Leon-Vincent Rahn:
Haltung: Der Weg aus der Vertrauenskrise?

In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Wahrnehmung von Unternehmen verändert. Das Interesse am unternehmerischen Handeln ist gewachsen. Vor diesem Hintergrund stehen die korporativen Akteure verstärkt im Fokus einer normativen Dauerbeobachtung. Gleichzeitig wird von den Unternehmen ein größerer Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlergehen erwartet. Als Reaktion auf die wachsenden Erwartungen reagieren die Unternehmen mit der moralischen Sinnaufladung ihres Leistungsangebotes. In der Hoffnung eine vertrauenswürdige Reputation zu erlangen, positionieren sich Unternehmen im gesellschaftspolitischen Diskurs. Sie beziehen Haltung. Das Ziel des vorliegenden Forschungsartikel ist es, den Einfluss von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen auszumachen. Die abschließende Analyse hat gezeigt, dass ein geteiltes Werteverständnis zwischen Rezipient und Unternehmen für die Vertrauensentscheidung von großer Bedeutung ist. Zudem ist das wahrgenommene Kosten-Nutzen-Verhältnis der Austauschbeziehung für die Vertrauensentscheidung von Relevanz. Als zentrales Ergebnis dieser Arbeit lässt sich festhalten, dass Haltungskommunikation unter bestimmten Voraussetzungen einen positiven Einfluss auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen haben kann. Allerdings sind in dem Zusammenhang auch eine Reihe von Risiken zu berücksichtigen.

Die Welt ist im Umbruch: Kriege, Hungersnöte und Umweltkatastrophen scheinen unsere Zeit zu prägen. In Anbetracht der steigenden Zahl globaler Konflikte und Krisen empfinden viele Menschen zunehmend ein Gefühl von Hilflosigkeit. Die gesellschaftlichen Herausforderungen lassen sich nicht von Einzelpersonen lösen. Auch die politischen Institutionen können diesen Problemen nicht wirkungsvoll entgegentreten. Seit der Jahrtausendwende zieht sich der Staat aus zahlreichen Aktionsbereichen zurück. Auf der Suche nach Lösungen richtet sich der Blick zunehmend auf die Privatwirtschaft. Laut einer Meinungsumfrage der Kommunikationsagentur Edelman aus dem Jahr 2019 glaubt jeder dritte deutsche Verbraucher, dass Unternehmen „die besseren Lösungen für gesellschaftliche Probleme haben als die Politik“ (Edelman, 2019). Die Verantwortung wird an die Unternehmen delegiert; von Klimaschutz bis zur Schaffung von Arbeitsplätzen soll ein Beitrag zur Gesellschaft geleistet werden.

In den letzten Jahren hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Unternehmen verändert. Als metaphorische Unternehmensbürger werden die Organisationen mit immer komplexeren Erwartungen konfrontiert. Gleichzeitig stehen die Unternehmen unter einer normativen Dauerbeobachtung. Eine wachsende Anzahl von Menschen orientiert sich an der moralischen Reputation von Unternehmen. Für Konsumenten, Arbeitssuchende und Investoren ist das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen von Bedeutung. Egal ob im Supermarkt, auf dem Arbeits- oder Finanzmarkt – verantwortungsvolles Handeln wird belohnt (vgl. Edelman, 2022, S. 26.). Auf der Gegenseite wird moralisches Fehlverhalten von der Anspruchsgruppe bestraft. Im Extremfall in Form von Boykottaufrufen oder verbalen Anfeindungen. Für die Unternehmen ist das gesellschaftliche Engagement in den letzten Jahren zur notwendigen Voraussetzung für den langfristigen Unternehmenserfolg geworden.

Eine wachsende Zahl von Unternehmen reagiert auf die normativen Erwartungen mit der moralischen Sinnaufladung ihres Leistungsangebotes. Die korporativen Akteure vermitteln Werte und Normen und positionieren sich damit gleichzeitig im gesellschaftspolitischen Diskurs. Hinter den Anstrengungen steht oft ein betriebswirtschaftliches Kalkül. Unternehmen müssen vor dem Hintergrund wachsenden Wettbewerbsdruckes einen symbolischen Zusatznutzen bieten. Andere legitimieren sich als moralische Akteure. Dabei besteht die Hoffnung, über ein gemeinsames Werteverständnis mit der Anspruchsgruppe signifikant positive Effekte auf Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Reputation zu erlangen (vgl. Reichertz, 2019, S. 69). In diesem Zusammenhang macht sich eine paradoxe Entwicklung bemerkbar. Während die normativen Erwartungen an die Unternehmen in den letzten Jahren zunehmend komplexer wurden, nimmt das Vertrauen zu Unternehmen gleichzeitig kontinuierlich ab. In einer jährlichen Meinungsumfrage durch die Kommunikationsagentur Edelman werden Personen aus 28 verschiedenen Ländern zu ihrem Vertrauen zu Wirtschaft, Regierung, Medien und Nichtregierungsorganisationen befragt. Im Jahr 2020 betrug der Vertrauenswert gegenüber Unternehmen knapp 56 Prozent. Demgegenüber lag das Vertrauen zur Regierung bei 64 Prozent. Im Jahr 2022 haben sowohl Unternehmen als auch Politik an Vertrauen verloren. Das Vertrauen zu Unternehmen betrug 48 Prozent, zur Regierung insgesamt 47 Prozent (vgl. Edelman, 2022, S. 5).

