Isabell Claren: Ritualisierter Konsum als Chance für die Unternehmenskommunikation

Das Ziel des vorliegenden Fachartikels ist es, zu prüfen, inwieweit Konsumrituale im Rahmen der Unternehmenskommunikation genutzt werden können, um eine langfristige Kundenbindung und Loyalität gegenüber einer Marke zu bewirken. Konsumenten treffen ihre Markenwahl vermehrt auf Basis von Bedeutungen und Werten, die durch Eigenschaften der Markenidentitäten hervorgebracht werden, weil sie eben diese in ihrer eigenen Persönlichkeit implementieren wollen. Ziel ist es, nicht mehr nur die eigentlichen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern durch den Konsum flexibel einsetzbare Identitäten zu generieren, die Zugehörigkeiten zu ausgewählten Wertegemeinschaften hervorbringen. Die Einbindung von Konsumobjekten in rituelle Handlungen, ermöglicht dem Akteur seine Übergangsidentitäten erfahrbar zu machen oder seine Alltagsidentität im Erfahrungsprozess zu bestätigen. Die erfahrbare Identität resultiert aus den praktizierten Konsumritualen, die während außeralltäglicher Erlebnisse oder in alltäglichen Situationen ihre Anwendung finden. Diese setzen sich demnach aus einem identitätsstiftenden Prozess – der aus bewusst ausgewählten Marken resultiert – und rituellen Handlungen zusammen, die für den Akteur eine sakrale Bedeutung aufweisen. Dadurch kann eine Marke zum heiligen Gegenstand eines Konsumrituals werden und selbst eine sakrale Bedeutung annehmen, sodass die Akteure nicht mehr bereit sind die Marke auszutauschen. 

Konsumrituale in der Markenwelt: Eine Einführung

Ein Glas Wein am Abend, um in das Wochenende einzuläuten, die Verwendung von Pflegeprodukten zur Entspannung oder der tägliche Kaffeekonsum am Morgen – zahlreiche Konsumrituale treten in außeralltäglichen Momenten oder im Alltag in Erscheinung. Rituale schaffen es dabei die Situation und die darin auftretenden Gegenstände zu etwas Besonderem zu machen. Werden bewusst ausgewählte Marken in das Ritual eingebunden, können auch diese von der Besonderheit profitieren (Lord, 2011, S. 163). Die Studie „The Ritual Masters“ zeigt auf, dass bereits etablierte Rituale eines Konsumenten Einfluss auf die Markenwahl bzw. die Nutzungshäufigkeit von Marken nehmen können (vgl. BBDO Germany, 2007, S. 1). Rituale geben den Menschen Sicherheit, sie nehmen eine stabilisierende Funktion ein und fungieren als Orientierungshilfe, um sich in einer individualisierten und multioptionalen Welt zurechtzufinden (vgl. Zirfas, 2004, S. 10). Daraus ergibt sich das Potential, Marken und Rituale zusammenzuführen, sodass sie in Form von Konsumritualen eine unzertrennliche Einheit eingehen. Schafft es eine Marke zum Bestandteil eines Rituals zu werden, ist sie für den Konsumenten vorerst nicht mehr austauschbar (vgl. Lord, 2011, S. 161). Aus Perspektive der Unternehmenskommunikation ist dieses Verhalten, angesichts der daraus resultierenden Markenloyalität, ein entscheidendes Phänomen. Denn auf den stark umkämpften Märkten, stehen zahlreiche Anbieter vor der Herausforderung, die eigene Marke erfolgreich zu platzieren und in den Aufmerksamkeitsfokus potentieller Kunden vorzudringen. Gerade langfristige Kundenbeziehungen sichern den Unternehmen Erfolg und profitable Gewinne (vgl. Bruhn, 2016, S. 72 f.). Demnach ist es auch eine langfristige Kundenbindung, die Unternehmen durch kommunikative Maßnahmen erzielen sollten, um sich auf den übersättigten Märkten durchzusetzen. Besonders Unternehmen, die den Konsumenten emotional an eine Marke binden und die eigenen Werte erfahrbar machen, können dem Akteur das Gefühl vermitteln etwas Besonderes zu sein.

Die Studie „The Ritual Masters“ stellt dar, dass prinzipiell jede Marke, die einen Bezug zu konsumrelevanten Feldern aufweist, dafür geeignet ist, mit Ritualen kombiniert zu werden (vgl. BBDO Germany, 2007, S. 2). Dementsprechend beziehen sich auch die Überlegungen des vorliegenden Fachartikels auf Konsumgüter. Rituale werden im Weiteren als sich wiederholende, symbolische Handlungen verstanden, die bewusst von den Akteuren inszeniert werden. Insbesondere die Sinnhaftigkeit, mit der die rituellen Praktiken ausgeführt werden, grenzen Rituale von routinierten Handlungen oder Gewohnheiten ab (vgl. Lord, 2011, S. 162).

Der vorliegende Fachartikel thematisiert das Feld der Konsumrituale und soll analysieren, inwieweit die Ritualisierung von Konsumobjekten in der Unternehmenskommunikation genutzt werden kann, um langfristig Kunden zu binden. Um fundierte Erkenntnisse für diese Untersuchung zu gewinnen, soll zunächst die Forschungsfrage: „Wodurch wird ein Objekt zum Gegenstand eines Rituals?“ beantwortet werden. Der Fachartikel setzt sich aus einem theoretischen Teil und den Ergebnissen einer empirischen Forschung zusammen, die im Rahmen der Analyse durchgeführt wurde.

