaft statt, wobei die individuelle Selbstentfaltung zunehmend in den Mittelpunkt der eigenen Lebensgestaltung tritt und sich langsam abgewandt wird von Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu Selbstentfaltungswerten (vgl. Reckwitz 2019: 364 f.). An die Stelle der Massenproduktion der industriellen Moderne treten demnach zunehmend einzigartige und singuläre Dinge, welche nicht für alle gleich, sondern immer einzigartig und besonders sein sollen. Singularisierung, ferner das Streben nach Einzigartigkeit und nach dem Außergewöhnlichen ist nicht nur der subjektive Wunsch eines Einzelnen, sondern die gesellschaftliche Erwartung. Es findet ein ökonomischer Strukturwandel innerhalb der Gesellschaft statt und der industrielle Kapitalismus wandelt sich in der Spätmoderne hin zu einem Kulturkapitalismus (vgl. Reckwitz 2017: 7 f.). Es ergibt sich ein sehr hoher Anspruch des spätmodernen Subjekts an die Gestaltung des eigenen Lebens, denn es strebt fortwährend nach Selbstentfaltung. Sämtliche Segmente des Alltagslebens sollen daher emotional erfüllend und subjektiv sinnstiftend sein (vgl. Reckwitz 2019: 361).

Resümee Position Reckwitz

Es wurde bereits erläutert, dass Marken innerhalb einer Gesellschaft als Kommunikationsmedium dienen können, da anhand von ihnen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder auch ein bestimmter Lebensstil ausgedrückt und nach außen kommuniziert werden kann. Die Marke als Symbol dient einer Person demnach sein Bedürfnis nach Darstellung der eigenen Identität im sozialen Feld, nach Prestige und Anerkennung zu verdeutlichen. Für die Mitglieder der Spätmoderne zählen Reckwitz‘ Auffassung nach vornehmlich Sinnbilder, welche sie selbst kreiert haben. Indem die Bedeutungen von Marken, so wie Reckwitz sie beschreibt, zunehmend individuell konstruiert und hervorgebracht werden, verlieren sie jedoch an symbolischer sowie universeller Bedeutung. Ist dies der Fall, kann die Marke innerhalb der Gesellschaft nicht mehr als allgemein anerkanntes Symbol von Exklusivität fungieren. Für ein besseres Verständnis lässt sich ein Vergleich mit der von dem Philosophen Ludwig Wittgenstein eingeführten Privatsprache heranziehen. Das Privatsprachenargument von Wittgenstein ist eine sprachphilosophische Darlegung, die verdeutlicht, warum es einem Menschen nicht möglich ist, eine Sprache zu erfinden, die prinzipiell kein anderer außer der Sprecher selbst verstehen kann. Die Privatsprache ist folglich eine nur vom Sprecher verstehbare Sprache (vgl. Brockmeier 2022: o.S.). Übertragen auf die symbolische Signifikanz der Marke bedeutet dies, dass diese an Wert und Ausdruckskraft verliert, wenn sie für jedes Mitglied der Gesellschaft eine eigene und individuelle Bedeutung trägt. Kurzum: Sofern die Marke für jedes Individuum der Spätmoderne eine individuelle Bedeutung trägt, stellt sich die Frage nach ihrer Wirksamkeit. Die aus Reckwitz‘ kultursoziologischer Theorie gewonnen Kenntnisse können nun in Bezug zu der zu untersuchenden Forschungsfrage dieser Arbeit gesetzt werden und der Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke als lösend im Zeitalter der Spätmoderne interpretiert werden. Von einer vollkommenen Auflösung zwischen dem Habitus und der Marke kann jedoch nicht gesprochen werden, schließlich beschreibt auch Reckwitz die Lebensmaxime der Individuen, welche sie klassenspezifisch leiten und damit auch die habituierenden Eigenschaften, welche den Markenkauf bestimmen.

Es wurden die beiden Theorien von Bourdieu und Reckwitz in ihren entscheidendsten Aspekten wiedergegeben, sowie die jeweiligen Positionen in Bezug auf die zu untersuchende Frage begründet. Damit wurde das theoretische Fundament zur Beantwortung der Forschungsfrage geschaffen. Es kann nun mit der kritischen Reflexion, sowie der Übertragung der Theorien ins Gegenwärtige begonnen werden.