Vor diesem Hintergrund erscheint das Verhältnis von Haltung und Vertrauen diffus. Auf der einen Seite heben Fachliteratur, Praxisratgeber und Branchenexperten die vermeintlich vertrauensbildende Wirkung von Haltungskommunikation hervor. In der Haltung von einem Unternehmen soll sich die Unternehmensidentität widerspiegeln. Die kommunikative Selbstoffenbarung wird von der Anspruchsgruppe mit Vertrauen belohnt (vgl. Reichertz, 2019, S. 76). Auch aus Sicht der Kommunikationsagentur Edelman hat Haltungskommunikation eine vertrauensbildende Wirkung. Mit der Kommunikation von Haltung wird der Glaube an die gesellschaftlichen Fähigkeiten eine bessere Zukunft zu schaffen vermittelt. Die gesellschaftspolitische Teilnahme soll sich daher positiv auf die Vertrauensbildung auswirken (vgl. Edelman, 2022, S. 36). Auf der anderen Seite werden die wachsenden Erwartungen an Unternehmen von einem organisationalen Vertrauensverlust begleitet. Infolgedessen stehen viele Menschen der Haltungskommunikation von Unternehmen scheinbar eher misstrauisch gegenüber. Für knapp 62 Prozent der deutschen Studenten ist die Haltung von Unternehmen weniger wichtig bis gar nicht wichtig für die eigene Meinungsbildung (vgl. Lambertin, 2019, S. 59). Gleichzeitig würden knapp 35 Prozent der Befragten auch ein Produkt kaufen, obwohl die Haltungskommunikation der eigenen Haltung widerspricht (vgl. Lambertin, 2019, S. 54).

Im Hinblick auf das unklare Verhältnis von Haltung und Vertrauen im organisationalen Kontext ergeben sich eine Reihe von Fragen: Lässt sich die Anspruchsgruppe von den vermeintlich authentischen Bemühen der Unternehmen überzeugen? Wirkt sich Haltungskommunikation damit positiv auf die Vertrauensbildung aus? Oder wird die vertrauensbildende Wirkung der Haltungskommunikation durch die kommerziellen Absichten der Unternehmen diskreditiert? Hat Haltungskommunikation damit sogar eine negative Wirkung auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen?

Markt und Moral

Das divergente Verhältnis zwischen Markt und Moral bildet ein zentrales Thema in der frühmodernen Wirtschaftswissenschaft (vgl. Günther, 2007, S. 93.). Schon Adam Smith beschreibt den Menschen als einen rationalen Egoisten, dessen Eigenliebe die einzige Motivation für Tauschgeschäfte darstellt. Die vollkommene Habgier der Marktteilnehmer, wird nur durch die Fähigkeit sich einen unparteiischen Beobachter vorzustellen, beschränkt (vgl. Smith, 2021, S. 2 ff.). Auch im 20. Jahrhundert wird die Unvereinbarkeit von Markt und Moral im wissenschaftlichen Diskurs hervorgehoben. Im Jahr 1970 verbreitet der Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman, in einem New York Times Artikel, sein einflussreiches Diktum: „The social responsibility of business is to increase its profits“ (Friedman, 1970). Für Friedman besitzen Unternehmen nur gegenüber deren Aktionären eine Verantwortung. Eine soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft schloss er gänzlich aus (vgl. Friedman, 1970).

In der Praxis offenbart sich jedoch ein gegenteiliges Bild. Wie empirische Studien aus den letzten Jahren bestätigen, hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Unternehmen verändert (vgl. Beckmann, 2007, S. 15.). Eine Entwicklung, die sich auf beiden Seiten bemerkbar macht: Konsumenten treffen Kaufentscheidungen im Hinblick auf die moralische Reputation von Unternehmen; gleichzeitig verpflichten sich Unternehmen ethischen Standards und leisten einen Beitrag zur Gesellschaft. Insgesamt treffen die Marktteilnehmer ihre Handlungsentscheidungen scheinbar verstärkt unter Berücksichtigung von Werten und Normen (vgl. Günther, 2007, S. 93.). Der Soziologe Nico Stehr (2007, S. 1ff.) versteht diese Entwicklung als „Moralisierung der Märkte“ und macht eine Reihe gesamtgesellschaftlicher Veränderungen dafür verantwortlich.

Zu den zentralen Ursachen für den Wertewandel zählt das Wohlstandswachstum, die Bildungsexpansion und die Expansion der Märkte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen hat sich die öffentliche Wahrnehmung von Unternehmen verändert. In dem Zeitraum ist das Interesse am unternehmerischen Handeln gewachsen. Die Unternehmen stehen im Fokus einer normativen Dauerbeobachtung. In dem Kontext macht sich ein wachsendes Wirtschaftsmisstrauen bemerkbar. Zum einen wird das klassische ökonomische Gewinnprinzip zunehmend in Frage gestellt. Von den Unternehmen wird ein größerer Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlergehen erwartet. Zum anderen wächst die Kritik an der sozialen Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. Insgesamt verlieren die Unternehmen an Vertrauen (vgl. Reichertz, 2019, S. 79).

