Sabrina Behr-Barner: Alles nur Fassade? Wie Unternehmen sich verändern

Dieser Beitrag geht der Frage nach, inwiefern Unternehmen heute eine neue Stellung in der Gesellschaft einnehmen und diese durch ihre öffentliche Kommunikation legitimieren. Dafür ist zunächst unter Heranziehen der historischen Entwicklung von Organisationen erläutert, auf welche Art Unternehmen grundsätzlich in der Gesellschaft verankert sind. Vor dem Hintergrund neuerer Studien ergibt sich anschließend, wie sich die heutige Rolle von Unternehmen gestaltet und auch tatsächlich umgesetzt wird. Die Diskussion aktueller gesellschaftlicher Trends zeigt außerdem auf, welche sozialen Wechselwirkungen dadurch mit privatwirtschaftlichen Institutionen entstehen. Um zu demonstrieren, wie sich die Neupositionierung in der medialen Unternehmenskommunikation niederschlägt, soll eine empirische Untersuchung von Kundenzeitschriften die Antwort auf die dem Artikel zugrundeliegende Frage vervollständigen. Mit der Inhaltsanalyse von Kundenmagazinen als traditionelles mediales Kommunikationsmittel der Unternehmen wird letztlich deutlich, inwieweit die zuvor erläuterten theoretischen Annahmen gestützt werden können. Als ein zentrales Ergebnis geht hervor, dass Unternehmen sich zwar im Wandlungsprozess befinden, ihre Veränderung aber auch stark an das Umfeld gebunden ist. Ein zusammenführendes Fazit mit den zuvor aus der Theorie gewonnenen Erkenntnissen soll Klarheit darüber schaffen, welche Funktion Unternehmen heute in der Gesellschaft haben bzw. wie ihre Rolle darin aussehen soll und an welche Bedingungen dies geknüpft ist.

Das war die düstere Ankündigung Jesu, wie sie in der Bibel überliefert und 70 Jahre nach Christus bewahrheitet worden war. Die Juden in Jerusalem, die damals ohnehin schon ihr politisches Zentrum an die Römer verloren hatten, sollten nun auch noch erleben wie ihr religiöses Zentrum, die Tempelanlagen, zerstört und später durch eine islamische Moschee ersetzt werden sollte. Bis heute fällt diese Redewendung regelmäßig, wenn sich etwas grundlegend verändert oder im schlimmsten Fall durch Krieg vernichtet wird. Wenn kein Stein auf dem anderen bleibt, ist nachher alles anders als zuvor und wird nicht wieder in den alten Zustand zurückkehren. Das muss jedoch nicht unbedingt immer negative Konsequenzen haben, sondern kann durchaus von Vorteil sein. Denkt man etwa an die heutigen disruptiven Veränderungen, die die Digitalisierung hervorruft, fallen einem sofort die angenehmen Vorzüge ein, die etwa durch Onlineshopping entstehen, aber auch die unangenehmen Begleiterscheinungen, wie z.B. der Missbrauch von Daten. Vor allem aber – und das ist das eigentliche Problem welches die Verkündigung Jesu oben bezeichnet – ändert sich dadurch unser gemeinschaftliches Zusammenleben. Auch für die Juden war das Hauptproblem nicht allein die Zerstörung eines Gebäudes, sondern viel mehr die damit einhergehende Vernichtung der dort zugrundeliegenden Institution, d.h. ihrer gesamten gemeinschaftlichen Struktur. Ohne institutionelle Grundversorgung konnte sich das Volk nicht weiter organisieren und war damit praktisch erloschen. Die Gesellschaft lebt auch heute in einer turbulenten Zeit, in der immer weniger in Stein gemeißelt ist: Großbritannien verlässt die EU und stellt mit diesem noch nie dagewesenen Austritt die europäische Organisation auf den Kopf.„Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.“ (Mt, 24,2, LU)

Der Abgasskandal versetzt die einst stabilen deutschen Automobilhersteller ins Wanken. Die neue Datenschutzgrundverordnung zieht zum Teil endlose organisatorische Prozessketten nach sich. Derartige Beispiele passieren Jahr für Jahr und verändern Organisationen und ihre Umwelt.

Es gibt unendlich viele Arten von Organisationen und die Gesellschaft scheint von Organisationen regelrecht durchdrungen. Wenn von Organisationen die Rede ist, sind damit sowohl politische, wissenschaftliche als auch privatwirtschaftliche Einrichtungen wie Unternehmen gemeint. Auch die Unternehmenslandschaft wird im Hinblick auf das World Wide Web und die Globalisierung zunehmend unübersichtlicher. Andererseits ist ein Leben ohne diese Organisationen heute kaum vorstellbar. „Gerade weil Organisationen […] für die moderne Gesellschaft, ja für das moderne Leben so wichtig und so unentbehrlich geworden sind, könnte es wichtig sein, ihre „Eigenlogik“ besser begreifen zu können.“ (Luhmann, 2000, S. 7).

Organisationen sind grundsätzlich dazu da, uns zu helfen, das alltägliche Leben zu organisieren. Um noch einmal auf das obige Beispiel aus der Bibel zurückzugreifen, so waren sowohl die Römer als auch die Juden gemeinschaftliche Organisationen. Doch nicht allen wurde geholfen, manche trugen auch ihren Schaden davon. So wie früher Könige gestürzt wurden, werden heute Konzernchefs verhaftet. Nun scheinen die Chefs nicht immer schlecht für die Organisation gewesen zu sein, sonst hätten sie es nicht bis an die Spitze des Unternehmens geschafft. Für den außenstehenden Bürger ist das alles mitunter schwer nachzuvollziehen. Allerdings fordert er Gerechtigkeit, wenn wegen eines neu verhängten Dieselfahrverbots sein teuer erstandenes Kfz plötzlich wert- und nutzlos wird. Auch mit der Organisation der Flüchtlingskrise herrscht große Unzufriedenheit. Sobald man mit der Lösung der Organisation nicht mehr einverstanden ist, werden dadurch oftmals dahinterstehende Institutionen und Strukturen hinterfragt. Doch diese sind für den einzelnen Außenstehenden mitunter zu kompliziert und undurchsichtig, um wirklich nachvollziehen zu können, wie es zu all diesen Problemen kommt und dass die Lösung, die einem selbst vielleicht einfach erscheinen mag, tatsächlich unmöglich ist. Aber hat dann nicht die Organisation ihre Funktion verfehlt?