Rituale in modernen Gesellschaften: Die Konsumkultur

„Rituale erleben eine Renaissance“ (BBDO, Germany, 2007, S. 1). Wurden sie ursprünglich vor einem religiösen Hintergrund praktiziert, führte die Loslösung von glaubensstarken Vorstellungen zu einem Bedeutungsverlust von Ritualen. Im Zuge der Säkularisierung verschwanden dadurch vorerst auch die rituellen Praktiken (vgl. Pickel, 2016, S. 287). Erst in der ausdifferenzierten Individualgesellschaft kehren Rituale zurück. Bei einer näheren Betrachtung zeigt sich, dass gerade in der modernen Konsumgesellschaft die Möglichkeit eines freien Handelns zum Wunsch nach Orientierung führt und die Angebotsvielfalt nach Vereinfachung sehnen lässt (vgl. BBDO Germany, 2007, S. 1 f.). Rituale werden dadurch auch unabhängig von der Religion relevant. Mit dem Drang sich individuell zu entfalten, entstanden zunehmend auch gesellschaftliche Spannungen, die durch das Praktizieren handlungsweisender Rituale gelindert werden sollten. (vgl. Holt, 2004, S. 41).

Beck konstatiert, wie sich Individuen durch die Individualisierung aus determinierten Lebensweisen herauslösen. Dadurch stehen sie einer Vielzahl an Opportunitäten und Handlungsoptionen gegenüber und können das eigene Leben frei gestalten. Das Individuum hat jedoch nicht nur die Option sich frei entscheiden zu können, vielmehr ist es gezwungen eine Entscheidung treffen. Daraus resultiert die konsequente Befürchtung, sich für die falsche Wahl zu entscheiden respektive bereits eine bessere Option verpasst zu haben (vgl. Beck, 2016, S. 216 f.) Rituale fungieren in diesem Zusammenhang als handlungslenkende Instanz, die Subjekte dabei unterstützt eine Entscheidung zu treffen (vgl. Holt, 2004, S. 41).

Im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungen stellt sich schließlich der Begriff einer Konsumkultur ein. Diese bildet den sozialen Raum, in dem sich Unternehmen mit ihren kommunikativen Maßnahmen bewegen, um relevante Kunden zu erreichen und langfristig zu binden. Dabei rückt, seitens der Nachfrager, immer mehr auch die „Bedeutung des Konsums als identitätsstiftender Faktor“ (Jäckel, 2011, S. 17) in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Laut Ullrich gestalten sich in der Konsumkultur die Beziehungen zwischen den Individuen und ihren Konsumgewohnheiten neu. Die zunehmende Angebotsvielfalt und die finanzielle Erwerbsfähigkeit der Konsumenten führen demnach zu neuen Verwendungsformen von Konsumartikeln, die in modernen Gesellschaften nicht mehr nur sich selbst, sondern auch eine sozial konstruierte Bedeutung repräsentieren (vgl. Ullrich, 2014, S. 17 f.).

Beim Erwerb von Konsumartikeln geht es dem Individuum nicht mehr um Materielles, Statussymbole oder Eigentum, sondern um die Möglichkeit zu erwünschten Zuständen, Gefühlen und kulturellen Erfahrungen Zugang zu erhalten (vgl. Rifkin, 2007, S. 20 ff.). Kauft der Konsument einen Konsumgegenstand, suggeriert dieser ihm Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bedeutungs- und Wertegemeinschaft (vgl. Rifkin, 2007, S. 231). Konsumiert werden demnach Symbole und Bedeutungen. Die Zustände, die der Konsument durch den Konsum erreicht, werden wichtiger für ihn als das Produkt selbst.

Schulze konstatiert in seinem Konzept der Erlebnisgesellschaft eine Verschiebung vom außenorientierten zum innenorientierten Charakter, durch die sich auch das Konsumverhalten verändert. Dabei rückt der symbolische Mehrwert von Produkten vor den Gebrauchswert. Diesen benennt Schulze als Erlebniswert. Damit meint er den inneren Zustand eines Konsumenten, der durch den Konsum und das Erleben von Produkten ausgelöst wird. Ein Erlebnis ist demnach immer subjektiv und durch den Konsumenten selbst bestimmt (vgl. Schulze, 2011, S. 13 ff.)  Konsum bietet den Individuen demzufolge die Möglichkeit sich mit bestimmten Konsumgemeinschaften zu identifizieren. Sie glauben die Merkmale der Marken und Produkte auch in ihrer Persönlichkeit hervorbringen zu können und die kulturelle Bedeutung in ihrem Selbst aufzunehmen. Konsum und Identität stehen demzufolge in einem Zusammenhang, denn Konsumgegenstände und Marken repräsentieren die Identität, die sich die Individuen wünschen.

Die Entwicklung zu einer Konsumkultur führt zu einem neuen Konsumentenbild – dem des postmodernen Konsumenten. Sein Handeln ist unabhängig von einer festgelegten Identität. Vielmehr kann von sogenannten „Floating Identities“ (Gutjahr, 2015, S. 119) gesprochen werden. Seine variablen Identitäten bezieht der postmoderne Konsument, indem er die Produkte konsumiert, die mit der entsprechenden Bedeutung aufgeladen wurden und die Werte vertreten, die er seinem eigenen Selbst zuschreiben möchte. Sein Konsumverhalten ist autark und selbstbestimmt. Es unterstützt ihn dabei, seine eigene Identität zu aktivieren und bewusst zu erleben. Dafür greift er auf Inszenierungen von Marken und Produkten zurück, die ihm einen identitätsstiftenden, symbolischen Mehrwert vermitteln. In diesem Zusammenhang werden Rituale wichtig, die laut Gutjahr dem postmodernen Konsumenten einen Zugang zu Erlebnissen ermöglichen, indem sie Markeneigenschaften erfahrbar machen (vgl. Gutjahr, 2015, S. 118).