Haltung

Im Februar 2022 sorgte ein durchgesickertes Dokument des US-Justizministeriums für heftige Proteste in den Vereinigten Staaten. In einem ersten Meinungsentwurf stimmte der Oberste Gerichtshof mehrheitlich für die Aufhebung eines Abtreibungsgesetzes ab. Ein solches Urteil würde jedem Bundesstaat erlauben, eigenverantwortlich Abtreibungen zu verbieten (vgl. Gerstein/Ward, 2022). Einige Unternehmen reagierten auf die Entscheidung des Obersten Gerichts mit einer öffentlichen Stellungnahme. In einer Pressemitteilung verkündete zum Beispiel das US-amerikanische Textilunternehmen Levi Strauss & Co., dass die Reisekosten für betroffene Mitarbeiter, die eine Abtreibungsklinik in einem anderen Bundesstaat aufsuchen wollen, von dem Unternehmen übernommen werden. Die Maßnahme stehe aus Sicht des Unternehmens im Einklang mit dem eigenen Werteverständnis. In der Pressemitteilung heißt es konkret: „Our position on this is in keeping with our efforts to support employees and family members at all stages of their lives.” (Levi Strauss & Co., 2022). Das Beispiel offenbart ein aktuelles marktwirtschaftliches Phänomen; Unternehmen positionieren sich im politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Sie beziehen Haltung.

Der Begriff Haltung ist im alltäglichen Sprachgebrauch weit verbreitet. Der Haltungsbegriff findet sich in diversen Formen und Umständen wieder: Haltung umfasst mentales, sinnliches, emotionales, politisches oder körperliches. Dementsprechend vielseitig sind die möglichen Anwendungsfelder für den Haltungsbegriff. In der Theorie wurde der Begriff hingegen bislang weitgehend ignoriert. Folglich findet sich keine einheitliche Definition des Haltungsbegriffs (vgl. Kurbacher/Wüschner, 2016, S. 13f.). Der Versuch einer Begriffsbestimmung wird scheinbar durch die Polyvalenz der Haltung erschwert. So stellt die Philosophin Frauke Kurbacher (2016, S. 11) fest: „Zu weit, zu ungriffig scheint sie [die Haltung] sich dem Versuch einer Bestimmung immer schon zu entziehen“.

Der philosophische Ursprung des Haltungsbegriffes lässt sich in der Nikomachischen Ethik von Aristoteles verorten. Der darin verwendete Ausdruck Hexis kann grob als Haltung der Wahl übersetzt werden (vgl. Kurbacher, 2008, S. 8). Die Haltung ist Ausdruck eines verlässlichen und konsistenten Umgangs mit Affekten. Sie bestimmt die Art und Weise wie eine Person auf Umwelteinflüsse reagiert und ist damit verhaltenswirksam. Darin offenbart sich das innere Selbstverhältnis einer Person. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Haltung der eigenen Motivation entspricht. In diesem Fall lässt sich Haltung als Teil Persönlichkeit verstehen (vgl. Will, 2016, S. 205).

Gleichzeitig steht die Haltung im stetigen Bezug zur Umwelt. Denn Affekte werden durch andere Personen ausgelöst. Sie können demnach als Anspruch von außen verstanden werden. Die Notwendigkeit der Affektregulierung entsteht damit erst durch die Ansprüche anderer Personen; Haltung wird also durch Andere initiiert (vgl. Will, 2016, S. 206). Diesbezüglich lässt sich Haltung nach Auffassung der Philosophin Frauke Kurbacher im weitesten Sinne als Bezüglichkeiten verstehen. Dieses Verständnis sieht sich im Verhältnis von Individuum und Umwelt begründet. Demnach beschreibt Haltung stets einen dreifachen Bezug zwischen Selbst, Anderen und Welt. Kurbacher beschreibt dieses Wechselspiel wie folgt: „Im Bezug, im konkreten Umgang mit Anderen, der eigenen Person und Welt, werden Selbst-, Fremd- und Weltkompetenz in Rückbindung an die eigene Person erworben, die sich wiederum in Relation zu anderen individuiert.“ (Kurbacher, 2016, S. 152). Jede Haltung ist Ausdruck dieses dreistelligen Beziehungsgeflechts. Zum einen beschreibt Haltung ein Selbstverhältnis, zum anderen eine Form der Weltbezogenheit (vgl. Weber-Guskar, 2016, S. 187). Auf dieser Grundlage kann folgende Definition abgeleitet werden: Haltung ist die auf einem Selbstverhältnis basierende Weltbezogenheit, welche die Handlungen und Entscheidungen eines Akteurs konsistent prägen.

Vertrauen

In den vergangenen Jahren hat die Digitalisierung beinahe jeden Lebensbereich nachhaltig verändert. Insbesondere die soziale Praxis der Kommunikation ist vom technischen Fortschritt in vielen Aspekten betroffen. Die weltweite Verbreitung des Internets hat einen permanenten medialen Austausch ermöglicht. Auf der ganzen Welt können Menschen zu beliebigen Themen miteinander kommunizieren und Informationen austauschen. Doch als ambivalentes Phänomen entstehen mit der Digitalisierung neben den neuen Freiheiten auch zahlreiche neue Risiken (vgl. Rommerskirchen, 2019, S. 61). So wächst mit dem Internet auch gleichzeitig die Gefahr auf Irrtümern, Falschmeldungen oder Unwahrheiten zu treffen. Die Wahrhaftigkeit der Informationen lässt hinsichtlich dieser Gefahren kaum zuverlässig überprüfen (vgl. Reichertz, 2019, S. 75). Doch wenn auf Grundlage der verfügbaren Informationen eine Handlungsentscheidung getroffen werden soll, muss sich das Individuum auf die Wahrhaftigkeit der jeweiligen Informationen verlassen können. In diesem Fall muss das Individuum die Glaubwürdigkeit der Informationsquelle einschätzen (vgl. Nawratil, 1997, S. 11f.). Ein solcher Zuschreibungsprozess richtet sich hinsichtlich von Investitions- und Kaufentscheidungen auf die Unternehmen. Für Kaufentscheidungen ist das Vertrauen in Unternehmen unerlässlich (vgl. Reichertz, 2019, S. 75ff.). Als definitorischer Sammelbegriff vereint Vertrauen verschiedene Phänomene (Endress, 2002, S. 6). Innerhalb der Forschungsdisziplinen existieren unterschiedliche Ausprägungen. Im Folgenden soll der Vertrauensbegriff aus der Soziologie und Philosophie betrachtet werden.