Es liegt in der Natur der Sache, dass Unternehmen viel daran liegt, öffentliche Akzeptanz zu erreichen. Irgendjemand muss immerhin für sie arbeiten und anschließend braucht die angebotene Leistung auch Abnehmer. Zunächst scheint ihre Rolle also gar nicht so neu, wie auch Jan Rommerskirchen kürzlich konstatierte, denn Unternehmen sind seit jeher ein Teil der Gesellschaft und sie müssen daher einen sozialen Auftrag erfüllen und verantworten (vgl. Rommerskirchen, 2018, S. 25). Doch wie nehmen Unternehmen überhaupt eine gesellschaftliche Rolle ein?

Legitimation durch Kommunikation

Legitimation von Organisationen ist die zentrale Funktion in der Öffentlichkeitsarbeit und damit der medialen Unternehmenskommunikation. Legitimität als Zustand ist eine gesellschaftliche Zuschreibung, die weder das Image noch die Reputation eines Unternehmens meint. Vielmehr erfolgen solche Zuschreibungen durch Meinungen in Verbindung mit kollektiven Rechtfertigungsordnungen oder institutionellen Logiken. Bestimmt werden diese Ordnungen und Logiken durch die jeweilige Lebenswelt, in welcher das Unternehmen sich bewegt und agiert. Legitimation ist somit ein Prozess, der im öffentlichen Diskurs stattfindet und bedingt durch dort entstandene Zuschreibungen unternehmerische Handlungen ständig Evaluationen und Beurteilungen unterworfen sind (vgl. Sandhu, 2014, S. 1161). Gesellschaftliche Legitimität ist nicht nur für Unternehmen, sondern für die Gesellschaft selbst unbedingt notwendig, da ihr sonst jegliche Existenzgrundlage fehlt. Dieser Aspekt wird besonders deutlich, wenn Legitimität angezweifelt wird. Während es früher z.B. kein Problem war, giftigen Chemikalienmüll in natürliche Gewässer zu entsorgen, ist es heute, bedingt durch das öffentliche Bewusstsein für Umweltschutz, verboten. Die Pflicht zur Legitimation ist also durch einen Konflikt in der Legitimität entstanden, indem sich gesellschaftliche Erwartungen verändert haben (vgl. Sandhu, 2014, S. 1164). Ein gesellschaftlicher Wertewandel scheint somit unmittelbaren Einfluss auf die Unternehmensorganisation und deren Handlungsstruktur zu haben. Dabei sind es nicht immer gesetzliche Vorschriften, welche die Organisation zu solchen Maßnahmen zwingen.

Unternehmen orientieren sich genauso an gesellschaftlichen Erwartungen, wenn es sich um freiwillige Maßnahmen handelt, die nicht im Gesetz vorgeschrieben sind. Je weniger Unternehmen diesen äußeren Erwartungen entsprechen, desto mehr müssen sie von ihrer Legitimität einbüßen und dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine gesetzliche Pflichtverletzung handelt oder eine Wertverletzung oder ob sie schlicht keine Reaktion auf einen gesellschaftlichen Erwartungsanspruch zeigen. Je besser aber der Zustand der Legitimität, desto größer ist auch der Handlungsspielraum, denn die Gesellschaft ist es, die der Organisation ihre Lizenz zum Handeln verleiht. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Betriebslizenz bzw. ‚licence to operate’ gesprochen (vgl. Lin-Hi, 2018, o. S). Legitimität kann vor diesem Hintergrund als Ressource aufgefasst werden und wird damit auch zum strategischen Planungsprozess im Unternehmensmanagement. Demnach lässt sich mit Hilfe einer Strategie Legitimität aufbauen bzw. steuern und damit gegenüber der Außenwelt verteidigen (vgl. Sandhu, 2014, S. 1166). Auf symbolischer Ebene gestalten sich solche Legitimitätsstrategien durch Sprache, Handlungen, Kategorisierung und Artefakte (vgl. Sandhu, 2014, S. 1170). So können etwa sprachlich festgelegte Muster die Legitimität in bestimmte Situationen wie Krisen stützen. Zur Legitimität des Unternehmens gehören somit auch gestaltungs- und kommunikationstechnische Mittel wie Markenlogos, Firmengebäude und alle sonstigen Kommunikationsmittel, die zum Einsatz kommen. Kommunikation und im Speziellen die Sprache sind somit wesentliche Legitimationsmittel, welche zur Legitimierung des Unternehmens eingesetzt werden. Allerdings kann Kommunikation allein nicht alle Probleme lösen, wie das Stichwort greenwashing verdeutlicht. Die Kommunikation von Verantwortungsthemen ist heute äußerst beliebt: „Immer mehr Unternehmen propagieren moralische Positionen und positionieren sich damit in gesellschaftlichen und politischen Diskussionen über soziale Normen und Werte“ (Rommerskirchen, 2018, S. 14). „Gemeint sind aber eine glaubwürdige Auseinandersetzung mit der Realität sowie eine Verbindung von Handeln und Kommunikation“ (Mast, 2010, S. 347). Aus diesem Grund können solche Themen kein reiner Werbezweck sein, denn sonst besteht die Gefahr, negativ wahrgenommen zu werden und erneut Vertrauen der Öffentlichkeit und damit Legitimität einzubüßen.

Die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft

„Unternehmen sind einerseits wirtschaftliche Organisationen, deren Erfolg mit betriebswirtschaftlichen Kriterien und Verfahren zu messen ist; andererseits sind die Wirtschaft und ihre Organisationen auch eine gesellschaftliche Institution.“ (Backhaus-Maul, 2010, S. 303). Entsprechend dieser Trennung zwischen betriebswirtschaftlicher und soziologischer Disziplin, wie sie der Organisationsforscher Holger Backhaus-Maul formuliert, liegt der Schwerpunkt hier in der Betrachtung der gesellschaftlichen Rolle von Unternehmen. Die heutige soziale Rolle von Unternehmen in der deutschen Gesellschaft wird in Fachkreisen bereits seit etwa zwei Jahrzehnten immer ausgiebiger diskutiert (vgl. ebd.).

