Das Ziel des vorliegenden Fachartikels ist es, zwei aktuelle Bereiche mittels quantitativer Erhebungsmethoden auf mögliche Zusammenhänge hin zu überprüfen: Das alternative Finanzierungsmodell des Crowdfunding und das des Storytellings. Crowdfunding ermöglicht es Start-Ups und Kreativen ihre Ideen mit Hilfe eines Pitch-Videos auf einer Crowdfunding-Plattform zu präsentieren, um so um Unterstützer zu werben. In Zeiten der Reiz- und Botschaftsüberflutung müssen potenzielle Unterstützer gezielt angesprochen werden, damit sie spenden. Die Lösung könnte das Storytelling sein. Demzufolge beantwortet die vorliegende Arbeit primär die Frage nach der Relevanz von Geschichten in Pitch-Videos auf die Spendenbereitschaft der potenziellen Unterstützer. Damit überprüft werden kann, ob es Unterschiede im Grad der Beeinflussung der Spendenbereitschaft bei emotionalen und rationalen Botschaften gibt, wurden die idealtypischen Handlungstypen des Homo oeconomicus und Homo sociologicus verwendet. Die Auswertung der Befunde ergibt, dass Storytelling bei emotionalen und rationalen Unterstützern lediglich einen geringen Einfluss auf deren Spendenbereitschaft nimmt. Auffällig ist das abweichende Verhalten beider Handlungstypen, von dem im der Theorie beschriebenen Verhalten. Vor allem der Homo oeconomicus erweist sich im Kontext des Crowdfunding als nicht annähernd so konsequent nutzenmaximierend und rational, wie die Theorien dies erwarten ließen.
Das Erzählen von Geschichten ist so alt, wie die Menschheit selbst und damit eine der ältesten Kommunikationsformen, denn „Geschichten sind (…) eine höchst ökonomische Art, mit der Komplexität der Welt umzugehen.“ (Simon, 2004, S. 179). Schon weit vor unserer Zeitrechnung wurden Lebens- und Jagdgeschichten in Form von Höhlenbildern erzählt und so Erfahrungen weitergegeben. Geschichten haben in Form von Mythen und Sagen Einfluss auf die Kultur genommen, indem sie schon damals alle Bereiche anrissen, die heute in der modernen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen: Wissenschaft, Ethik, Recht und Religion. Wissenschaft, Ethik, Religion und Recht. Auf diese Weise belehrten sie die Menschen und gaben ihnen Lebens- und Verhaltensweisen vor (vgl. Frenzel/Sottong/Müller, 2006, S. 16).
Mythen und Sagen, Märchen und Fabeln, Legenden und Erzählungen befriedigen den Wunsch nach spannenden und unterhaltenden Geschichten, ermöglichen es, Werte und Wissen an nachfolgende Generationen weiterzugeben und tragen somit zur Bildung einer Kultur durch die Überlieferung von Erlebtem bei (vgl. Herbst, 2014, S. 14 f.). Auch in der modernen Welt faszinieren Geschichten in den vielfältigsten Formen. Ob als Urban Legends, worunter moderne Formen der Legenden verstanden werden (vgl. Herbst, 2014, S. 15) oder in Comics, Videoclips, Musikstücken, journalistischen Beiträgen oder der Werbung – Offline wie Online sind Geschichten allgegenwärtig (vgl. Herbst, 2014, S. 20).
Dabei gilt seit jeher: Je bildhafter und emotionaler eine Geschichte erzählt wird, umso aufmerksamer hören die Menschen zu und umso besser erinnern sie diese. Die Entwicklung des Menschen, die unlöslich mit Geschichten verwoben ist, macht aus dem Menschen ein „storytelling animal“ (Gottschall zitiert in Guldner, 2015, o.S.).