Rationales Vertrauen

Im ökonomischen Theoriemodell werden Vertrauensentscheidungen ausschließlich im Kontext von Austauschbeziehungen betrachtet. Mit der soziologischen Austauschtheorie lassen sich auch Vertrauenssituationen im Kontext von sozialen Beziehungen untersuchen. Im Kern sind die Vertrauensbeziehungen jedoch immer durch einen zeitlich asymmetrischen Austausch von Ressourcen gekennzeichnet. Für die Vertrauensentscheidung wird der Treugeber nach verlässlichen Informationen suchen. Im Allgemeinem ist rationales Vertrauen eine Kalkulation unter Berücksichtigung der vorhandenen Informationen, um das natürliche Risiko in Austauschbeziehungen zu reduzieren

(Coleman, 1991, S. 125ff.). Demgegenüber sind Emotionen für die Vertrauensentscheidung irrelevant. In diesem Kontext sind ausschließlich situative Einflussfaktoren von Bedeutung. Interindividuelle Unterschiede haben keinen Einfluss auf die Vertrauensentscheidung. Die Akteure haben feste Präferenzen. Jeder Akteur handelt gleichermaßen ausschließlich eigennutzenorientiert. Mögliche interindividuelle Differenzen werden in diesem Zusammenhang mit unterschiedlichen Anreizstrukturen erklärt. Auch kulturelle und soziale Einflussfaktoren werden im ökonomischen Theoriemodell ignoriert (vgl. Frings, 2010, S. 74). Im ökonomischen Theoriemodell sind Informationen für die Vertrauensentscheidung von enormer Relevanz. In der Regel werden alle vorhandenen Informationen vom Treugeber berücksichtigt. Von besonderer Bedeutung sind Informationen über die Anreizstruktur des Anderen. In diesem Kontext sind vor allem gemeinsame Erfahrungen in der Vergangenheit mit dem Treuhänder ausschlaggebend. Die Vertrauensentscheidung wird zusätzlich durch den Reputationseffekt oder die Androhung von Sanktionen beeinflusst. Auf Grundlage der vorhandenen Informationen versucht der Treugeber die Vertrauenswürdigkeit des Treuhänders einzuschätzen. Für eine verlässliche Kalkulation müssen alle Einflussvariablen bekannt sein (vgl. Hoßfeld, 2005, S. 4).

Emotionales Vertrauen

Im emotionalen Vertrauensmodell werden Vertrauensentscheidungen im Kontext von Alltagssituationen untersucht. Im Fokus steht nicht der Ressourcenaustausch. Dennoch ist die Vertrauensbeziehung zwangsläufig mit einem Risiko verbunden. In einer Vertrauensbeziehung wird die Kontrolle über eine Situation an den Anderen abgegeben. Somit macht sich eine vertrauende Person verletzlich. In der Regel führt eine Vertrauensbeziehung jedoch zu einem gegenseitigen Nutzen (vgl. Lahno, 2001, S. 171). An diesem Punkt werden die Unterschiede zwischen den beiden Vertrauenstheorien deutlich. Nach dem philosophischen Verständnis ist Vertrauen eine emotionale Einstellung. Folglich sind die Vertrauensentscheidungen nicht vernunftbasiert und somit weitgehend unabhängig von objektiven Informationen. Das Risiko in Vertrauensbeziehungen wird also nicht durch die Kalkulation von einer Vielzahl an Informationen reduziert. Vielmehr ist emotionales Vertrauen eine affektive Haltung welche Risiko umgeht. In diesem Kontext beeinflusst emotionales Vertrauen die Wahrnehmung der Umwelt. Dem Anderen werden bestimmte Interessen und Verhaltensweisen zugeschrieben. In diesem Zusammenhang wird demgegenüber eine bestimmte Werteorientierung zugeschrieben. Ein gemeinsames Werteverständnis ist eine zentrale Voraussetzung für eine Vertrauensentscheidung. Folglich werden in diesem Vertrauensmodell auch interindividuelle Unterschiede zwischen den Individuen berücksichtigt. So verfügen die Individuen zum Beispiel über unterschiedliche kulturelle Prägungen. In diesem Zusammenhang wird die Vertrauensentscheidung durch die Sozialisation des Vertrauenden beeinflusst. Demgegenüber sind situative Einflussfaktoren für die Vertrauensentscheidung nicht von Bedeutung (vgl. Lahno, 2001, S. 185ff.).

Glaubwürdigkeit

In einer zunehmend komplexen Welt lässt sich die Wahrhaftigkeit von Informationen nicht immer konsequent überprüfen, denn oftmals fehlt der direkte Bezug zu einem Sachverhalt und den dazugehörigen Informationen. Angesichts dieses Umstandes muss sich das Individuum auf die Zuverlässigkeit der vorhandenen Informationen verlassen können. Grundsätzlich gilt: „Immer dann, wenn Informationen entscheidungs- oder handlungsrelevant werden, die uns nicht aus eigener Wahrnehmung bekannt sind, stellt sich prinzipiell die Frage nach deren Glaubwürdigkeit“ (vgl. Nawratil, 1997, S. 15). Die Rezipienten von Unternehmenskommunikation stehen diesbezüglich vor einem ähnlichem Problem; die Aussagen eines Unternehmens lassen sich oftmals nicht eigenständig auf ihre Wahrhaftigkeit überprüfen. Für die betroffenen Rezipienten sind die Aussagen eines Unternehmens aber durchaus entscheidungs- oder handlungsrelevant. Im Hinblick auf eine mögliche Investition in das Unternehmen, muss das Individuum eine riskante Vertrauensvorleistung eingehen. Eine solche Handlungsentscheidung ist unter anderem von der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit der Unternehmenskommunikation abhängig (vgl. Reinmuth, 2006, S. 63f.).