Fragt man nach der Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft, muss zunächst die Bedeutung von Gesellschaft und die Funktion von Rollen darin in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Maßgeblich wurde der Begriff in der römischen und griechischen Antike mit den zahlreichen Errichtungen römischer Städte und der ‚polis’, dem griechischen Stadtstaat, geprägt (vgl. Schäfers, 2013, S. 255). Damals spielten zwar ökonomische Aspekte bereits eine wichtige Rolle, allerdings waren diese noch stark an den Staat geknüpft. Hier wird bereits die Problematik deutlich, einzelne Rollen innerhalb der Gesellschaft zu definieren, da auch die Gesellschaftsform einem Wandel unterliegt und soziale Rollen unmittelbar an diese geknüpft sind. Während früher z.B. eine gemeinschaftliche Zugehörigkeit vor allem durch persönliche Beziehungen, im Sinne einer natürlichen Nähe wie Verwandtschaft oder selber Wohn- und Arbeitsort geprägt waren, geht es in der modernen Industriegesellschaft bei zwischenmenschlichen Beziehungen um die Zweckmäßigkeit oder Tauschfähigkeit. Dadurch ergeben sich neue Unterschiede zwischen den Individuen, wodurch sich auch neue Rollen entwickeln. Mit diesem Wandel der Gesellschaft bzw. ihrer Ausdifferenzierung entstehen weitere autonome Teilbereiche, wie sie auch heute in Grundzügen folgendermaßen vorherrschen: Recht und Politik, Markt und Produktion, Religion und Kirche, Kultur und Bildung sowie Arbeit und Freizeit (vgl. Schäfers, 2013, S. 256).

Eine solche Einteilung gesellschaftlicher Bereiche findet sich auch anschließend bei den großen sozialwissenschaftlichen Handlungstheorien des 20. Jahrhunderts wieder. Talcott Parsons begründete beispielsweise mit dem Strukturfunktionalismus eine wichtige soziologische Makrotheorie (vgl. ebd.). Mit Hilfe seiner Theorien lassen sich soziale Handlungen durch die Zuschreibung von Rollen erklären. Nach Parsons Auffassung sind Rollen als gegenseitige Abstimmungen von Handlungen zu verstehen, mit dem Ziel, individuelle Absichten zu erreichen (vgl. Parsons/ Smelser, 1956, S. 21). Der Akteur ist sich somit bewusst, welche Rolle er einnehmen muss und welche Normen er damit anerkennt, um sein gewünschtes Ziel zu erreichen. Die Rolle ist damit eng verknüpft mit den jeweils in der Gesellschaft geltenden Normen und Werten, die der handelnde Akteur freiwillig befolgt, um seine beabsichtigte Wirkung zu erzielen.

Diese verhältnismäßig starre Rollenordnung wird kurz vor der Jahrtausendwende von Niklas Luhmann ein wenig gelockert und aktualisiert. Individuell beabsichtigte Ziele sozialer Handlungen liegen hier, im Gegensatz zu Parsons, nicht ausschließlich in der Befolgung systemimmanenter Normen, sondern im Sinngebrauch selbst (vgl. Luhmann, 2012, S. 18). Nun ist Sinn als Phänomen, das die Gesamtheit der Wirklichkeit widerspiegelt und damit eine Reihe an Handlungsmöglichkeiten anbietet, als übergeordnete Handlungsabsicht als sehr komplex anzusehen (vgl. Luhmann, 2012, S. 93 f.). Der Akteur wählt seine Handlungen aus, ob und inwiefern sie aber zur Problemlösung beitragen, hängt davon ab, wie zielführend diese zum jeweiligen Zeitpunkt sind. Die Gesellschaft ist hier Voraussetzung für Interaktionen und wird gleichzeitig durch diese vollzogen. Demnach wird „Handlung […] in sozialen Systemen über Kommunikation […] konstituiert.“ (Luhmann, 2012, S. 191). Kommunikationshandlungen bedeuten entsprechend dem sinnorientierten Handeln also eine Selektion aus möglichen Handlungsoptionen. Dieser Selektionsprozess führt dazu, dass sich ein System von anderen Systemen abgrenzt, eben durch die Auswahl unterschiedlicher Optionen. Luhmann bringt damit ein Konzept auf den Plan, dass die Einordnung der Rolle von Unternehmen bewerkstelligt, ohne sich auf zeitliche, kulturelle oder örtliche Dimensionen zu beschränken. Hierfür werden Organisationen als autopoietische Systeme betrachtet (vgl. Luhmann, 2000, S. 39). Die Gesellschaft ist nach wie vor das allen anderen Systemen übergeordnete System. Allerdings werden Organisationen nicht als Subsysteme untergegliedert, wie es etwa Parsons Theorie beschreibt, sondern sind lediglich als in sich geschlossenes System zu betrachten, das in Interaktion mit anderen Systemen tritt und sich innerhalb der Gesellschaft vollzieht. Gerade diese Flexibilität zeichnet die Theorie der autopoietischen Systeme aus, denn demnach bestehen Systeme schlichtweg aus sozialen Handlungen bzw. Kommunikationen und grenzen sich durch eben diese voneinander ab, wodurch sie gewissermaßen autark und in sich geschlossen sind.