Kritische Reflexion

Neben Begeisterung und Lob finden sich in der Fachliteratur auch Einwände und Zweifel an der Theorie Bourdieus und einhergehend auch dem – im Fokus dieses Artikels stehenden – Habitus Modell. Die Kritik ist vornehmlich darauf angelegt, dass sich die von Bourdieu dargelegte Verknüpfung von Individuum und Gesellschaft nicht beweisen lässt. Die Soziologin Katharina Liebsch betitelt den Habitus als ein begriffliches Korsett, in welchem weder Veränderungen noch Auswege Platz hätten. Der Habitus produziere Ordnungen und Handlungsspielräume, bewege sich zwischen Zwang und Ermöglichung und verfestige gleichermaßen alte und neue Praxisformen innerhalb der Gesellschaft. Darüber hinaus stellt sie fest, dass sich gesellschaftlicher Wandel mit der Theorie des Habitus nicht hinreichend erklären lässt. Vielmehr betone der Begriff Habitus die Kontinuität der bereits vorhandenen Strukturen innerhalb der Gesellschaft (vgl. Liebsch 2016: 95).

Eine gegensätzliche Position zu Bourdieu und Reckwitz nimmt der deutsche Soziologe Ulrich Beck ein. Beck ist ein Vertreter der Individualisierungsthese und betont demzufolge in seinem Werk: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne die vollkommene Freisetzung des Individuums aus kollektiven Bindungen und damit die Loslösung von einer gesellschaftlichen Ordnung durch Klasse und Stand (vgl. Beck 2016: 52 f.). Beck schlussfolgert, dass die Individuen der gegenwärtigen Gesellschaft die eigene Biografie kontinuierlich selbst herstellen und inszenieren müssen (vgl. Abels 2017: 370). Reckwitz spricht im Gegensatz zu Beck davon, dass sich in der spätmodernen Ökonomie eine massive Klassenspaltungen aufgetan hätte, in der sich die neue Mittelklasse im Zuge von Polarisierungsprozessen einer zunehmend prekären Unterklasse gegenübersteht.

Reckwitz öffnet mit seiner Theorie den Blick auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse der Spätmoderne und ermöglicht überdies das Durchdenken verschiedener gesellschaftlicher Szenarien. Dass Reckwitz ein guter Begriffsbilder ist, stellt auch der Soziologe Wolfgang Knöbl fest. So schreibt er über Reckwitz‘ Werk: „Unbestreitbar ist, dass ihnen eine Fülle von neuen Einsichten, zum Teil brillanten Beschreibungen und glänzenden Formulierungen geboten wird“ (Knöbl: 2017, o.S.). Jedoch merkt Knöbl an, dass sich bei Reckwitz keine Gesellschaftstheorie mit globalem Anspruch finden lasse. Er ist überzeugt, dass sich eine Kulturtheorie der Moderne nicht auf die westliche Gesellschaft beschränken könne. Reckwitz treffe jedoch fataler Weise Aussagen über die Gesellschaft der Moderne in globaler Hinsicht (vgl. Knöbl: 2017, o.S.). Indem Reckwitz sich bewusst dafür entscheidet, seinen Fokus auf die Betrachtung der Dynamiken der neuen Mittelklasse zu setzen, nimmt er wollend in Kauf, nicht alle Mitglieder der Gesellschaft in seine Überlegungen miteinzuschließen. Als Begründung führt er wiederholt das Argument an, dass die Mitglieder der neuen Mittelklasse hauptverantwortlich für die Veränderungsprozesse der Spätmoderne seien. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch, dass Reckwitz den Gesellschaftsmitgliedern der anderen Klassen und damit nach seiner eigenen Rechnung mehr als zwei Drittel der Gesellschaft wenig bis kaum Aufmerksamkeit in seinen Arbeiten widmet. Es kann Reckwitz hier dementsprechend der Vorwurf gemacht werden, dass er mit seiner Theorie ausschließlich einen kleinen Teil der Gesellschaftsmitglieder betrachtet. Der Soziologe Ulrich Bröckling fügt anfechtend hinzu, dass Reckwitz‘ ausgeprägter Drang zur gesellschaftstheoretischen Synthese als problematisch anzusehen sei. In Bröcklings Worten: „Die beträchtliche Flughöhe sorgt für Übersicht, lässt das Panorama aber, bei aller Differenziertheit, vielleicht auch allzu geordnet erscheinen. Was quer zu den großen Linien steht, bleibt dann unterbelichtet“ (Bröckling 2019: o.S.).