Bei Glaubwürdigkeit handelt es sich um einen subjektiven Zuschreibungsprozess gegenüber Personen, Organisationen oder Aussagen. Die Glaubwürdigkeit eines Einstellungsobjektes wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Insgesamt wird die Glaubwürdigkeit einer Quelle in Anlehnung an Aristoteles vor allem von den Dimensionen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit bestimmt. Die wahrgenommene

Kompetenz einer Quelle wird durch verschiedene Faktoren geprägt. Allgemein können Zuschreibungselemente wie Fachwissen, Erfahrung, Alter und Status einer Quelle den Zuschreibungsprozess beeinflussen (vgl. Reinmuth, 2006, S. 95f.). In diesem Zusammenhang ist die wahrgenommene Kompetenz einer Quelle vom thematisierten Fachbereich abhängig. Eine Quelle mit direktem Bezug zu einem Thema wird grundsätzlich als kompetent wahrgenommen. Demgegenüber gilt eine Quelle ohne Bezug zu einem Thema nicht automatisch als kompetent. Die Kausalität zwischen Thema und Kompetenz wird als Kompetenzrelevanz bezeichnet (vgl. Nawratil, 1997, S. 51 f.). Die Vertrauenswürdigkeit einer Quelle ergibt sich aus den wahrgenommen Attributen wie Zuverlässigkeit, Konsistenz, Seriosität und Spontanität. Zusätzlich ist die Übereinstimmung von verbalem und nonverbalem Verhalten einer Quelle von Relevanz (vgl. Reinmuth, 2006, S. 96). Neben den Faktoren Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit scheint die Ähnlichkeit zwischen Kommunikator und Rezipient für die Zuschreibung von Glaubwürdigkeit wichtig zu sein. Unter Ähnlichkeit werden sowohl Gruppenzugehörigkeiten als auch gemeinsame Meinungen, Einstellungen und Wertehaltungen zusammengefasst (vgl. Reinmuth, 2006, S. 98).

Diskussion

Auf Grundlage der bisherigen Betrachtung soll im Folgenden der Einfluss von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen diskutiert werden. Damit rückt der Wahrnehmungsprozess der Rezipienten in den Fokus der Betrachtung. In dem Zusammenhang wird im Vorfeld eine Problematik deutlich: den einen Rezipienten gibt es nicht. Im Allgemeinen besitzen Kunden, Investoren, Lieferanten, Multiplikatoren und Mitarbeiter unterschiedliche Erwartungen an das Unternehmen (vgl. Reinmuth, 2006, S. 293 f.). Außerdem bestehen kulturelle, sprachliche und soziodemographische Unterschiede zwischen den Rezipienten. Solche interindividuellen Unterschiede werden den Wahrnehmungsprozess der Rezipienten unterschiedlich beeinflussen. Die Haltungskommunikation von einem Unternehmen wird also zwangsläufig von jedem Rezipienten unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert und bewertet. Eine Berücksichtigung von allen interindividuellen Unterschieden erscheint unmöglich. Zudem würde die Aussagekraft der Untersuchung an Allgemeingültigkeit verlieren. Aus diesem Grund werden im Folgenden die beiden Verhaltensmodelle des Homo oeconomicus und Homo sociologicus verwendet. Auf Grundlage der restriktiven Verhaltensannahmen ermöglichen die beiden Modelle die Entwicklung von überprüfbaren und falsifizierbaren Aussagen für die Praxis (vgl. Leschhorn, 2020, S. 26). Den beiden Verhaltensmodellen werden unterschiedliche Vertrauensmodelle zugewiesen; der Homo oeconomicus nutzt rationales Vertrauen, der Homo sociologicus nutzt emotionales Vertrauen.

Ergebnisse

In der theoretischen Diskussion der beiden Vertrauenstheorien konnten folgende Erkenntnisse erarbeitet werden. Vor dem Hintergrund soll im Folgenden eine Reihe von praktischen Implikationen präsentiert werden. Die vertrauensbildende Wirkung von Haltungskommunikation ergibt sich in erster Linie aus einem geteilten Werteverständnis. Im besten Fall sollte die Haltungskommunikation das Werteverständnis der Zielgruppe widerspiegeln. In der unternehmerischen Praxis ist die Umsetzung jedoch mit einigen Problemen behaftet. Die Zielgruppe von einem Unternehmen ist in der Regel heterogen. Im Hinblick auf Kultur, Sprache und Sozialisierung bestehen interindividuelle Unterschiede. Vor diesem Hintergrund werden die Wertevorstellungen innerhalb der Zielgruppe bestimmte Differenzen aufweisen. Aus diesem Grund sollte das Unternehmen die Haltungskommunikation am mehrheitlichen Werteverständnis der Zielgruppe ausrichten. Hierbei eignet sich zum Beispiel die Verwendung von Meinungsumfragen. Das Unternehmen könnte die eigene Haltung mit Bezug auf die Meinungsumfragen begründen. Auch die Verwendung einer Zielgruppenanalyse erscheint im Vorfeld sinnvoll. Des Weiteren sollte eine Haltung zu kontroversen Themen grundsätzlich vermieden werden. Bei einem umstrittenen Thema werden die Wertevorstellungen der Zielgruppe die größten Differenzen aufweisen. In diesem Fall kann die Haltungskommunikation unmöglich den Wertevorstellungen der gesamten Zielgruppe gerecht werden. Damit steigt die Gefahr von sozialen Sanktionen gegen das Unternehmen; zum Beispiel in Form von Konsumboykotten oder verbalen Anfeindungen. Außerdem besteht die Gefahr eines langfristigen Reputationsschadens. Damit würden zukünftige Vertrauensbeziehungen negativ beeinflusst werden.