Organisationen als autopoietische Systeme

Übertragen auf Organisationen – und damit auch Unternehmen – beruhen diese Handlungen stets auf öffentlich kommunizierten Entscheidungen. Die Eigenständigkeit der Systeme zeichnet sich diesbezüglich durch systemimmanente Entscheidungen aus (vgl. Luhmann, 2000, S. 80). Entscheidungen sind es somit auch, die die Organisation überhaupt erst begründen und damit einen Bezugsrahmen setzen, um künftige Entscheidungen kontingent an bereits getroffene Entscheidungen anzuschließen. Unternehmen sind damit ein System innerhalb der Gesellschaft, welche mit Entscheidungen, die sie öffentlich kommunizieren, das Ziel verfolgen, sinnhaft und eigenständig fortzubestehen, d.h. Anschlusshandlungen zu ermöglichen. Da die Existenz der Unternehmen in der Gesellschaft begründet liegt und sich deshalb dort – wie schon oben verdeutlicht – legitimiert, geschehen diese Entscheidungsoperationen in der Regel sehr wohl unter Fremdeinflüssen. Trotzdem bleiben Unternehmen eigenständige Systeme, da sie immer die Wahl haben, inwiefern sie dies bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Diese Mechanismen, die durch die öffentliche Kommunikation von Entscheidungen entstehen, haben zur Folge, dass Organisationen sich immer mehr ausdifferenzieren und gleichzeitig wegen der zunehmenden Spezifizierung unbeweglicher werden. Es sind die Unternehmen selbst, die sich durch eine gewollte Abgrenzung vom Mitbewerber in diese Lage manövrieren. Die heutige Geschwindigkeit und Tragweite medialer Kommunikation steigert diesen Prozess, da Entscheidungen öfter und schneller getroffen werden müssen und dadurch den Handlungsspielraum begrenzen.

Die Rolle von Unternehmen wie sie heute ist oder sein sollte

Diese theoretischen Überlegungen zur Unternehmensorganisation zeigen sich anschließend auch in der praktischen Auseinandersetzung mit der heutigen Rolle von Unternehmen. Es entstehen immer mehr Unternehmen und Organisationsgeflechte, wodurch ihre gesellschaftliche Bedeutung wächst. Unternehmen haben keinen Selbstzweck, sondern sie erfüllen wichtige Aufgaben innerhalb der Gesellschaft. Hinzu kommt hier noch die Problematik, dass gesellschaftliche Institutionen tendenziell abwärts gehen und der Staat als übergeordnetes gesellschaftliches Handlungsorgan schwächer wird (vgl. Backhaus-Maul/ Brühl, 2003, S.5). Dies kann zum einen eine Folge der Schwerfälligkeit großer, hierarchisch organisierter Institutionen sein, die zur immer größeren Handlungsunfähigkeit führt (vgl. Luhmann, 2000, S. 359 f.). Andererseits liegt diese Entwicklung wiederum in der Gesellschaft selbst begründet, wie auch später die Auseinandersetzung mit sozialen Trends verdeutlicht, und ist damit ebenso ein Ergebnis des sozialen Wandels. Daraus entsteht ein Bedarf sozialen Engagements, was aber letztlich auch von der Bevölkerung kommen muss und nicht nur von den Unternehmen. Wie aus der Enquete-Kommission des deutschen Bundestags von 2002 hervorgeht, ist es die Aufgabe der Organisationen, zum bürgerschaftlichen Engagement zu motivieren (vgl. Bürsch 2002, S. 3). Da die Organisationslandschaft maßgeblich von Unternehmen geprägt wird, erscheint es aus dieser Sicht sinnvoll, sie verstärkt in die Verantwortung zu nehmen. Unternehmen sollen hierfür dazu aufgefordert werden, selbst sozial aktiv zu werden und damit in eine Vorbildfunktion zu treten, indem sie die Bürger dazu motivieren, es ihnen gleich zu tun. Daneben geht es aber auch darum, den Bürgern wie auch den Unternehmen als Corporate Citizen keine Aktivitäten aufzuzwingen, sondern diese ihrer eigenverantwortlichen Regie zu überlassen (vgl. Olk, 2003, S. 19). Dieser Aspekt kann als Teil der neuen Rolle von Unternehmen gesehen werden. Ziel dieser neuen Rolle ist demnach eine sozial verantwortungsvolle Bürgergesellschaft, die Bürger zu einer aktiven politischen und gesellschaftlichen Teilhabe ermächtigt (vgl. ebd.). Dadurch wird allerdings ein bürgerliches Idealbild gezeichnet, das so wohl kaum in der Realität vorzufinden sein wird, weil für den Einzelnen die Vorteile für seinen Einsatz kaum merklich zum Vorschein kommen. Unternehmen können hierbei eine wichtige Rolle einnehmen, indem sie Anreize für den Bürger schaffen und dadurch eine wohltätige Handlung sinnvoll und zufriedenstellend einsetzen können (vgl. Bürsch 2003, S. 39).

Auch wenn hierzu einige Modelle und Ansatzpunkte entwickelt (vgl. Probst 2003, S. 37) und teilweise in der Praxis beispielhaft zur Anwendung kommen – beispielhaft seien hier das Projekt „Autovision“ zwischen Volkswagen und der Stadt Wolfsburg genannt (vgl. Eckel 2003, S. 157 f.) sowie die Kooperation zwischen Procter&Gamble und profamilia e.V. zur sexuellen Aufklärung von Schülern (Riepe, 2003, S. 163 f.) genannt – ist bei weitem noch nirgends eine ganzheitliche Umsetzung erfolgt. Dies bestätigt auch die aktuelle, von Deloitte durchgeführte Global Human Capital Trendstudie 2018, bei der über 11.000 Entscheider aus deutschen Unternehmen ihre Sichtweise zum „Megatrend soziale Organisation“ äußerten (vgl. Deloitte, 2018, S. 3 ff.). Dadurch gerät der Entwicklungsprozess einer verantwortungsvollen Bürgerschaft ins Stocken, denn eine punktuelle Umsetzung führt nicht zu der gewünschten Kettenreaktion und Folge von Anschlusshandlungen, sondern es bleibt bei mühsam angestrebten Einzelaktionen. Immerhin scheint heute, beinahe zwei Jahrzehnte nach den Anfängen der Diskussion zum bürgerschaftlichen Engagement in Deutschland, in den Köpfen der deutschen Unternehmen zumindest ein Bewusstsein für eine sozial verantwortungsvolle Rolle angelangt zu sein (vgl. Deloitte, S. 17). Es besteht jedoch noch einiges an Aufklärungs- sowie Handlungsbedarf, um die neue Rolle der Unternehmen wirkungsvoll umzusetzen und damit dem übergeordneten Ziel der Bürgergesellschaft näher zu kommen.