Kulturelle Symbole: Ikonische Marken

Bei einer inhaltlichen Fokussierung auf den Konsumgütermarkt und die Konsumkultur, stellt sich die Frage, welche Marken dazu geeignet sind, um zum Gegenstand eines Rituals zu werden. Es kann aufgeführt werden, dass Marken, die einen hohen symbolischen Wert aufweisen das größtmögliche Potential haben, um ritualisiert zu werden. Der symbolische Wert bzw. die Bedeutungen einer Marke, können nach außen sichtbar gemacht werden, wenn die Marke in ein Ritual eingebunden wird. Dadurch kann das Individuum seine Zugehörigkeit zu der ausgewählten Gruppe oder Markengemeinschaft gegenüber sich selbst oder gegenüber anderen verdeutlichen (vgl. Lord, 2011, S. 164).

Marken, die einen hohen symbolischen Gehalt aufweisen, haben das Potential sich zu kulturellen Symbolen zu entwickeln und dadurch zu ikonischen Marken zu werden. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie Kunden emotional stark binden und eine kontinuierliche mentale Präsenz im Bewusstsein der Konsumenten erreichen (vgl. Lockermann, 2016, S.100). Darüber hinaus weisen sie nicht nur einen fundierten Grundnutzen auf, sondern auch einen symbolischen Zusatznutzen, der sich bedeutungsvermittelnd auf die Konsumenten auswirkt. Demnach nehmen ikonische Marken auch eine identitätsstiftende Funktion ein, indem sich die symbolische Bedeutung auf die Wahrnehmung und das Verhalten des Konsumenten auswirkt. Ikonische Marken sind folglich mit dem von Schmid und Lyczek beschriebenen „Produkt II“ zu vergleichen, das sich durch einen hohen symbolischen Wert auszeichnet und als soziales Konstrukt definiert werden kann. Produkte existieren, laut Schmid und Lyczek, in zwei unterschiedlichen Welten. „Produkt I“ ist in der physischen Außenwelt präsent, die als „Welt I“ bezeichnet wird. „Welt II“ hingegen verkörpert die innere Wahrnehmung des Konsumenten. Das Produkt existiert in dieser Welt als Vorstellung in den Köpfen der Individuen, genannt „Produkt II“, und weist einen hohen symbolischen Grad auf. Die Bedeutung des „Produkt II“ ergibt sich immer erst aus der Vorstellung der jeweiligen Interpretationsgemeinschaft (vgl. Schmid/Lyczek, 2008, S. 52 ff.).

Ikonische Marken entwickeln zudem ein eindeutiges Selbstbild und zeigen dieses konsequent im gesamten Markenauftritt. Ihre eigene Stellung wird jedoch immer wieder äußerst kritisch reflektiert, um eventuelle Anpassungen am festgelegten Selbstbild vorzunehmen (vgl. Lockermann, 2016, S.101 ff.). Dadurch können kulturelle Werte und sich verändernde Rahmenbedingungen in der Markenführung und in der kommunikativen Ausrichtung implementiert werden. Ikonische Marken können als Experten eines Wechselspiels zwischen Kontinuität und kultureller Anpassung bezeichnet werden.

Auch Holt schreibt ikonischen Marken einen hohen symbolischen Grad zu und ergänzt diesen durch einen mythischen Wert, den die Konsumenten versuchen durch das Praktizieren von Ritualen zu erfahren. Dadurch entsteht eine emotionale Verbindung zwischen Marke und Kunde. Ikonische Marken sind ein starkes kulturelles Symbol, das so wichtig für die Konsumenten ist, dass daraus Loyalität resultiert. Eine dynamische Markenidentität, ein symbolischer Zusatznutzen, der Bedeutungen an die Konsumenten vermittelt, kulturelle Elemente und die Verkörperung von Mythen scheinen demnach dazu beizutragen, dass Marken ikonisch werden. Rituale stellen dabei Handlungen dar, die den symbolischen Charakter einer Marke erfahrbar machen und dem Konsumenten ein besonderes Erlebnis beim Konsum oder bei der Nutzung eines Produkts oder einer Marke verschaffen (vgl. Holt, 2004, S. 8 ff.).

Rituale als Identitätsvermittler

In modernen Gesellschaften beziehen sich Rituale auf die Inszenierung der persönlichen Identität, indem ausgewählte Markenprodukte in das Ritual eingebunden werden (vgl. Bosch, 2016, S. 287 f.). Diese Annahme lässt sich mit verschiedenen Ritualtheorien theoretisch untermauern, anhand derer zudem die Forschungsfrage beantwortet werden kann.

Nach Durkheim nehmen Rituale eine stabilisierende Funktion für die Gemeinschaft ein, aber bestätigen gleichzeitig auch die Identität der einzelnen Akteure sowie die sozialen Beziehungen untereinander (vgl. Durkheim, 2017, S. 439 ff.). Er beschreibt wie Individuen ihre Gefühle auf ein Totem übertragen. Dieses kann beispielsweise ein materielles Objekt und demnach auch ein Konsumgegenstand oder eine Marke sein, das für die Teilnehmer einen solch hohen symbolischen Wert annimmt, dass es mit einer sakralen Bedeutung aufgeladen wird. Rituale erläutert er als eine Zusammenstellung von Regeln, die das Verhalten gegenüber heiligen Gegenständen anleiten. Das von Durkheim beschriebene Totem – als sakrales Objekt – kann in der konsumorientierten Gesellschaft einen Konsumgegenstand darstellen, der mit Bedeutungen und Werten aufgeladen wurde und sich durch den Konsum identitätsstiftend auf den Konsumenten auswirkt. Nach Durkheim führt die Durchführung ritueller Praktiken zur Sakralisierung des Totems (vgl. Durkheim, 2017, S. 280 ff.). Daraus lässt sich ableiten, dass auch eine Sakralisierung von Marken stattfinden kann, wenn das Totem durch einen Konsumgegenstand ersetzt wird. Durch das Praktizieren von Ritualen wird den Individuen ermöglicht, die Werte und Bedeutungen des Gegenstandes aktiv zu erleben.