Eine weitere Voraussetzung für die vertrauensbildende Wirkung von Haltungskommunikation ist Konsistenz. Die Haltungskommunikation sollte mit den Handlungen des Unternehmens übereinstimmen. Eine Inkonsistenz zwischen kommunizierter Haltung und unternehmerischem Handeln wird die Glaubwürdigkeit der Haltungskommunikation beeinträchtigen. Für die Glaubwürdigkeit von Haltungskommunikation ist zudem die wahrgenommene Kompetenz des Unternehmens relevant. Vor diesem Hintergrund sollte das Unternehmen die Haltungskommunikation mit Fachwissen untermauern. Zudem ist die wahrgenommene Kompetenz vom thematisierten Fachbereich abhängig. Eine Quelle mit direktem Bezug zu einem Thema wird grundsätzlich als kompetent wahrgenommen. Folglich sollte die Haltungskommunikation zum Kompetenzbereich des Unternehmens gehören. Zum Beispiel sollte ein Rüstungsunternehmen eine Haltung zu Themen wie Gewaltprävention, Umweltschutz oder Rohstoffknappheit kommunizieren. Währenddessen ist eine Haltung in Bezug auf Familienplanung, Erziehung oder sozialer Ungleichheit für ein Rüstungsunternehmen wahrscheinlich eher unglaubwürdig.

Die Wirkung von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung ist zudem vom wahrgenommenen Kosten-Nutzen-Verhältnis der Austauschbeziehung abhängig. Für eine Vertrauensentscheidung wird das Individuum grundsätzlich nach zusätzlichen Informationen suchen. Die Intensität der Informationssuche ist vom erwartbaren Nutzen der Austauschbeziehung abhängig. Bei einem niedrigen Nutzen wird das Individuum eventuell nicht nach zusätzlichen Informationen suchen. In dem Fall wird die Haltungskommunikation für die Vertrauensentscheidung unter Umständen nicht berücksichtigt. Folglich ist die Haltungskommunikation wahrscheinlich wirkungslos, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis unausgewogen ist. Bevor eine Haltung kommuniziert wird, sollte das Unternehmen zunächst ein ausgewogenes Kosten-Nut-zen-Verhältnis anstreben.

Insgesamt sollte die Formulierung von Haltungskommunikation im Vorfeld im Rahmen einer strategischen Risikoabwägung bewertet werden. Im Allgemeinen geht die Haltungskommunikation mit einer Reihe von Risiken einher. Eine umstrittene Haltung wird die vertrauensbildende Wirkung von Haltungskommunikation beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall könnte die Zielgruppe das Unternehmen im Hinblick auf eine kontroverse Haltung boykottieren. Für die Unternehmen besteht aktuell die Schwierigkeit, den wachsenden Forderungen nach einer gesellschaftspolitischen Haltung nachzukommen, ohne dabei einen langfristigen Reputationsschaden zu riskieren.

Fazit

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurde der Einfluss von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen untersucht. Hinsichtlich der unklaren Wechselbeziehung zwischen Haltung und Vertrauen im organisationalen Kontext bestand Forschungsbedarf. Zwar wird in Fachbüchern und Praxisratgebern beständig auf die allgemeine Bedeutung von Haltungskommunikation für die Vertrauensbildung hingewiesen. Jedoch fehlte es bislang an einer theoretisch fundierten Erklärung für diesen Zusammenhang. Vor diesem Hintergrund hatte die Forschungsarbeit das Ziel, den Einfluss von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen, anhand von zwei Verhaltensmodellen, theoretisch fundiert zu erklären.