Trends der Gesellschaft

Die neue Rolle der Unternehmen hängt unmittelbar mit den momentanen Entwicklungen in der Gesellschaft zusammen. Entsprechend der aktuellen Sinus-Milieu®-Studie des Sinus-Instituts sind die Hauptmerkmale gesellschaftlichen Wandels der letzten zwei Jahrzehnte vor allem die Flexibilisierung von Arbeits- und Privatleben, die Erosion klassischer Familienstrukturen und polarisierter Wohlstand, welche vorwiegend aus der steigenden Vergesellschaftung der Digitalisierung und der zunehmenden Globalisierung hervorgehen (vgl. Sinus-Institut, 2017, S. 2 f.). Dieses Zeitalter ist somit durch eine generelle Entgrenzung geprägt, die sich durch alle gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereiche zieht. Damit verbunden stellt sich insbesondere bei traditionell verwurzelten Gruppen ein Gefühl der Überforderung und Verunsicherung ein, während zukunftsorientierte Bildungs-Eliten diese Veränderungen als Chance nutzen, um die vielfältigen Möglichkeiten für sich zu entdecken.

Daraus ergeben sich gesellschaftliche Trends, die Anzeigen, welche Auswirkungen derartige Veränderungen auf die Bevölkerung haben und in welche Richtungen ihr Verhalten tendiert (vgl. Sinus-Institut o.J., o. S.). So neigen die Menschen in Deutschland teilweise zur Autozentrik und spiegeln damit den Massentrend der Individualisierung wider, wohingegen die ‚Underdog-Culture’ die Kehrseite und damit die abgehängten, überforderten Gruppierungen herausstellt. Weiter beinhalten diese Trends einzelne Eigenschaften wie Vitalität, Selbstmanagement, Umweltbewusstsein, aber auch Frustration und Vertrauensverlust (vgl. ebd.). Die Beschreibung der Trends erfolgt zwar neutral und ohne Gewichtung, es lässt sich jedoch hieraus bereits ablesen, dass gemeinschaftliche bzw. politische Interessen kaum bis gar nicht vorhanden sind. Stattdessen wird zunehmend auf das individuelle Wohl vornehmlich mittels Kapital und Konsum geachtet.

Der infantile Konsument

Eine ähnliche Beobachtung konstatiert auch der amerikanische Wissenschaftler Benjamin Barber in seinem Buch „Consumed! – Wie der Markt Kinder verführt, Erwachsene infantilisiert und Bürger verschlingt“. Ihm zufolge steht das infantilistische Ethos stellvertretend für eine vom Individualismus geprägte Kulturform, die sich durch kindlichen Egoismus auszeichnet und den Bürger auf einen verantwortungslosen, konsumsüchtigen Verbraucher reduziert. Demnach verhält sich der Bürger wie ein verantwortungsloses Kind und gerät damit in eine Art selbstverschuldete Unmündigkeit, was ihn wiederum vom Markt beherrschbar macht (vgl. Barber, 2007. S. 41). Was Barber hier beschreibt klingt äußerst negativ und teilweise beunruhigend, jedoch, und obwohl es hauptsächlich um die US-amerikanische Gesellschaft geht, deuten sich solche Entwicklungen durchaus auch im westeuropäischen Raum und damit in Deutschland an. Das wäre ebenso eine Begründung dafür, warum überhaupt etwa eine Enquete-Kommission zum Thema bürgerschaftliches Engagement notwendig ist; eben um zu vermeiden, dass sich Trends wie Autozentrik und Underdog-Culture nicht noch weiter zuspitzen.

Auch die heutigen kapitalistischen Konstellationen lassen eine solche Vermutung zu. Da die vermögende Bevölkerungsgruppe anstrebt, ihr Kapital weiter zu mehren, während die übrige Bevölkerungsmasse zu noch mehr Konsum angestiftet wird, gibt es hier zumindest teils eine Übereinstimmung mit der Polarisierung des Wohlstands, wie es aus der Sinus-Studie hervorgeht und die berühmte Schere zwischen Arm und Reich beschreibt. Generell betont Barber diese Sucht durch mit Konsum verbundener Vergnügung und warnt davor, diese z.B. im Sinne einer Karnevalisierung zu verharmlosen, denn es gibt durchaus ernstzunehmende Folgen, die sich mittlerweile bereits abzeichnen (vgl. Barber, 2007, S. 258). So führt etwa auch die zunehmende Politikverdrossenheit dazu, dass der Bürger sein Umfeld immer weniger aktiv mitgestaltet und dadurch hinnehmen muss, was ihm vorgesetzt wird. Barber geht dabei noch einen Schritt weiter und beschreibt die drastische Entwicklung der menschlichen Individuen zu Massenidentitäten, die sich allein über ihren Konsum definieren (vgl. Barber, 2007, S. 221). Marken füllen dann den sonst inhaltsleeren Menschen aus, der sich darin mitunter auch der Illusion hingibt, Konsum als Allzweckwaffe für die Lösung persönlicher Probleme und Bedürfnisse zu überhöhen, tatsächlich aber in eine Identitätskrise rutscht. Eine Lösung für diese Probleme wird in diesem Buch zwar nicht skizziert, trotz vorheriger Beschuldigung der Konsumindustrie sieht jedoch auch der Amerikaner die Bürger selbst in der Pflicht zu einem „gesunden Pluralismus zurückfinden, der der Vielfalt menschlicher Werte zur Geltung verhilft und im materiellen Konsum nur eine von vielen Möglichkeiten menschlichen Verhaltens sieht.“ (Barber, 2007, S. 258). Somit überschneidet sich diese Sichtweise ebenso wieder mit den zuvor geschilderten Grundlagen zum bürgerschaftlichen Engagement. Damit schließt sich der Kreis gewissermaßen, denn obwohl Barber, sofern die Konsumspirale sich weiter dreht, eine düstere Zukunft zeichnet, will er vor allem auf schlechte Gewohnheiten aufmerksam machen, die langfristig zum Verhängnis werden, wenn die Bevölkerung sich weiterhin den gemeinschaftlichen Pflichten entzieht.