Von Geburt an daran gewöhnt Geschichten zu hören, kann der Mensch nicht anders, als diesen zu lauschen, sich auf sie einzulassen und aus dem Gehörten zu lernen (vgl. Guldner 2015, o.S.) Dies ist einer der Gründe, warum Geschichten derzeit eine Renaissance erfahren. Ob in der Werbung, Public Relation, Unternehmenskommunikation, dem Employer Branding oder in höchsten Managementkreisen: Das sogenannte Storytelling ist das neue Buzzword. Beim Storytelling wird versucht mittels Erzählen von Geschichten die eigene Botschaft emotional so aufzuladen, dass sich diese im Gehirn des (potenziellen) Konsumenten verankert und dieser dann bei Bedarf auf dieses Wissen zurückgreift.
Wenn das Storytelling in so vielen Bereichen der Kommunikation eine Wirkung entfaltet, stellt sich die Frage, welche Relevanz Botschaften für eine verhältnismäßig neue, erfolgreiche Finanzierungsalternative für Projekte hat: Dem Crowdfunding. Die Idee beim Crowdfunding ist es, dass – abgewickelt über das Web 2.0 – ein Vorhaben (= Funding) durch eine Crowd (= Menge / Masse) schnell und einfach realisiert wird (vgl. Harzer, 2013, S. 52). Im Vergleich zu klassischen Finanzierungsquellen, bei denen Banken die benötigte Summe zur Verfügung stellen, stammt das benötigte Kapital hier in Form von kleinen Beiträgen von einer Vielzahl von Einzelpersonen (vgl. Assenmacher, 2017, S. 5). Somit haben auch Projekte, die lediglich ein geringes Finanzierungsvolumen haben und für Banken uninteressant sind, eine Chance auf Finanzierung, wenn sie es schaffen, die Crowd zu überzeugen (vgl. Für Gründer, o.J., o.S.). Die Projekte werden auf Crowdfunding-Plattformen mittels sogenannter Pitch-Videos vorgestellt. Potenzielle Unterstützer können individuell entscheiden, welches Projekt sie mit einem bestimmten Betrag unterstützen möchten. Die gespendete Summe ist explizit nur für das vom Unterstützer ausgewählte Projekt vorgesehen und muss vom Kapitalsuchenden dementsprechend verwendet werden (vgl. Assenmacher, 2017, S. 5). Beim Crowdfunding müssen – wie in der klassischen Werbung – potenzielle Konsumenten von dem Projekt überzeugt werden. Der einzige Unterschied: Bei einem Großteil der Crowdfunding Projekte bekommt der Unterstützer keine oder nur eine immaterielle Anerkennung für seinen Beitrag. In einigen Fällen gibt es nach erfolgreichem Projektstart die Rückzahlung des Betrags, zum Teil sogar mit Zinserträgen. Dies ist jedoch ehr die Ausnahme, als die Regel. Projektinitiatoren müssen es schaffen, aus der Masse der Crowdfunding Projekte herauszustechen und zu überzeugen. Indem sie ihre Inhalte in für die Zielgruppe relevante und passende Geschichten verpacken kann ihnen dies gelingen.
Doch dafür müssen sie wissen, welche Botschaften diese ansprechen. Denn auch, wenn der Begriff Crowdfunding übersetzt werden kann als Schwarmfinanzierung – Im Vergleich zu einem Schwarm bei dem alle Mitglieder in eine Richtung schwimmen gibt es bei der Crowd eine Vielzahl von Beweggründen, die die einzelnen Unterstützer haben, weshalb sie ausgerechnet dieses Projekt unterstützen (vgl. Stadler et al., 2015, S. 1.238). Das heißt, dass es zwar ein gemeinsames Ziel gibt, dass verfolgt wird, jedoch jeder Unterstützer andere Motive für die getätigte Spende hat und demzufolge durch andere Botschaften bei der Kommunikation angesprochen wird. Daher muss, wenn ein Konzept für das Storytelling erstellt wird, Kenntnis darüber herrschen, welche Botschaft welchen Typen von potenziellem Unterstützer anspricht.
Die Forschungsfrage die sich daraus ergibt lautet: Welchen Einfluss nimmt das Storytelling auf die Spendenbereitschaft von emotionalen und rationalen Spendern im Crowdfunding?
Zwei Handlungstypen: Homo oeconomicus vs. Homo sociologicus
Um diese Forschungsfrage beantworten zu können, werden die zwei divergierenden Menschenbilder der Soziologie hinzugezogen: Das des rationalen Homo oeconomicus und das des emotionalen Homo sociologicus.