Für die Diskussion der soziologischen Vertrauenstheorie wurde das Verhaltensmodell des Homo oeconomicus zu Grunde gelegt. Im Wesentlichen kann die Vertrauensentscheidung des Homo oeconomicus als eine subjektive Wahrscheinlichkeitseinschätzung für die Kooperationsbereitschaft des Anderen verstanden werden. Um eine Vertrauensentscheidung zu treffen, wird der Homo oeconomicus nach verlässlichen Informationen über den Anderen suchen. Mit Haltungskommunikation werden dem Konsumenten eine Reihe von Informationen über das Unternehmen vermittelt. Zum Beispiel kann der Konsument im Hinblick auf die Haltungskommunikation auf die unternehmerische Motivation in bestimmten Sachverhalten schließen. In der Theorie könnten die verfügbaren Informationen ausreichen, um die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens bewerten zu können. Die soziologische Vertrauenstheorie ist jedoch zu restriktiv, um eine allgemeine Schlussfolgerung für die Praxis zu ermöglichen. In der klassischen Theorie wird auf die Bedeutung von Informationen für die Vertrauensentscheidung hingewiesen. Allerdings bleibt unklar, wie genau das Individuum die einzelnen Informationen interpretieren wird. Eine weitere Problematik der Theorie besteht in der Abstraktion von fremdbezogenen Präferenzen. Unter der Voraussetzung, dass die Akteure ausschließlich egoistisch handeln, kann ein opportunistischer Vertrauensbruch niemals ausgeschlossen werden. Eine stabile Vertrauensbeziehung wird vor allem durch fremdbezogene Präferenzen wie Sympathie und Moralität ermöglicht. Aus diesem Grund wurde die Theorie um die fremdbezogene Präferenz der Moralität erweitert. Moralität bezeichnet die Tendenz auf das eigene Fehlverhalten mit psychischen Kosten zu reagieren; zum Beispiel einem schlechten Gewissen. Die anfallenden Kosten werden von einem moralischen Akteur in Handlungsentscheidungen berücksichtigt. Mit einer höheren Moralität sinkt die Wahrscheinlichkeit für einen opportunistischen Vertrauensbruch. Ein moralischer Akteur wird daher als vertrauenswürdig wahrgenommen. In dieser Forschungsarbeit wird Haltungskommunikation als ein Anzeichen für eine hohe Moralität verstanden. Auf Grundlage der Haltungskommunikation kann der Konsument folglich auf die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens schließen. Aus diesem Grund hat Haltungskommunikation für den Homo oeconomicus eine vertrauensbildende Wirkung. Die Erweiterung der klassischen Theorie um fremdbezogene Präferenzen hat zu einem Erkenntnisgewinn beigetragen.

Im Anschluss wurde die philosophische Vertrauenstheorie anhand dem Verhaltensmodell des Homo sociologicus diskutiert. In diesem Modell wird Vertrauen als eine emotionale Einstellung verstanden. Als eine Einstellung beeinflusst Vertrauen die Wahrnehmung, Interpretation und Bewertungen von einem Individuum. Eine Vertrauensentscheidung ist stets mit einer bestimmten Perspektive auf den Anderen verbunden; die Vertrauensperson wird mit einer ähnlichen Weltansicht wahrgenommen. Für die Vertrauensentscheidung ist ein gemeinsames Werteverständnis von Bedeutung. Das Wissen über die Werteverbundenheit ermöglicht Vorhersagen über das Handeln des Gegenübers. In diesem Fall wird das Risiko von Vertrauensbrüchen reduziert. Folglich hat ein gemeinsames Werteverständnis eine positive Wirkung auf die Bildung von Vertrauen. In Haltungskommunikation drückt sich das Werteverständnis eines Unternehmens aus. Der Homo sociologicus kann also grundsätzlich auf Grundlage der Haltungskommunikation eine Vertrauensentscheidung treffen. Die Haltungskommunikation muss jedoch das Werteverständnis der Rezipienten widerspiegeln, um eine vertrauensbildende Wirkung zu entfalten. Ein konträres Werteverständnis wird die vertrauensbildende Wirkung der Haltungskommunikation hingegen stark beeinträchtigen. In diesem Fall kann es zu einer Sanktionierung des Unternehmens durch den Rezipienten kommen. Zum Beispiel in Form von einem Konsumboykott oder verbalen Anfeindungen.

Anhand der beiden Verhaltensmodelle konnte der Einfluss von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen theoretisch dargestellt werden. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit knüpfen weitgehend an die sozialpsychologischen Studien im Kontext der Glaubwürdigkeitsattribution an. Für den Rezipienten ist die Konsistenz der Kommunikation für die Zuschreibung von Glaubwürdigkeit von Bedeutung. Außerdem wird in den Studien auf die Bedeutung von Werteverbundenheit in Vertrauensentscheidung hingewiesen. Der Erkenntnisgewinn dieser Forschungsarbeit offenbart sich in der theoretisch fundierten Darstellung von Vertrauensentscheidungen in Bezug auf Haltungskommunikation. In einem solchen Ausmaß wurde die Wechselbeziehung von Haltung und Vertrauen in der Wissenschaft bislang nicht untersucht. Auf Grundlage der dargelegten Ergebnisse sind in Zukunft weiterführende Forschungen möglich. Das Thema Haltung und Vertrauen wird auch in den nächsten Jahren eine große Bedeutung für Unternehmen haben. Mit den Erkenntnissen dieser und weiteren empirischen Forschungsarbeiten könnte ein praktikabler Leitfaden für erfolgreiche Haltungskommunikation entstehen.

Um die Qualität weiterer Forschungen in diesem Bereich zu steigern, gilt es abschließend bestimmte Vorgehensweisen dieser Forschungsarbeit kritisch zu reflektieren. Insgesamt wurde der Forschungsrahmen der Forschungsarbeit im Vorfeld kaum eingegrenzt. Für die Diskussion wurden Unterschiede in Bezug auf Branche, Preissegment oder Zielgruppe nicht beachtet. Ein rationaler Konsument wird die Vertrauensentscheidung unter anderem von einem Preis-Leistungs-Verhältnis abhängig machen. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass Branchen- oder Preisunterschiede die vertrauensbildende Wirkung von Haltungskommunikation beeinflussen könnten. Aus diesem Grund hätte die Beschränkung auf ein bestimmtes Praxisbeispiel die Aussagekraft der Vertrauenstheorien wahrscheinlich erhöht. Außerdem wurde bei der Untersuchung nicht zwischen Bestands- und Neukunden differenziert. Für die Diskussion wurden lediglich Vertrauensentscheidungen von Neukunden betrachtet. Ein Bestandskunde besitzt bereits über vergangene Erfahrungen mit dem Unternehmen. Aus diesem Grund wird die Vertrauensentscheidung wahrscheinlich von anderen Faktoren abhängig gemacht. Deshalb bleibt unklar, wie wirksam Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung von Bestandskunden ist. Abschließend konnte zwar die allgemeine Wirkung von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung dargestellt werden. Allerdings ist nicht geklärt, wie entscheidend die Haltungskommunikation in einer realitätsnahen Situation tatsächlich für die Vertrauensentscheidung ist. Aus diesem Grund sind in Zukunft empirische Untersuchungen notwendig. Somit könnte der konkrete Einfluss von Haltungskommunikation auf die Vertrauensbildung zu Unternehmen erfasst werden.