Die größte Agentur der Welt

Zehn Jahre später veröffentlicht der deutsche Philologe Hermann Sottong mit seinem Buch „Die größte Agentur der Welt“ im Gegensatz zu Benjamin Barber eine sehr viel positivere Sichtweise, zumindest was die Verbrauchergesellschaft betrifft, und sieht nun eher die Unternehmen unter Zugzwang, um weiter zukunftsfähig zu bleiben (vgl. Sottong, 2017, S. 5 f.). Im Sinne Sottongs sind Marken nicht als identitätsstiftend auszulegen, sondern fungieren lediglich als semiotische Kommunikation über die eigene Identität (vgl. Sottong, 2017, S. 10). Dabei ist es vor allem den Fortschritten der Digitalisierung zu verdanken, die den Konsumenten zur Stimme verholfen haben, um so auf die Unternehmen Einfluss zu nehmen. Auf diese Weise werden Marken vom Konsumenten kreiert, indem Unternehmen auf die nachgefragten Bedürfnisse der Konsumenten reagieren und deren Wünschen nachkommen. Deshalb werden Marken heute anstelle von Agenturen von den Verbrauchern konzipiert, die somit die größte Agentur der Welt darstellen. Somit erklärt sich hier die heutige Vielfalt der existierenden Marken nicht aus dem Vorwand, künstliche Bedürfnisse und Individualität zu erzeugen, sondern vielmehr als ein Produkt aus den individuellen Bedürfnissen (vgl. Sottong, 2017, S. 44). Bei diesen Bedürfnissen muss es sich aber nicht um einen Grundbedarf handeln, sondern kann auch die Nachfrage gewisser Trends beinhalten, die aber wiederum ebenso nicht von der Werbung, respektive den Unternehmen produziert werden, sondern ihren Ursprung ebenfalls in der Gesellschaft haben. Deshalb ist Sottong davon überzeugt, dass Werbung nicht mehr weiter erfolgreich ist, indem überhöhte und ungreifbare Versprechungen gemacht werden (vgl. Sottong, 2017, S. 16ff.).

Die Reaktionen seitens der Konsumenten um Werbung zu vermeiden zeigen, dass sie allgemein als störend und aufdringlich wahrgenommen wird. Daher kann Werbung sich sogar schädlich auf das Unternehmensimage auswirken und zu Misstrauen seitens der Konsumenten führen. Eine hingegen heute für Unternehmen essentielle Funktion liegt nach wie vor in der Konzeption von Marken. Mithilfe von Marken eröffnen Unternehmen sich die Gelegenheit, am öffentlichen Diskurs teilzunehmen, was wiederum wie in der Einführung dargelegt, als Mittel zur Legitimation dient. Um aber überhaupt als Marke bzw. Unternehmen für einen gesellschaftlichen Diskurs relevant zu sein, müssen diese schrittweise etabliert werden (vgl. Sottong, 2017, S. 76 f.). Nachdem ein anfängliches Leistungsangebot erstellt ist, müssen weitere Zuschreibungen extern erfolgen, d.h. öffentlich ausgehandelt werden. Je definierter und stabiler der Angebotskern, also die innere Marke mit ihren zentralen Produktmerkmalen, aufgebaut ist, desto besser lässt sie sich später in Diskursen vernetzen und hierzu ist natürlich auch eine entsprechende Kommunikation nach außen notwendig, aber eben nicht durch herkömmliche Werbung. Es geht vor allem darum, mit den Kunden in Austausch zu treten und damit um die Teilnahme an gesellschaftlichen Diskursen, um so die Leistung zu verbessern oder gegebenenfalls individuell anzupassen. Eine große Schwierigkeit, die sich für Unternehmen dadurch ergibt, ist die Abhängigkeit vom öffentlichen Diskurs und damit die permanente Überprüfung durch die Öffentlichkeit, der sie unterworfen sind (vgl. Sottong, 2017, S. 205).

Obwohl Benjamin Barber und Hermann Sottong hier sehr gegensätzliche Vorstellungen von der Gesellschaft darlegen, so scheinen doch beide der Realität zu entsprechen. Was auf den ersten Blick aussieht, wie der Vergleich zweier Parallelgesellschaften kann letztlich als solches zwiegespaltenes Verhalten mitunter in einer einzelnen Person vereint sein. Einerseits streben die Menschen nach Komplexitätsreduktion der massigen Vielfalt, andererseits hat vor allem das Internet vielen die Scheu genommen und es dazu mühelos einfach gemacht, seine eigene Meinung kund zu tun. Mit dem Internet bilden sich neue und neuartige Gemeinschaften heraus, die sowohl für die Privatperson, aber auch für Unternehmen, Chancen und Gefahren gleichzeitig enthalten. Sowohl Sottong als auch Barber machen Unternehmen, Konsumenten und im Grunde die gesamte Gesellschaft auf potentielle Entwicklungen aufmerksam und rufen dazu auf, mit offenen Augen an diese Veränderungen heranzutreten, um anschließend seine eigene Handlungsfähigkeit weiter ausüben zu können.

Tendenzen in der medialen Unternehmenskommunikation

Gerade da Werbung heute ein negatives Image hat, stellen Kundenzeitschriften ein interessantes Medium dar, um sich beim Verbraucher auf angenehme Art und Weise in Erinnerung zu rufen, sowie sich gleichzeitig für Unternehmen die Chance ergibt, durch ehrliche und informative Inhalte eventuell verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Ohnehin erscheint es heute für die Unternehmen angesichts der Sättigung des Marktes lohnenswerter, mehr in die Kundenbindung zu investieren, statt in die Neugewinnung. So ist mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse bei Kundenmagazinen der Unternehmen Mercedes, Porsche, Saturn, Rossmann, Deutsche Bahn, Lufthansa sowie der AOK und der Techniker Krankenkasse untersucht worden, inwiefern Unternehmen ihre neue Rolle dort kommunizieren und dadurch legitimieren.