Denn bevor Menschen Produkte kaufen, spielt sich in ihnen ein Entscheidungsprozess ab. Genau für solche Entscheidungen bieten die Sozialwissenschaften diese zwei idealtypischen, divergierenden Modelle von Handlungstypen. Diese beiden Handlungstypen werden als Idealtypen des Handelns begriffen (vgl. Weber, 2008, S. 14). Für Weber umfasst dieser Begriff Ausschnitte der sozialen Wirklichkeit, die geordnet werden, indem wichtige Aspekte, die typisches Verhalten von Menschen kennzeichnen, hervorgehoben und überzeichnet werden. Dieser Ausschnitt wird als Idealbild verstanden, welches sich vom empirisch durchschnittlichen Realtypus abhebt (vgl. Hillmann, 1994, S. 348).
Beide Idealtypen von Menschenbildern verbinden soziologische Sichtweisen und ökonomische Theoriemodelle (vgl. Rommerskirchen, 2016, S. 231) und enthalten Vorstellungen über grundlegende Wesensmerkmale von Menschen. Sie ermöglichen es, für wissenschaftliche Zwecke Individuen bei alltäglichen Handlungsentscheidungen einem der beiden Typen zuzuordnen.
Der Homo oeconomicus ist ein rein nutzenmaximierender Akteur, der ausschließlich wirtschaftlich denkt und die Fähigkeit zu uneingeschränkt rationalem Verhalten besitzt. Er ist zwar Teil einer Gemeinschaft, seine Handlungsorientierung ist jedoch stets konsequent an der Nützlichkeit ausgerichtet. Gedanken der klassischen und neoklassischen Wirtschafstheorie liegen hier zugrunde: Gewinnmaximierung ist nur möglich, dank lückenloser Information über jede irgendwie bestehende Entscheidungsalternative, gepaart mit dem exakten Wissen über jegliche Konsequenzen des Handelns und fehlerfreier Informationsverarbeitung. Der Mensch in diesem Modell kommt dank Einbeziehung aller Faktoren zu perfekten rationalen Entscheidungen und verhält sich uneingeschränkt rational (Rationalitätsprinzip). Nach diesem spielen weder Emotionen, äußere (sozialer Gruppendruck) noch innere Bedingungen (Hunger, Durst, körperliche Bedürfnisse) mit in die Entscheidung hinein.
Unter anderem aufgrund der Tatsache, dass eine solche Markttransparenz in der Realität niemals vorherrschen wird und, dass sich kein Mensch wie eine Rechenmaschine verhält, wurden die Annahmen dieses Modells immer wieder kritisiert, sodass diese Modell heute in seiner Reinform als überholt gilt. Dennoch soll es als Idealtypus herangezogen werden, um das Verhalten von Menschen in Bezug auf ihre Spendenbereitschaft zu analysieren.
Dem steht das Menschenbild des Homo sociologicus konträr gegenüber. Dieses von Dahrendorf konzipierte Modell sieht den Menschen als soziales Wesen, umgeben von verschiedenen Bezugsgruppen, das sich den Werten, Normen und Erwartungen der Gesellschaft beugen muss, denn „[k]einen Schritt können wir gehen, keinen Satz sprechen, ohne daß zwischen uns und die Welt ein Drittes tritt, das uns an die Welt bindet und diese bei den so konkreten Abstraktionen vermittelt: die Gesellschaft.“ (Dahrendorf, 2006, S. 21). Somit wird dessen Verhalten innerhalb der Gesellschaft durch die verschiedenen Beziehungen geprägt und beeinflusst, die er zu anderen Personen und Gruppen hat. Deren Erwartungen richten sich an die jeweiligen spezifischen Rollen des Individuums mit all ihren Pflichten, Rechten und Verhaltenserwartungen. Diese Rollen bezeichnet Dahrendorf als „ärgerliche Tatsache der Gesellschaft“ (Dahrendorf, 2006, S. 21) für den Homo sociologicus, da diese Rollen „Bündel von Erwartungen“ (Dahrendorf, 2006, S. 37) sind, die in der Gesellschaft quasi automatisch an das Verhalten des Rollenträgers geknüpft werden.