Übergangsrituale

Die Theorie von Turner fokussiert Übergangsrituale. Damit meint er rituelle Handlungen und symbolische Zeremonien, die Subjekte durch einen Übergang von einem sozialen Status zu einem anderen begleiten. Er bezieht sich auf eine von van Gennep entwickelte Dreiphasenstruktur, die Übergangsrituale in eine Trennungs-, Umwandlungs- und Angliederungsphase unterteilt (vgl. van Gennep, 2005, S. 21.) Turner thematisiert insbesondere die mittlere Phase, die er auch als Liminalität definiert. In dieser Phase befinden sich die Subjekte in einem Zustand der Unbestimmtheit und werden durch Rituale auf ihr zukünftige Rolle vorbereitet. Begleitet werden die dabei durch eine Vielzahl an Symbolen, die sich sinngebend auf die Situation auswirken (vgl. Turner, 1964, S. 47 ff). Laut Turner können die zeremoniellen Handlungen, die während der liminalen Phase durchgeführt werden, ein so intensives Gefühl der Gemeinschaftlichkeit auflösen, dass die Teilnehmer eine Form der kollektiven Ekstase erleben. Durch dieses Gefühl, das Turner als Communitas definiert, werden die rituellen Subjekte dermaßen stark geprägt, dass sie Einstellungen, die sie in dieser Phase entwickeln, anschließend mit in ihren Alltag integrieren (vgl. Turner, 2005, S. 134 ff.). Rituale nehmen demgemäß in außeralltäglichen Situationen eine identitätsvermittelnde Funktion ein.

Für die Beantwortung der Forschungsfrage ist vor allem relevant, dass Turner Rituale als ein Bestandteil eines Bedeutungssystems betrachtet. Daraus erschließt sich, dass den Akteuren die Bedeutung der durchgeführten Rituale bekannt ist und sie bewusst Rituale praktizieren. Vor allem finden diese ihre Anwendung in einer Reihe sozialer Übergänge, die das Individuum im Laufe seines Lebens erfährt. Das rituelle Handeln sowie das symbolische Verhalten ermöglichen dem Ritualteilnehmer eine sakrale Erfahrung, die sich identitätsstiftend auswirkt und das Individuum auf seinen neuen Status vorbereitet. Dabei ist hervorzuheben, dass diese Form der außeralltäglichen Erfahrung oftmals im gemeinschaftlichen Kontext erlebt wird. Turner bestimmt hierfür den Begriff der Communitas, in dem die Subjekte gemeinsame Werte teilen und dadurch ein Gefühl sozialer Zugehörigkeit empfinden. Laut Turner werden in dieser Phase profane Objekte mit sakralen Bedeutungen aufgeladen, die als Gegenstand eines Rituals Individuen durch Übergänge begleiten. Auch hier ergibt sich das Potential für Markenprodukte, den Platz des heiligen Objekts einzunehmen.

Interaktionsrituale

Goffman beschreibt hingegen Rituale, die in alltäglichen und außeralltäglichen Situationen in Erscheinung treten können. Die von ihm beschrieben Interaktionsrituale basieren auf der Grundlage des symbolischen Interaktionismus, dessen Basis der Ansatz von Mead bildet. Demnach durchlaufen alle Gesellschaftsmitglieder einen Sozialisationsprozess, durch den sie ihre Identität sowie ein gemeinsames Verständnis von Symbolen erwerben. Dieser Prozess bildet das Fundament dafür, dass ein interaktiver Austausch von verbalen und nonverbalen Handlungen erst möglich wird (vgl. Mead, 1973, S. 196 ff.). Im symbolischen Interaktionismus fungieren diese Handlungen als symbolische Bedeutungsvermittler, deren Bedeutung aus kulturellen und gesellschaftlichen Komponenten hervorgebracht wird. In Interaktionsprozessen können die Akteure wechselseitig Bedeutungen austauschen, da sie in ihrer Sozialisation ein gemeinsames Verständnis über Symbole entwickelt haben. Die Bedeutungen von Objekten basieren demnach immer auf der Basis kultureller Gegebenheiten (vgl. Stangl, 2017, o.S.). Blumer ergänzt, dass Bedeutungen über Dinge immer auch von einem interpretativen Prozess des Individuums abhängig sind. Dadurch ist die Bedeutung über Dinge sowohl subjekt- als auch situationsabhängig (vgl. Blumer, 2013, S. 64).

Goffman schafft mit seinem Ansatz eine Brücke zwischen den symbolischen Interaktionen, die als Bedeutungsvermittler fungieren, und den darin auftretenden Ritualen. Insbesondere fokussiert er zeremonielle Verhaltensregeln, die dem Individuum ermöglichen seinem Interaktionspartner eine ehrerbietende Wertschätzung zu vermitteln, indem es ihm mit richtigem Benehmen begegnet. Die Verhaltensregeln Ehrerbietung und Benehmen sichern das Funktionieren von sozialen Interaktionen in der Gesellschaft. Die damit verbundenen Rituale fungieren als Hilfsmittel, um Gesellschaftsmitglieder selbstregulierend an sozialen Begegnungen partizipieren zu lassen und die eigene Identität zu wahren (vgl. Goffman, 2013, S. 90 ff.) Goffman beschreibt mit seiner Theorie der Interaktionsrituale einen Ansatz, der eine Funktion von Ritualen in säkularisierten Gesellschaften einordnet. Individuen können sich selbst und anderen eine Form der Heiligkeit erweisen, indem sie Verhaltensregeln und die damit verbundenen Rituale einhalten. Die elementar wichtigen, zeremoniellen Verhaltensregeln, die in diesem Kontext relevant werden, sind Ehrerbietung und Benehmen, die es einem Akteur ermöglichen seinem Gegenüber mit Wertschätzung entgegen zu treten. Diese kann jedoch nicht nur auf interpersoneller Ebene stattfinden, auch gegenüber Objekten kann sich das Individuum anerkennend verhalten (ebd.).