Tatsächlich hat die Untersuchung ergeben, dass die Kundenzeitschriften zum großen Teil eine hohe Authentizität aufweisen und entsprechend an das Image des Unternehmens angepasst sind. Einzig Ausgaben der Unternehmen Porsche und Saturn weichen im Vergleich zu den anderen analysierten Magazinen von dieser Strategie teilweise ab, da sie insbesondere auf spezielle Teil-Zielgruppen einzugehen scheinen und nicht wie bei den anderen Exemplaren die gesamte Zielgruppe des jeweiligen Unternehmens bedienen und stellen daher eine Art Special-Interest-Magazine dar.

Insgesamt hat die Analyse des Materials gezeigt, dass seitens der Unternehmen Interesse besteht, an öffentlichen Diskursen teilzunehmen. Immer öfter wird die Kundenzeitschrift als Option gesehen, mit den Kunden in Kontakt zu treten und dadurch einen gegenseitigen Austausch zu fördern. Da die Kundenzeitschrift außerdem ein traditionelles Kommunikationsmittel ist, kann daraus seitens der Kunden neues Vertrauen erweckt werden. Unternehmen betreiben hierfür einen hohen Aufwand, unter anderem etwa durch den geschickten Einsatz journalistischen Handwerks, der dem Magazin einen ehrlichen und beinahe objektiven Anschein verleiht und den unbeliebten werblichen Charakter maximal auf durch externe Anbieter geschaltete Anzeigen beschränkt. Es verwundert daher nicht, dass Kundenmagazine inzwischen mit dem Markt der Publikumszeitschriften konkurrieren, denn während dort die Printauflagen seit Jahren rückläufig sind, steigt die Zahl der Corporate Publishing Exemplare (vgl Weichler/ Endrös, 2010, S. 7).

Fazit

Warum und inwiefern nehmen Unternehmen eine neue Rolle in der Gesellschaft ein und wie wird dies durch die mediale Kommunikation am Beispiel der Kundenzeitschriften legitimiert? Das war die zu Beginn aufgeworfene Frage, die dieser Artikel zu beantworten versucht. Die Herleitung zu Beginn, wie Organisation entsteht und sich daraus schließlich das heutige Unternehmen aus der Gesellschaft herausbildet, zeigt, wie sich generell die Rolle von Unternehmen zusammensetzt. Unternehmen haben daher keinen Selbstzweck, sondern erfüllen prinzipiell eine Funktion für die Gesellschaft. Da sie ein Produkt aus der Gesellschaft sind, unterliegen auch Organisationen dem gesellschaftlichen Wandel. Dementsprechend müssen Unternehmen sich immer dann verändern, wenn sich die Gesellschaft verändert. Neue Herausforderungen müssen aufgegriffen und implementiert werden, was oftmals organisationale Strukturänderungen mit sich bringt. Der erste Abschnitt der Frage impliziert aber auch, dass Unternehmen eine neue Rolle zugewiesen wird. Eine Zuweisung ist es deshalb, weil Unternehmen zwar ein eigenständiges System sind und ihre Entscheidungen intern treffen, jedoch das Erfordernis für die Veränderung von außen kommt, da es gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind, an die eine Anpassung erfolgen muss. Die neue Rolle von Unternehmen liegt folglich in einem aktuellen sozialen Wandel begründet. 

Inwiefern nun Unternehmen eine neue Rolle einnehmen, ist auf zweierlei Weisen zu beantworten. Auf der einen Seite ist hierfür zunächst zu umreißen, wie die neue Rolle in ihrer Funktion aussieht, sofern sie an die sozialen Veränderungen angepasst wird. Dies geschieht vor allem in Anlehnung an die Bedingungen, die im obigen Abschnitt ‚Die soziale Rolle von Unternehmen wie sie heute ist oder sein sollte’ angeführt sind. Dort ist insbesondere hervorgegangen, dass Unternehmen soziale Verantwortung im Sinne eines Corporate Citizen übernehmen sollen. Dies wiederum führt zum nächsten wichtigen Rahmen, in welchem sich die neue Rolle von Unternehmen bewegt. Unternehmen müssen sich daher fragen, in welche Richtung die Gesellschaft tendiert und was sie dabei berücksichtigen können, um ihrer neuen Rolle im Sinne einer verantwortungsvollen Bürgerschaft gerecht zu werden, ohne sich aber an der Gesellschaft vorbei zu entwickeln. Auf der anderen Seite ist die Frage, inwiefern die geforderte Rolle tatsächlich vom Unternehmen eingenommen wird. Es hat sich gezeigt, dass es bereits einige positive Ansätze in diese Richtung gibt, jedoch noch große Unsicherheit und auch ungenügendes Verständnis darüber herrscht, wie statt einzelner gut gemeinter Aktionen ein ganzheitliches und damit auch entsprechend wirkungsvolles Rollenkonzept umgesetzt werden kann.

Die mediale Kommunikation steht stellvertretend für eine aktuelle Überprüfung, wie die neue Rolle von Unternehmen tatsächlich umgesetzt und dabei legitimiert wird. So wurde bereits zur Einführung dieser Arbeit dargelegt, dass die externe Unternehmenskommunikation bzw. Öffentlichkeitsarbeit zentrales Legitimationsmittel der Unternehmen ist. In den vorangegangenen Ausführungen hat sich bereits abgezeichnet, dass Unternehmen ihre neue Rolle noch nicht vollständig umgesetzt haben, sondern sich noch im Wandlungsprozess befinden. Dieser Zustand schlägt sich auch bei den untersuchten Kundenmagazinen nieder. Dies lässt den Schluss zu, dass tendenziell eine offene Haltung der neuen Rolle gegenüber eingenommen wird und der Einfallsreichtum sowie der damit verbundene Einsatz, um dem Kunden die Veränderungen zu vermitteln, hoch sind. Ebenso ist aber auch nach wie vor ein zögerliches Verhalten zu erkennen, was auch mit dem Bewusstsein zu tun haben könnte, dass mit einer Änderung stets auch das entgegengebrachte Vertrauen der Kunden auf dem Spiel steht, da die Auswirkungen jeglicher Neuerungen von den Unternehmen nicht absehbar und damit auch riskant sind.