Für Dahrendorf ist der Menschen in der Gesellschaft weder nur Homo sociologicus noch nur Homo oeconomicus. Vielmehr möchte er die Autonomie des Individuums stärken, indem es zwar hohe Erwartungen der Gesellschaft an das Verhalten dieses gibt, die bei Fehlverhalten mit Sanktionen bestraft werden, es jedoch die Möglichkeit hat, sich bewusst autonom für oder gegen eine Handlung zu entscheiden. Jedes Individuum trägt die Verantwortung für sein Handeln selbst. Der Homo sociologicus lässt sich in seinen Entscheidungen von Emotionen, Präferenzen und Stimmungen leiten. Er entwirft Handlungspläne – und wirft diese wieder über Bord. Er agiert spontan, unvernünftig und das, obwohl er sich dessen bewusst ist. Dabei treiben ihn Motive wie Mitleid, Freundschaft und Barmherzigkeit. Einen großen Einfluss nimmt der Einfluss von Gruppen, denn beim Homo sociologicus hat das Ansehen einen hohen Stellenwert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Homo sociologicus seiner Natur entsprechend als soziales Wesen handelt (vgl. Rommerskirchen, 2016, S. 252).
Die Macht von Geschichten
Technologische Fortschritte, Megatrends, wie die Globalisierung und Digitalisierung, sowie gesellschaftliche Veränderungen machen es für Unternehmen und Marken immer schwerer, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Gesättigte Märkte, Produkte, die sich in ihrem Nutzen nur marginal von Konkurrenzprodukten unterscheiden und mehr als 10.000 Werbebotschaften, mit denen Konsumenten tagtäglich konfrontiert sind, sorgen für einen Information Overload, der Desinteresse oder Reaktanz zur Folge hat (vgl. Arnoldy, 2016, S. 2). Diese veränderten Rahmenbedingungen, die sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen haben, zwangen das klassische Marketing dazu, neue Wege zu gehen. Geschichten gelten als der einzige Zugangsweg.
Auch wenn Menschen instinktiv immer wussten, dass Geschichten wirken, ist es erst neuen Erkenntnissen aus verschiedenen Disziplinen, wie den Neurowissenschaften, der Soziologie und der Psychologie zu verdanken, dass fundierte Kenntnisse über die Wirkungsmechanismen des Storytellings vorliegen, die genutzt werden können, um Storytelling im Sinne eines ganzheitlichen Konzepts zu verstehen und zu nutzen.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist die, dass Geschichten Emotionen wecken. Beim Storytelling ist das Ziel nicht möglichst viele Informationen zu vermitteln, sondern Gefühle anzusprechen und Schlüsselinformationen zu vermitteln, die dann abgespeichert werden (vgl. Herbst, 2014, S. 28). Diese Emotionen wirken wie ein Turbo für das Lernen. Es ist das limbische System, das im Gehirn entscheidet, ob eine Information es wert ist ins Langzeitgedächtnis zu gelangen. Nützliche, subjektiv als bedeutsam bewertete und an bereits bestehende Erfahrungen und Emotionen anknüpfende Inhalte werden demzufolge schneller erlernt. Die Storytelling Maxime lautet somit: Je emotionaler, desto besser für Lernen und Handeln (vgl. Herbst, 2014, S. 32 f.).
Über Emotionen können Geschichten auch Einfluss auf Einstellungen und das Verhalten von Menschen nehmen. Denn wer emotional ist, lässt sich leichter beeinflussen, wodurch Inhalte schneller und leichter internalisiert werden (vgl. Krischke, 2015, S. 19). Diese sogenannten persuasiven Vorgänge spielen sich unbewusst ab und sorgen so dafür, dass die Glaubwürdigkeit von Botschaften gesteigert wird, denn diese werden nur bedingt als Werbebotschaften oder Konsumaufforderungen wahrgenommen. 95% aller Informationen werden unbewusst im sogenannten impliziten Bewusstsein verarbeitet, denn bewusstes Verarbeiten kostet viel Energie, weshalb der Mensch gerne auf bereits bewährte Lösungen für Probleme zurückgreift, um Ressourcen zu schonen (vgl. Herbst, 2014, S. 57).