Nur wenn sich das Individuum an den gesellschaftlichen Regeln orientiert, kann es seine Identität aufrechterhalten. Rituale sind demnach nicht mehr nur im religiösen Kontext möglich, sondern eignen sich auch zur Sakralisierung von profanen Handlungen und Objekten, respektive zur besonderen Form der Würdigung anderer Subjekte. Sie fungieren in diesem Kontext, um Bedeutungen zu vermitteln, die – konform zum symbolischen Interaktionismus – in einem interpretativen Prozess der Subjekte entschlüsselt werden müssen. Ein Objekt wird demnach zum Gegenstand eines Rituals, wenn der Akteur diesem mit zeremoniellen Handlungen und den damit verbundenen Verhaltensregeln entgegentritt bzw. diesem eine besondere Wertschätzung erweist. 

Persönliche Rituale

Letztlich können anhand der Theorie nach Freud auch persönlich durchgeführte Rituale dargestellt werden. Freud vergleicht diese mit Zwangshandlungen, die aufgrund einer Neurose entstehen (vgl. Freud, 1907). Unter Einbezug der psychoanalytischen Sicht erkennt er, dass Zwangshandlungen wie rituelle Handlungen „sinnvoll und symbolisch gemeint sind“ (Freud, 1907). Er führt als Beispiel Vorgehensweisen auf, die ein Subjekt immer wieder vor dem Schlafengehen durchführen muss, weil sie ihm als notwendig erscheinen. Diese Rituale führen die Subjekte vor allem durch, um die Interessen ihrer Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Es ist hervorzuheben, dass Freud den Identitätsbegriff niemals wirklich verwendet hat. Vielmehr erklärt er die Persönlichkeit eines jeden Individuums durch die menschliche Psyche, bei der er vor allem auch die Eigenschaften des Unterbewusstseins analysiert. Nach Freud setzt sich die Persönlichkeit aus einem triangulären Verhältnis zusammen, in dem Ich, Es und Über-Ich in einem kontinuierlichen Wechselspiel zueinanderstehen. Das Es verkörpert laut Freud das Unterbewusstsein der menschlichen Psyche und kann als angeborene Instanz verstanden werden (vgl. Freud, 1923, S. 840 ff.). Dem entgegen entwickelt der Mensch auch ein Über-Ich, das als moralische Instanz verstanden werden kann, die durch gesellschaftlich vorgegebene Normen und Werte hervorgebracht wird. Dadurch verinnerlicht das Individuum die Vorstellungen gesellschaftlich angemessenen Verhaltens in seiner Persönlichkeit – repräsentiert durch das Über-Ich. Den Mittelpunkt zwischen Es und Über-Ich bildet das Ich – als das Selbst bzw. die Identität (vgl. Freud, 1923, S. 852 f.). Laut Freud kann zwischen Es, Ich und Über-Ich ein Spannungsverhältnis entstehen, das zu zwanghaft durchgeführten Neurosen führen kann (vgl. Freud, 1924). Dennoch scheint das Individuum die Sinnhaftigkeit der ausgeführten Handlungen zu kennen. Um die Interessen der eigenen Persönlichkeit hervorzubringen, praktiziert das Subjekt Rituale, die oftmals im Privaten stattfinden. Dabei kann „eine Verschiebung vom Eigentlichen, Bedeutsamen, auf ein ersetzendes Kleines“ (Freud, 1907) erfolgen, wodurch profane Dinge einen sakralen Charakter annehmen können und dadurch als Gegenstand eines Rituals fungieren.

Die Sakralisierung des Profanen

Es lässt sich festhalten, dass Rituale als identitätsstiftende und -stützende symbolische Handlungen aufgefasst werden können, die ihre Anwendung vor allem in zeremoniellen Verhaltensweisen der Subjekte finden. Dabei betrachtet Turner außeralltägliche Rituale als Bestandteil eines Bedeutungssystems. Goffman postuliert Interaktionsrituale als Bedeutungsvermittler und auch Freud erkennt die Sinnhaftigkeit privat durchgeführter Rituale im Alltag, die persönlichkeitsbedingt durchgeführt werden. Während Turner und Goffman das Durchführen von Ritualen aus einer gesellschaftlichen Perspektive erklären, bezieht Freud neben dieser auch noch Instanzen der menschlichen Psyche mit ein.