Hier können Sie den Artikel als Pdf herunterladen.

Literaturverzeichnis

Beckmann, M.: Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship: Eine empirische Bestandsaufnahme der aktuellen Diskussion über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, Halle-Wittenberg, 2007.

Coleman, J. S.: Handlungen und Handlungssysteme, München 1991.

Edelman: Edelman Trust Barometer 2019. Special Report „In Brands we Trust“. Vertrauensdefizit: Marken schöpfen Potentiale nicht aus, verfügbar unter: https://www.edelman.de/research/special-report-in-brands-we-trust (30.06.2022).

Edelman: Edelman Trust Barometer 2022, verfügbar unter: https://www.edelman.com/sites/g/files/aatuss191/fi- les/2022-01/2022%20Edelman%20Trust%20Barometer%20FINAL_Jan25.pdf (01.06.2022).

Endress, M.: Vertrauen, Bielefeld 2002.

Friedman, M.: A Friedman doctrine. The Social Responsibility Of Business Is to Increase Its Profits. In: The New York Times, vom 13.09.1970, S. 17.

Frings, C.: Soziales Vertrauen. Eine Integration der soziologischen und der ökonomischen Vertrauenstheorie, Wiesbaden 2010.

Gerstein, J./Ward, A.: Supreme Court has voted to overturn abortion rights, draft opinion shows. Verfügbar unter: https://www.politico.com/news/2022/05/02/supreme-court-abortion-draft-opinion-00029473 (01.06.2022).

Günter, U.: Die Moralisierung der Märkte. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik (zfwu), 8. Jg., Nr. 1, 2007, S. 93-96.

Hoßfeld, H.: Die Erklärung von Vertrauen im ökonomischen Modellbau – zwischen Realitätsnähe und Komplexität, in: Essener Beiträge zur Personalforschung, 5. Jg., Nr. 4, 2005, S. 1-26.

Kurbacher, F. A.: Was ist Haltung? Überlegungen zu einer Theorie von Haltung im Hinblick auf Interindividualität, Essen, Kongress der Deutschen Gesellschaft für Philosophie, 2008.

Kurbacher, F. A.: Interpersonalität zwischen Autonomie und Fragilität – Grundbezüge einer Philosophie der Haltung. In: Kurbacher, F. A./Wüschner, P. (Hrsg.): Was ist

Haltung? Begriffsbestimmung, Positionen, Anschlüsse, Würzburg 2016, S. 145-162.

Kurbacher, F. A./Wüschner, P.: Einleitung: Was ist Haltung? Begriffsbestimmung, Positionen, Anschlüsse. In: Kurbacher, F. A./Wüschner, P. (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmung, Positionen, Anschlüsse, Würzburg 2016, S. 11-24.

Lahno, B.: On the Emotional Character of Trust. In: Ethical Theory and Moral Practice, 3. Jg., Nr. 4, 2001, S. 171-189.

Leschhorn, S.: Verhalten, Märkte und öffentliche Aufgaben. Zur Theorie des Marktversagens aus verhaltensökonomischer Perspektive, München 2020.

Levi Strauss & Co.: Protecting Reproductive Rights – A Business Imperative, verfügbar unter: https://www.levistrauss.com/2022/05/04/protecting-reproductive-rights-a-business-imperative/ (01.06.2022).

Nawratil, U.: Glaubwürdigkeit in der sozialen Kommunikation, Wiesbaden 1997.

Reichertz, J.: Purpose-Marketing: Unternehmen als Sinn- und Wertelieferanten. Zu einer neuen und alten Entwicklung im Marketing. In: Kemming, J. D./Rommerskirchen, J. (Hrsg.): Marken als politische Akteure, Wiesbaden 2019, S. 69-88.

Reinmuth, M.: Vertrauen schaffen durch glaubwürdige Unternehmenskommunikation. Von Geschäftsberichten und den Möglichkeiten und Grenzen einer angemessenen Sprache, Düsseldorf 2006.

Rommerskirchen, J.: Unternehmenskommunikation in Zeiten der Digitalisierung. In: Journal für korporative Kommunikation, 5. Jg., Nr. 1, 2019, S. 55-63.

Smith, A.: Theorie der ethischen Gefühle, Hamburg 2021.

Stehr, N.: Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie, Frankfurt am Main 2007.

Weber-Guskar, E.: Haltung als Selbstverhältnis. Am Beispiel der Würde. In: Kurbacher, F. A./Wüschner, P. (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmung, Positionen, Anschlüsse, Würzburg 2016, S. 181-195.

Will, J.: Vom Erwachen der Schlafenden. Zur Amphibologie von Haltung. In: Kurbacher, F. A./Wüschner, P. (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmung, Positionen, Anschlüsse, Würzburg 2016, S. 197-216.

page10image60708336