Diese starken Emotionen lassen sich folgendermaßen erklären: Beim Hören von Geschichten erleben andere Menschen stellvertretend für den Zuhörer die Träume und Wünsche, die dieser nicht selbst leben kann, will oder darf. Diese Bildhaftigkeit ist einer der stärksten Wirkungsmechanismen im Storytelling: „Gesehen ist erlebt!“ (Herbst, 2014, S. 54). Bilder sind Schlüssel, um ins menschliche Gehirn zu gelangen. Denn Sinneseindrücke werden keinesfalls gleichberechtigt, sondern hierarchisch verarbeitet. So sind 60% der Tätigkeiten des Gehirns das Wahrnehmen, die Verarbeitung und die Speicherung von Bildern, denn über 80% aller Informationen nimmt der Mensch über die Augen auf (vgl. Gegenfurtner/Walter/Braun, 2002, S. 69). Soll Kommunikation also möglichst schnell gelingen, sind Bilder als „schnelle Schüsse ins Gehirn!“ (Kroeber-Riel, 1996, S. 53) gegenüber Texten eindeutig im Vorteil. Außerdem lassen sich Bilder leichter speichern, aktivieren stärker und emotionale Erlebnisse lassen sich besser vermitteln (vgl. Herbst, 2014, S. 62 f.).
Schaffen Geschichten es, die Zielgruppe miteinzubeziehen, dann lösen sie Beteiligung aus. Diese ist zurückzuführen auf Spiegelneuronen. Diese Nervenzellen sorgen dafür, dass Menschen sich in andere Menschen hineinversetzen und mitfühlen können, indem deren Gefühle innerlich reproduziert werden. Sie bilden somit die neuronale Basis für Mitgefühl und Empathie, die essenziell ist für das Entstehen von Beziehungen.
Hinzu kommt, dass Storys einen Entertainment-Effekt haben, wenn der Konsument in diese, ihm suggerierte Erlebniswelt eintaucht. In der Folge kann es dazu kommen, dass Beeinflussungspotenziale vom Konsumenten verkannt werden und die Reaktanz ausbleibt. Stattdessen kann die Story subtil Einfluss nehmen, sodass die Geschichte als angenehm empfunden wird und Botschaften besser verinnerlicht werden (vgl. Mangold, 2002, S. 42 ff.).
Des Weiteren sorgen Geschichten für Aufmerksamkeit. Interessanten Geschichten wird lieber zugehört, als neutral widergegebenen Informationen. Dadurch, dass sie Informationen in einen Kontext stellen, zeigen sie die Bedeutung von Informationen für den Konsumenten auf (vgl. Herbst, 2014, S.76 ff.).
Außerdem steigern Geschichten die Glaubwürdigkeit und sorgen für Vertrauen. Vertrauen, das als eine riskante Vorleistung bezeichnet wird, denn „wer Vertrauen erweist, nimmt Zukunft vorweg“ (Luhmann, 1989, S. 8) bildet die Basis für das Entstehen von Beziehung und Kundenbindung. Es kann leicht zerstört werden, wenn das, was versprochen wurde nicht eingelöst wird. Je mehr Informationen vorliegen und je transparenter die Ziele sind, um ehr entsteht ein Vorstellungsbild beim Konsumenten und in der Folge Vertrauen (vgl. Herbst, 2014, S. 176).