An dieser Stelle kann die Forschungsfrage: „Wodurch wird ein Objekt zum Gegenstand eines Rituals?“ beantwortet werden. Ob außeralltäglich, alltäglich, in der Interaktion oder im privaten durchgeführt, Rituale sind symbolisch, bedeutungsvermittelnd und identitätsstiftend bzw. -stützend und sorgen für Stabilität und Ordnung. Für die Ritualteilnehmer weisen sie einen heiligen Charakter auf, sodass profane Objekte, die in das Ritual eingebunden werden, einen sakralen Wert annehmen können. Laut Durkheim entsteht die heilige Bedeutung eines Objekts dadurch, dass die Ritualteilnehmer ihre Gefühle auf das Objekt (Totem) übertragen. In Übergangsritualen stehen Symbole für bestimmte heilige Bedeutungen, die im Rahmen ritueller Praktiken wesentlich sind. Diese Symbole können laut Turner auch in Form von Objekten in das Ritual eingebunden werden. Sie unterliegen dabei durchaus unterschiedlichen Bedeutungen, die erst im Zusammenhang mit dem jeweiligen Ritual eindeutig werden. Nach Goffman erhält ein Objekt sakrale Wichtigkeit, wenn die Akteure diesem mit besonderer Wertschätzung entgegentreten. Dabei ist wesentlich, dass gesellschaftlich vorgegebene Verhaltensregeln, sowie die damit verbundenen Rituale, eingehalten werden. Bei Freud zeigt sich die Heiligkeit von Objekten dahingehend, dass sie in gewissenhaft ausgeführten, rituellen Handlungen ihre Anwendung finden, denen der Akteur eine besondere Wichtigkeit zuschreibt.

Alltägliche Gegenstände können mit einer mythischen Bedeutung aufgeladen werden und einen symbolischen Charakter annehmen, wenn sie von Akteuren in den Kontext ritueller Praktiken eingebunden werden. Der heilige Wert des Rituals wirkt sich sinnstiftend auf die Objekte aus, die dadurch ebenfalls eine sakrale Bedeutung in sich aufnehmen. Rituale stellen dabei – im Sinne Durkheims – eine Zusammenstellung von Regeln, die das Verhalten gegenüber heiligen Objekten anleiten. Ein Objekt wird demnach zum Gegenstand eines Rituals, wenn es für die Ritualteilnehmer eine sakrale Bedeutung annimmt, die sich infolge der rituellen Handlung identitätsstiftend oder -stützend auf den Akteur auswirkt. Kurzum: Die Sakralisierung des Profanen.

Erfahrbare Identität durch Konsumrituale

Es wurde bereits aufgezeigt, dass Unternehmen Kunden insbesondere dann langfristig binden können, wenn sie die kulturellen und symbolischen Eigenschaften einer Marke erfahrbar machen. Zudem wurde die identitätsvermittelnde Funktion von Konsumaktivitäten und Ritualen dargestellt. Rituale werden dann praktiziert, wenn die Akteure Eigenschaften ihrer Identität bewusst demonstrieren wollen. In ihre rituellen Praktiken binden die Akteure bewusst ausgewählte Marken ein, um deren Eigenschaften und Bedeutungen in ihrer eigenen Persönlichkeit hervorzubringen und gegenüber sich selbst und gegenüber anderen zu erfahren. Die daraus resultierenden Konsumrituale bieten eine Chance für die Unternehmenskommunikation, da Marken, die ritualisiert konsumiert werden und dadurch eine sakrale Wichtigkeit für den Konsumenten aufweisen, vorerst nicht mehr austauschbar sind.

Im Rahmen einer empirischen Forschung, die dieser Ausarbeitung zugrunde liegt, soll beantwortet werden, inwiefern die Unternehmenskommunikation Konsumrituale nutzen kann, um Markenloyalität zu erzeugen. Die Ergebnisse zeigen die Existenz von Konsumritualen während des außeralltäglichen Erlebens und in alltäglichen Situationen. Während alltägliche Konsumrituale überwiegend persönlich vollzogen werden, führen die Akteure Konsumrituale außerhalb des Alltags größtenteils im Kollektiv durch. Während außeralltäglicher Erlebnisse setzen sich Konsumrituale aus ausgewählten Handlungsstrategien und der gleichzeitigen Nutzung eines bewusst ausgewählten Konsumgegenstands bzw. einer Marke zusammen. Die Handlungsstrategien werden von den Akteuren angewendet, um die Situation des außeralltäglichen Erlebens zu bewältigen. Dabei inszenieren sie sich selbst, führen symbolische Handlungen durch, werten sich oder die Situation selbst auf und verteilen konkrete Rollen an sich selbst oder an Beteiligte. Außeralltägliches Erleben entsteht grundsätzlich immer dann, wenn die Akteure dem Alltag entfliehen möchten oder ein Ereignis eine sehr wichtige Bedeutung hat. Grundsätzlich geht das außeralltägliche Erleben auch immer mit zusätzlich zur Verfügung stehender Zeit einher, die während des Alltags nicht genutzt werden kann. Dementsprechend versuchen die Akteure während des Alltags eher stabile Handlungsabläufe einzuhalten, in die sie immer wieder auch bewusst ausgewählte Marken einbinden. Auch alltägliche Situationen können demnach Konsumrituale hervorbringen. Diese scheinen vielmehr im privaten Raum durchgeführt zu werden, als im sozialen Miteinander.

Aus den Kategorien des außeralltäglichen Erlebens und den alltäglichen Situationen kann ein Gesamtphänomen erschlossen werden. Die „erfahrbare Identität“ stellt ein Konstrukt dar, das auch den bereits dargelegten Kategorien hervorgebracht wird und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede darstellt. Es stellt jedoch keine Einrahmung beider Kategorien dar, sondern bildet vielmehr eine Schnittmenge aus dem außeralltäglichen Erleben und den alltäglichen Situationen.