Unternehmen brauchen mehr als nur eine neue Fassade

Eine diesem Beitrag zugrundeliegende Intention war aufzuzeigen, warum für Unternehmen der Anlass bestehen könnte, in der Gesellschaft eine neue Stellung einzunehmen. Es hat sich somit ergeben, dass auch Unternehmen dem sozialen Wandel unterworfen sind und eine Veränderung daher zwangsläufig ein Teil ihrer Rolle ist. Gleichermaßen handelt es sich bei einer neuen Rolle nicht um eine radikale Neuerfindung der Organisation – ebenso wenig wie es in der Gesellschaft passiert. Trotzdem haben die Veränderungen zumindest langfristig oftmals weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Struktur der Organisation. Ändert sich die Gesellschaft, reicht es eben nicht aus, lediglich die Marketingstrategie an die neue Zielgruppe anzupassen. Im Bereich der Unternehmenskommunikation hat sich mittlerweile schon einiges geändert, wie auch die Untersuchung der Kundenzeitschriften zeigen sollte. So ist definitiv eine Anpassung an die heutigen Vorraussetzungen der Kommunikation erfolgt, die insbesondere durch digitale Vernetzung geprägt ist. Indem Kundenmagazine heute weit über einen kundenbezogenen Service hinausgehen, begeben sie sich auf das Niveau der Publikumszeitschriften und zeigen damit, dass sie sich nicht mehr nur als profitorientierten Anbieter einer bestimmten Leistung sehen, sondern selbst Teil der Gesellschaft sind, eben in der Rolle des Corporate Citizen. Es hat sich aber herausgestellt, dass für Unternehmen diese Rolle in ihrer Funktion noch weiter ausbaufähig ist und dafür auch eine gewisse Notwendigkeit seitens der Gesellschaft besteht. Obwohl es sich tendenziell andeutet, sind Unternehmen für den Außenstehenden nach wie vor undurchsichtig, so dass man als solcher darauf angewiesen ist, was von ihren Mitgliedern nach außen kommuniziert wird. Gerade deshalb ist es schwierig festzustellen, inwiefern Unternehmen ihre neue Rolle tatsächlich auch intern versuchen, ganzheitlich umzusetzen und damit den Unterschied zu erkennen, welche Absicht in Wahrheit hinter den Veränderungen steckt. Geht es ums bloße Überleben und wird daher nur getan, was gerade unbedingt notwendig ist oder ist man bestrebt, wirklich das Ziel zu erreichen und in ihrem gesamten Umfang einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten? Es ist vorstellbar, dass gerade große bzw. traditionelle Konzerne überfordert oder unsicher bezüglich eines Umschwungs sind, da sie vielleicht insbesondere als ältere Organisationen zu festgefahren sind und jegliche Änderungen eine potentielle Gefahr der Existenz darstellen. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Unternehmen einfach abwarten wollen oder vielleicht sogar spekulieren, dass sich eine ganzheitliche Umsetzung nicht lohnt, da die Entwicklung nur als oberflächlicher Trend eingeschätzt wird, von dem man sich möglichst schnell wieder distanzieren möchte, wenn er abgeklungen ist. Gerade aus Perspektive der mitunter organisatorisch schwerfälligen Großkonzerne, ist der Hintergedanke, die nötige Flexibilität zu bewahren, indem ein endgültiger Vollzug im Sinne einer Fixierung auf diese Rolle wohl so lange wie möglich hinausgezögert wird, verständlich.

Im Rahmen dieses Artikels ist der Blick hauptsächlich auf große Unternehmen gerichtet, welche bereits eine lange Tradition haben. Die Untersuchung kleinerer Unternehmen würde hier eventuell ein anderes Bild zeichnen, allerdings hätten dann vermutlich auch schwer Veränderungen festgestellt werden können, da eine angemessene Zeitspanne für einen erkennbaren Vorher-Nachher-Effekt fehlt, wenn die Gründung erst ein paar Jahre zurückliegt. Aus diesem Grund fiel die Auswahl für die Untersuchung der medialen Kommunikation auf Kundenzeitschriften, da hier eine mögliche Veränderung besonders gut zur Geltung kommen kann. Sehr deutlich wird neben den primär untersuchten Merkmalen auch die Entwicklung innerhalb der Kundenbeziehung. Es stellt sich heraus, dass der früher einmal verfolgte Leitsatz ‚Der Kunde ist König’ vollständig abgelöst wurde und stattdessen eine Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet. Unternehmen suchen dafür auf diverse Weisen nach einem aktiven Austausch mit ihren Kunden. Der nächste Schritt, der sich hier bereits abzeichnet, ist nicht nur ein partnerschaftliches Verhältnis zu pflegen, sondern darüber hinaus auch eine Kundengemeinschaft aufzubauen. Vorangetrieben durch die digitalen Vernetzungsmöglichkeiten, wird immer öfter angestrebt, die Kunden untereinander zu verbünden und damit eine digitale Kunden-Community aufzubauen. An dieser Stelle aber endet dieser Beitrag und eine dahin gehende Untersuchung könnte Teil einer weiteren Forschungsarbeit sein. Dabei wäre beispielsweise interessant, herauszufinden, inwiefern sich die Organisation durch eine solche Community verändert und dies eventuell weiter die Rolle als Corporate Citizen stärkt. Darüber hinaus könnte in diesem Zusammenhang danach gefragt werden, wie sich dadurch die Kommunikation verändert, da es gerade im digitalen Bereich sowohl den Austausch zwischen Gruppen, als auch um die Beziehung zwischen einzelnen Individuen geht. Daran können sich weitere Untersuchungen anschließen, wie sich die veränderte Kommunikation und damit verbundene Positionierung auf die Mitarbeiter und andere Stakeholdergruppen auswirkt. Die Legitimierung neuer Rollenfunktionen der Unternehmen scheint jedenfalls in vollem Gange und ein Ende ist wohl so schnell nicht in Sicht, denn generell ist die Wandlung als solche anzusehen. Ein ständiger Prozess, der in unserer Gesellschaft verankert ist, und somit nie abgeschlossen wird. Diesbezüglich scheint sich zumindest auch an dem alten Unternehmersprichwort ‚Stillstand ist Rückschritt’ nie etwas zu ändern.

 

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