Empirische Überprüfung
Aus diesen Erkenntnissen der Theorie wurde die folgende Hypothese generiert: „Wenn rationale potenzielle Unterstützer ein rationales Pitch-Video gezeigt bekommen, dann werden sie ehr als emotionale Unterstützer dafür spenden.“
Um diese zu überprüfen, wurde eine quantitative Befragung durchgeführt. Beim gewählten Forschungsdesign handelt es sich um eine Querschnittstudie. Die Datenerhebung erfolgte über einen standardisierten Online-Fragebogen, an der die Befragten 14 Tage über einen Link teilnehmen konnten. Die Umfrage wurde mobile-optimiert und konnte in allen gängigen Browsern geöffnet werden. Die definierte Grundgesamtheit sind Merkmalsträger, deren getroffene Aussagen als Merkmalsausprägungen bezeichnet werden (vgl. Brosius/ Koschel/ Haas, 2009, S. 60). Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt willkürlich nach dem Schneeballprinzip.
Insgesamt erreichte die Umfrage 502 Personen, von denen 165 Personen die Umfrage komplett beendeten. Diese teilen sich auf in 87 Frauen und 74 Männer. Die fehlenden vier Befragten gaben ihr Geschlecht bei der Befragung nicht an. Von den Teilnehmern wurden 42% dem Handlungstypus des Homo oeconomicus zugeordnet und 47% dem des Homo sociologicus. 11% zeigten fehlende Werte auf.
Die empirische Erhebung brachte andere Befunde, als die aus dem Theorieteil abgeleitete Hypothese erwarten ließ. Beide Handlungstypen verhalten sich konträr zu dem, was aufgrund der Theorie im Vorfeld in Bezug auf das Verhalten antizipiert wurde. Denn es zeigt sich, dass mehr emotionale Unterstützer bereit sind, für das rationale Video zu spenden, als emotionale. Denn entgegen der Erwartungen, zeigen sich keine Unterschiede zwischen den Handlungstypen in der Spendenbereitschaft für das Video, dass die jeweils passende Botschaft für den Handlungstypus enthält. Bei beiden Handlungstypen liegt die Chance, dass gespendet wird bei 50%. Beim rationalen Video zeigt sich jedoch eine höhere Spendenbereitschaft beim Homo sociologicus als bei Homo oeconomicus, obwohl dieser der Theorie folgend emotionale Botschaften den rationalen vorziehen müsste.
Auch in der Höhe der Spende zeigen sich Unterschiede. Beim emotionalen Videostimulus geben die Befragten, die dem Typus des Homo oeconomicus zugeordnet werden, bevor sie das Video sehen an, bereit zu sein 48€ zu spenden. Nach Zeigen des emotionalen Videostimulus sinkt die Spendenbereitschaft auf 31€. Eine ähnliche, noch stärker ausgeprägte Tendenz zeigt sich beim Homo sociologicus. Hier liegt die Spendenbereitschaft vor dem Video-Stimulus bei 64€. Nach Betrachten des Stimulus fällt diese, um mehr als die Hälfte auf 30€. Dabei sollte beim emotionalen Stimulus der Theorie folgend vor allem der emotionale Spender bereit sein mehr zu spenden, da ihn die gezeigten Botschaften mehr ansprechen sollten.
Beim rationalen Stimulus liegt die Höhe der Spende beim Homo oeconomicus im Schnitt bei 37€. Danach sinkt sie auf 19€ – und damit noch um 11€ unter die Höhe, die dieser für das emotionale Video bereit ist zu spenden. Die Spendenhöhe des Homo sociologicus liegt vor dem Video-Stimulus genau wie beim emotionalen Video bei 64€. Hier sinkt die Höhe der Spende, zu der der Homo sociologicus für das konkrete rational dargestellte Projekt bereit ist, jedoch nicht auf 30€ sondern nur auf 39€. Dieses Video scheint ihm demzufolge entgegen der Theorie mehr zu überzeugen.
Auch das humorvolle Video folgt bei der Höhe der Spende den bereits geschilderten Verläufen der emotionalen und rationalen Video-Stimuli. Jedoch ist der Homo oeconomicus im Vergleich zu den Werten bei den anderen beiden Videos bereit deutlich höhere Beträge zu spenden.