Geleitet durch soziale und äußere Einflüsse bringt das Subjekt eine Identität hervor. Diese ist jedoch nicht auf bestimmte Eigenschaften fixiert, vielmehr passt sich die Identität flexibel an Situationen im Alltag bzw. an außeralltägliche Erlebnisse an. Das heißt, das Individuum weist nicht eine einzige Identität auf, stattdessen passt es sein Selbst an äußere Bedingung an und wechselt zwischen der „Alltagsidentität“ und der „Übergangsidentität“ außerhalb des Alltags. Ein und dieselbe Person kann demnach unterschiedliche Handlungsmuster aufzeigen, abhängig davon ob sie sich in einem alltäglichen oder einem außeralltäglichen Zustand befindet. Diese Abweichungen zeigen sich beispielsweise auch bei der Markenwahl. So kann einem Akteur, der sich in einer alltäglichen Situation befindet, die bewusste Auswahl von Marken als unwichtig erscheinen, während dem gleichen Akteur die Auswahl einer bestimmten Marke als bedeutend erscheint, sobald er etwas Außeralltägliches erlebt.

Es konnte herausgestellt werden, dass Individuen in alltäglichen Situationen scheinbar eher dazu geneigt sind ihre Identität aufrechtzuerhalten, indem sie ihre Handlungsstrategien nach stabilen Abläufen ausrichten oder sich selbst konkrete Verhaltensmuster auferlegen. Sie versuchen dadurch vermutlich ihre Identität zu stützen. In außeralltäglichen Momenten versuchen die Akteure hingegen scheinbar andere Identitäten anzunehmen. Es scheint so, als würden die Akteure versuchen ihrer „Alltagsidentität“, durch die Flucht aus dem Alltag, eine Pause zu gewähren, indem sie während des außeralltäglichen Erlebens eine „Übergangsidentität“ annehmen. Dabei verteilen die Akteure konkrete Identitätsrollen an sich selbst: „Wer will ich sein, wenn ich dem Alltag entfliehe?“ Bei der Beantwortung dieser Frage beeinflussen den Akteur unterschiedliche Faktoren, wie der Wunsch nach Integration, die jeweilige Atmosphäre, das Bedürfnis zur Traditionssicherung oder aber auch ein Verlangen nach Transformation.

Interessant ist dabei, wie der Akteur während des außeralltäglichen Erlebens bzw. in alltäglichen Situationen mit Marken umgeht. Daraus ergibt sich eine interessante Fragestellung, die mit dem Gesamtphänomen der „erfahrbaren Identität“ gelöst werden kann: Warum praktizieren Individuen überhaupt Konsumrituale und treffen ihre Markenwahl im Alltag anders als außerhalb des Alltags?

Konsumrituale finden ihre Anwendung, weil die Akteure scheinbar aus Konsumgegenständen ihre Identitäten beziehen und diese gegenüber sich selbst und gegenüber anderen erfahrbar machen wollen. Während des außeralltäglichen Erlebens zeigen die Akteure mit ihrer „Übergangsidentität“ wer sie sein wollen, indem sie sich beispielsweise durch den Konsum von bestimmten Markenprodukten inszenieren. Weil die Akteure ihre Identität aus den Eigenschaften bewusst ausgewählter Marken zusammensetzten, ist es ihnen in außeralltäglichen Momenten wichtig, genau diese Marken in ihren Konsum einzubinden. Aus den Eigenschaften der Marken beziehen sie ihre „Übergangsidentität“, die durch das Konsumritual zu einer „erfahrbaren Identität“ wird.

Auch in alltäglichen Situationen können Konsumrituale zu einer „erfahrbaren Identität“ führen. Diese wirkt sich jedoch eher identitätsstützend auf die „Alltagsidentität“ aus. Wird der Kaffeekonsum am Morgen zu einem Konsumritual mit transformierendem Charakter, kann der Akteur jeden Morgen sicherstellen „Ich bin ich“. Die Akteure wechseln demnach zwischen der „Alltagsidentität“ in alltäglichen Situationen und „Übergangsidentitäten“ während des außeralltäglichen Erlebens. Durch das Praktizieren von Konsumritualen können diese Identitäten erfahrbar werden, woraus die „erfahrbare Identität“ resultiert. Im Alltag hat das Erfahren der eigenen Identität die Aufgabe dem Akteur zu bestätigen „Ich bin ich“. Außerhalb des Alltags unterstützt die „erfahrbare Identität“ den Akteur bei der Frage „Wer will ich sein?“. Darüber hinaus kann die erfahrbare Identität auch Eigenschaften der „Übergangsidentitäten“ mit in den Alltag nehmen und diese in der „Alltagsidentität“ verankern. Dadurch kann festgehalten werden, dass Konsumrituale eine wichtige Rolle im identitätsbildenden Prozess einnehmen.

Konsumrituale als Chance für die Unternehmenskommunikation: Das Ergebnis

Für die vorliegende Untersuchung ergibt sich daraus folgendes Ergebnis: Konsumrituale umfassen Handlungsstrategien des außeralltäglichen Erlebens oder der alltäglichen Situationen und binden gleichzeitig einen Konsumgegenstand – insbesondere eine bewusst ausgewählte Marke – ein. Dadurch resultieren Konsumrituale entweder als Konsequenz aus dem außeralltäglichen Erleben oder aus alltäglichen Situationen. Für die Unternehmenskommunikation bedeutet das, dass Ritualisierung genutzt werden kann, um Kunden langfristig zu binden. Denn ist eine Marke einmal zum Gegenstand eines Konsumrituals geworden, scheint sie für den Konsumenten eine sakrale Bedeutung anzunehmen, sodass dieser nicht mehr bereit ist die Marke auszutauschen. Dennoch muss auch resümiert werden, dass Konsumrituale scheinbar eher während des außeralltäglichen Erlebens entstehen. Produkte und Marken, die in außeralltäglichen Momenten ihre Anwendung finden, eignen sich demnach eher, um ritualisiert zu werden. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten speziell Lebensmittel, Spirituosen, Kosmetika und Kleidung als geeignete Produktkategorien identifiziert werden, um zu einem Gegenstand eines Konsumrituals zu werden. Aber auch für Produkte aus dem Alltag besteht scheinbar die Möglichkeit ritualisiert konsumiert zu werden. Insbesondere wurden hier Produkte erkannt, die einen transformierenden Charakter aufweisen und dem Akteur seine Identität bestätigen. Aus diesem Grund eignet sich scheinbar der Kaffee am Morgen, um zu einem Gegenstand eines Konsumrituals zu werden, die Zahnpasta scheint aber eher ein Objekt einer routinierten Handlung zu bleiben.