Es lässt sich darüber debattieren, ob die Einteilung von Personen in eine klassentypische Struktur der Gesellschaft, so wie neben Bourdieu auch Reckwitz dies in seiner Theorie vornimmt, angemessen, sinnvoll und zeitgemäß ist. Knöbl diskutiert, ob es im Zeitalter der Singularitäten zeitgemäß sei, von sozietären Allgemeinheiten wie Klassen zu sprechen (vgl. Knöbl 2017: o.S.). Reckwitz begründet dagegen, dass sich die sozialen Großgruppen in der Spätmoderne nicht aufheben würden. Er betont, dass die Transformation von Ökonomie und Kultur in Richtung des kulturellen Kapitalismus soziale Klassen deutlich sichtbar werden lasse (vgl. Reckwitz/Jessen 2020: o.S.). In der Fachliteratur wird jedoch argumentiert, dass die gegenwärtigen Lebensmilieus der Gesellschaftsmitglieder immer komplexer werden und dass die Vielfalt der Lebensweisen zunehme. Milieus fassen jene Personen zu Gruppen zusammen, die in ihren Werthaltungen, Einstellungen und Meinungen übereinstimmen (vgl. Hradil 2016: 268).  Hradil erläutert, dass die Pluralisierung von Milieus und Lebensstilen in der heutigen Gesellschaft stetig zunehme. Zudem erklärt er, dass sich die Verknüpfung zwischen ungleichen, insbesondere schichtspezifischen Lebensbedingungen einerseits und milieu- bzw. lebensstilspezifischen Lebensweisen andererseits gelockert habe (vgl. Hradil 2016: 270 f.). Reckwitz‘ Generalisierung, alle Personen, die einer Klasse zugehörig sind, würden eine gemeinsame Lebensführung samt den entsprechenden Lebensmaximen, Alltagsvorstellungen und Praktiken teilen, lässt sich hier abermals anzweifeln. Auch fehlen hierfür in Reckwitz‘ Theorie die empirischen Belege, welche diesen Sachverhalten nachdrücklich stützen würden. Hradil betont ergänzend: „Auch wenn man die Bevölkerung nur grob einteilt, muss man heute eine ganze Reihe von verschiedenen sozialen Milieus und Lebensstilgruppen auseinanderhalten“ (Hradil 2016: 271).

An dieser Stelle greift der Vorwurf, dass Reckwitz mit seiner groben Einteilung der Gesellschaft der Spätmoderne in drei etwa gleich große Klassen und eine sehr kleine Oberschicht eine Reihe von verschiedenen sozialen Milieus und Lebensstilgruppen außer Acht lässt. Maurizio Bach fügt kritisierend hinzu, dass bei Reckwitz‘ Werk unausgeführt bliebe, wie oder woher er seine Einsichten über die Werte, Orientierungen und Empfindungen der jeweiligen Klassenschichten gewinne. Zwar erweitere Reckwitz das Klassenschema um einige neue deskriptive Dimensionen, nämlich um die der kulturellen Praktiken. Darunter fallen zum Beispiel Konsum, Freizeitgestaltung, Bildung, Beziehungen und politische Orientierungen. Auf eine empirische Forschung dazu stütze Reckwitz sich jedoch selten und unzureichend (vgl. Bach 2020: o.S.). Nachdem die Werke kritisch reflektiert wurden, gilt es nun, mit der fortführenden Übertragung beider Theorien ins Gegenwärtige zu beginnen. Das Anbringen von Beispielen hilft dabei, eine neue Position in Bezug auf die zu untersuchende Forschungsfrage begründen und darlegen zu können, sowie diese zu diskutieren und von verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.