Grundsätzlich ist der Homo sociologicus also für alle gezeigten Projekte vor dem Videostimulus im Schnitt bereit mehr zu spenden als der Homo oeconomicus. Sobald jedoch das konkrete Projekt gezeigt wird, sinkt bei beiden die Höhe der Spende. Jedoch zeigt sich der Homo oeconomicus sowohl beim emotionalen als auch beim humorvollen Projekt dazu bereit, mehr zu zahlen als der Homo sociologicus (Emotional: 2€ mehr, Humorvoll: 4€ mehr).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in Bezug auf das Storytelling keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Handlungstypen gibt. Die Forschungsfrage kann demzufolge wie folgt beantwortet werden: Storytelling nimmt auf emotionale und rationale Unterstützer im Crowdfunding lediglich einen geringen Einfluss auf die Spendenbereitschaft.
Doch dem Gedanken Poppers folgend, bringen nur solche Hypothesen einen Erkenntnisgewinn, die falsifiziert werden, denn nur dann liegt in Form einer Irritation ein wissenschaftlicher Neugewinn vor (vgl. Brosius/ Koschel/ Haas, 2009, S. 26). Diese Irritationen bei den Ergebnissen sollen deshalb diskutiert und mögliche Erklärungen gefunden werden.
Die Befunde beziehungsweise die Art, wie versucht wurde, diese zu erheben, sorgen dafür, dass eine seit jeher schwelende Grundsatzdebatte erneut entfacht wird: Die Frage danach, ob die gezeigten Inhalte überhaupt für jeden Befragten in gleichem Maße rational, witzig oder emotional sind und die verwendeten Video-Stimuli somit überhaupt geeignet sind. Nicht nur im Storytelling, sondern immer dann, wenn es um komplexe und diffuse Aspekte, wie Einstellungen, Überzeugungen und Emotionen geht, fällt es Forschern schwer, diese zu fassen. Es ist hochgradig anspruchsvoll, diese zu operationalisieren, da jedes Individuum beispielsweise Humor anders empfindet. Dies ist es, was es generell schwermacht, den Einfluss von Geschichten nachzuweisen. Denn zum einen sind Geschichten persuasiv, was bedeutet, dass derjenige nicht merkt, dass er beeinflusst wird. Das macht es in der Folge schwer, Einstellungs-und Überzeugungsveränderungen auf bestimmte Aspekte zurückzuführen, wenn den Befragten diese Veränderungen oftmals selber nicht bewusst sind. Zum anderen verarbeitet jeder Mensch Geschichten anders und reagiert auf verschiedenste Aspekte unterschiedlich stark. Demzufolge müssen diese Befunde mit Vorsichtig bewertet werden, denn wenn nicht jeder beispielsweise den als emotional deklariertem Video-Stimulus auch als emotional empfindet, verfälschen sich in der Folge die Befunde.
Doch auch generelle Kritik am Storytelling kann dabei helfen, die Befunde einzuordnen. Die im Storytelling als allgemeingültig angesehene Maxime, dass Werbung die Geschichten erzählt immer wirkungsvoller und überzeugender ist als solche, die lediglich Informationen und Fakten präsentiert, wird immer häufiger hinterfragt. Erste Ergebnisse zeigen, dass dies nur dann funktioniert, wenn Konsumenten während sie den Stimulus sehen, sich keine Gedanken über mögliche manipulative Absichten machen. Sind sich die Konsumenten hingegen über die manipulativen Absichten bewusst, kann es zu einem Reaktanzverhalten kommen – genau das, was mittels Storytellings versucht wird zu umgehen (vgl. Wentzel/ Tomczak /Herrmann, 2010, o.S.). In Bezug auf die Problematik der angesprochenen Grundsatzdebatte könnten die Ergebnisse demzufolge auch dadurch verfälscht worden sein, dass vor allem der emotionale Stimulus eine zu übertriebene und emotionale Komponente hatte, sodass die persuasive Beeinflussung zu offensichtlich wurde.
Des Weiteren zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der theoretischen Spendenbereitschaft im Szenario des Fragebogens und dem realen Spendenverhalten, wenn es nach dem Video-Stimulus um ein konkretes Projekt geht. Hier würde sich, um diese Tendenzen weiter zu überprüfen, ein Experiment anbieten, bei dem der potenzielle Unterstützer sich für ein Projekt entscheiden muss und dieses mit einer Spende aus seinem eigenen Vermögen unterstützten muss.