Schlussbetrachtung

Die Ergebnisse der Theorie und der empirischen Forschung zeigten auf, dass auch profane Konsumgegenstände eine bedeutende Wichtigkeit für die Akteure darstellen können. Sie werden in rituelle Konsumpraktiken mit einbezogen, da die Subjekte die Bedeutungen und Werte erfahrbar machen wollen, die sie den Produkten bzw. Marken zuschreiben. Das sakrale Objekt wird dabei durch den Konsumgegenstand bzw. eine bewusst ausgewählte Marke ersetzt. Dadurch gewinnt die Marke eine heilige Wichtigkeit für den Akteur und ist für ihn nicht mehr austauschbar.

Die Erfahrbarkeit der Markenidentität ist in postmodernen Gesellschaften ein relevanter Treiber für den Erfolg von Marken. Konsum bezieht sich nicht mehr nur auf die eigentliche Bedürfnisbefriedigung, sondern ist vielmehr ein sinnstiftender Prozess, der kulturelle Werte und Bedeutungen an die Individuen vermittelt. Konsumgegenstände und Marken repräsentieren demzufolge die Identität, die sich die Konsumenten wünschen und verschaffen ihm Zugehörigkeit zu einer ausgewählten Wertegemeinschaft. Dabei wird jedoch nicht nur eine Identität angestrebt, stattdessen wollen die postmodernen Akteure verschiedene Identitäten flexibel zum Einsatz bringen. Rituale nehmen dabei die Funktion ein sich identitätsstiftend bzw. -stützend auszuwirken und die vermittelten Bedeutungen und Werte auch erfahrbar zu machen. Profane Objekte werden zum Gegenstand eines Rituals, wenn sie einen sakralen Wert für die Beteiligten annehmen. Dieser resultiert daraus, dass Rituale einen heiligen Charakter für die Akteure aufweisen, der sich auf das Objekt überträgt. Die Bedeutungen, die dem Objekt zugeschrieben werden, wirken sich identitätsstiftend bzw. –stützend auf die Subjekte aus.

Wie das profane Objekt, das zum Gegenstand ritueller Handlungen werden kann und den Akteuren dadurch sakrale Bedeutungen vermittelt, können auch Konsumobjekte in Ritualen eingebunden werden. Konsumrituale können aus außeralltäglichem Erleben und in alltäglichen Situationen entstehen und ermöglichen dem Konsument seine Identität zu erfahren. Wählen Konsumenten bewusst eine Marke aus und binden diese in rituelle Praktiken ein, dann integrieren sie einerseits die Eigenschaften der Markenidentität in ihrer Persönlichkeit, andererseits machen sie die daraus resultierende Identität erfahrbar. Um diesen Vorgang in einem Gesamtkonstrukt festzuhalten, wurde das Phänomen der „erfahrbaren Identität“ konzeptioniert. Dieses setzt sich auf der einen Seite aus der „Alltagsidentität“ in alltäglichen Situationen zusammen, auf der anderen Seite aus „Übergangsidentitäten“, die der Akteur während des außeralltäglichen Erlebens hervorbringen kann. Diese Identitäten können gleichermaßen erfahrbar werden, wenn die Akteure Konsumrituale praktizieren. Dabei nimmt jedoch die Erfahrung der „Alltagsidentität“ eher eine bestätigende Funktion ein, während die „Übergangsidentitäten“ den Akteur erfahren lassen, wer er außerhalb des Alltags sein möchte. Die Ergebnisse zeigten des Weiteren auf, dass die Subjekte besonders während außeralltäglicher Momente, nicht auf den Prozess der Identitätsstiftung verzichten wollen, sodass sie sich oftmals an bewusst ausgewählte Marken binden. Hingegen bleiben im Alltag viele Handlungen eine einfache Routine und nur wenige Konsumobjekte schaffen es zum sakralen Gegenstand eines Rituals zu werden. Entsprechend zeigen sich die Akteure im Alltag immer wieder auch wechselfreudig und binden nur vereinzelnd fest ausgewählte Marken in rituelle Handlungen ein. Für die Unternehmenskommunikation bedeuten die Ergebnisse, dass Ritualisierung genutzt werden kann, um Kunden zu binden. Allerdings ist dafür die richtige Steuerung der Markenidentität wesentlich. Produkte und Marken, die während außeralltäglicher Erlebnisse ihre Anwendung finden, können einfacher zu einem sakralen Objekt werden, da die Subjekte außeralltäglichen Erlebnissen oftmals von vornherein eine heilige Bedeutung zuschreiben.

Im Anschluss an diesen Fachartikel verbleiben relevante Themenkomplexe unbearbeitet, die im Rahmen zukünftiger Forschungen vervollständig werden könnten. Die Ergebnisse der Ausarbeitung bilden eine Grundlage für die Formulierung hypothetischer Annahmen, die im Rahmen einer quantitativen Forschungsmethode geprüft werden könnten. Nur durch weitere Forschungen können repräsentative Ergebnisse erzielt werden, um wertvolle Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, die Unternehmen anleiten, wie sie durch Ritualisierung Kunden binden können.

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