Erkenntnisse und Übertragung ins Gegenwärtige

Es wurde sich zu Beginn dieser Arbeit die Frage gestellt, ob sich die Gewohnheiten und Vorlieben einer Person stets anhand ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse begründen lassen. Von dem Kaufverhalten einer Person auf ihre Klassenzugehörigkeit zu schließen, scheint im Zeitalter der Spätmoderne kaum mehr möglich zu sein. Festzuhalten ist jedoch, dass Personen, die einem gleichen sozialen Milieu angehören, ihre Umwelt und damit auch Marken in ähnlicher Weise interpretieren und gestalten. Rommerskirchen verdeutlicht, dass Personen der Popkultur als Symbole damit beispielsweise milieuspezifische Gefühle der Sympathie oder der Antipathie auslösen (vgl. Rommerskirchen 2017: 227 f.). Als Unterscheidungsmerkmal der Mitglieder der drei von Bourdieu bestimmten Klassen bestimmt er den legitimen Geschmack. Dieser bewirkt, dass die Mitglieder der einzelnen Klassen unter sich bleiben, was wiederum dazu führt, dass sich die Herrschaftsverhältnisse innerhalb der Klassen und damit der Gesellschaft insgesamt stabilisieren (vgl. Thieme 2016: 241). Auch gegenwärtig lässt sich feststellen, dass Luxuskonsum zur Distinktion gegenüber anderen Gesellschaftsmitgliedern eingesetzt wird. Hellmann erläutert, dass sich soziale Ungleichheit noch immer am Besitz bestimmter Marken ablesen lässt (vgl. Hellmann 2003: 430 f.). Dennoch scheint die Bedeutung der Luxusgüter mit der allgemeinen Zunahme des Wohlstands in den westlichen Gesellschaften seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Hintergrund getreten zu sein (vgl. Chikhoune 2017: 40).

Im 21. Jahrhundert und damit in der Zeitepoche der Spätmoderne lässt sich als Folge des Eintretens der Globalisierung und der Digitalisierung das Verschieben sowie die Aufhebung der sozialen, wie kulturellen Grenzen in der westlichen modernen Gesellschaft deutlich erkennen (vgl. Reitz 2017: o.S.). Weiterhin unterstützt auch das nachfolgende weitere Beispiel, dass eine Bestimmung und Einteilung einer Person in eine bestimmte Klasse, anhand des Besitzes bestimmter Marken gegenwärtig andauernd schwieriger wird. Die Gesellschaftsmitglieder der westlichen spätmodernen Gesellschaft sehen sich mit immer mehr Umweltkatastrophen konfrontiert. Der internationale Klimaschutz ist als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzusehen. Im gegenwärtigen Zeitalter spielt die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit daher eine zentrale Rolle (vgl. Gutjahr 2019: 175). Nachhaltigkeit wird hier verstanden als Herausforderung, die sich aus dem Wachsen der Weltbevölkerung, aus Klimawandel und Verknappung von Ressourcen wie Wasser und Anbauflächen ergibt. Daneben sind die Digitalisierung und auch der Wertewandel Megatrends, welche enorme Auswirkungen auf das Verhalten von Konsumenten haben. Stefan Hoffmann und Payam Akbar erklären, dass es in den reichen Industrienationen deshalb für viele Menschen immer wichtiger wird, ihr Konsumverhalten so zu gestalten, dass sie dabei die eigene Gesundheit schützen und der natürlichen Umwelt möglichst wenig Schaden zufügen (vgl. Hoffmann/Akbar 2016: 201). Als Folge dessen, sowie zusätzlich der Sättigung an Konsumgegenständen entscheiden sich immer mehr Menschen für den beabsichtigten Konsumverzicht, das heißt sie schränken ihr Konsumverhalten bewusst und freiwillig ein. Die Einordnung einer Person anhand ihres Besitzes bestimmter Marken in eine Klasse und damit soziale Schicht scheint auf diese Menschen infolge des Konsumverzichts nicht mehr anwendbar zu sein. Es lässt sich darüber hinaus heutzutage vermehrt feststellen, dass sowohl höchst ausgebildete Akademiker als auch Arbeiter ihren Wocheneinkauf in den gleichen Supermärkten tätigen und einhergehend einen ähnlichen Geschmack teilen. Es ist nicht untypisch, dass sich in Folge dessen beide für die gleichen Marken entscheiden. Vermehrt ist in der Fachliteratur von dem hybriden oder auch dem paradoxen Konsumenten die Rede. Kennzeichnend für diesen Konsumtypus ist ein ambivalentes Konsumverhalten. Der paradoxe Konsument ist ein multioptionaler Konsument, der verschiedene paradoxe Ziele verfolgt, indem er zum Beispiel gleichzeitig Wert auf Nachhaltigkeit legt und trotzdem günstig einkauft (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 188). Vorhersagen über das mögliche Kaufverhalten in Bezug auf den Markenkauf einer Person scheinen als Folge dessen steigend schwieriger zu werden und sich zunehmend von der Klassenzugehörigkeit einer Person zu lösen. Gert Gutjahr betont beigeschlossen, dass die Individuen der heutigen modernen Gesellschaft eine Art Patchwork-Identität oder auch Floating-Identität besitzen würden. Charakteristisch für den spätmodernen Menschen sei sein Streben danach, alles frei, spontan, unabhängig und selbstbestimmt entscheiden zu können. Dies liege an der Lust an Selbstbestimmung und an der ich-bezogenen Erschaffung von Wirklichkeit (vgl. Gutjahr 2019: 115).