In Bezug auf die Stichprobe ist anzumerken, dass diese vom Umfang her recht klein ist. Vor allem die Erkenntnisse über mögliche Einflüsse der Theorien der Entscheidungsmechanismen auf Crowdfunding-Unterstützer fußten auf den Erkenntnissen vorangegangener Studien und waren relevant genug, um von den Autoren als Ausgangspunkt für weitere Forschung empfohlen zu werden. Diese Studien hatten jedoch deutlich größere Stichproben, sodass es sein kann, dass die Hypothesen in dieser Arbeit aufgrund der kleinen Stichprobengröße falsifiziert wurden.
Eine weitere Schwachstelle der Erhebung ist die kurze Laufzeit des Fragebogens. Sollten Teile der Studie repliziert werden, so sollte die Laufzeit von zwei Wochen auf mindestens zehn Wochen erhöht werden. Doch stellt sich die generelle Frage, ob eine Replikation sinnvoll ist. Wie bereits erwähnt, ist es schwer, komplexe und diffuse Aspekte wie Emotionen zu messen. Die Konstruktion eines neuen Messinstruments erweist sich hier als schwierig, da die gewählten Variablen und Items nie ganz eindeutig operationalisiert werden können. Jede Operationalisierung ist nur eine Möglichkeit unter vielen das jeweilige übergeordnete Konstrukt zu erfassen, wodurch Fehler entstehen und falsche Rückschlüsse gezogen werden können.
Aufgrund der Abweichungen beim Verhalten des Homo oeconomicus, die die Befragung ergeben haben, sollte das Konzept des Homo oeconomicus im Crowdfunding grundsätzlich in Frage gestellt werden. In diesem Kontext zeigt er sich als nicht annähernd so konsequent nutzenmaximierend und rational, wie die Theorie dies nahegelegt hat. Es mag diesen Typus in abgeschwächter Form geben, jedoch nicht in Bezug auf die Spendenbereitschaft im Crowdfunding. Hier agiert er im Gegenteil emotionaler als der Homo sociologicus. Vielleicht kann es aufgrund der Grundidee des Crowdfunding den klassischen Homo oeconomicus im Crowdfunding generell nicht geben, da dieses Konzept seinen Grundprinzipien konträr gegenübersteht.
Die aufgestellte Theorie konnte eine gewisse Wirkung von Geschichten nachweisen, jedoch scheint es, als würde Crowdfunding vor allem als Projektform an sich überzeugen und über die zugrundeliegende Idee wirken: Jeder, der von einer Idee überzeugt ist, kann diese anderen vorstellen. Schafft er es, mit dieser, potenzielle Unterstützer zu überzeugen, spenden diese und der Initiator bekommt die Möglichkeit, sein Projekt zu realisieren. Gelingt es ihm nicht, ist das Geld weg, aber es wurde wenigstens versucht einen neuen Weg zu gehen.
In der heutigen Zeit, wo alles stets aus der Perspektive des größmöglichen Profits gesehen wird, scheint solch ein fast schon anarchisches Denken gefragter denn je zu sein. Nicht die Banken entscheiden im Crowdfunding, ob eine Idee die Chance bekommt realisiert zu werden, sondern die Masse. Die Masse der Leute, die mit ihren Spenden gemeinsam neues schafft und sich dabei gegenseitig unterstützt. Dieser Gedanke zeugt davon, dass im Crowdfunding scheinbar andere Gesetze gelten. Das Internet macht dieses Konzept erst möglich: Alle Informationen zu dem Projekt in einem Pitch-Video auf einen Blick, schnelles, anonymes Spenden ohne zusätzliche Kosten, das Nachverfolgen von Projektfortschritten mit nur wenigen Mausklicks, über Ländergrenzen und Kontinente hinweg gemeinsames Realisieren eines Projektes. Dieser Gedanke ist es, der das Crowdfunding so erfolgreich macht. Betrachtet man es mit dem erlernten Wissen über die Theorie des Storytellings, ist die Grundidee des Crowdfunding an sich schon eine emotionale und gute Geschichte, die die Leute packt.
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