Viele Wissenschaftler teilen die Auffassung von Reckwitz, dass der spätmoderne Mensch sich mit dem Erwerb bestimmter Marken selbst authentisch erleben möchte. So auch Gutjahr, welcher schildert, dass die jeweilige Wahl des Markenartikels als Zugangsmöglichkeit zu wichtigen Ressourcen, wie zum Beispiel dem Anschluss an eine Gruppe, dient. Der spätmoderne Konsument suche die mit der Marke verbundene Idee und konsumiert diese, wenn sie mit einer attraktiven Gefühlswelt verbunden ist (vgl. Gutjahr 2019: 130). Des Weiteren beschreibt er, dass die Menschen der gegenwärtigen Moderne durch eine gemeinsame Lebenswelt verbunden sein möchten. Toleranz und Interesse zeigen Personen ihrem Gegenüber immer dann, wenn diese ihren eigenen Geschmack teilen (vgl. Gutjahr 2019: 116). Hier lässt sich eine Symbiose zu Bourdieus Theorie ausmachen, welcher ebenfalls die Verbundenheit der Akteure aufgrund eines geteilten Geschmacks beschreibt.

Einleitend in diese Arbeit wurde dargelegt, dass der griechische Philosoph Aristoteles bereits 300 Jahre vor Christus den Menschen als ein soziales Lebewesen deklarierte, welches nach der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und der Anerkennung durch andere Individuen strebt. Das soziale Umfeld beeinflusst dementsprechend in starkem Maße die Entscheidungen und das Verhalten von Konsumenten und bedingt einhergehend auch den Markenkauf (vgl. Hoffmann/Akbar 2016: 140). Die Konsumenten präsentieren mit der Markenwahl gegenüber anderen ihre Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe mit einem eigenen Lebensstil (vgl. Rommerskirchen/Roslon 2020: 149). Es wurde ein differenzierter Blick in Bezug auf die vorangestellten Theorien und damit Positionen, auf welche sich diese Untersuchung zur Beantwortung der Forschungsfrage stützt, geschaffen. Dieser Schritt war maßgebend, um nun eine erweiterte Position begründen und die Forschungsfrage beantworten zu können.

Fazit und Ausblick

Es konnte mit dem vorliegenden Beitrag ein kritischer Blick auf das Thema der Markenwahl einer Person und deren Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht gebildet werden. Im Zentrum der Forschung stand die Frage, ob sich der Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke im gegenwärtigen Zeitalter der Spätmoderne auflöst. Durch die Analyse der beiden Theorien von Pierre Bourdieu und Andreas Reckwitz konnten zwei Denkansätze aufgezeigt werden, welche die theoretische Grundlage zur Beantwortung der Forschungsfrage bildeten. Bourdieu betont mit seiner Theorie den engen Zusammenhang zwischen der Klassenzugehörigkeit einer Person und deren Konsumstil. Unter dem Habitus versteht er ein System von Erzeugungsmustern, welches stets neue bestimmte Muster und Praktiken generiert. Der Habitus erklärt darüber hinaus die Vorlieben, sowie Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster einer Person und bestimmt die individuelle Position innerhalb der Gesellschaft. Dadurch vermittelt der Habitus einem Individuum fortwährend ein Gefühl darüber, welche Marke zu einem passt und welche nicht. Die Markenwahl einer Person ist für Bourdieu damit klarer Ausdruck des Habitus und der Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke ist unmissverständlich gegeben. Auch wenn Bourdieus Theorie vor mehr als 30 Jahren verfasst worden ist, bestätigt sich anhand dieser Forschung, dass einige Aspekte an Relevanz nicht verlieren, andere jedoch ergänzt und weitergedacht werden müssen.

Diese Aktualisierung von Bourdieus Theorie lässt sich vor allem an Reckwitz‘ Werk festmachen. Durch die Analyse seiner Theorie konnte ein neuer Blick auf die Untersuchung der Forschungsfrage generiert werden. Es konnte die Erkenntnis aus Reckwitz‘ Theorie gewonnen werden, dass Marken im Zeitalter der Spätmoderne als immer wichtiger angesehen werden, um der eigenen Lebensgestaltung Ausdruck zu verleihen. Sie sollen den persönlichen Lebensstil bereichern und die Repräsentation der eigenen sozialen Identität ermöglichen. Individuen begreifen und interpretieren Marken als konstruierte Symbole immer dann gleichermaßen, sofern sie eine gemeinsame Lebenswelt teilen, in dieselbe Kultur eingebunden sind und dieselbe Sozialisation genossen haben. Die identische Bewertung einer Marke hängt infolgedessen mit der Sozialisation einer Person zusammen. Gleichzeitig zählen für die Gesellschaftsmitglieder der Spätmoderne Reckwitz‘ Auffassung nach vornehmlich Sinnbilder, welche sie selbst kreiert und mit Bedeutungen aufgeladen haben. Konkludierend bedeutet dies, dass die Marke, sofern sie für jedes Individuum der Spätmoderne eine individuelle Bedeutung trägt, nicht mehr als Symbol fungieren kann und damit an universeller Wirksamkeit innerhalb einer Gesellschaft verliert. Die aus Reckwitz‘ kultursoziologischer Theorie gewonnen Kenntnisse lassen darauf schließen, dass sich der Zusammenhang zwischen dem Habitus und der Marke im Zeitalter der Spätmoderne voneinander löst. Es kann schließlich jedoch aus Reckwitz‘ Perspektive von keiner vollkommenen Auflösung zwischen dem Habitus und der Marke gesprochen werden, denn auch er beschreibt die habitualisierten Handlungen und Eigenschaften eines Individuums, welche den Markenkauf bedingen.

Einer der Hauptkritikpunkte, welche gegen das Habitus-Modell von Bourdieu hervorgerufen werden, ist, dass sich die von ihm dargelegte Verknüpfung von Individuum und Gesellschaft nicht beweisen ließe, ebenso wie gesellschaftlicher Wandel. Kritik in Bezug auf Reckwitz‘ Theorie wird vornehmlich dahingehend angefertigt, dass empirischen Daten und Statistiken fehlen, um die Feststellungen in seiner Theorie zu belegen. Zudem konzentriert Reckwitz sich bei seinen Analysen auf das wesentliche Betrachten der Mitglieder der neuen Mittelklasse. Hier greift der Vorwurf, dass Reckwitz mit seiner Theorie nicht alle Mitglieder der Gesellschaft betrachtet. Auch argumentieren einige Wissenschaftler, dass damit von einer Gesellschaftsanalyse mit globalem Anspruch nicht die Rede sein könne. Gegen Reckwitz‘ Einteilung der spätmodernen Gesellschaft in drei etwa gleich große Klassen und eine sehr kleine Oberschicht wird der Einwand vorgebracht, dass er damit eine Reihe von verschiedenen sozialen Milieus und Lebensstilgruppen außer Acht ließe.

Die Erklärung Bourdieus, anhand des Mobiliars eines Individuums ließe sich stets auf die Klassenzugehörigkeit schließen, wird durch die flächendeckende Angleichung der Konsumstile im Zeitalter der Spätmoderne entkräftet. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich die Zugänge zum kulturellen Kapital im Zeitalter der Spätmoderne verschoben haben. Als Folge des Eintretens der Globalisierung und der Digitalisierung lässt sich im 21. Jahrhundert die Aufhebung sozialer und kultureller Grenzen in der westlichen Gesellschaft feststellen. Die Menschen gleichen sich einander an und die von Bourdieu betonte Trennung der Gesellschaftsmitglieder in verschiedene Klassen und differenzierte Geschmäcker scheint sich im aktuellen Zeitalter für die westliche Gesellschaft zu lösen.

Aus der Darlegung und den damit einhergehenden Analysen der Positionen von Bourdieu und Reckwitz geht hervor, dass von keiner gänzlichen Auflösung des Zusammenhangs zwischen dem Habitus und der Marke in der Spätmoderne gesprochen werden sollte. Für beide Soziologen hängt der Markenkauf stets mit der Klassenzugehörigkeit eines Individuums und gleichzeitig auch mit dem Habitus zusammen. Die Kontingenz bei der Entscheidung des Markenkaufs darf bei der Beantwortung der Forschungsfrage jedoch nicht unbeachtet bleiben. Es konnte dargestellt werden, dass sich ein Individuum anhand des Markenkaufs nicht immer und unmissverständlich einer gesellschaftlichen Klasse oder Schicht zuordnen lässt.

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